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Barbasco
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Barbasco ist der in Spanien und anderen spanischsprachigen Ländern verwendete Name für eine Reihe giftiger Blütenpflanzen, die traditionell beim Fischfang verwendet werden, um Fische zu betäuben und diese so leichter zu erbeuten. Auch die Fischgift enthaltenden Extrakte dieser Pflanzen werden so bezeichnet. Der Name Barbasco leitet sich vom lateinischen Wort Verbascum ab, das bereits in der Antike die auch zum Fischfang verwendeten Königskerzen bezeichnet und seit Carl von Linné deren wissenschaftlicher Gattungsname ist.



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Geschichte
Zusammenfassung
Kontext
Bereits Aristoteles beschreibt in seiner Historia animalium (Περὶ Τὰ Ζῷα Ἱστορίαι), dass Samen der Königskerze (bei Aristoteles πλόμος, bei Hippokrates von Kos[1] und auch im Neugriechischen φλόμος, laut Plinius dem Älteren Verbascum),[2] in ein Gewässer gestreut, die Fische betäuben und so den Fischfang erheblich erleichtern. Er erwähnt, dass die Phönizier dieses Verfahren selbst im Meer anwandten.[3] Die Verwendung von Blättern oder Samen der Königskerze als Fischgift wird auch vom römischen Philosophen Claudius Aelianus in seinem in griechischer Sprache verfassten Werk Περὶ ζῴων ἰδιότητος (De natura animalium) erwähnt.[4] Wahrscheinlich handelt es sich bei der von Aristoteles beschriebenen Pflanze um die im Mittelmeerraum verbreitete Königskerze Verbascum sinuatum, die zumindest bis ins 20. Jahrhundert in Griechenland zum Fischfang verwendet wurde.[5][6][7][8]
In der Flora española beschreibt José Quer y Martínez (1762) unter dem Abschnitt Verbascum, wie nach seiner eigenen Beobachtung die Samen der Königskerze Verbascum thapsus (Syn.: Verbascum mas, latifolium, luteum), spanisch gordolobo, in den Fluss Ojailén (Kastilien-La Mancha) geworfen wurden, um die Fische für den Fischfang zu betäuben, in ähnlicher Weise wie andernorts Europäische Bleiwurz (belesa) und Coca. Er erwähnt auch den Namen Barbascum, der auf die stark behaarten, bartartigen Staubgefäße zurückzuführen sei (latein. und spanisch barba „Bart“).[9] Der französische Botaniker Joseph Pitton de Tournefort, der etwas vor Quer lebte, sah den Namen Verbascum gar als Verballhornung von Barbascum an.[10]
Nach der spanischen Eroberung Südamerikas wurde der aus dem lateinischen Verbascum ins spanische Barbasco (auch Verbasco oder Varbasco)[11] umgeformte Name auf andere, botanisch nicht verwandte Pflanzen übertragen, die von indigenen Völkern Südamerikas in ähnlicher Weise zum Fischfang verwendet wurden.[12]
Alexander von Humboldt erwähnt die als Barbasco bezeichneten, dem Fischfang dienenden Pflanzen in seinem Reisebericht aus Südamerika. Er stellt fest, dass Wurzeln von Piscidia piscipula (Syn.: Piscidia erythrina), Jacquinia armillaris und einigen Arten der Gattung Phyllanthus für den Fischfang extrahiert werden. Das abgeleitete Verb embarbascar [a los peces] wird jedoch auch für ein anderes Verfahren verwendet, bei dem Pferde ins Wasser getrieben werden, wodurch die Fische vor Aufregung an die Wasseroberfläche kommen und so eine leichte Beute werden.[13]
Neben Piscidia piscipula, dem Jamaikanischen Kornelkirschenbaum (englisch Dogwood tree), wandten die Kariben auch Jacquinia armillaris (französisch Bois bracelets, englisch Pircrust) und Tephrosia sinapou (Syn. Galega toxicaria) – wie alle zum chemischen Fischfang geeigneten Pflanzen spanisch auch Barbasco genannt – beim Fischfang an. Die Anwendung dieser Pflanzen hatte keinen Einfluss auf die Fleischqualität, das heißt, dass der Verzehr der mit den Ködern gefangenen Fische für den Menschen unschädlich war. Bereits im 19. Jh. gab es jedoch auf manchen Inseln Verbote der Anwendung von Barbasco, da die Fischbestände massiv geschädigt wurden.[14]
Wenn auch die Fischerei mit Giftpflanzen in Südamerika weit älter ist als die Zeit der Conquista, hat das spanische Wort Barbasco Eingang in indigene Sprachen gefunden, so ins Kichwa der Quijos im Amazonas-Regenwaldgebiet Ecuadors, wo insbesondere Hülsenfrüchtler der Gattung Lonchocarpus[15] (oder Synonym der Gattungen Deguelia und Derris)[16] diesen Namen tragen, phonetisch angepasst als warwasku ins Kichwa von Nordperu (Pastaza-Inga)[17] und durch Vermittlung desselben als huárahuasco ins Shipibo-Conibo.[18]
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Anwendung
Die Früchte der von den Römern auch piscatoria genannten Königskerze (Kleinblütige Königskerze oder auch von einer anderen Verbascum-Art) mit ihren winzigen Samen werden zerkleinert und in Wasser getränkt. Fische werden dadurch betäubt und sind leicht zu fangen.[12]
Das Kraut von Jacquinia armillaris wird zerquetscht, mit Unschlitt vermischt und ins Wasser geworfen. Bald darauf können die obenauf schwimmenden Fische mit der bloßen Hand ergriffen werden. Auf diese Weise können auch Welse gefangen werden, die in Ecuador zu den größten Fischen zählen.[19]
Bei den Hülsenfrüchtlern der Gattungen Deguelia, Lonchocarpus und Piscidia, aber auch bei Pflanzen aus den nicht verwandten Gattungen Phyllanthus und Jacquinia[13] sind es die Wurzeln, die zunächst zerkleinert werden, so dass der austretende Saft zum Fischen verwendet werden kann – eine Arbeit, die etwa bei den Kichwa von Sarayaku von Männern durchgeführt wird.[20]
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Wirkstoff
Die Königskerzen schützen sich vor Fressfeinden durch ihren Gehalt an Iridoiden, die als Glycoside vorliegen. Diese haben auch auf Fische eine Giftwirkung.[12]
Der besonders für Fische toxische Wirkstoff zahlreicher Hülsenfrüchtler (Piscidia grandifolia, Piscidia piscipula, Deguelia utilis, Deguelia urucu) ist das Rotenon.
Als Barbasco bezeichnete Pflanzen
Zusammenfassung
Kontext
In Spanien
- Verbascum litigiosum (Syn.: Verbascum crassifolium)
- Verbascum nigrum
- Verbascum phlomoides (Syn.: Verbascum thapsoides)
- Verbascum pulverulentum
- Verbascum simplex
- Verbascum sinuatum (auch: acigutre, tientayernos)
- Verbascum thapsus (auch: verbasco, gordolobo)
andere, nicht in Spanien, Buddleja stachyoides (Syn.: Buddleja thapsoides, Buddleja brasiliensis) (Brasilien) (Taxonomie unklar)[21][22]
In Mexiko
- Dioscorea composita
- Dioscorea mexicana
- Dioscorea floribunda
- Bonellia macrocarpa (Syn.: Jacquinia macrocarpa)
In der Karibik, Mittelamerika
- Piscidia grandifolia
- Piscidia piscipula (Syn.: Piscidia erythrina, Piscidia communis)
- Piscidia carthagenensis (Syn.: Piscidia guaricensis)[23]
In Südamerika
- Clathrotropis brachypetala[23]
- Clitoria amazonum[22]
- Deguelia amazonica (Syn.: Derris amazonica)[23]
- Deguelia utilis (Syn.: Lonchocarpus utilis, Derris utilis)
- Deguelia densiflora (Syn.: Lonchocarpus desiflorus)
- Deguelia rufescens (Syn.: Lonchocarpus rufescens)
- Deguelia urucu (Syn.: Lonchocarpus urucu oder Deguelia rufescens var. urucu, taxonomischer Status und Name noch nicht geklärt)[24]
- Derris elliptica
- Dipteryx micrantha (Kichwa: Barbasku Kaspi) (nur eine Quelle)
- Indigofera lespedezioides (Syn.: Indigofera pascuorum)
- Indigofera suffruticosa[23]
- Lonchocarpus sericeus (Kichwa: Kanua Angu)
- Lonchocarpus heptaphyllus (Syn.: Lonchocarpus nicou)
- Swartzia grandifolia[23]
- Swartzia macrophylla[23]
- Tephrosia spp.[23]
- Tephrosia sinapou (Syn.: Cracca toxicaria und Galega toxicaria)[23]
- Phyllanthus acuminatus
- Phyllanthus brasiliensis (Syn.: Phyllanthus conami, Phyllanthus piscatorum)[23]
- Bonellia mucronata (Syn.: Jacquinia mucronata, Jacquinia pubescens)
- Bonellia sprucei (Syn.: Jacquinia sprucei)
- Clavija longifolia[23]
- Clavija ornata (Taxonomie unklar)
- Jacquinia armillaris (Syn.: Jacquinia mucronulata, Jacquinia revoluta)
- Jacquinia arborea (Syn.: Jacquinia barbasco)
- Jacquinia obovata
- Anemopaegma chamberlaynii (Syn.: Bignonia scandens)
- Anemopaegma chrysoleucum[23]
- Canella winterana (Syn.: Canella alba)
- Magonia pubescens (Syn.: Magonia glabrata, Phaeocarpus campestris)[25]
- Paullinia spp.
- Paullinia pinnata
- Paullinia fuscescens
- Serjania spp.
- Serjania inebrians
- Serjania lethalis
- Serjania perulacea
- Serjania piscatoria
- Serjania rubicaulis
- Byrsonima crassifolia
- Caryocar spp.
- Caryocar glabrum[23]
- Clibadium spp.[23]
- Clibadium sylvestre (Syn.: Baillieria barbasco)
- Pterocaulon virgatum
- Pterocaulon alopecuroides
- Dictyoloma vandellianum (Syn.: Dictyoloma peruvianum)
- Piper piscatorum
- Piper demeraranum[23]
- Persicaria glabra (Syn.: Polygonum glabrum)[22]
- Persicaria punctata (Syn.: Polygonum acre, Polygonum punctatum)
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Literatur
- Pedro Acevedo-Rodríguez: The Occurrence of Piscicides and Stupefactants in the Plant Kingdom. In: Economic Botany. 8, 1990, S. 1–23, JSTOR:43927563, online auf researchgate.net.
- Philippe Béarez: Focus: First archaeological indication of fishing by poison in a sea environment by the Engoroy population at Salango (Manabí, Ecuador). In: Journal of Archaeological Science. Volume 25, Issue 10, 1998, S. 943–948, doi:10.1006/jasc.1998.0330, online auf academia.edu.
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Einzelnachweise
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