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Adjuvans
Hilfsstoff, der die Wirkung eines Reagenz oder eines Arzneistoffes verstärkt Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Ein Adjuvans, Mehrzahl Adjuvantien, Adjuvantia oder Adjuvanzien (von lateinisch adiuvare = unterstützen, helfen; übersetzt „Hilfsmittel“) oder Remedium adjuvans ist ein Hilfsstoff, der die Wirkung eines Reagenz (in der Labormedizin) oder eines Arzneistoffes (in der Pharmakologie) verstärkt.[1] Chemisch-physikalisch handelt es sich häufig um Lösungsvermittler, Emulsionen oder Mischungen daraus. Idealerweise sollte ein Adjuvans keine eigenen pharmakologischen Wirkungen aufweisen.
Ein Beispiel für eine arzneiliche Wirkverbesserung durch Adjuvanzien stellt etwa der Einsatz von Penetrationsbeschleunigern dar,[2] wie dem Dimethylsulfoxid (DMSO) in manchen Arzneimitteln zur Anwendung auf der Haut. Durch das beschleunigte Eindringen des Arzneistoffes werden höhere Wirkspiegel im Gewebe erreicht.
Abzugrenzen ist das Adjuvans als Wirkungsverstärker von der adjuvanten Therapie als unterstützende medikamentöse Therapiemaßnahme wie beispielsweise in der Onkologie, Schmerztherapie oder Rheumatherapie. Diese beugt den Nebenwirkungen des Hauptwirkstoffes vor (Beispiele sind die Gabe von Antiemetika in der Schmerztherapie mit Opioiden oder von Protonenpumpenhemmern in der Rheumabehandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika) oder ermöglicht dessen Dosisreduktion (z. B. gleichzeitige Gabe von Coffein mit Paracetamol und/oder Acetylsalicylsäure). Der für die Begleitmedikation eingesetzte Arzneistoff, der selbst pharmakologisch wirksam, aber nicht Hauptwirkungsträger ist, wird ebenfalls als Adjuvans bezeichnet.
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Adjuvanzien in der Immunologie
Zusammenfassung
Kontext

In der Immunologie werden Adjuvanzien eingesetzt, um die Immunantwort auf eine verabreichte Substanz unspezifisch zu steigern. Das heißt, dass für die spezifische Immunantwort das Antigen, für die Stärke der Antwort im Wesentlichen das Adjuvans verantwortlich ist. Adjuvanzien führen zu einer lokalen Gewebereizung und binden außerdem das Antigen, so dass es nur verzögert freigesetzt wird. Dadurch werden eine erhöhte Antikörperbildung und eine verstärkte Immunantwort erreicht.
Therapeutisch sind Adjuvanzien als Bestandteil von Impfstoffen bedeutsam. In ihrer Funktion als Wirkverstärker stellen sie keinen Arzneistoff, sondern einen pharmazeutischen Hilfsstoff dar. Grundsätzlich gilt die Regel, dass zum Erzielen des erwünschten Effekts die Hilfswirkung eines Adjuvans umso mehr benötigt wird, je kleiner das in Frage kommende Antigen ist. Die Regel trifft nicht zu für Lebendimpfstoffe und Impfstoffe aus bakteriellen Ganzkeimen, da diese zum Erzielen einer entsprechenden Immunantwort keine Adjuvanzien benötigen.[3]
Die Antigenbestandteile sowie die Adjuvanzien sind nur in der jeweiligen Zusammensetzung, die den Impfstoff bildet, zugelassen, nicht aber jeweils für sich alleine.[4]
Als erster Entdecker der Wirkung von Adjuvanzien gilt Gaston Ramon. Er hatte 1925 gezeigt, dass die gleichzeitige Gabe seines neu entwickelten Diphtherietoxoids mit anderen Komponenten wie z. B. Tapioka, Lecithin, Agar oder Paniermehl die Antikörperbildung gegen das Toxoid steigern konnten.[27][28] Zu den ältesten heute noch verwendeten immunologischen Emulsionsadjuvanzien zählen Aluminiumsalze und das inkomplette Freund-Adjuvans (IFA), eine mit einem Emulgator stabilisierte experimentell verwendete Wasser-in-Öl-Emulsion auf Mineralölbasis. Beide führen wegen ihrer ausgeprägt öligen Eigenschaften zu einer starken Gewebereizung. Die Wirkung von Aluminiumsalzen wurden durch die Arbeiten von Alexander Glenny und Mitarbeitern 1926 beobachtet: Hierbei zeigte sich, dass ein an solche Salze präzipitiertes Diphtherietoxoid eine gesteigerte Immunantwort gegen das Toxoid verursacht.[27] In den 1930er Jahren mündete dies in der Entwicklung erster adjuvantierter Impfstoffe gegen Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus.[27]
Weitere Adjuvanzien
Bis in die 1970er Jahre wurde darüber hinaus das sogenannte Adjuvans 65 in klinischen Prüfungen für Influenzaimpfstoffe verwendet. Dieses Adjuvans wurde von MSD entwickelt und ist eine Wasser-in-Öl-Emulsion mit 86 % Erdnussöl, 10 % Arlacel A (Mannitmonooleat) als Emulgator sowie 4 % Aluminiummonostearat als Stabilisator.[29][30] Aufgrund seiner Reaktogenität wurde es aber nie zugelassen,[31] zumal eine tierexperimentelle Studie auf ein mögliches kanzerogenes Potential von Arlacel A hinwies.[29] Somit ist das Adjuvans 65 in keinem zugelassenem Impfstoff enthalten.[29]
In Frankreich war in verschiedenen Totimpfstoffen (hauptsächlich die der DTP-Gruppe und in einem pentavalenten Impfstoff gegen Pocken, Gelbfieber, Masern, BCG und Tetanus) das vom Institut Pasteur entwickelte Adjuvans Calciumphosphat enthalten.[32] Es wirkt über einen Depoteffekt und verursacht eine ausgewogene zelluläre und humorale Immunantwort.[28] Das Adjuvans wurde in den späten 1980er Jahren schließlich durch Aluminiumadjuvanzien substituiert. Calciumphosphat ist immer noch ein von der WHO zugelassenes Adjuvans (bis 1,3 mg Calcium pro Dosis) und wird auch im Europäischen Arzneibuch aufgeführt.[32]
AF03 ist ein von Sanofi entwickeltes Adjuvanz auf Basis einer Öl-in-Wasser Emulsion. Es enthält 2,4 mg Polyoxyethylen-Cetostearylether, 2,3 mg Mannitol, 1,9 mg Sorbitanmonooleat und – ähnlich wie AS03 oder MF59 – Squalen (12,4 mg).[33][34] AF03 ist im pandemischen Influenza-Spaltimpfstoff Humenza enthalten, aber dieser wurde nie vermarktet.[35]
Weitere bekannte und verwendete Adjuvanzien sind das Schlitzschnecken-Hämocyanin (KLH) und das Bacillus Calmette-Guérin (BCG).
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Weiterführende Literatur
- A. Facciolà, G. Visalli, A. Laganà, A. Di Pietro: An Overview of Vaccine Adjuvants: Current Evidence and Future Perspectives. In: Vaccines. Band 10, Nummer 5, Mai 2022, S. , doi:10.3390/vaccines10050819, PMID 35632575, PMC 9147349 (freier Volltext).
- A. S. McKee, M. K. MacLeod, J. W. Kappler, P. Marrack: Immune mechanisms of protection: can adjuvants rise to the challenge? In: BMC biology. Band 8, April 2010, S. 37, doi:10.1186/1741-7007-8-37, PMID 20385031, PMC 2864095 (freier Volltext).
- Ennio De Gregorio, Elena Caproni, Jeffrey B. Ulmer: Vaccine Adjuvants: Mode of Action. In: Frontiers in Immunology. 4, 2013. doi:10.3389/fimmu.2013.00214.
- Giuseppe Del Giudice et al.: Correlates of adjuvanticity: A review on adjuvants in licensed vaccines. In: Seminars in Immunology. Band 39, Oktober 2018, S. 14–21, doi:10.1016/j.smim.2018.05.001, PMID 29801750 (englisch).
- Ralf Wagner, Eberhard Hildt: Zusammensetzung und Wirkmechanismen von Adjuvanzien in zugelassenen viralen Impfstoffen. In: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz. Band 62, Nr. 4, 1. April 2019, S. 462–471, doi:10.1007/s00103-019-02921-1.
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Weblinks
Wiktionary: Adjuvans – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
- Adjuvants and Vaccines (englisch), CDC, 14. August 2020
Einzelnachweise
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