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verhüllt während der Fastenzeit in katholischen und evangelischen Kirchengebäuden die bildlichen Darstellungen Jesu Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Fastentuch (auch Hungertuch, Palmtuch, Passionstuch oder Schmachtlappen, lateinisch velum quadragesimale, „Fasten(zeit)velum“) verhüllt in der Fastenzeit (Quadragesima) in katholischen und evangelischen Kirchengebäuden die bildlichen Darstellungen Jesu, in der Regel das Kruzifix. Es entstand aus dem jüdischen Tempelvorhang, der im Neuen Testament im Zusammenhang mit dem Kreuzestod Jesu mehrfach erwähnt wird (Mt 27,51 EU; Mk 15,38 EU; Lk 23,45 EU). In Deutschland haben gegenwärtig vor allem die Hungertücher, die das katholische Hilfswerk Misereor seit 1976 herausgibt,[1] weite Verbreitung gefunden.
Das Fastentuch kann während der gesamten Fastenzeit im Chor hängen (daher lat. velum quadragesimale „Tuch der 40 Tage“, als Bezug auf den Tempelvorhang auch velum templi). In manchen Kirchen wird es vor dem Passions- oder dem Palmsonntag angebracht.
Das Tuch trennt die Gemeinde optisch vom Altarraum und dessen Schmuck und erlaubt der Gemeinde, die Liturgie lediglich hörend zu verfolgen. Zur körperlichen Buße des Fastens tritt eine geistliche. Der volkssprachliche Ausdruck „am Hungertuch nagen“ bezieht sich somit nicht nur auf materielle Armut. Das Fastentuch wurde nach der Komplet des ersten Fastensonntags aufgehängt und blieb bis zur Komplet des Mittwoch in der Karwoche. An Sonntagen und bei besonderen Gottesdiensten wie der Priesterweihe wurde es zurückgezogen, regional auch während der Elevation bei der heiligen Messe an Werktagen. Manche Fastentücher waren in der Mitte geteilt und konnten nach beiden Seiten auseinandergezogen werden.[2]
Fastentücher dieser Art gibt es aus dem Ende des 13. Jahrhunderts (St. Peter und Paul (Brandenburg an der Havel)) sowie aus dem 15. Jahrhundert (Güglingen, Württemberg, und Dresden).
Bereits die „Consuetudines“ der Abtei Farfa erwähnten um das Jahr 1000 den Brauch des Fastentuchs. Bis ins 12. Jahrhundert blieb dieses ein rein symbolisches Objekt aus einfarbigem Stoff – häufig Leinen, auch Seide –, der nur im Einzelfall durch ornamentale Stickerei verziert wurde. Danach wurde das Fastentuch als Form der christlichen Kunst entdeckt, diese blieb über mehrere Jahrhunderte produktiv. Eine Beschreibung aus dem Jahr 1493 belegt, dass zwischen 1126 und 1149 im Kloster St. Ulrich und Afra zu Augsburg ein (nicht mehr erhaltenes) Fastentuch mit künstlerischen Darstellungen entstand.
Die Schwerpunkte der künstlerischen Entwicklung waren einerseits die Alpenregion, vornehmlich Kärnten und Tirol, andererseits in Norddeutschland mit Westfalen und Niedersachsen. Einheitlich blieb der Motivkreis der Darstellungen, die im Sinne einer Bilderbibel Szenen aus dem Leben Jesu Christi zeigten, im weiteren Verlauf die gesamte Heilsgeschichte, lokal beschränkt auch Szenen aus dem Leben der Heiligen.
Mit seinen Maßen von zehn mal zwölf Metern und einem Gewicht von mehr als einer Tonne gilt das Freiburger Fastentuch als das größte erhaltene Fastentuch überhaupt.
Die alpenländische Tradition veränderte die Werkstoffe; das Fastentuch bestand hier aus mehreren horizontal vernähten Bahnen fester Leinwand, die in der Praxis der sogenannten Tüchleinmalerei schon mit Temperafarben bemalt wurden. Dadurch entstand eine Frühform der Tuchmalerei, während der gebräuchlichste Malgrund noch bis ins 15. Jahrhundert hinein Holz blieb. Ein künstlerischer Höhepunkt ist das Fastentuch in der romanischen Basilika zu Gurk (1458), das 99 Einzelmotive in horizontal angeordneten Streifen zeigt. Es ist in seiner Motivverknüpfung und in der erzählerischen Bildstruktur ein typisches Beispiel sequenzieller Kunst. Das Fastentuch ist üblicherweise ein schlichtes oder in Weißstickerei gefertigtes, auch mit biblischen Darstellungen versehenes Tuch.
Die Schöpfer von Fastentüchern aus Westfalen und Niedersachsen behielten zwar Leinen als Material und Stickerei als Arbeitstechnik bei, veränderten jedoch die Gestaltung, indem sie einzelne Motive auf kleineren Rechtecken abbildeten, die durch Leinenstege verbunden sind – ein Flickenteppich bzw. textiles Mosaik. Vereinzelt wurde auf straff gespanntem Leinen aber auch Malerei versucht.
Ausgehend von der norddeutschen Tradition setzten sich allmählich Motive der Passion Christi durch. Ein zentrales Thema seit dem 16. Jahrhundert wurde die Darstellung der Kreuzigung Christi; die Bildkomposition nahm die Arma Christi (die Leidenswerkzeuge Christi) auf. Darin tritt ein Paradoxon zwischen theologischer und künstlerischer Idee zutage, hatte doch das Fastentuch bisher dazu gedient, den Anblick des Kruzifixes zeitweilig zu verhüllen.
Das Marienfelder Fastentuch diente im 19. Jahrhundert als Vorlage für einige andere Fastentücher im Münsterland. So befinden sich heute noch welche nach diesem Vorbild in Billerbeck St. Johanni, Lüdinghausen St. Felizitas, Nordwalde St. Dionysius und Warendorf St. Laurentius.
Die Fertigung und Anbringung eines Fastentuchs wurde – mit wenigen Ausnahmen – als religiöses Brauchtum bis ins 18. Jahrhundert nur in katholischen Gegenden beibehalten, da sich Luther gegen diese Tradition der Sakralkunst als „Gaukelwerk“ aussprach. Obwohl sie einst weit über die ursprünglichen Grenzen hinausreichte, blieb sie nach der Reformation nur in den Entstehungsbieten erhalten; vereinzelt gibt es dort noch Kirchen, die die Tradition pflegen. Allerdings zeigt sich, dass das Fastentuch als Kunstform neu entdeckt wird.
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