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Konzept eines überkulturellen und überreligiösen ethischen Grundbestands Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Weltethos ist die Formulierung eines Grundbestandes an ethischen Normen und Werten, der sich aus religiösen, kulturellen und zum Teil auch aus philosophischen Traditionen der Menschheitsgeschichte herleiten lässt. Der Theologe Hans Küng prägte den Begriff 1990 mit seinem Buch Projekt Weltethos.
Das Projekt Weltethos ist ein Versuch, die Gemeinsamkeiten der Weltreligionen zu beschreiben und ein gemeinsames Ethos, ein knappes Regelwerk aus den Grundforderungen aufzustellen, welche von allen akzeptiert werden können.
Ebenso wie die internationale Erd-Charta-Initiative versucht das Projekt seit 1993, die ethischen Grundlagen für eine humanere und demokratischere Weltordnung zu formulieren, um unter anderem drohende ökologische Katastrophen abzuwenden.
Die Grundüberzeugungen des Projektes Weltethos sind
„Diese eine Welt braucht ein Ethos; diese eine Weltgesellschaft braucht keine Einheitsreligion und Einheitsideologie, wohl aber einige verbindende und verbindliche Normen, Werte, Ideale und Ziele.“
Ein wichtiges Beispiel für die Gemeinsamkeiten in den Religionen, aber auch nicht religiösen Ansichten ist das Prinzip der Goldenen Regel. Alle Religionen und Kulturen kennen dieses Prinzip der Gegenseitigkeit. In Form eines deutschen Sprichworts aus dem Judentum[1] lautet es: Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu. Das Projekt Weltethos führt folgende Beispiele zu den einzelnen Weltreligionen an:
Vom 28. August bis zum 4. September 1993 trafen sich in Chicago Vertreter vieler verschiedener Religionen zum Weltparlament der Religionen, um eine Konsenserklärung zu verabschieden, welche die Menschenrechtserklärung von 1948 ethisch begründen sollte. Es beteiligten sich 6.500 Menschen aus 125 Religionen und religiösen Traditionen. Sie einigten sich in der Erklärung zum Weltethos[3] auf die beiden allgemein-ethischen Prinzipien „Menschlichkeit“ und „Gegenseitigkeit“ (Goldene Regel), sowie auf die vier Weisungen (Du sollst nicht töten, stehlen, lügen und Unzucht treiben), die in den Leitsätzen formuliert wurden:
Der Entwurf der „Erklärung zum Weltethos“ war unter Federführung von Hans Küng im Institut für ökumenische Forschung der Universität Tübingen entstanden. Mit dieser Erklärung verständigten sich erstmals Vertreter aller Religionen über Prinzipien eines Weltethos. Vier Jahre später folgte der Entwurf für eine „Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten“ des InterAction Council, ein Gremium früherer Staats- und Regierungschefs unter dem Vorsitz des früheren deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt.
Im Juli 2018 wurde zum 25-jährigen Gedenken an die Weltethos-Erklärung von 1993 beim 7. Parlament der Weltreligionen in Toronto eine fünfte Weisung zur Ökologischen Verantwortung hinzugefügt. Vorausgegangen waren ein breiter monatelanger Beratungsprozess und die Zustimmung des Kuratoriums des Parlaments der Weltreligionen.[6]
Im Judentum etwa werden die ethischen Prinzipien und Weisungen der Weltethos-Erklärung aus den 10 Geboten und aus dem Talmud hergeleitet; im Christentum aus dem Neuen Testament und ebenfalls aus den 10 Geboten, wobei Jesu Auslegung dieser Gebote[7] in der Bergpredigt[8] für Christen maßgebend ist.
Die Weiterentwicklung und Umsetzung des Projekts Weltethos wird von der Stiftung Weltethos mit Hauptsitz in Tübingen betrieben.[9] Gegründet wurde die Stiftung von Hans Küng von dem Baden-Badener Unternehmer Karl Konrad von der Groeben, der 1995 durch das Buch Projekt Weltethos auf das Thema aufmerksam wurde. Er stellte 5 Mio. DM zur Verfügung. Aus den Zinserträgen sollte die weitere Arbeit langfristig finanziert werden. Erster Präsident der Stiftung war Hans Küng. Im März 2013 (zu Küngs 85. Geburtstag) übernahm der Präsident des Staatsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg, Eberhard Stilz, diese Position; der zunächst vorgesehene Altbundespräsident Horst Köhler hatte aus persönlichen Gründen abgesagt.[10][11] 2022 wurde die Präsidentschaft von Prof. Dr. Bernd Engler übernommen, dem langjährigen Rektor der Universität Tübingen.[12][13]
Aufgaben:
Ziele der Stiftung sind die Vermittlung ethischer und interkultureller Kompetenz sowie Dialog, Zusammenarbeit und Frieden zwischen Religionen und Kulturen. Um diese Ziele zu erreichen, verwirklicht die Stiftung Weltethos national wie international Projekte in den Bereichen Bildung und Schule, Religion, Politik, Wirtschaft und Kultur. 2012 errichtete die Stiftung ein Weltethos-Institut an der Universität Tübingen, finanziert von der Karl Schlecht Stiftung und mit den Arbeitsschwerpunkten Wirtschaftsethik, Unternehmensethik und Globalisierungsethik. Nationale und internationale Aufmerksamkeit erhielt die Stiftung durch die 2000 gemeinsam mit der Universität Tübingen initiierten Weltethos-Reden von internationalen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und öffentlichem Leben.
Seit 1996 gibt es auch in der Schweiz eine Stiftung Weltethos, finanziert durch Martita Jöhr-Rohr (1912–2008), die Witwe des Schweizer Nationalökonomen Walter Adolf Jöhr. Auch in Österreich, Tschechien, Kolumbien, Mexiko und Brasilien entstanden Weltethos-Stiftungen oder ähnliche Strukturen.[14][15]
Am Projekt Weltethos wird bemängelt, dass die Grundlagen für dieses gemeinsame Ethos zu sehr westlichen Denkweisen entsprängen und somit die Inhalte anderer Religionen nicht genug berücksichtigten. Ein anderer Kritikpunkt ist, dass die Religionen gegenüber dem Weltethos an Bedeutung verlieren und somit jahrhundertealtes Wissen und Traditionen in Vergessenheit geraten könnten.[16] Schließlich wendet sich das Projekt Weltethos an die (großen) Religionen der Welt und berücksichtigt Menschen, die Religion fernstehen oder nicht religiös sind, lediglich am Rande. Dagegen wenden sich verschiedene Projekte, etwa das Projekt Ethify Yourself.[17]
Als einer der schärfsten Kritiker des Projekts Weltethos tat sich der Philosoph Robert Spaemann hervor.[18] Für den Philosophen Volker Zotz „schwingt in Küngs Denken die Utopie einer Einheit mit, wodurch die Gefahr besteht, die Augen vor den realen Differenzen zu verschließen oder diese zumindest weniger wichtig zu nehmen als das einende.“ Zotz sieht im Projekt Weltethos die „Tendenz, bei anderen das dem Eigenen Ähnliche wichtiger zu nehmen als Differenzen. Das Bewusstsein einer Universalität des Menschlichen, das nicht Völker und Kulturen entzweien will, führt hier zu Widerständen dagegen, andere als in grundlegenden Elementen verschieden von sich selbst wahrzunehmen.“[19]
Die Idee des Weltethos versteht der Rechtsphilosoph Axel Montenbruck bereits als Teil einer westlich-säkularen Zivilreligion der Verfassungen und Konventionen; zugleich bettet er die Idee des Weltethos in die Idee eines universellen Gerechtigkeits-Naturalismus ein, etwa im Sinne des vernünftigen Schwarmverhaltens.[20]
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