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Gradierwerk
in der Salzgewinnung genutzte Anlage, in der durch Verdunstung der Salzgehalt einer Sole erhöht wird Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Ein Gradierwerk (veraltet auch Leckwerk) ist eine Anlage, die im Prozess der Salzgewinnung aus Sole der Erhöhung der Salzkonzentration („gradieren“) sowie der Qualitätsverbesserung des gewonnenen Salzes dient. Das Gradierwerk besteht aus einem frei aufgestellten Holzgerüst, das mit Reisigbündeln aus Schwarzdorn (früher Stroh) verfüllt ist. Die Sole wird von oben über dem Reisig verrieselt, wobei die Soletropfen auf ihrem Weg nach unten einen erheblichen Teil ihres Wassers durch Verdunstung verlieren. Gleichzeitig lagern sich schwer lösliche, unerwünschte Begleitminerale der Sole wie Kalk, Gips und Eisenstein am Reisig ab, wodurch sich die Qualität des erzeugten Salzes erhöht. Weiterhin entweicht gegebenenfalls vorhandene Kohlensäure aus der Sole, was zu einer Verstärkung des Ausfällprozesses von Kalziumsalzen führt.
Gradierwerke sind normalerweise Teil eines Salzwerks oder einer Saline, wozu neben dem Gradierwerk auch Solebrunnen, Pumpanlagen, Siedehäuser und weitere Einrichtungen gehören.
Viele Salinen sind im Laufe der letzten 200 Jahre verschwunden, wobei sich einige ursprüngliche Salzorte zu Bade- oder Kurorten wandelten. In manchen dieser Orte sind Gradierwerke als markante Reste der ehemaligen Salinen als Baudenkmale erhalten geblieben und werden im Volksmund oft fälschlich selbst als „Salinen“ bezeichnet. Wegen des in ihrer Nähe angenehmen Salzklimas werden Gradierwerke in Badeorten nicht nur museal erhalten, sondern auch zu Kurzwecken als eine Art Freiluftinhalatorium etwa in Kurparks umgenutzt oder sogar in kleinerer Form neu gebaut, ohne jedoch mit einer Salzproduktion in Verbindung zu stehen.
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Gradierverfahren
Zusammenfassung
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Zwischen dem 16. und dem 17. Jahrhundert hatte sich als technische Innovation die Dorngradierung durchgesetzt. Sie ermöglichte es den Salinen, die Solekonzentration vor dem Versieden durch natürliche Verdunstung zu steigern und dadurch wertvolles Heizmaterial einzusparen. Die Sole rieselt dafür eine meist um 10 m hohe Wand aus Reisig des Schwarzdorns (Prunus spinosa) hinunter. Wind und Sonne lassen dabei Wasser verdunsten und der Salzgehalt erhöht sich. Gleichzeitig setzen sich unerwünschte Bestandteile der Rohsole wie Kalk oder Gips im Reisig ab und verkrusten daran als grau-brauner Dornstein. Nach mehreren Jahren muss deshalb das Schwarzdornreisig ausgetauscht werden, weil der Dornstein die Lufträume in der Schwarzdornwand verkleinert und mit der Zeit durch sein Gewicht zu statischen Problemen führt.
Die Dorngradierung hat die zuvor genutzte Strohgradierung vollkommen verdrängt, die im 16. Jahrhundert in Bad Kissingen eingeführt worden war.[1] Die Dorngradierung machte das schnell faulende und die Sole verunreinigende Stroh überflüssig, und sie trug sogar zur Reinigung der Sole bei. Das dazu nötige hohe Holzgerüst, die Pumpen und die immer größer werdenden Siedeeinrichtungen waren allerdings so aufwändig, dass sie im Zuge der aufkommenden merkantilistisch-kameralistischen Wirtschaftspolitik in vielen Ländern zunehmend von dazu gegründeten staatlichen Monopolsalinen übernommen wurden.[2]
Auf Friedrichsborn in Unna-Königsborn wurde im 18. Jahrhundert als technische Neuerung eine sogenannte Windkunst eingeführt. Sie hob die Sole auf das Gradierwerk Friedrichsbau.[3] In Bad Rothenfelde ist seit 2007 wieder eine Kokerwindmühle zu sehen, die auf dem Neuen Gradierwerk rekonstruiert wurde; ihre Vorgängerin diente, wie die Mühle in Friedrichsborn, dazu, Wasser auf ein Gradierwerk zu befördern.
Die am höchsten konzentrierte Sole wurde mit 27 Prozent Salzgehalt im thüringischen Bad Salzungen, im bayerischen Bad Reichenhall und im baden-württembergischen Bad Dürrheim gewonnen.
Die insgesamt acht Bad Kreuznacher Gradierwerke haben zusammen eine Länge von rund 1.100 m und werden heute im Rahmen des „Gesundheits-Tourismus“ genutzt. Da die Sole hier keinen Gips enthält, mussten die Dornwände nicht so häufig erneuert werden.
Ablauf der Salzkonzentration
Ablauf der Erhöhung der Salzkonzentration im Gradierwerk (Bad Rothenfelde):
- Sole mit geringem Salzgehalt wird hochgepumpt gespeichert
- Sole mit geringem Salzgehalt wird ins Gradierwerk geleitet
- Sole wird auf die Schwarzdornzweige geleitet
- Unteres Auffangbecken für die konzentriertere Sole
- Sole tropft in das untere Auffangbecken
- Röhren, mit denen die Sole zur Saline geleitet wurde
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Heutige Nutzung der Gradierwerke
Zusammenfassung
Kontext
Gradierwerke werden in Deutschland heute oft zu Kurzwecken betrieben und sind deshalb besonders häufig in Kurorten vorzufinden z. B. in Bad Kissingen und Bad Orb. Durch die herabrieselnde Sole wird die Luft in der Nähe des Gradierwerks mit Soletröpfchen und Salzaerosol angereichert, die Wassertröpfchen binden Partikel in der Luft. Dies wirkt sich ähnlich wie bei Seeluft beispielsweise bei Pollenallergikern und Asthmatikern und anderen erkrankten Personen positiv aus. Durch das Einatmen salzhaltiger Luft werden die Atemwege befeuchtet und die Wandungen der Atemorgane positiv beeinflusst. Des Weiteren besitzen die feinen Salzkristalle eine sekretlösende Wirkung, reinigen die Atemwege intensiv von Bakterien und lassen die Schleimhäute abschwellen. Viele Ärzte und Heilpraktiker empfehlen aus diesen Gründen einen längeren Aufenthalt an der See oder in Kurorten, welche sich den Effekt der Gradierwerke zu Nutzen gemacht haben.
In vielen Kurorten (beispielsweise in Bad Königshofen) wurde darüber diskutiert, ob die Errichtung neuer Klein-Gradierwerke ihren Kureinrichtungen hinreichend viele neue Kurgäste zuführe und eine entsprechende Kosten-Nutzen-Rechnung positiv ausfalle.[4] Ein derartiges Gradierwerk wurde unter dem Namen „Sole-Arena“ im Rahmen der Landesgartenschau 2010 in Bad Essen errichtet. Miniatur-Gradierwerke können auch in geschlossenen Räumen aufgestellt werden, wo sie die Raumluft positiv beeinflussen. Derartige Gradierwerke gibt es z. B. im Kurort Damp an der Ostsee[5] in der KissSalis Therme in Bad Kissingen[6] sowie im schweizerischen Rheinfelden, neuerdings auch im Laguna in Aßlar bei Wetzlar.
Gradierwerke dienen auch als Sehenswürdigkeiten der Orte, in denen sie aufgestellt sind. Von vornherein als Bauwerk, das Erlebnisse im Umfeld der Kurparkanlage ermöglichen soll, ist beispielsweise die Rekonstruktion des Gradierwerks in Bad Salzuflen konzipiert worden.[7]
Die besondere optische Struktur der Reisigwände bietet Lichtkünstlern außergewöhnliche Möglichkeiten für ihre Kunstausübung. Hiervon hat erstmals die Gemeinde Bad Rothenfelde im Jahr 2007 Gebrauch gemacht, indem sie die Lichtkunst-Biennale Lichtsicht inszenierte.[8]
- Klein-Gradierwerk „Sole-Arena“ im Kurpark Bad Essen
- Gradierwerk in Bad Dürrenberg
- Gradierwerk in Bad Kissingen
- Gradierwerke im Bad Kreuznacher Salinental
- Gradierbauten IV/V in Bad Nauheim, sogenannte Lange Wand
- Gradierwerk I in Bad Nauheim
- Gradierwerk im Kurpark von Bad Orb
- Gradierwerk im Kurpark (Salinenpark) in Bad Rappenau
- Kokerwindmühle auf dem Neuen Gradierwerk Bad Rothenfelde
- Innengerüst eines Gradierwerks in Bad Salzuflen
- Gradierwerk in Bad Sooden-Allendorf ohne Schwarzdornbestückung
- Gradierwerk Gołdap (Polen)
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Standorte
Deutschland
Orte mit Gradierwerken in Deutschland |
Frankreich
Österreich
- Altaussee, erbaut 1956, überdachte viereckige Anlage, bestückt mit Tannenreisig
- Bad Mitterndorf, überdachte Rundanlage im Kurpark, erbaut 2019
- Bad Hall, überdachte Rundanlage im Kurpark
- Gröbming, Kurpark, mit überdachter Anlage
- Hallein, überdachte Rundanlage im Kurpark Bad Dürrnberg
- Schwechat, Felmayergarten, fertiggestellt 1995, abgerissen
- Traun, Badezentrum[24]
- Wels, überdachte Rundanlage im Volksgarten, erbaut 1993
- Hall in Tirol, überdachte Anlage neben dem Kurhaus, erbaut 2005
Polen
- Busko-Zdrój[25]
- Ciechocinek, 3 Gradierbauten mit einer Gesamtlänge von 1730 m: Tężnie I (648 m), II (364 m) und III (718 m) ⊙
- Grudziądz
- Inowrocław
- Konstancin-Jeziorna, errichtet 1980
- Gołdap
- Wieliczka[26]
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Heraldik
In Wappen ist das technische Bauwerk nicht häufig. Als Wappenfigur taucht die Darstellung stark vereinfacht auf, als Stirnansicht, seltener in Längsansicht. Die Seltenheit im Wappen hat noch keine besondere heraldische Bearbeitung erfahren. Die Salzherstellung ist über Salzhaken, Salzkristalle und Salzpfannen vereinfacht symbolisiert.
- Ciechocinek (Polen)
Einzelnachweise
Weblinks
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