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deutscher evangelischer Theologe, Historiker und Politiker Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Gerhard Adolf Besier (* 30. November 1947 in Wiesbaden) ist ein deutscher evangelischer Theologe, Historiker und Politiker (parteilos, zuvor Die Linke). Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind Kirchengeschichte und europäische Zeitgeschichte. Vor allem seine drei Bände zu Der SED-Staat und die Kirche (1993–1995) sind Standardwerke zur Aufarbeitung der Geschichte der DDR. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte der Kirchen im 20. Jahrhundert. Von 2009 bis 2014 war Besier Mitglied des Sächsischen Landtags.
Nach dem Abitur an der Gutenbergschule Wiesbaden begann Besier 1968 ein Studium der evangelischen Theologie und bestand 1973 das Erste theologische Examen. Er wurde Assistent des Tübinger Kirchenhistorikers Klaus Scholder, promovierte 1976 bei ihm zum Dr. theol., empfing 1977 die Ordination und legte 1978 das Zweite theologische Examen ab. Ein parallel absolviertes Zweitstudium der Psychologie schloss er 1980 mit der Diplomprüfung ab.
Nach der Habilitation im Fach Kirchengeschichte (1982) und einer weiteren Promotion (1986 in Geschichtswissenschaften am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin) sowie Tätigkeiten als Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und als Rektor des Religionspädagogischen Instituts Loccum folgte er 1987 einem Ruf der Kirchlichen Hochschule Berlin (West) auf den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Kirchengeschichte.
1992 wurde Besier auf den Lehrstuhl für Historische Theologie an der Universität Heidelberg berufen. 2003 wechselte er an die Technische Universität Dresden, wo er als Professor für Totalitarismusforschung und Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (HAIT) tätig war. Nachdem sein Vertrag vom Kuratorium des HAIT infolge eines Misstrauensvotums der Mitarbeiter sowie öffentlicher Kritik nicht verlängert wurde, lehrte Besier seit 2008 als Professor für Europastudien an der TU Dresden. Zum Ende des Wintersemesters 2012/13 wurde er emeritiert.[1]
1997/98 erhielt Besier für seine Arbeit Gespaltene Kirchen im totalen Staat, 1934–1939 das Forschungsstipendium des Historischen Kollegs. Im Mai 2009 verlieh ihm die Universität Lund (Schweden) für seine außerordentlichen Leistungen auf den Gebieten der Geschichte und Kirchengeschichte sowie aufgrund seines Engagements für Religionsfreiheit in Europa die Ehrendoktorwürde.[2] Besier war Gastprofessor der Stanford University[3] in den USA, in Polen und in Schweden. Er ist Mitherausgeber der Zeitschriften Kirchliche Zeitgeschichte und Religion – Staat – Gesellschaft sowie der Buchreihen Historisch-Theologische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert und Mittel- und Ostmitteleuropastudien. Besier ist im Vorstand des Sigmund-Neumann-Institutes tätig.[4]
Seit 2014 ist Besier auch als Rechtspsychologe tätig, hat dazu an der Psychologischen Hochschule Berlin ein zweijähriges postgraduales Studium absolviert und dieses mit dem Master of Science (M.Sc.) abgeschlossen.
Besier gehörte ab April 2009 der Partei Die Linke an und wurde im Juni desselben Jahres als Mitglied von deren Kompetenzteam in Sachsen für die Bereiche Wissenschaft und Religion vorgestellt.[5] Bei der Landtagswahl 2009 wurde er über die Landesliste seiner Partei in den Sächsischen Landtag gewählt – obwohl er nach eigener Aussage viele sozialpolitische Vorstellungen der Linken nicht teile.[6] In seiner Zeit als Abgeordneter war Gerhard Besier wissenschafts- und hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke und zugleich Vorsitzender des Wissenschafts- und Hochschulausschusses des Sächsischen Landtages. Nachdem er beim Parteitag der Landesverbands Die Linke Sachsen für die Landtagswahl 2014 nicht auf einen aussichtsreichen Listenplatz nominiert wurde, erklärte er am 6. April 2014 seinen Austritt aus der Partei und gehörte der Fraktion als parteiloser Abgeordneter bis zum Ende der Legislaturperiode an.[7]
Ende August 2014, kurz vor der Landtagswahl, zog Besier eine kritische Bilanz[8] und veröffentlichte Anfang September das Buch Fünf Jahre unter Linken. Über einen Selbstversuch.[9]
Im Januar 2017 rückte Besier für die Partei Die Linke von Listenplatz vier in den Dresdner Stadtrat nach.[10][11] Im Dezember 2018 trat er zur Stadtratsfraktion der FDP über.[12] Zum Ende der Wahlperiode schied er 2019 aus dem Stadtrat aus.
Schon mit der Veröffentlichung seines Buchs Der SED-Staat und die Kirche – Der Weg in die Anpassung wurde Besier von anderen Kirchenhistorikern kritisiert. Das Buch, das auf Forschungen aus den Unterlagen der Stasi basierte, beschuldigte Karl Barth und andere Vertreter des Bruderrats aus der Bekennenden Kirche sowie deren Anhänger in der folgenden Generation, dass sie aus einer linkspolitischen Motivation heraus zur Zusammenarbeit mit einem totalitären Staat bereit waren.[13] Anlass für Kritik war seine Methodik, da die Unterlagen der SED ihrer Natur nach nur Zusammenarbeit dokumentieren können, nicht aber Motivationen oder weitere Tätigkeiten.
Besier blieb auch später wegen seines Engagements für Religionsfreiheit bis hin zur strikten Trennung von Staat und Kirche (siehe auch Laizismus) weiterhin umstritten. So hat er sich unter anderem für die Scientology-Kirche eingesetzt, indem er im September 2003 bei der Eröffnung eines Büros dieser Organisation in Brüssel eine Rede hielt, in der er die Ansicht vertrat, diese Kirche stünde „in der ersten Reihe derjenigen, die für die Akzeptanz von religiösem Pluralismus kämpfen“.[14] Einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter Freimut Duve, Daniel Cohn-Bendit und Antonia Grunenberg, forderten daraufhin vom Hannah-Arendt-Institut, dass es sich von seinem Direktor distanzieren solle.[15] Im Rückblick distanzierte sich Besier noch einmal ausdrücklich von Scientology und bezeichnete seinen Auftritt in Brüssel als „politischen Fehler“.[16]
Einige Kollegen Besiers kritisierten die Nichtverlängerung von Besiers Vertrag. Der Historiker Jürgen Kocka sieht den wahren Grund dafür darin, dass Besier, einst Wunschkandidat der CDU, sich konsequent einer „politischen Indienstnahme verweigert“ habe. Der Theologe Klaus Berger vertritt die Auffassung, dass die Scientology-Affäre nur als Vorwand diene: „Kollege Besier [hat] sich durch drei Dinge Feinde gemacht: Er hat es gewagt, das Verhalten der deutschen Christentümer unter den beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts zu erforschen, und er hat Fragen zum Thema Religionsfreiheit in Deutschland aufgeworfen.“[17][18] Besiers Vertrag mit dem Hannah-Arendt-Institut lief 2008 aus und wurde, wegen seiner speziellen Sicht der Religionsfreiheit in Deutschland, nicht verlängert.[19] Sowohl Besiers Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut als auch mehrere Professoren an der Philosophischen Fakultät der TU Dresden haben sich inzwischen von ihm distanziert.[20] Allerdings war auch der Vertrag von Besiers Vorgänger, Klaus-Dietmar Henke, nicht verlängert worden. Als Besiers Nachfolger wurde Günther Heydemann berufen.
Nachdem der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm eine Debatte entfacht hatte, ob am „Werteverfall“ in den ostdeutschen Bundesländern ihre bis 1989 erfolgte „Entkirchlichung“ schuld sei, verwies Besier auf eine 2006 erfolgte Untersuchung zum Rassismus („Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Sachsen“), die ergeben habe, dass sich „Angehörige einer der beiden großen christlichen Konfessionen […] über ganz Deutschland hinweg im Vergleich zu Konfessionslosen insgesamt als feindseliger“ erweisen.[21]
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