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Ostsee

Binnenmeer in Europa Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Die Ostsee (auch Baltisches Meer, lateinisch Mare Balticum) ist ein fast vollständig von Land umschlossenes Binnenmeer im Norden Europas. Sie grenzt an neun Staaten und steht über die dänischen Meerengen mit der Nordsee in Verbindung. Mit einer Fläche von rund 390.000 km², einer mittleren Tiefe von etwa 55 Metern und einem Volumen von etwa 21.000 km³ zählt sie zu den größten Brackwassermeeren der Erde.[4] Die tiefste Stelle liegt mit 459 m im Landsorttief südlich von Stockholm.

Schnelle Fakten Ostsee Baltisches Meer ...

Geprägt ist die Ostsee durch ihren geringen Salzgehalt, den eingeschränkten Wasseraustausch und die starke Schichtung des Wasserkörpers. Diese Faktoren machen sie ökologisch besonders empfindlich, aber auch zu einem bedeutenden Forschungsgebiet für Klima-, Umwelt- und Meereswissenschaften.[5] Als wirtschaftlich und politisch wichtiger Raum ist sie zugleich Verkehrsweg, Energie- und Fischereiregion sowie Schauplatz internationaler Kooperation – und zunehmend geopolitischer Spannungen, sichtbar z. B. im Falle des Anschlags auf die Nord-Stream-Pipelines oder die Drohnen-Zwischenfälle auf dänischen und schwedischen Flughäfen.[6][7]

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Namensgebung und Etymologie

Der Name „Ostsee“ ist in den germanischen Sprachen verbreitet – Østersøen (dänisch), Östersjön (schwedisch), Ostzee (niederländisch) – und spiegelt die östliche Lage aus Sicht der nordwesteuropäischen Länder wider.[8] In vielen anderen Sprachen heißt das Meer dagegen „Baltische See“ oder „Baltisches Meer“, in Anlehnung an die lateinische Bezeichnung Mare Balticum, die erstmals im 11. Jahrhundert von Adam von Bremen in seiner Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum erwähnt wurde.[9]

Der Ursprung des Wortes „Baltic-“ ist nicht eindeutig geklärt. Möglicherweise leitet es sich vom altnordischen Belt (für die dänischen Meerengen) oder vom litauischen Wort baltas („weiß“) ab, das in der Hydronymie häufig für helle oder klare Gewässer steht.[10] In antiken Quellen wurde das Meer auch als Mare Suebicum (nach den Sueben) oder Aestenmeer (nach dem Volk der Ästier) bezeichnet.[11][12]

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Geologie und Entstehung

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Das Becken der Ostsee ist ein tektonisch altes Senkungsgebiet, das Teil des Baltischen Schilds ist – einer der ältesten geologischen Strukturen Europas. Das Grundgebirge besteht aus kristallinen Gneisen und Graniten, die im Präkambrium entstanden und damit bis zu 1,8 Milliarden Jahre alt sind.[13][14] Darüber lagern Sedimentgesteine jüngeren Alters, die in den Senken und Becken abgelagert wurden. Besonders im südlichen Teil der Ostsee finden sich Sandsteine, Tone und Kalksteine aus dem Mesozoikum und dem Paläozoikum, die von den Eiszeiten überprägt wurden.

Entstehungsgeschichte

Die heutige Gestalt der Ostsee ist nicht das Ergebnis tektonischer Prozesse, sondern das Produkt der Weichsel-Kaltzeit, der letzten Eiszeit, die bis etwa 11.700 Jahre vor heute andauerte. Die mächtigen Gletscher modellierten das Relief, schürften Rinnen und Becken aus und hinterließen nach ihrem Rückzug ein stark gegliedertes Unterwasserrelief mit Rinnen, Becken und Schwellen.[13][15]

Nach dem Abschmelzen der skandinavischen Eismassen bildete sich schrittweise ein neues Meeres- und Seensystem. Dabei wechselten sich Phasen von Süß- und Salzwassereinfluss ab. Diese Entwicklungsphasen sind heute durch Sedimentanalysen, Fossilfunde und Isotopenmessungen gut belegt.[16]

Weitere Informationen Entwicklungs-phase, Zeit (ungefähr) ...

Diese Abfolge zeigt, dass die Ostsee in wenigen Jahrtausenden mehrfach ihren Charakter änderte – von einem See über ein Brackwassermeer zum heutigen komplexen Übergangssystem zwischen Süß- und Salzwasser.

Postglaziale Landhebung und Küstenentwicklung

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Die Auswirkungen der postglazialen Landhebung in Stockholm.

Nach dem Rückzug der Gletscher hob sich das zuvor vom Gewicht der Eismassen niedergedrückte skandinavische Land wieder – ein Prozess, der bis heute anhält und als isostatische Landhebung bezeichnet wird. In Finnland und Nordschweden steigt das Land noch immer um bis zu 8 mm pro Jahr, während sich der südliche Ostseeraum (Deutschland, Polen, Baltikum) leicht absenkt.[17] Dadurch verändern sich Küstenverläufe, Tiefenprofile und Wasserstände stetig.

Im Verlauf der letzten 8.000 Jahre entstanden die typischen Küstenformen der Ostsee:

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Geographie

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Lage und Abgrenzung

Die Ostsee ist ein Nebenmeer des Atlantischen Ozeans im Nordosten Europas zwischen der Skandinavischen Halbinsel, dem Baltikum und dem mitteleuropäischen Festland. Sie erstreckt sich in West-Ost-Richtung über rund 1.300 Kilometer – von der Flensburger Förde bis zum Finnischen Meerbusen bei Sankt Petersburg – und in Nord-Süd-Richtung über etwa 600 Kilometer, etwa zwischen 54° und 66° nördlicher Breite sowie zwischen 10° und 30° östlicher Länge.[5] Die Ostsee ist nahezu vollständig von Land umschlossen. Sie grenzt im Westen an Dänemark und Deutschland, im Norden an Schweden und Finnland, im Osten an Russland und die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen und im Süden an Polen.

Über die Meerengen von Großem und Kleinem Belt, den Öresund und das Kattegat steht sie mit der Nordsee in Verbindung. Diese Übergänge sind für den Austausch von Wasser, Salz und Nährstoffen von entscheidender Bedeutung.[5] Der östliche Weg, der Öresund, ist an seiner schmalsten Stelle nur 2 km breit, flach (Schwellentiefe 8 m) und etwa 55 km lang. Der zentrale Weg ist etwa 180 km lang und durchschnittlich etwa 13 m tief. Er besteht aus dem Großen Belt und dem Fehmarnbelt und wird im Osten durch die Darßer Schwelle (18 m tief) abgeschlossen, die flachste Schwelle für den Hauptzufluss. Die dritte Verbindung ist der Kleine Belt mit einem Querschnitt von nur 16.000 m² im Vergleich zu 255.000 m² des Großen Belts und 80.000 m² des Sunds. Daher erfolgen etwa 70 % der Zu- und Abflüsse durch den Großen Belt; der Kleine Belt ist in dieser Hinsicht zu vernachlässigen. Diese schmalen Zugänge bestimmen das Verhältnis zwischen Süß- und Salzwassereintrag.[18]

Ob das Kattegat zur Ostsee zählt, wird je nach Disziplin unterschiedlich bewertet.

  • In der Ozeanographie gilt als Grenze meist die Darßer Schwelle nordöstlich von Rostock, wo die Salzkonzentration nach Osten deutlich abnimmt.[18]
  • In internationalen Umweltabkommen, z. B. im Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (Neue Helsinki-Konvention, 1992), wird auch das Kattegat als „Eingang zur Ostsee“ einbezogen.[19]

Als „Eigentliche Ostsee“ (engl. Baltic Proper) wird üblicherweise jener Teil der Ostsee bezeichnet, der außerhalb der drei größeren GolfeBottnischer, Finnischer und Rigaer Meerbusen – liegt. Die Eigentliche Ostsee bildet somit das zentrale und größte Teilbecken der Ostsee.[20]

Im Gegensatz zur Nordsee, die offen mit dem Atlantik verbunden ist, besitzt die Ostsee keinen direkten Zugang zum Ozean und unterliegt daher stark eingeschränkten Gezeiten sowie einer eigenen Wasserstandsdynamik.[21][16]

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Die Beltsee und ihre Meerengen
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Ostsee und Anrainerstaaten

Die Fläche der Ostsee beträgt je nach geographischer Abgrenzung etwa 377.000 bis 412.560 km². Manche Autoren zählen das Kattegat und die Beltsee/den Öresund noch zur Ostsee, andere sehen die Grenze bereits an den dänischen Meerengen.[22] Nimmt man nur die „Eigentliche Ostsee“ (den „Baltic Proper“) ohne Kattegat, liegt die Zahl näher bei 377.000 km².

Wissenschaftliche Organisationen wie HELCOM verwenden ozeanographische Kriterien (Salzgehalt, Strömungssysteme, Schwellen) für die Definition der Ausdehnung, während statistische Quellen oft politisch-administrative Grenzen der Anrainerstaaten heranziehen.

Weitere Informationen Merkmal, Wert ...

Küstenstaaten und Einzugsgebiet

An die Ostsee grenzen neun Staaten direkt: Dänemark, Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Schweden und Russland. Die Küsten- und Randräume sind sehr unterschiedlich geformt. In Nordskandinavien treten Eisbildungen im Winter regelmäßig auf, speziell in Teilen des Bottnischen Meerbusens und in Küstenregionen Finnlands und Russlands.[23]

Unterregionen und Teilbecken

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1. Bottenwiek, 2. Bottensee, 3. Schärenmeer, 4. Ålandsee, 5. Finnischer Meerbusen, 6. Nördliches, 7. Westliches, 8. Östliches Gotlandbecken, 9. Rigaischer Meerbusen, 10. Danziger Becken, 11. Bornholmbecken, 12. Arkonabecken, 13. Kattegat, 14. Beltsee, 15. Öresund.

Die Ostsee ist durch eine komplexe Kaskade von Tiefenbecken geprägt, die durch unterseeische Schwellen voneinander getrennt, durch Rinnen miteinander verbunden sind. Diese Beckenstruktur ist von entscheidender Bedeutung für die Zirkulation, die Schichtung und die ökologischen Bedingungen des Binnenmeers.[18]

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Wichtige Ostseebecken als Relief. Modell im Akwarium Gdyńskie, dem Aquarium von Gdynia.

Von West nach Ost gliedert sich die Ostsee in folgende Hauptbecken:

  • Das Arkonabecken (max. ~45 m Tiefe) bildet das erste Auffangbecken für einströmendes Nordseewasser nach der Passage der dänischen Meerengen und der Darßer Schwelle. Es ist der Bereich, in dem sich das salzreiche Wasser mit dem Ostseewasser vermischt, bevor es durch den Bornholmkanal weiterströmt.[24]
  • Östlich schließt sich das Bornholmbecken (max. ~95 m) an, das als erstes der großen Tiefenbecken eine zentrale Pufferfunktion einnimmt. Hier sammelt und reorganisiert sich das Tiefenwasser, bevor es über die Stolper Rinne in die zentralen Becken vordringt.[25]
  • Das Gotlandbecken, unterteilt in ein östliches und ein westliches Becken, bildet das hydrographische Kernstück der zentralen Ostsee. Es beherbergt mit dem Landsorttief (459 m) die tiefste Stelle der Ostsee. Die Becken werden durch die Hoburgschwelle getrennt, die die Tiefenzirkulation lenkt.[18]
  • Nördlich davon schließt sich das Nördliche Becken (Northern Baltic Proper, max. ~200 m) an, das als Verteilungszentrum für den weiteren Transport von Tiefenwasser in den Finnischen Meerbusen und in die Ålandsee zum Bottnischen Meerbusen fungiert.[21]

Diese Beckenstruktur hemmt den horizontalen und vertikalen Wasseraustausch. Die tiefen Becken sind durch eine stabile Halokline geschichtet und daher anfällig für Sauerstoffmangel (Hypoxie) und Stagnation. Die einzige wirksame Belüftung erfolgt durch episodische Salzwassereinbrüche (Major Baltic Inflows, MBIs), die das sauerstoffarme Tiefenwasser der Becken verdrängen.[26] Die Topographie der Becken und Schwellen bestimmt somit maßgeblich den Gesundheitszustand des gesamten Ostsee-Ökosystems.

Morphologie und Tiefenprofil

Die Ostsee ist ein relativ flaches Meer mit einer durchschnittlichen Tiefe von etwa 50-55 Metern. Die tiefste Stelle erreicht rund 459 Meter, das Landsorttief südlich von Stockholm.[27] Ihr Volumen beträgt etwa 21.000 bis 21.700 km³, was zusammen mit der großen Fläche und dem Einzugsgebiet die Wasser- und Stoffhaushaltprozesse stark beeinflusst.[27]

Inseln und Archipele

Die Ostsee ist reich an Inseln – trotz kleiner Fläche mehrere tausend, von winzigen Schären bis zu großen, bewohnten Eilanden. Sie sind oft Reste alter Moränen oder durch Landhebung vom Festland getrennte Gebiete.

Weitere Informationen Insel / Archipel, Staat ...

Küstenformen

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Schärenküste: Schären als Teil der Ålandinseln.
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Schlei, vom Holm in Schleswig aus gesehen.
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Boddenküste in Born a. Darß: Bodstedter Bodden
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Kurische Nehrung im Kaliningrader Gebiet (Russland). Luftaufnahme über der Epha-Düne.
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Der Königsstuhl – von der Victoria-Sicht aus gesehen.
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Blick vom Aussichtspunkt Hohe Düne bei Pramort nach Westen entlang der Nordküste von Zingst

Die unterschiedlichen Entstehungsbedingungen führen zu einer Vielfalt an Küstenformen:[13]

  • Schärenküsten im Norden: durch glaziale Überformung entstandene Insel- und Felslandschaften (Schwedischer und Finnischer Schärengarten). Schären sind der Küste vorgelagerte, kleine und kleinste felsige Inseln, die durch den Abschleifeffekt der Gletscher eine charakteristische Kuppenform aufweisen.
  • Fördenküsten im Westen: ehemalige Gletscherzungen, die heute als lange, schmale Buchten ins Land greifen (z. B. Kieler Förde, Flensburger Förde). Diese Buchten sind bei der Entstehung der Ostsee durch den Anstieg des Meeresspiegels entstanden. Der Unterschied zu Fjorden besteht darin, dass sich die Gletscher hier nicht vom Land zur See bewegt haben, sondern umgekehrt der Eispanzer über der heutigen Ostsee Gletscher vorantrieb, die nach dem Abschmelzen eine Rinne übrig ließen, die sich mit Seewasser füllte. Der Hemmelsdorfer See bei Timmendorfer Strand z. B. ist ebenfalls eine alte Förde. Er ist wesentlich tiefer als die durch eine eiszeitliche Landbarriere abgeschnittene, davorliegende Lübecker Bucht.
  • Bodden-Küsten im Süden: Bodden sind flache, breite Gletscherzungenbecken oder tiefliegende Grundmoränen, die vom Meer überflutet wurden, wobei in einer ersten Phase ein Archipel entstand. Vor etwa 6.000 Jahren setzte die Bildung von sanft geschwungenen Haken und Nehrungen ein, wodurch die Inseln miteinander verbunden und die überfluteten Becken weitgehend wieder vom Meer abgeriegelt wurden. Es entstand somit eine Doppelküste, die sich zu den abgeschnürten Wasserflächen als tief gegliederte und in Verlandung begriffene Boddenküste darstellt.[23]
  • Haffküsten sind eng verwandt mit den Boddenküsten – wenn auch in der Dimension bedeutender. Es sind flache Lagunen und Nehrungen, die sich durch Sedimentablagerungen gebildet haben. Die Haff-Nehrungs-Küste ist am besten an den drei großen Haffen von Weichsel, Nogat, ein Mündungsarm der Wechsel, und Memel (Neman) und den dazugehörigen Nehrungen – Putziger, Frische und Kurische Nehrung – zu beobachten. Die großen Mengen an Sediment, die großenteils aus dem Abbruch benachbarter Kliffstrecken entstammen, haben den Nehrungssockel aufgebaut; durch Windeinwirkung entstanden auch ausgedehnte Dünenmassive, die auf der Kurischen Nehrung Höhen bis 70 m erreichen. Die Haff-Nehrungs-Küste stellt damit zugleich eine sogenannte Dünenwallküste dar, deren Wanderdünen in historischer Zeit mehrere Dörfer unter sich begraben haben.
  • Kliffküsten auf Inseln wie Rügen, Møn, Bornholm und Gotland: steil abfallende Küsten aus Kreide und Kalkstein, teils durch Erosion in ständiger Veränderung.[23] Eine bekannte Steilküste befindet sich auf der Insel Rügen. Der weiße Kreidefelsen des Königsstuhls im dortigen Nationalpark Jasmund kann als „totes Kliff“ bezeichnet werden, da er nicht ständig von der Brandung erreicht wird. Dagegen sind die benachbarten Wissower Klinken im Jahr 2005 ein Opfer der Meeresbrandung geworden.
  • Die Ausgleichsküste bestimmt vor allem die Küstenlinie Polens von Stettin bis kurz vor Danzig und die lettische Küste. Hier sind die typischen reich gegliederten glazialen Küstenformen durch die Anströmung und den Sedimenttransport von Westen her ausgeglichen worden, so dass der Verlauf fast gerade ist. Dies ist möglich geworden, weil die zumeist von Westwind geprägte Brandung auf eine Küstenlinie trifft, die von Südwest nach Nordost verläuft und dadurch Transportmaterial anlagert. Auch an der Küste Vorpommerns sind durch solche Ausgleichsprozesse Landzungen und Nehrungen entstanden, wie z. B. die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und die Schaabe, die Schmale Heide und der Bug auf Rügen.[23]

Topografische und bathymetrische Gliederung

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Tiefe der Ostsee in Metern.

Das Relief des Meeresbodens besteht aus einer Abfolge von Becken (bis über 400 m tief) und Schwellen (10–30 m), die den Wasseraustausch zwischen den Regionen einschränken. Zu den wichtigsten Tiefen zählen:

Weitere Informationen Tiefenbecken, Lage ...

Diese topografische Gliederung bedingt, dass sich tiefere Becken häufig nicht vollständig durchmischen – ein zentraler Grund für die Bildung von sauerstoffarmen Schichten im Tiefenwasser.

Hydrografische Einzugsgebiete

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Einzugsgebiet der Ostsee mit der Variabilität des jährlichen mittleren Wasserzuflusses (Q) und dem jährlichen mittleren Salzgehalt.

Das Einzugsgebiet der Ostsee ist mit etwa 1,7 Millionen km² viereinhalbmal so groß wie die Meeresfläche selbst und umfasst Teile von 14 Anrainerstaaten. Über 250 Flüsse, darunter die Newa, die Weichsel und die Oder, speisen das Meer mit Süßwasser.[21] Diese geographische Konstellation aus begrenztem Wasseraustausch, großem Einzugsgebiet und komplexer Beckenstruktur macht die Ostsee zu einem sensiblen Ökosystem.

Die zehn größten Flüsse der Ostseesystems, der dänischen Meerengen und des Kattegats, ihr ungefähres Einzugsgebiet, mittlerer und jährlicher Gesamtabfluss:[28]

Weitere Informationen Fluss/Land, Einzugsgebiet (km²) ...
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Ozeanographie und Hydrologie der Ostsee

Zusammenfassung
Kontext

Die Ostsee gilt als eines der größten Brackwassermeere der Erde. Ihre ozeanographischen und hydrologischen Eigenschaften sind durch den hohen Süßwassereintrag und den begrenzten Austausch mit der Nordsee geprägt.[18]

Hydrologische Eigenschaften

Die Ostsee weist ausgeprägte horizontale und vertikale Gradienten auf. Der Salzgehalt reicht von weniger als 3 Practical Salinity Units (PSU) im Bottnischen Meerbusen bis zu etwa 20 PSU im westlichen Ostseeraum.[30][31] Die Wassersäule ist durch eine permanente Halokline in 60–80 m Tiefe charakterisiert, die die oberflächennahe, durch Fluss- und Niederschlagswasser stark verdünnte Schicht von den salzhaltigeren Tiefenwassermassen trennt. Zusätzlich bildet sich im Sommer eine saisonale Thermokline in rund 20–30 m Tiefe. Im Winter kann es je nach Region zu einer teilweisen Durchmischung der Wassersäule kommen, während im Nordosten Eisbildung häufig ist.[18]

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Diagramm des Wasserkreislaufs. Der Wasserhaushalt der Ostsee wird durch ein empfindliches Gleichgewicht zwischen dem hohen Süßwasserzufluss aus Flüssen und dem geringen Austausch mit der Nordsee bestimmt. Ein Überschuss an Süßwasser fließt über das Kattegat in die Nordsee ab, während schwereres salziges Nordseewasser in der Tiefe zuströmt.

Wasserhaushalt und Austauschprozesse

Das Wasservolumen der Ostsee wird im Wesentlichen durch Flusszuflüsse (jährlich ca. 480 km³), Niederschlag, Verdunstung und den Austausch mit der Nordsee bestimmt.[32]

Besondere Bedeutung haben die sogenannten Major Baltic Inflows (MBIs), episodische Ereignisse, bei denen in den Wintermonaten große Mengen hochsalinen Wassers eindringen. Diese Inflows sind entscheidend für die Belüftung der Tiefenbecken und wirken Stagnationsphasen entgegen. Seit den 1970er-Jahren ist ihre Häufigkeit und Intensität jedoch deutlich zurückgegangen.[25][33] Die durchschnittliche Aufenthaltszeit des Ostseewassers liegt je nach Berechnung zwischen 20 und 30 Jahren.[34]

Zirkulation

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Die allgemeine Zirkulation der Ostsee als schematische Darstellung, einschließlich der Strömungen zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser.

Die großräumige Zirkulation der Ostsee entspricht einem estuarinen Typ. Darunter versteht man ein teilweise umschlossenes Gebiet aus Brackwasser, in das ein oder mehrere Flüsse münden und das eine freie Verbindung zum offenen Meer hat. In der Ostsee dominiert oberflächennah ein Ausstrom in Richtung Westen, während in der Tiefe salzreiches Nordseewasser nachströmt.[35] Neben der topographischen Steuerung durch Becken und Schwellen spielen Wind, atmosphärische Druckunterschiede und mesoskalige Wirbel eine wichtige Rolle für die Muster der Wasserbewegung.[36]

Gezeiten und Wasserstand

Die Tide spielt eine untergeordnete Rolle: Der Tidenhub beträgt an der westlichen Küste höchstens 30 cm (Flensburg), im zentralen Bereich verschwindet er praktisch ganz.[4] Stattdessen prägen Wetter und Wind den Wasserstand. Langanhaltende Weststürme können den Meeresspiegel im östlichen Teil um mehr als einen Meter anheben, während er im Westen gleichzeitig fällt – ein Phänomen, das als Seiches oder Windstau bezeichnet wird.

Sturmfluten, wie sie an der deutschen und polnischen Küste auftreten, sind meist Windstauereignisse, keine echten Gezeitenfluten. Der Wasserstand kann dann kurzfristig um bis zu 2,5 Meter über das mittlere Niveau steigen.

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Durchquerung der Ostsee und des Eises
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In besonders kalten Wintern friert das Eis an den Küsten der Ostsee so dick zu, dass man darauf laufen oder Ski fahren kann.

Eisbildung und jahreszeitliche Dynamik

Die Ostsee ist das am weitesten südlich vereisende Meer der Welt. Im Durchschnitt gefrieren im Winter etwa 40 % ihrer Fläche, in strengen Wintern nahezu die gesamte Ostsee bis Bornholm.

  • Der Bottnische Meerbusen und der Finnische Meerbusen frieren regelmäßig über Monate zu.
  • Die westliche Ostsee bleibt meist eisfrei, kann aber bei langanhaltender Kälte ebenfalls vereisen (zuletzt 1979 und 2010).[37]

Eis spielt eine zentrale Rolle für das Ökosystem: Es schützt Küsten vor Erosion, beeinflusst die Lichtverhältnisse unter Wasser und ist Lebensraum für Mikroorganismen und Robben. Durch den Klimawandel hat sich die mittlere Dauer der Eisdecke seit 1900 jedoch um rund 40 % verringert, und das Eismaximum verschiebt sich im Jahresverlauf um mehrere Wochen nach vorn.[5]

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1 Nährstoffreiches Wasser strömt ein. 2 Algen wachsen unnatürlich stark und sterben wieder ab. 3 Zooplankton ernährt sich von den Algen. 4 Bakterien ernähren sich vom Kot des Zooplanktons und von den abgestorbenen Algen. 5 Bakterien verbrauchen den Sauerstoff im Wasser beim Abbau des Kots und der abgestorbenen Algen. 6 Sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers unter ein bestimmtes Niveau, fliehen die Meerestiere oder sterben. Quelle: Meeresatlas 2017[38]

Sauerstoffdynamik und ökologische Aspekte

Die Halokline wirkt als Barriere für den vertikalen Austausch. Ohne regelmäßige Einströmungen können sich in den tiefen Becken Sauerstoffmangelzonen (Hypoxie) bilden, die sich durch Schwefelwasserstoff-Anreicherung auszeichnen. Diese Prozesse beeinträchtigen die benthische Fauna und beeinflussen den Nährstoffkreislauf, insbesondere durch verstärkte Phosphorrücklösungen aus Sedimenten.[39]

Die Ostsee ist zudem stark von anthropogenen Einträgen wie Nährstoffen aus Landwirtschaft und Abwasser geprägt, was die Eutrophierung verstärkt und die Sauerstoffproblematik verschärft.[40]

Klimaeinfluss und Zukunftsperspektiven

Klimatische Veränderungen beeinflussen die Hydrologie der Ostsee erheblich. Projektionen zeigen, dass steigende Temperaturen zu einer Verlängerung der eisfreien Perioden führen und veränderte Niederschlagsmuster den Süßwassereintrag verstärken könnten. Langfristig könnte dies zu einer weiteren Abnahme des mittleren Salzgehalts führen, was tiefgreifende Folgen für die marine Biodiversität hätte, beispielsweise für die Fortpflanzung des Dorsches (Gadus morhua).[41] Auch die Häufigkeit und Intensität der MBIs hängen eng mit großräumigen atmosphärischen Mustern zusammen, die sich unter Bedingungen des Klimawandels verschieben können.[42]

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Klima und Klimawandel

Zusammenfassung
Kontext

Klimazonen und allgemeines Klima

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Herbstfarben, Laub-Mischwälder sowie natürliches oder anthropogenes Grasland – Typisch für die gemäßigten Zonen.
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„Helle Lärchentaiga“ in Ostsibirien: Region mit typisch kontinentalem Klima

Der Ostseeraum liegt im Übergangsbereich zwischen dem maritim gemäßigten Klima Westeuropas und dem kontinentalen Klima Osteuropas. Westwinde prägen die Witterung, und die offene Verbindung zur Nordsee sorgt besonders im Westen für milde Winter und relativ kühle Sommer. Nach Osten und Norden nehmen die kontinentalen Einflüsse zu: Die Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter werden größer und die Niederschläge geringer. Im Süden, etwa in Schleswig-Holstein oder Polen, liegt die mittlere Jahrestemperatur bei rund 9 °C, während sie im nördlichen Bottnischen Meerbusen nur 4  5 °C beträgt.

Im Jahresverlauf dominiert ein deutlich ausgeprägter Wechsel der Jahreszeiten. Im Sommer erwärmt sich die obere Wasserschicht rasch auf 17  20 °C, im äußersten Süden gelegentlich auch darüber, während im Winter große Teile der nördlichen Ostsee zufrieren. Diese ausgeprägte Saisonalität beeinflusst Strömungen, Ökologie und menschliche Nutzung gleichermaßen.[43][44]

Beobachtete Veränderungen

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen Messreihen aus allen Teilen der Ostsee eine deutliche Erwärmung. Nach Analysen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)[45] und des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)[46] hat sich die durchschnittliche Wassertemperatur in den letzten 100 Jahren um etwa 1,5 °C erhöht.[47] Die stärkste Erwärmung findet in den Sommermonaten und in den oberen 20 Metern der Wassersäule statt. Parallel dazu haben die mittleren Lufttemperaturen im gesamten Einzugsgebiet zugenommen, wie das „Baltic Sea Climate Change Fact Sheet 2024“ von HELCOM und das Forschungsprogramm „Baltic Earth“ dokumentieren.[47]

Auch das Niederschlagsregime hat sich verschoben: Der Winter wird feuchter, der Sommer tendenziell trockener. Insgesamt nimmt die jährliche Niederschlagsmenge zu, was den Süßwasserzufluss in die Ostsee erhöht und den Salzgehalt langfristig leicht verdünnt. Die Eisbedeckung hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen – nach Auswertungen des Finnischen Meteorologischen Instituts verringerte sich die durchschnittliche maximale Eisfläche seit 1980 um rund 40 %.[48]

Prognosen und Szenarien

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Intergovernmental Panel on Climate Change – Logo

Klimamodelle, die für die Ostsee-Region berechnet werden, deuten auf eine fortgesetzte Erwärmung hin. Im optimistischen Szenario (RCP 2.6) könnte die mittlere Oberflächentemperatur bis 2100 um etwa 1,5 °C zunehmen; bei fortgesetzten hohen Emissionen (Szenario RCP 8.5) wäre ein Anstieg von 3  4 °C wahrscheinlich.[47]

Mit wärmeren Luft- und Wassertemperaturen wird die Eisdecke im Winter weiter zurückgehen, vor allem im Finnischen und Bottnischen Meerbusen. Dort, wo früher jedes Jahr monatelang geschlossene Eisflächen bestanden, treten inzwischen häufig nur noch kurze Eiszeiten oder Treibeis auf.

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Messung der Postglazialen Landhebung an der Ostseeküste in Vaasa (Finnland).

Der Meeresspiegel zeigt, ähnlich wie in anderen Regionen, einen moderaten Anstieg von derzeit etwa 2–3 Millimetern pro Jahr. Allerdings hebt sich der Norden Skandinaviens durch isostatische Nachwirkungen der Eiszeit noch immer, sodass der relative Meeresspiegelanstieg dort geringer oder sogar ausgeglichen ist. Im Süden dagegen, etwa entlang der polnischen und deutschen Küsten, addiert sich der eustatische Anstieg zu einer leichten Landabsenkung – langfristig ein Risiko für Flachküsten und Hafflandschaften.

Die Kombination aus höherer Temperatur, verändertem Salzgehalt und verstärkter Schichtung der Wassersäule könnte zu häufigeren Perioden mit Sauerstoffmangel führen. Auch die Zahl sogenannter mariner Hitzewellen – mehrtägiger Phasen ungewöhnlich warmer Oberflächentemperaturen – hat bereits zugenommen und dürfte weiter steigen. Diese Ereignisse beeinflussen Planktonblüten, Stoffkreisläufe und Fischbestände nachhaltig.[47]

Auswirkungen auf Ökosysteme und Nutzung

Der Klimawandel wirkt sich in nahezu allen Lebensbereichen des Ostseeraums aus. Die Erwärmung verändert die Verbreitung von Pflanzen- und Tierarten: Wärme- und brackwasserliebende Arten wie Hering oder Stichling breiten sich aus, während kälteaffine Arten, etwa Dorschbestände in den tieferen Becken, zunehmend unter Sauerstoffmangel und geringerer Reproduktion leiden.[49] Auch die Häufigkeit großflächiger Blaualgenblüten nimmt durch höhere Temperaturen und Nährstoffverfügbarkeit zu. Für die Küstenbewohner hat dies Konsequenzen für Tourismus, Fischerei und Trinkwasserversorgung.

Neben den ökologischen Folgen treten zunehmend wirtschaftliche und infrastrukturelle Anpassungsfragen in den Vordergrund. Mildere Winter erleichtern zwar die Schifffahrt im Norden, doch Sturmfluten, Erosion und Meeresspiegelanstieg erfordern neue Schutzmaßnahmen in dicht besiedelten Küstenabschnitten. Städte wie Danzig, Riga oder Helsinki investieren bereits in Küstenschutz und Frühwarnsysteme.

Anpassung und Resilienz

Die Staaten der Ostsee-Region haben begonnen, ihre Zusammenarbeit an die klimatischen Veränderungen anzupassen. In der 2021 verabschiedeten HELCOM-Erklärung Towards a Climate-Resilient Baltic Sea Region verpflichteten sich die Anrainer, Klimaschutz und Meerespolitik stärker zu verknüpfen und die Beobachtungs- und Forschungssysteme auszubauen.[48] Dazu gehören langfristige Programme zur Überwachung von Temperatur, Salzgehalt und Sauerstoffgehalt sowie die Integration klimabezogener Risiken in Raum- und Küstenplanung. Forschungseinrichtungen wie das Leibniz Institute für Ostseeforschung in Warnemünde, das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel oder das Baltic Earth-Netzwerk[50] koordinieren hierzu Modellierungen und Datenaustausch, um die Anpassungsfähigkeit der marinen Ökosysteme und der menschlichen Nutzung zu stärken.

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Ökologie und Umwelt

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Die Ostsee gilt als eines der am stärksten anthropogen beeinflussten Meere der Erde. Ihre geographische Lage, die geringe Tiefe und der eingeschränkte Wasseraustausch mit der Nordsee machen sie besonders empfindlich gegenüber menschlichen Einflüssen[51]. Seit Jahrzehnten wird sie intensiv erforscht, überwacht und in internationalen Schutzprogrammen behandelt – insbesondere im Rahmen der Helsinki-Kommission (HELCOM), die die ökologische Situation regelmäßig bewertet[5].

Ökosysteme und Lebensräume

Das Ökosystem der Ostsee zeichnet sich durch einen starken Salinitäts-Gradienten aus: Während westliche Regionen beinahe marine Bedingungen aufweisen, herrschen im Nordosten fast süßwasserartige Verhältnisse. Diese Übergangszone führt zu einer Mischung aus marinen und limnischen (Süßwasser-)Arten.[52] Küstennahe Seegraswiesen, Algenbänke und flache Boddengewässer bilden wichtige Laich- und Rückzugsgebiete für Fische und Wirbellose. In tieferen Zonen herrschen dagegen häufig sauerstoffarme oder -freie Bedingungen.

Die produktivsten Lebensräume finden sich im Frühling, wenn nährstoffreiches Schmelzwasser einströmt und großflächige Phytoplanktonblüten entstehen.[49] Sie sind Grundlage der Nahrungskette, führen aber auch zu Sauerstoffmangel im Sommer, wenn abgestorbenes Plankton in die Tiefe sinkt und dort zersetzt wird.

Eutrophierung und Sauerstoffmangel

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Schema der Eutrophierung

Die Eutrophierung – also die Überdüngung des Meeres durch Stickstoff- und Phosphoreinträge – bleibt das gravierendste Umweltproblem der Ostsee. Hauptquellen sind Landwirtschaft, Abwasser und atmosphärische Deposition.[53] Trotz Fortschritte seit den 1990er-Jahren übersteigen die Nährstoffmengen vielerorts weiterhin die natürlichen Aufnahme- und Abbaukapazitäten des Systems.[51]

Als Folge kommt es regelmäßig zu Sauerstoffmangelzonen in den Tiefenbecken. Inzwischen haben diese Bereiche eine Fläche von über 60.000 km² erreicht – mehr als ein Sechstel des Meeresbodens.[52] In den anoxischen Zonen entstehen unter dem Einfluss von Bakterien Schwefelwasserstoff-haltige Schichten, in denen keine höheren Organismen leben können.

Salzwassereinbrüche aus der Nordsee können die Situation zeitweise verbessern, indem sie sauerstoffreiches Tiefenwasser nachführen. Doch solche Ereignisse werden seltener, während der Sauerstoffverbrauch durch Erwärmung und Nährstoffeintrag steigt.[49]

Schadstoffe und Altlasten

Neben Nährstoffen gelangen auch organische Schadstoffe, Schwermetalle und Rückstände aus Industrie, Verkehr und Landwirtschaft in die Ostsee. Viele dieser Stoffe reichern sich im Sediment oder in der Nahrungskette an.[54] Besonders problematisch sind langlebige organische Substanzen (z. B. polychlorierte Biphenyle (PCB), Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) und per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS)), die selbst Jahrzehnte nach ihrem Verbot messbar bleiben.[55]

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Alte Seeminen am Strand der estnischen Insel Naissaar.

Ein weiteres gravierendes Problem stellen Munitionsaltlasten aus den Weltkriegen dar. Schätzungsweise bis zu 400.000 Tonnen konventioneller und chemischer Munition liegen am Meeresboden, vor allem in der Lübecker und der Kieler Bucht, vor Bornholm und in der Gotlandsee.[51] Korrosion setzt dort Gifte wie Trinitrotoluol (TNT) oder Senfgas frei, die lokal nachweisbare Belastungen hervorrufen.[52] Internationale Projekte wie „MUNITECT“ oder „DAIMON“ erforschen die Gefahren und Strategien zur sicheren Bergung.[54]

Meeresschutzgebiete und internationale Umweltpolitik

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Karte der Naturschutzgebiete in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone.

Um den ökologischen Zustand der Ostsee zu verbessern, wurden zahlreiche Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPAs) eingerichtet. Im Rahmen des HELCOM-MPA-Netzwerks sind derzeit über 180 Schutzgebiete ausgewiesen, die zusammen mehr als 13 % der Wasserfläche abdecken.[51][56] Diese Gebiete sollen empfindliche Lebensräume wie Seegraswiesen, Riffe, Sandbänke und Laichplätze erhalten. Ihr Schutzstatus ist jedoch unterschiedlich stark umgesetzt; in vielen Regionen sind wirtschaftliche Nutzung und Schutz noch nicht im Gleichgewicht.

Die ökologischen Ziele der Ostsee-Anrainer orientieren sich an der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL)[57] und an dem HELCOM Baltic Sea Action Plan (BSAP), die konkrete Reduktionsziele für Nährstoffeinträge, Schadstoffe und Meeresmüll festlegen.[58]

Aktuelle Entwicklungen

Seit den 2010er-Jahren werden durch technische Aufrüstung von Kläranlagen und veränderte landwirtschaftliche Praktiken messbare Verbesserungen erzielt. Dennoch bleibt die Erholung des Ökosystems langsam, weil sich viele Stoffe – insbesondere Phosphor – im Sediment anreichern und über Jahrzehnte rückwirken.[59] Neue Herausforderungen entstehen durch den Klimawandel: Erwärmung, verringerte Durchmischung und häufigere marine Hitzewellen verschärfen Sauerstoffmangel und Eutrophierung.[44]

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Flora und Fauna

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Satellitenfoto der Ostsee um Gotland, Schweden, mit im Wasser wirbelnder Algenblüte (Phytoplankton).
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Seegraswiese (Zostera marina) in der Ostsee (Kieler Förde / Falckensteiner Strand)
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Baltische Plattmuschel (Limecola balthica)
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Flohkrebs (Gammarus roeselii)
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Kegelrobbe (Halichoerus grypus)
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Zwei Schweinswale (Phocoena phocoena)

Die Ostsee beherbergt eine für ihre Größe vergleichsweise geringe, aber hochspezialisierte Artenvielfalt. Ursache ist ihr außergewöhnlicher Salinitäts-Gradient, der von fast marinen Bedingungen im Westen bis hin zu nahezu Süßwasser im Nordosten reicht. Dies erfordert von vielen Arten hohe physiologische Anpassungsfähigkeit. Da nur wenige Arten diese Bedingungen ertragen, ist die biologische Konkurrenz gering – viele Nischen werden daher von wenigen dominanten Arten besetzt. In Folge ist das gesamte Ökosystem empfindlicher gegenüber Störungen: Schon geringe Veränderungen von Salzgehalt, Temperatur oder Sauerstoff führen zu Verschiebungen im Artenspektrum.[51]

Pflanzenwelt und Primärproduktion

Die Basis des ökologischen Systems bildet das Phytoplankton, dessen Zusammensetzung sich saisonal ändert. Früh im Jahr dominieren Kieselalgen (oder Diatomeen, (Bacillariophyta)), im Sommer Cyanobakterien, die bei hohen Temperaturen großflächige Blaualgenblüten bilden.[52] Diese Blüten liefern kurzfristig eine große Biomasse, führen jedoch durch ihren Abbau in tieferen Schichten zu Sauerstoffmangel.[49]

In flachen Küstenzonen wachsen Makroalgen (Grün-, Braun- und Rotalgen) sowie Seegräser wie Zostera marina. Besonders Seegraswiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen der Ostsee; sie stabilisieren Sedimente, binden Nährstoffe und dienen als Kinderstube vieler Fischarten.[5]

Die Pflanzenvielfalt nimmt mit sinkendem Salzgehalt stark ab: Im Bottnischen Meerbusen kommen fast nur Süßwasserpflanzen wie Schilf (Phragmites australis) und Armleuchteralgen (Chara-Arten) vor. In den zentralen Becken dagegen existieren Mischgesellschaften, in denen sowohl marine als auch limnische Arten vorkommen – ein typisches Kennzeichen dieses Übergangsmeeres.[60]

Tierwelt

Auch die Tierwelt der Ostsee spiegelt den Salinitätsverlauf deutlich wider. Im Westen dominieren marine Arten wie Hering (Clupea harengus), Dorsch (Gadus morhua), Scholle, Seezunge und Seestern, im Osten und Norden hingegen Süßwasserfische wie Hecht, Barsch oder Zander.[4] Während der Hering sich gut an das Brackwasser anpasst, leiden die Dorschbestände unter Sauerstoffmangel und Überfischung.[51]

Auch Sprotte (Sprattus sprattus), Lachs (Salmo salar) und Meerforelle (Salmo trutta trutta) sind bedeutende Vertreter der offenen See und der Küstengewässer. Wanderfische wie Lachs und Meerforelle benötigen zum Laichen ungestörte Flüsse, was durch Staudämme und Verschmutzung vielerorts eingeschränkt ist.[52]

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Baltische Plattmuschel (Limecola balthica)

Unter den wirbellosen Tieren spielen Flohkrebse (Amphipoda), Ruderfußkrebse (Copepoda) und Muscheln eine zentrale Rolle im Nahrungsnetz. Eine der ökologisch wichtigsten Arten ist die Baltische Plattmuschel (Limecola balthica), die weite Teile des Meeresbodens besiedelt und zur Sauerstoffversorgung des Sediments beiträgt.[49]

Zu den wenigen größeren Meeressäugern zählen die Kegelrobbe (Halichoerus grypus), die Ringelrobbe (Pusa hispida botnica) und die stark gefährdeten Schweinswale (Phocoena phocoena). Während sich die Robbenpopulationen nach jahrzehntelangem Schutz wieder erholen, bleibt der Schweinswal durch Lärm, Stellnetze und Schadstoffe stark bedroht.[5]

Fischerei und Bestandstrends

Die Fischerei ist seit Jahrhunderten ein zentraler Bestandteil der Ostseekultur. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten jedoch Überfischung, Umweltverschmutzung und Lebensraumverlust zu deutlichen Rückgängen vieler Bestände.[4] Besonders dramatisch ist der Rückgang des westlichen Dorschbestands, der seit den 2010er-Jahren als zusammengebrochen gilt.[51] Ursachen sind Sauerstoffmangel, Überfischung und ungünstige Laichbedingungen in den Tiefenbecken. Der Hering zeigt regional ebenfalls Abnahmen, während die Sprotte zugenommen hat.

Internationale Regelungen durch die EU-Gemeinsame Fischereipolitik und Empfehlungen des International Council for the Exploration of the Sea (ICES) sollen nachhaltige Fangmengen sichern.[5] Parallel werden in Küstenregionen traditionelle Nutzungsformen – etwa Reusen- und Stellnetzfischerei – als kulturhistorisches Erbe geschützt.

Bedrohungen und Schutzmaßnahmen

Neben Überfischung gefährden Eutrophierung, Schadstoffe, Lärm, Klimawandel und invasive Arten die biologische Vielfalt. Besonders die Erwärmung der Ostsee verändert Verbreitungsgebiete: Warmwasserliebende Arten wandern ein, während Kälte- und Salzliebende zurückgehen.[60]

Zudem gelangen zunehmend nicht-heimische Arten über Schiffsballastwasser und Kanäle in die Ostsee, etwa die Schwarzmund-Grundel (Neogobius melanostomus) oder die Quagga-Dreikantmuschel (oder Kaspische Schwertmuschel, Dreissena rostriformis bugensis).[5] Einige haben sich erfolgreich etabliert und beeinflussen lokale Nahrungsnetze.

Um diese Entwicklungen zu begrenzen, koordinieren HELCOM, nationale Umweltbehörden und Forschungsinstitute Maßnahmen wie ballastwasserfreie Schifffahrt, Habitatrenaturierung und Monitoring-Programme.[52]

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Politik, Wirtschaft und Nutzung

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Öresundbrücke

Die Ostsee ist ein komplexer politischer, wirtschaftlicher und geopolitischer Raum. Neun Staaten teilen sich ihre Küsten, zahlreiche internationale Organisationen regulieren Nutzung und Schutz. Zwischen Handel, Fischerei, Energie und Tourismus steht die Herausforderung, ökologische Nachhaltigkeit mit ökonomischem Nutzen zu verbinden.[5]

Politische Zuständigkeiten und Zusammenarbeit

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Karte mit den Mitgliedern der Helsinki-Kommission (auch bekannt als Kommission zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee). Die Europäische Gemeinschaft, die ebenfalls Mitglied ist, ist nicht aufgeführt.

Zentrale Plattformen für die politische Zusammenarbeit sind die Helsinki-Kommission (HELCOM), der Ostseerat (Council of the Baltic Sea States, CBSS) und die EU-Ostseestrategie (EU Strategy for the Baltic Sea Region, EUSBSR).[61] HELCOM koordiniert Umweltpolitik, Meeresüberwachung und Schutzprogramme; der Ostseerat behandelt übergreifende Fragen wie Energie, Sicherheit, Forschung und Kultur.[58]

Trotz unterschiedlicher politischer Systeme bestehen Kommunikationskanäle. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 wurde die Kooperation mit Russland in vielen Bereichen ausgesetzt, die technische Zusammenarbeit im Umweltmonitoring jedoch teilweise fortgeführt.[5]

Verkehr und Infrastruktur

Der Ostseeraum ist durch ein Netz von Fährlinien, Brückenverbindungen, Häfen und Energiepipelines miteinander verknüpft. Diese Infrastruktur bildet das Rückgrat von Handel, Mobilität und Energieversorgung und ist zugleich ein sensibler Teil der maritimen Infrastruktur Europas.[62][63]

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Scandlines Hybridfähre Berlin in Warnemünde.

Mit der steigenden Verkehrsintensität wachsen auch Risiken: Ölunfälle, Havarien und Emissionen durch die Schifffahrt belasten das Meer. Internationale Vorschriften – etwa das IMO-Schwefelabkommen[64] (SECA-Zone) und die Ausweisung der Ostsee als NOx-Emissionskontrollgebiet (Nitrous Oxide Emission Control Area, NECA) – haben dazu beigetragen, die Umweltbilanz in den letzten Jahren zu verbessern.[64]

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Regelmäßig bediente Fährlinien im Ostseeraum.

Fährverkehr

Mehr als 100 Fährlinien verbinden die Anrainerstaaten miteinander und transportieren jährlich über 90 Millionen Passagiere sowie rund 40 Millionen Tonnen Fracht.[62] Besonders wichtig sind die Nord-Süd-Verbindungen zwischen Schweden, Finnland, Deutschland und Polen sowie die Ost–West-Routen durch die Beltsee. Wichtige Verbindungen:

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Brücken und Tunnelverbindungen

Die großen Brücken- und Tunnelbauten der Ostseeregion symbolisieren die zunehmende Integration Nordeuropas. Sie dienen nicht nur dem Verkehr, sondern tragen auch Strom-, Gas- und Glasfaserverbindungen und symbolisieren so die zunehmende Vernetzung im Ostseeraum.[70]

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Die Öresund-Brücke

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Die Öresundbrücke von Kopenhagen aus.

Die Öresund-Brücke (Öresundsbron) spielt eine besondere Rolle. Sie verbindet seit dem Jahr 2000 die dänische Hauptstadtregion Kopenhagen mit der südschwedischen Stadt Malmö. Mit einer Gesamtlänge von 7,8 Kilometern – ergänzt durch einen 4 Kilometer langen Tunnelabschnitt (Drogdentunnel) – ist sie eine der längsten kombinierten Straßen- und Eisenbahnbrücken Europas.[71]

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Karte der Öresundregion.

Sie bildet das zentrale Element der Öresundregion, einer grenzüberschreitenden Metropolregion mit rund vier Millionen Einwohnern, und symbolisiert die enge wirtschaftliche, kulturelle und politische Verflechtung zwischen Dänemark und Schweden. Neben ihrer Verkehrsfunktion spielt die Brücke auch für den Energie- und Datenverkehr über den Öresund eine wichtige Rolle, da sie Versorgungsleitungen und Glasfaserkabel führt.[74]

Häfen und Pipelines

Die Ostseehäfen gehören zu den verkehrsreichsten Europas. Im Jahr 2024 lag der Gesamtumschlag bei rund 900 Mio. Tonnen Fracht, mit deutlichem Wachstum im Container- und Ro-Ro-Segment.[62] Wichtige Häfen:[75]

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Unterseeische Energiepipelines ergänzen die maritimen Transportsysteme. Neben den bekannten Nord Stream-Leitungen existieren Verbindungen wie der Balticconnector (zwischen Finnland und Estland, seit 2020) und die Baltic Pipe (zwischen Norwegen, Dänemark und Polen, seit 2022 in Betrieb).[76][77] Diese Pipelines sind integraler Bestandteil der europäischen Energieversorgung, zugleich aber anfällig für technische Störungen und geopolitische Risiken.

Kritische maritime Infrastruktur (CMI)

Die maritime Infrastruktur im Raum der Ostsee unter anderem Unterwasser-Pipelines, Daten- und Stromkabel, Häfen sowie Offshore-Energieanlagen. Diese gelten als „kritisch“ („Critical Maritime Infrastructure“, CMI), weil ihr Ausfall oder ihre Beschädigung erhebliche Auswirkungen auf Energieversorgung, Wirtschaft, Kommunikation und Sicherheit in den Anrainerstaaten haben kann.[78]

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Verlauf des Unterseekabel C-Lion. Karte auf Open Street Map Basis.

Im Ostseeraum haben mehrere Ereignisse gezeigt, wie empfindlich diese Infrastruktur ist: Schäden an Untersee-Kabeln und Pipelines wurden teils als Unfall, teils als gezielte Angriffe bewertet.[79]

Die NATO und die EU reagierten mit verstärkter Überwachung und der Einrichtung gemeinsamer Schutzinitiativen, etwa der NATO-Operation Baltic Sentry, die Unterwasser-Infrastruktur mit maritimen Luft- und Seeeinheiten überwacht.[77]

Die Sicherung dieser Infrastruktur gilt zunehmend als Schlüsselfrage europäischer Sicherheitspolitik.

Fischerei und Meeresressourcen

Die Fischerei steht unter starkem Druck. Nach dem Zusammenbruch des westlichen Dorschbestands 2019 und weiteren Rückgängen bei Hering und Sprotte sind die Fangquoten stark begrenzt.[80] Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) der EU legt jährliche Höchstmengen fest, die auf wissenschaftlichen Empfehlungen des International Council for the Exploration of the Sea (ICES) beruhen.[81] HELCOM und nationale Behörden ergänzen diese durch regionale Managementpläne.[5]

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Getrocknete Nori-Algen, geröstete Blätter, die vor allem für Sushi verwendet werden. Nori wird auch, bereits mit Sesamöl und Gewürzen aromatisiert, in kleinerem Zuschnitt angeboten.

Parallel gewinnen Aquakultur und Muschelzucht an Bedeutung, allerdings unter der Auflage, keine zusätzlichen Nährstoffbelastungen zu verursachen. Auch Muschel- und Algenprojekte werden zunehmend als Nahrungs- und Rohstoffquellen gefördert.[82]

Energie und Rohstoffe

Die Ostsee ist ein Raum für Energiegewinnung und -transport. Unterseeische Gaspipelines – etwa Nord Stream 1 und 2 – verlaufen durch ihr Gebiet, ebenso zahlreiche Stromkabel, Datenleitungen und geplante Wasserstofftrassen. Wegen politischer Spannungen seit 2022 liegt der Fokus stärker auf Versorgungssicherheit und Überwachung der Infrastruktur.[83]

Gleichzeitig erlebt die Region einen Boom der Offshore-Windenergie. Besonders Dänemark, Deutschland, Polen und Schweden erweitern ihre Windparks. Geplant ist eine installierte Leistung von über 20 Gigawatt bis 2030 – eine der größten Konzentrationen weltweit.[84]

Sand, Kies und Gestein werden regional als Rohstoffe gefördert, allerdings unter strengen Umweltauflagen. Tiefseebergbau oder großflächige Rohstoffgewinnung spielt in der Ostsee keine Rolle, weil das Ökosystem dafür zu empfindlich ist.[51]

Tourismus und Küstenentwicklung

Der Tourismus ist ein zentraler Wirtschaftszweig vieler Küstenregionen. Inseln wie Rügen, Usedom, Bornholm, Gotland oder die Åland-Inseln gehören zu den beliebtesten Reisezielen Nordeuropas.[4] Sanfter Naturtourismus und nachhaltige Küstenentwicklung gewinnen an Bedeutung, während Massentourismus und Bautätigkeit zunehmend reguliert werden. In den letzten Jahren haben sich zahlreiche grenzüberschreitende Projekte zur Förderung eines „grünen Ostsee-Tourismus“ etabliert, etwa im Rahmen des EU-Interreg-Programms.[61]

Umwelt- und Raumplanung

Da sich die Nutzungsformen – Schifffahrt, Fischerei, Energie, Tourismus, Naturschutz – häufig überlagern, sind maritime Raumordnungspläne erforderlich. Alle EU-Anrainerstaaten haben mittlerweile nationale Raumordnungen erstellt, die im Rahmen der EU-Maritime Spatial Planning Directive (2014/89/EU) aufeinander abgestimmt werden.[85] Diese Pläne sollen Nutzungskonflikte vermeiden und ökologisch sensible Gebiete schützen. Forschungseinrichtungen und Umweltbehörden erarbeiten dazu Szenarien, in denen ökologische Tragfähigkeit, wirtschaftliche Interessen und Klimaanpassung zusammengeführt werden.

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Rechtlicher und politischer Rahmen

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Internationale Seegrenzen und Ausschließliche Wirtschaftszonen

In seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) darf ein Küstenstaat wirtschaftliche Ressourcen wie Fischbestände und Bodenschätze nutzen, sie gehört aber nicht zu seinem Staatsgebiet. Wenn sich die AWZ-Ansprüche zweier Nachbarländer überschneiden, müssen sie eine gemeinsame Grenze vereinbaren.[86] Die Ostsee wird von neun Staaten umgeben, daher gibt es eine Reihe von bilateralen Abkommen zur Grenzziehung. Ein typisches Beispiel ist die Vereinbarung zwischen Litauen, Schweden und Russland über den gemeinsamen Punkt der Grenzen der AWZ und des Kontinentalschelfs im Baltikum, unterzeichnet am 30. November 2005.[87] Auch nationale Rechtsakte regeln die AWZ: So trat in Finnland am 1. Februar 2005 das Gesetz über die Ausschließliche Wirtschaftszone in Kraft, das auf dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) basiert und insbesondere Umwelt- und Ressourcenschutz in der AWZ vorsieht.[88]

Völkerrechtliche Aspekte (Seerechtsübereinkommen)

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Seerechtliche Zonen, wie sie im Seerechtsübereinkommen definiert sind.

Das internationale Seerecht, insbesondere das UN-Seerechtsübereinkommen, bildet die Rechtsgrundlage auch für Nutzungsrechte und -pflichten in den Meeresräumen der Ostsee.[89] Für die Region gilt zudem die Helsinki-Konvention („Convention on the Protection of the Marine Environment of the Baltic Sea Area“) von 1974 und (1992), die Umweltschutzfragen und Meeresraumkoordination regelt.[21] Diese Verträge bilden die Grundlage für abgestimmte Regelungen zu Fischerei, Schifffahrt, Unterwasserleitungen, Schutzgebieten und wissenschaftlicher Kooperation. So werden etwa Fangquoten („Total Allowable Catches“) im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU festgelegt.[90]

Council of the Baltic Sea States (CBSS), EU-Ostseestrategie und multilaterale Kooperationen

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Logo des Ostseerats.

Auf regionaler Ebene arbeiten die Ostseeanrainerstaaten zusammen. Der Ostseerat (Council of the Baltic Sea States, CBSS) wurde 1992 gegründet und dient als politisches Forum zur Förderung von Zusammenarbeit, Demokratie, nachhaltiger Entwicklung, Energie- und Umweltschutz im Ostseeraum.[91] Ergänzend entwickelte die Europäische Union die EU-Strategie für den Ostseeraum (EUSBSR),[6] die erste makroregionale Strategie der EU mit den Zielen „Rette das Meer“, „Verbinde die Region“ und „Erhöhe den Wohlstand“.[92] Auch das Umweltprogramm der Helsinki-Kommission (HELCOM)[93] markiert über 50 Jahre Kooperation im Ostseeschutz.[94] Diese multilateralen Mechanismen ermöglichen eine gemeinsame Steuerung von Umwelt-, Infrastruktur- und Wirtschaftsfragen im Ostseeraum – Präventivpolitik und institutionelle Integration sind zentrale Elemente.

Bedeutung und Herausforderungen

Der rechtliche Rahmen stößt in der Praxis auf Herausforderungen: Grenzziehungen sind teils komplex, da viele Anrainerstaaten nahe beieinander liegen. Außerdem müssen Nutzungsrechte mit Umweltschutz, Klimawandel und geopolitischen Risiken – etwa durch Unterwasser-Infrastruktur – in Einklang gebracht werden.

Wichtige internationale Abkommen und Institutionen im Ostseeraum

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Geschichte und Kultur der Ostseeregion

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Seit dem Ende der letzten Eiszeit war die Ostsee Handelsroute, Kulturraum und immer wieder auch Schauplatz politischer Spannungen.[51]

Frühe Besiedlung und Handelsnetzwerke

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Rekonstruktion des Jägergrabes von Skateholm. Museum Trelleborg.

Die Geschichte menschlicher Besiedlung an den Ostseeküsten beginnt unmittelbar nach dem Rückzug des skandinavischen Eisschilds vor etwa 12.000 Jahren. Die ersten Jäger-und-Sammler-Gruppen der Ahrensburger und später der Maglemose-Kultur folgten den Rentierherden in die neu entstandenen, eisfreien Landstriche. Mit dem ansteigenden Meeresspiegel und der Bildung des Littorina-Meeres (dem Vorläufer der Ostsee) vor etwa 8.000 Jahren kam es zur Entwicklung einer sesshaften Lebensweise und zur Entstehung erster Dörfer; es entwickelten sich Küstensiedlungen, deren Wirtschaft auf Fischfang, Robbenjagd und dem Sammeln von Meeresmuscheln basierte. Die bekanntesten und am besten erforschten Beispiele sind der Wohnplatz Skateholm in Südschweden[99] und die Fundstätte Šventoji in Litauen, wo Archäologen Reste von Holzhäusern, Fischreusen und ein komplexes Netzwerk von Fallgruben für Elche freilegten. Die Gewässer waren reich an Fischen und Robben; die Ufer boten Zugang zu Bernstein, der im Fernhandel eine herausragende Rolle spielte.[100]

Während der Bronzezeit (ca. 1700–500 v. Chr.) intensivierte sich der Handel. Die Bronzezeit war die erste Epoche, in der Gesellschaften durch ihre Abhängigkeit von Erzen und metallurgischen Kenntnissen, die geografisch ungleich verteilt waren, miteinander verbunden und aufeinander angewiesen waren.[101] Das Ostseegebiet wurde zu einem Knotenpunkt im europäischen Handelsnetzwerk, wobei Bernstein aus dem Samland ein begehrte Handelsware war. Dieses „Baltische Gold“ wurde über die sogenannte Bernsteinstraße gegen Bronze aus Mitteleuropa und dem alpinen Raum getauscht. Zahlreiche Hortfunde, wie der von Balkåkra in Südschweden, der eine bronzene Luren-Trompete von herausragender Qualität enthielt, bezeugen den Reichtum und die weitreichenden Kontakte der lokalen Eliten.[102]

Die Wikingerzeit und die Ostsee als Verkehrsraum

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Handelsplätze der Wikingerzeit

Vom späten 8. bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts wurde die Ostsee zum zentralen Aktionsraum der Wikinger, üblicherweise datiert vom Überfall auf das Kloster von Lindisfarne im Jahr 793 bis zur Schlacht von Stamford Bridge 1066.[103] Wichtige Handelszentren wie Birka in Schweden, Haithabu im heutigen Deutschland, Wolin in Polen und Staraja Ladoga in Russland verbanden Skandinavien mit dem Byzantinischen Reich und der arabischen Welt. Die Ostsee diente nicht nur als Transportweg, sondern ihre Küstenregionen auch als kulturelle Schmelztiegel, in denen skandinavische, slawische, baltische und finnische Kulturen aufeinandertrafen und sich gegenseitig beeinflussten.[104]

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Replica des Wikingerschiffes „Borgundknarren“ aus dem 10. Jahrhundert im Sunnmøre-Museum in Ålesund.

Der Handel wurde durch die Entwicklung spezialisierter Schiffe – wie den Knorr – ermöglicht, die große Lasten über offene See transportieren konnten. Der Zustrom von arabischen Dirham und byzantinischen Münzen in Form von Schatzfunden auf Gotland und in Schweden belegt das Volumen und die wirtschaftliche Bedeutung dieses Ostseehandels.

Die Hansezeit: Wirtschaftliche Integration

Ab dem 12. Jahrhundert ging die wirtschaftliche Initiative von den skandinavischen Reichen an den deutschen Kaufmannsbund der Hanse über, der die Ostsee für die folgenden 400 Jahre zum „Meer der Hanse“ machte. Die Hanse war weniger ein fester Städtebund als ein Netzwerk von Kaufleuten, die nach gemeinsamen Handelsregeln operierten.

Das ökonomische Rückgrat dieses Netzes bildeten zwei Hauptrouten:

  1. Die Ost-West-Achse: Transport von Massengütern wie Getreide und Holz aus dem Osten (Preußen, Livland) sowie Pelzen und Wachs aus Nowgorod in den Westen.
  2. Die Nord-Süd-Achse: Transport von gesalzenem Hering aus den sommerlichen Fanggründen vor Schonen (heute Südschweden) in die Binnenregionen Mitteleuropas; das nötige Salz kam im Gegenzug aus Lüneburg über Lübeck in die Ostseeregion.
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Modell einer Kogge (Bremer Kogge).

Schlüsseltechnologien und rechtliche Vereinheitlichung ermöglichten diesen Erfolg. Die Entwicklung des Koggen-Schiffstyps, einer robusten und geräumigen Frachtkogge, förderte den maritimen Transport. Gleichzeitig wurde das Lübische Recht in mehr als 100 Städte des Ostseeraums exportiert, was ein einheitliches Handels-, Vertrags- und Stadtrecht schuf und so Rechtssicherheit für Kaufleute in Riga, Reval (Tallinn) oder Dorpat (Tartu) garantierte. Der Hansehandel schuf einen wirtschaftlich integrierten Großraum, in dem die Produktion in Nowgorod unmittelbar die Märkte in Brügge und London beeinflusste.[105]

Diese wirtschaftliche Integration hinterließ ein kulturelles Erbe, das bis heute in der Backsteingotik der Hansestädte sichtbar ist. Die Hanse prägte die Ostseeregion und schuf infrastrukturelle und rechtliche Grundlagen, die den Handel über kulturelle Grenzen hinweg förderte.[106] Die Hanse brachte Wohlstand, aber auch Konflikte – etwa mit dänischen Königen und zwischen konkurrierenden Handelsstädten.

Nationalstaaten und Konflikte

Die frühe Neuzeit in der Region war geprägt von der Rivalität zwischen den aufstrebenden Nationalstaaten um die Vorherrschaft im Ostseeraum: Dänemark, Schweden, Polen-Litauen, Preußen und später Russland rangen um Küsten, Häfen und die Seeherrschaft. Der Dreikronenkrieg (1563–1570), der Polnisch-Schwedische Krieg (1600–1629) und der Große Nordische Krieg (1700–1721) verwandelten die Ostsee zeitweise in ein schwedisches „Binnenmeer“, bevor Russland unter Peter dem Großen zur dominierenden Macht aufstieg.[107] Diese Konflikte hinterließen Spuren in der politischen Geographie der Region und prägten die nationalen Identitäten der Anrainerstaaten. Die Ostsee wurde zum „Schauplatz der Großmachtpolitik“, auf dem sich die Interessen Dänemarks, Schwedens, Polens, Russlands und Deutschlands überkreuzten.[106] Die Ostsee blieb dabei ein gemeinsamer Verkehrs- und Austauschraum, auch wenn Zölle und Grenzen zunahmen.

Die Industrialisierung brachte neue Schifffahrtsrouten, Hafenanlagen und Werften. Städte wie Kiel, Stettin oder Danzig entwickelten sich zu maritimen Zentren. Gleichzeitig entstanden erste Forschungsinstitutionen zur Meereskunde, etwa in Kiel und Stockholm.[15]

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Caspar David Friedrich: Die Lebensstufen. Um 1835, Öl auf Leinwand. Museum der bildenden Künste Leipzig. Dargestellt ist eine Strandszene in Wieck bei Greifswald.

Durch die Industrialisierung, durch Urbanisierung und Tourismus entwickelte sich die Ostsee im 19. Jahrhundert zum Kultur- und Sehnsuchtsraum: Künstler wie Caspar David Friedrich erforschten die maritime Landschaft, es entstand die Badekultur, das Konzept der „Sommerfrische“ und eine bürgerliche Freizeitkultur entlang der Küstenorte wie Heiligendamm und Binz.

Kulturelle Vielfalt und Sprachen

Die Ostseeregion zeichnet sich durch kulturelle und sprachliche Vielfalt aus. Neben den großen Sprachgruppen (Germanisch, Slawisch, Baltisch, Finnougrisch) existieren mehrere autochthone Minderheitensprachen und -kulturen wie die der Samen im Norden, der Karelier im Osten und der Sorben in Deutschland. Die jahrhundertelange Koexistenz verschiedener Ethnien hat zu einer kulturellen Gemengelage geführt, die sich in Literatur, Musik, Architektur und kulinarischen Traditionen widerspiegelt.[108] Diese kulturelle Diversität bei gleichzeitiger regionaler Verbundenheit macht den Ostseeraum zu einem einzigartigen „Laboratorium des kulturellen Dialogs“.[108]

Das 20. Jahrhundert: Konflikte, Teilung und Neuordnung

Flottenrüstung und Erster Weltkrieg

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Der Große Kreuzer „SMS von der Tann“ von 1909 – der erste deutsche Schlachtkreuzer.

Das ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert war in der Ostseeregion durch ein Flottenwettrüsten geprägt. Unter Kaiser Wilhelm II. und Admiral Alfred von Tirpitz verabschiedete das Deutsche Reich eine Serie von Flottengesetzen (1898, 1900, 1906, 1908 und 1912), die explizit darauf abzielten, eine Schlachtflotte zu bauen, die der britischen Royal Navy ebenbürtig sein sollte. Diese „Risikoflotte“ sollte Großbritannien von einem Angriff auf Deutschland abschrecken, trieb das Land jedoch in eine außenpolitische Isolation und verschärfte die Spannungen in Nordeuropa erheblich.[109]

Im Ersten Weltkrieg wurde die Ostsee nicht zum Schauplatz großer Seeschlachten, sondern war geprägt von einem Abnutzungskrieg mit Minensperren und U-Boot-Operationen. Das kriegsentscheidende Ereignis spielte sich jedoch in ihren Häfen ab: Die Matrosenmeuterei in Wilhelmshaven und Kiel Anfang November 1918, ausgelöst durch einen als sinnlos empfundenen Flottenvorstoß, eskalierte rasch zur Novemberrevolution. Diese zwang Kaiser Wilhelm II. zur Abdankung und beendete die Monarchie im Deutschen Reich.[110] Parallel dazu war der Kronstädter Matrosenaufstand von 1921 in Sowjetrussland ein entscheidendes Moment, das die Bolschewiki veranlasste, ihre repressive Politik mit der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) zu kombinieren.[111]

Zweiter Weltkrieg und humanitäre Katastrophen

Der Zweite Weltkrieg verwüstete die Ostseeregion. Das nationalsozialistischeUnternehmen Barbarossa“ 1941, also der Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion, lief über die Ostsee an, und der darauffolgende Krieg führte zur brutalen Besetzung der baltischen Staaten und weiter Teile Polens. Gegen Ende des Krieges wurde die Ostsee zum Schauplatz einerhumanitären Katastrophen. Die sowjetische Offensive gegen Ostpreußen im Januar 1945 löste eine Massenflucht der deutschen Zivilbevölkerung über das zugefrorene Haff und die Frische Nehrung in Richtung Westen. Zahlreiche Menschen kamen dabei ums Leben, unter anderem durch Angriffe sowjetischer Tiefflieger.

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Die „Wilhelm Gustloff“ als Lazarettschiff in Danzig, 1939.

Die Versenkung des ehemaligen KdF-Schiffes Wilhelm Gustloff durch ein sowjetisches U-Boot am 30. Januar 1945 mit schätzungsweise über 9.000 Toten, darunter etwa 5.000 Kinder, stellt die verlustreichste Einzelkatastrophe der Schifffahrtsgeschichte dar.[112] Diese Ereignisse leiteten das Ende der jahrhundertealten deutschen Präsenz im Osten ein. Die später im Potsdamer Abkommen (1945) sanktionierte Vertreibung von Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien veränderte die demografische und kulturelle Landkarte der Region nachhaltig.[113] Für Polen und die baltischen Staaten bedeutete das Kriegsende allerdings keine Befreiung, sondern den Austausch einer Besatzungsmacht durch eine andere und den Beginn jahrzehntelanger sowjetischer Dominanz.[114]

Kalter Krieg und innerdeutsche Grenze

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Am Strandweg zwischen Kellenhusen und Dahme unweit des Leuchtturms Dahmeshöved erinnert eine Informationstafel an die Menschen, die zwischen 1949 und 1989 versuchten, über das Meer von Mecklenburg in der DDR nach Schleswig-Holstein in der Bundesrepublik Deutschland zu fliehen.

Während des Kalten Kriegs wurde die Ostsee zu einer der am strengsten bewachten Grenzen zwischen den Blöcken. Der Eiserne Vorhang verlief mitten durch das Meer und teilte es in eine NATO- und eine Warschauer-Pakt-Hälfte. Für die Bürger der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR wurde die Ostsee zugleich zu einer Fluchtroute und einer tödlichen Falle. Insgesamt unternahmen schätzungsweise 5.600 Menschen einen Fluchtversuch über das Binnenmeer. In rund 900 Fällen gelang das Vorhaben. In den 4.700 anderen Fällen erfolgten Festnahmen, oder Fluchtwillige kamen ums Leben. Nach neuesten Forschungen lassen sich 135 Fluchtversuche zweifelsfrei bestätigen, die tödlich endeten.[115] Die Küsten der DDR waren mit Sperranlagen, Selbstschussanlagen und einem umfangreichen System von Bootskontrollen abgeriegelt, um die Flucht aus der DDR über die See zu verhindern.

Neue Bündnisse im 21. Jahrhundert

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Beitrittsrunde vom 4. April 2023
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Beitrittsrunde vom 7. März 2024

Das Ende des Kalten Krieges brachte keine dauerhafte Entspannung. Die NATO-Osterweiterung und die Erweiterung der Europäischen Union integrierte die baltischen Staaten und Polen in westliche Strukturen. Die russische Annexion der Krim 2014 und der Angriffskrieg gegen die Gesamt-Ukraine ab 2022 veränderten die Sicherheitsarchitektur in der Ostsee erneut. Als Reaktion darauf beantragten die traditionell bündnisfreien Staaten Finnland und Schweden 2022 die NATO-Mitgliedschaft. Finnland trat dem Bündnis am 4. April 2023 bei, Schweden folgte am 7. März 2024. Dies bewirkte, dass heute alle Ostsee-Anrainerstaaten NATO-Mitglieder sind – mit Ausnahme Russlands (russische Exklave Kaliningrad und St. Petersburger Zugang).[116]

Zugleich nehmen seit 2022 die Spannungen zu. In weniger als 14 Monaten wurden in der Ostsee neunmal Unterseekabel beschädigt, die Estland, Finnland, Deutschland, Litauen, Russland und Schweden verbinden. Zusätzlich wurden ein Unterwasser-Stromkabel und eine Gaspipeline durch einen Schiffsanker beschädigt. Diese Schäden entstanden bei drei separaten Vorfällen, an denen jeweils ein ausländisches Handelsschiff beteiligt war, das seinen Anker über hundert Kilometer weit über den Meeresboden schleifte. Der Vorfall mit der „NewNew Polar Bear“ ereignete sich im Oktober 2023, der mit der „Yi Peng 3“ im November 2024 und der mit der „Eagle S“ am 25. Dezember 2024. Bei den Vorfällen mit der „NewNew Polar Bear“ und der „Eagle S“ wurden fast alle kritischen Offshore-Infrastrukturen Estlands außerhalb der Hoheitsgewässer beschädigt. Das Stromkabel ESTLINK 2 und drei Datenkabel blieben dank des entschlossenen Eingreifens Finnlands beim Vorfall mit der „Eagle S“ unbeschädigt.[117]

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Eagle S am 31. Dezember 2024.

Zumindest die „Eagle S“ gehört zur sogenannten „russischen Schattenflotte“.[118] 2025 kam es zu mehreren Zwischenfällen, unter anderem in finnischen und polnischen Hoheitsgewässern, die Ermittlungen und diplomatische Spannungen auslösten.[119]

Im Lauf des Jahrs 2025 hat es in Ländern rund um die Ostsee außerdem verstärkt Zwischenfälle mit größeren unbemannten Flugkörpern (Drohnen) gegeben, die über Städten, Kraftwerken, Offshore-Windanlagen, Militärstandorten und zuletzt vor allem auch in der Nähe von Flughäfen gesichtet wurden, wo sie oft über Tage den Luftverkehr störten. Der belgische Verteidigungsminister Francken hat Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Drohnensichtungen nicht um das Werk von Amateuren handelt. Die Drohnen tauchten zeitlich und räumlich koordiniert auf, es handle sich um semiprofessionelle und professionelle große Drohnen, und sie würden nicht mit leicht detektierbaren Funksignalen gesteuert, sondern über 4G- und 5G-Netze, was viel schwieriger zu erkennen sei. In der Regel flögen sie kurz nach Einbruch der Dunkelheit und in Formationen. Vermutet wird ein staatlicher Akteur, der die Drohnen von Schiffen in der Nord- oder Ostsee gestartet hat.[120] Der dänische Geheimdienst spricht von einem „hybriden Krieg“, den Russland gegen Dänemark und den Westen führt.[121]

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Vorher-Nachher-Vergleich des Nord Stream-Lecks durch Fotos des Satelliten Sentinel-2 (30. September 2022 und 3. Oktober 2022).

Das prominenteste Beispiel für die Gefährdung der kritischen maritime Infrastruktur ist die Nord Stream-Pipeline, die seit 2011 russisches Erdgas direkt nach Deutschland leitete. Befürworter sahen darin ein europäisches Energieprojekt, Gegner warnten früh vor wachsender politischer Abhängigkeit von Russland.[122] Im September 2022 wurden die Leitungen von Nord Stream 1 und 2 in internationalen Gewässern bei Bornholm durch mehrere Explosionen zerstört. Die bis heute nicht vollständig aufgeklärte Sabotage markierte einen Wendepunkt: Sie machte die Verletzlichkeit maritimer Infrastruktur sichtbar und führte zu verstärkter Überwachung und internationaler Abstimmung im Ostseeraum.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 hat die sicherheitspolitische Dimension an Gewicht gewonnen. Mehrere NATO-Staaten, darunter Schweden und Finnland, intensivierten ihre maritime Präsenz. Die NATO startete neue Initiativen wie die Operation Baltic Sentry, um Unterwasser-Infrastruktur, Kabeltrassen und Energieanlagen zu schützen.[123]

Gegenwart und kulturelle Identität

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Logo des Festivals.

Kulturell prägt die Ostsee Literatur, Musik und Kunst vieler Länder: von der nordischen Romantik über die Malerei Caspar David Friedrichs bis zu modernen Umwelt- und Klima-Narrativen in Film und Literatur. Festivals wie das Baltic Sea Festival in Stockholm,[124] die Nordischen Filmtage Lübeck[125] und Museen wie etwa das Europäische Hansemuseum in Lübeck,[126] das Ozeaneum Stralsund,[127] das Estnische Seefahrtsmuseum (Meremuuseum) in Tallinn,[128] das Seefahrtsmuseum in Marstal auf der dänischen Insel Ærø[129] und das Aquarium Gdynia (Akwarium Gdyńskie)[130] fördern ein gemeinsames Ostsee-Bewusstsein.

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Forschung und Beobachtung

Zusammenfassung
Kontext
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Das Forschungsschiff Maria S. Merian in Kiel.

Die Ostsee gehört zu den am besten erforschten Meeresgebieten der Erde. Aufgrund ihrer begrenzten Größe, den klaren physikalischen Strukturen und starken menschlichen Einflüssen gilt sie als „Modellmeer“ für globale Umwelt- und Klimafragen.[131] Seit über hundert Jahren wird sie kontinuierlich hydrologisch, biologisch und chemisch überwacht – eine enge Zusammenarbeit von Universitäten, Forschungsinstituten und Umweltbehörden der Anrainerstaaten.[132]

Geschichte der Ostseeforschung

Die systematische Erforschung begann im 19. Jahrhundert mit hydrographischen Messungen schwedischer und deutscher Meeresforscher. 1871 entstand in Stockholm die erste Baltische Meeresstation, gefolgt von Laboren in Kiel, Danzig und Helsinki.[133]

Nach 1945 führten die Institute der DDR, Polens und der Sowjetunion regelmäßige Messreihen durch, parallel zu westlichen Einrichtungen in Deutschland, Dänemark und Schweden. Schon während des Kalten Kriegs blieb der wissenschaftliche Austausch über neutrale Plattformen erhalten – ein frühes Beispiel wissenschaftlicher Kooperation trotz politischer Teilung.[134][135][136][21]

Mit der Gründung der Baltic Marine Environment Protection Commission (HELCOM) 1974 und des International Council for the Exploration of the Sea (ICES) entstand ein dauerhaftes Rahmenwerk für Datenaustausch und gemeinsame Forschung.[5]

Forschungseinrichtungen und Netzwerke

Heute wird die Ostsee durch ein dichtes Netz spezialisierter Institute untersucht. Dazu gehören u. a.:

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Luftbildaufnahme des GEOMAR am Westufer der Kieler Förde.
  • das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW),[16]
  • das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel,[137]
  • das Finnish Meteorological Institute (FMI),[17]
  • das Swedish Meteorological and Hydrological Institute (SMHI),[138]
  • das Danish Meteorological Institute (DMI)[139]
  • sowie zahlreiche Universitäten und nationale Messstationen.[5]

Diese Einrichtungen arbeiten eng in Programmen wie Baltic Earth[50] und BONUS EEIG[140] zusammen, die Forschung zu Klima, Biogeochemie, Küstenschutz und nachhaltiger Nutzung fördern.[141]

Forschungsmethoden und -geräte

In der Ostseeforschung wird eine Vielzahl moderner und traditioneller Methoden angewendet, um die physikalischen, chemischen, geologischen und biologischen Aspekte dieses einzigartigen Ökosystems zu untersuchen und zu überwachen. Zu den wichtigsten Methoden gehören:[142][143][144]

Datenerhebung und Probenahme vor Ort

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Aussetzen des autonomen Unterwasserfahrzeugs MARUM-SEAL von FS METEOR im Schwarzen Meer.
  • Forschungsschiffe: Die Grundlage vieler Untersuchungen bildet der Einsatz von Forschungsschiffen (wie der FS Elisabeth Mann Borgese oder der FS Alkor), von denen aus Proben entnommen und Messungen durchgeführt werden.
  • Autonome Unterwasserfahrzeuge (AUV) und ferngesteuerte Fahrzeuge (ROV): Unbemannte Tauchsysteme ermöglichen die Erkundung und Probenahme in schwer zugänglichen oder tieferen Bereichen der Ostsee, ohne dass Wissenschaftler physisch vor Ort sein müssen.
  • Boden- und Sedimentprobenahme: Dredgen (Schleppnetze mit Metallrahmen und Zähnen) werden über den Meeresgrund gezogen, um Gestein oder größere, am Boden lebende Tiere wie Muscheln zu sammeln.

Spezialisierte Geräte werden eingesetzt, um Wasserproben aus den Sedimenten zu extrahieren und deren chemische Zusammensetzung zu analysieren.

  • Wasserprobenahme: Es werden Proben des Wassers in verschiedenen Tiefen entnommen, um Parameter wie Temperatur, Salzgehalt, pH-Wert, Nährstoffkonzentrationen (z. B. Stickstoff, Phosphor) und das Vorhandensein von Schadstoffen (z. B. Mikroplastik) zu bestimmen.
  • Biologische Beprobung: Methoden wie das Monitoring von benthischen Organismen (Benthosmonitoring), Planktonfänge und Elektrofischerei werden zur Erfassung der Artenvielfalt und des Zustands der Lebensgemeinschaften eingesetzt.[145][146][147]

Analyse- und Labormethoden

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Ein Gaschromatograph mit Massenspektrometrie-Kopplung (GC-MS-Gerät) mit geöffneten Türen (2005)

Fernerkundung und Modellierung

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Modell des Sentinel-2 Erdbeobachtungssatelliten der ESA.

Monitoring und Messprogramme

Das HELCOM-Monitoringprogramm liefert seit den 1970er-Jahren standardisierte Daten über Wasserqualität, Salzgehalt, Temperatur, Schadstoffe und biologische Indikatoren.[156] Über 200 Messstationen erfassen regelmäßig physikalische, chemische und biologische Parameter. Ergänzt werden sie durch Satellitendaten (Copernicus Marine Service[157]), automatische Messbojen und Forschungsschiffe wie die „Elisabeth Mann Borgese“, „Aranda“ oder „Oceanograf“.

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Zukunftsperspektiven und Schutz

Zusammenfassung
Kontext

Aktuelle Herausforderungen

Trotz Fortschritten bleibt der ökologische Zustand der Ostsee gestört. Nach Angaben der Helsinki-Kommission gelten mehr als 90 % der Fläche weiterhin als „ökologisch beeinträchtigt“.[51] Hinzu kommen neue Belastungen durch Klimawandel, Schiffsverkehr und militärische Aktivitäten, etwa durch die Attacken auf die kritische Infrastruktur und deren Überwachung und Sicherung.[47]

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Plastikmüll am Strand (hier: auf Teneriffa).

Ein wachsendes Problem ist der Meeresmüll, insbesondere Mikroplastik aus Verpackungen, Reifenabrieb und Textilfasern. In manchen Küstenbereichen liegen die Konzentrationen bereits bei mehreren Hunderttausend Partikeln pro m³ Wasser.[52] Auch Unterwasserlärm, verursacht durch Schifffahrt, Offshore-Bau und Sonare, beeinträchtigt marine Säuger wie den Schweinswal.

Internationale Schutzstrategien

Die Grundlage des Meeresschutzes bildet das HELCOM-Übereinkommen von 1992, das alle neun Anrainerstaaten einschließlich der Europäischen Union unterzeichnet haben. Es verpflichtet zur Vermeidung von Schadstoffen, zur Reduktion von Nährstoffeinträgen und zur Einrichtung von Schutzgebieten. Darauf aufbauend wurde der Baltic Sea Action Plan (BSAP) entwickelt, der konkrete Ziele bis 2030 formuliert: etwa eine Verringerung der Phosphorbelastung um 50 %, der Stickstoffeinträge um 30 % und den Ausbau mariner Schutzgebiete auf mindestens 30 % der Fläche.[58]

Zusätzlich greifen mehrere EU-Instrumente:

Gemeinsam zielen diese Initiativen darauf ab, bis Mitte des 21. Jahrhunderts einen „guten ökologischen Zustand“ der Ostsee zu erreichen.

Nachhaltige Nutzung und Wirtschaft

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Poster mit Designprinzipien für „blaue Kreisläufe“ (2017).

Zukünftige Nutzungskonzepte setzen auf eine nachhaltige blaue Wirtschaft („Blue Economy“) , die ökologische Tragfähigkeit mit Innovation verbindet.[62] Dazu gehören:

  • umweltfreundliche Schifffahrt (z. B. LNG-, Hybrid- und Wasserstoffantriebe),
  • nachhaltige Fischerei und Wiederansiedlung geschützter Arten,
  • Kreislaufwirtschaft in Küstenstädten,
  • Offshore-Windenergie mit ökologischen Begleitstudien und
  • naturbasierte Küstenschutzmaßnahmen.

Die Dekarbonisierung des Seeverkehrs gilt dabei als Schlüsselfaktor. In Projekten wie Zero Emission Baltic Sea werden Testflotten emissionsfreier Fährverbindungen erprobt.[83] Auch digitale Technologien, etwa Echtzeit-Monitoring[159] und KI-gestützte Modellierung, unterstützen die Überwachung und Steuerung menschlicher Aktivitäten.

Bildung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit

Schulen, Museen und Forschungseinrichtungen fördern heute gezielt Ostsee-Bildung. Programme wie „Baltic Sea Science Network“,[160] „Baltic Sea Project“[161] und „Plastic Pirates“[162] verknüpfen Umweltbildung mit Citizen Science. Kulturelle Initiativen – Festivals, maritime Museen, Dokumentarfilme – tragen dazu bei, die Ostsee als gemeinsamen Kulturraum erfahrbar zu machen. Universitäten in Kiel, Helsinki, Tallinn und Stockholm betreiben spezialisierte Studiengänge zu Meereswissenschaft, Nachhaltigkeit und Umweltpolitik, die Forschende aus ganz Europa vernetzen.[51]

Siehe auch

Literatur

  • Jüri Elken, Wolfgang Matthäus (2008): Kap. A.1.1, Baltic Sea Oceanography. In: The BACC Author Team (Hrsg.): Assessment of Climate Change for the Baltic Sea Basin. Berlin und Heidelberg 2008. ISBN 978-3-540-72785-9, S. 379–386. PDF.
  • HELCOM – Helsinki Commission, Baltic Marine Environment Protection Commission (2018): State of the Baltic Sea – Second HELCOM holistic assessment 2011-2016. Baltic Sea Environment Proceedings, Heft 155. PDF.
  • Wolfgang Krauss (2001): Baltic Sea Circulation. In: Encyclopedia of Ocean Sciences. 2. Aufl., Elsevier 2011. Bd. 1, S. 288–298.
  • Martin Krieger: Die Ostsee. Raum - Kultur - Geschichte. Reclam, Ditzingen 2019, ISBN 978-3-15-011206-9.
  • Matti Leppäranta, Kai Myrberg (2009): Physical Oceanography of the Baltic Sea. Springer Praxis Books. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009. ISBN 978-3-540-79702-9.
  • Witold Maciejewski (Hrsg., 2022): The Baltic Sea Region: Cultures, Politics, Societies. The Baltic University Press, Uppsala 2002. ISBN 91-973579-8-7. PDF.
  • H. E. Markus Meier, Madline Kniebusch, Christian Dieterich et al. (2022): Climate change in the Baltic Sea region: a summary. In: Earth Systems Dynamics, Band 13 (2022), S. 457–593. doi:10.5194/esd-13-457-2022.
  • Michael North (2011): Geschichte der Ostsee. Handel und Kulturen. Beck'sche Reihe. 2011. ISBN 978-3-406-81933-9.
  • Gerhard Rheinheimer (Hrsg.): Meereskunde der Ostsee. Zweite Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1996. ISBN 978-3-540-59351-5. doi:10.1007/978-3-6.p-85211-4.
  • Stephan Selzer, Ulf Christian Ewert: Nord- und Ostseeraum 500–1600. In: Mark Häberlein und Markus A. Denzel (Hrsg.): Handbuch globale Handelsräume und Handelsrouten. Von der Antike bis zur Gegenwart. Berlin/Boston 2024. ISBN 978-3-11-043757-7, S. 261–303.
  • The BACC II Author Team (2015): Second Assessment of Climate Change for the Baltic Sea Basin. Springer Cham. 2015. ISBN 978-3-319-16005-4. doi:10.1007/978-3-319-16006-1. Free PDF.
  • Jann M. Witt: Die Ostsee. Schauplatz der Geschichte. BeBra Verlag, Berlin 2025, ISBN 978-3-89809-271-5.
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