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Heinz und Ingeborg Baude

Ehepaar Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Heinz Baude (* 8. März 1929;[1]2001) war ein hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und Offizier im besonderen Einsatz (OibE). Seine Frau Ingeborg „Inge“ Baude (* 1927 in Marienberg) und er waren von 1956 bis 1962 DDR-Spione in der Bundesrepublik.

Leben

Zusammenfassung
Kontext

Frühe Jahre

Heinz Baude lernte 1952 an der Seesportschule in Rechlin an der Müritz seine spätere Frau Ingeborg kennen. Im Oktober 1953 heirateten beide in Lauchhammer, wo Heinz Berufsschullehrer war. Ab März 1955 oder Mai 1956 wurde Heinz hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS und OibE.

Ingeborg Baude wuchs in Marienberg auf und lernte Industriekauffrau in einer Spielzeugfabrik im Erzgebirge. 1951 trat sie in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ein.

Spione in der Bundesrepublik

1956 sollten beide unabhängig voneinander in die Bundesrepublik übersiedeln, um dort verdeckt Quellen zu führen, und sich dort zum Schein erneut kennenlernen. Die Übersiedlung erfolgte im Rahmen der Aktion 100 der Hauptverwaltung A des MfS, mit der 100 inoffizielle Residenten in der Bundesrepublik platziert werden sollten, aber nur 15 erreicht wurden.[2] Gegenüber ihrem Umfeld in der DDR behaupteten Heinz und Ingeborg Baude, sie würden an die Botschaft der DDR nach China entsandt werden. Heinz' Vater Karl Baude und Ingeborgs Schwester Margot Schultz waren jedoch eingeweiht.

Im Herbst 1956 siedelte Heinz auftragsgemäß unter dem Decknamen Dietrich Schröder oder Dieter Schröder in die Bundesrepublik über, bezog ein Zimmer in Frankfurt am Main und wurde Handelsvertreter für Staubsauger. Er kaufte ein Empfangsgerät für Kurzwellenrundfunk, um über Agentenfunk gesteuert werden zu können. Weihnachten 1956 sollten sich Heinz und Ingeborg konspirativ in Frankfurt am Main treffen. Dies scheiterte jedoch, weil Heinz die dazu per Agentenfunk übertragende Anweisung nur unvollständig erhalten hatte.

Ingeborg sollte als Helga Eimert übersiedeln. Diese war, gemäß ihrer Legende, 1929 in Dresden geboren und dort kaufmännische Angestellte. Ihre Eltern waren Apotheker, die beim Luftangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 ums Leben kamen. Helga überlebte jedoch, weil sie eine Schulfreundin besuchte, und wurde von einem Ehepaar in Pflege genommen. Zur Festigung der Legende reise Ingeborg nach Dresden, wo sie auch ihre Arbeitsstelle besichtigte und ihre vorgeblichen Pflegeeltern kennenlernte. In Ost-Berlin erhielt sie Unterweisungen für ihre zukünftigen Tätigkeiten, darunter Fotografieren, Entwickeln, Schreiben mit Geheimtinte, Funkempfang per Kurzwelle, Chiffrieren und Dechiffrieren, Suchen und Belegen von Toten Briefkästen. Ihre politische Einstellung in der Bundesrepublik sollte SPD/Mitte-rechts sein, die von Dieter Schröder zwischen rechter SPD und FDP.

Anfang 1957 kam Helga Eimert als vorgeblicher DDR-Flüchtling in Neuwied an. Im März 1957 lernten sich Dieter und Helga bei einer Karnevals-Veranstaltung im Gasthaus Zum Storchen in Neuwied – vorgeblich erstmalig – kennen. Am folgenden Montag fuhren beide zusammen zum Rosenmontagsumzug nach Köln und Helga besuchte ihre neue Bekanntschaft öfter in Frankfurt am Main. Beide verlobten sich und ließen sich standesamtlich sowie evangelisch trauen. In Neuwied wohnten sie ein Jahr in einer Unterkunft mit Küchenbenutzung, danach in einer Sozialwohnung mit zwei Zimmern, Küche, Bad und Balkon. Dieter wurde Detail-Konstrukteur bei der Firma Winkler+Dünnebier. Er trat dem örtlichen Aquarien-Verein bei. Helga hatte sich bei der Papierfabrik Reuter beworben und wurde dort Leiterin der Arbeitsgruppe Arbeitsvorbereitung.

Einmal musste das Ehepaar für ein paar Wochen seine operative Tätigkeit ruhen lassen. Ein Losverkäufer hatte auf einem Rummelplatz seinen ehemaligen Lehrer Heinz Baude wiedererkannt. Dieser behauptete jedoch, es läge eine Verwechslung vor und er sei Dieter Schröder.

Zwei Mal wöchentlich hörten sie um 22 Uhr den Agentenfunk ab. Helga täuschte gelegentlich Kopfschmerzen vor, wenn sie bei Bekannten waren, um pünktlich nach Hause zu kommen, oder zog sich, wenn sie selbst Besuch empfingen, gegen 22 Uhr in die Küche zurück, um Häppchen zuzubereiten.

Ihre Führungsoffiziere trafen Dieter und Helga in der DDR, beispielsweise über den Jahreswechsel 1961/62. Ihrem Umfeld in der Bundesrepublik sagten sie, sie würden in den Niederlanden Urlaub machen, wohin sie auch tatsächlich fuhren, aber nur ein paar Tage, um Ansichtskarten zu schreiben und Urlaubsfotos zu schießen und somit ihre Legende zu stützen. Bei ihren Aufenthalten in der DDR trafen sie auch ihre Verwandten. Dazu mussten sie sich zuvor über die Lage in China informieren, ihrem vorgeblichen Entsendestaat. Angebliche Mitbringsel aus China wurden in Köln gekauft, Fotos entstanden in der Völkerschau im Tierpark Hagenbeck in Hamburg.

Für einen Treff in Brünn mit ihrem Führungsoffizier reisten Dieter und Helga zunächst mit einem VW Käfer nach Rimini in Italien, dann nach Wien in Österreich. Vor dort ging es weiter als vorgebliche Holzhändler mit der Eisenbahn in die Tschechoslowakei nach Brünn.

Im April 1962 wurden Dieter und Helge verhaftet, wahrscheinlich, weil die westdeutsche Spionageabwehr den Agentenfunk zumindest teilweise entschlüsseln konnte. Nach neun Monaten Untersuchungshaft, Helga in Bonn, Dieter in der Justizvollzugsanstalt in Düren, wurden sie im Januar 1963 vom Oberlandesgericht Koblenz wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit 100 e StGB a. F.) und Urkundenfälschung verurteilt. Heinz wurde in die Justizvollzugsanstalt Wittlich verlegt und im August 1963 entlassen, Helga unmittelbar nach dem Urteil. Sie arbeitete sodann wieder in der Papierfabrik Reuter. Am 28. September 1963 reisten beide zurück in die DDR.

Zurück in der DDR

Nach seiner Rückkehr war Heinz Baude beim MfS überwiegend mit der Überwachung von Auslands- und Reisekadern der DDR betraut. 1981 wurde er, als Nachfolger von Oberst Willi Böhme, Leiter der 1979 gegründeten Arbeitsgruppe Ministerium für Außenhandel (AG MAH) in der Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD) des MfS und blieb dies bis zum Ende des MfS. Die Arbeitsgruppe wurde nach ihm auch als AG Baude bezeichnet. Ihr Auftrag war der abgedeckte Import schwer beschaffbarer Waren und besonderer Güter für Zwecke des MfS, darunter auch solche, die einem Embargo unterlagen, zum Beispiel für die Hauptabteilung III (Funkaufklärung), elektronische Bauelemente, Computer, Software, aber auch Waffen und Munition. Daneben beschaffte sie Waren für die Nationale Volksarmee (NVA) und das Ministerium des Innern (MdI). Die Arbeitsgruppe bestand, einschließlich Heinz Baude, aus sieben OibE. Stellvertreter war Wolfgang Haustein. Nach außen traten die Arbeitsgruppe und ihre Mitarbeiter legendiert als Angehörige des Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo) im Ministerium für Außenhandel auf und waren diesem nur zur Tarnung unterstellt.

Ab 1983 hatte Heinz Baude seinen End-Dienstgrad eines Oberstleutnants (Jahresgehalt 1989: 30.750 Mark)[3] erreicht. Sein Büro befandet sich in Zimmer 320 im dritten Obergeschoss der Zentrale der KoKo in der Wallstraße 17–22 in Berlin.[4][5] Später soll die Arbeitsgruppe in die Schlegelstraße verlegt worden sein.

Ab 1990

Heinz Baude sagte am 29. September 1993 in der 151. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses (Alexander Schalck-Golodkowski) des 12. Deutschen Bundestages als Zeuge aus. Gegen ihn wurde wegen seiner Tätigkeit in der AG MAH ein Ermittlungsverfahren durch das Bayerische Landeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof geführt (3 BJs 925/92-3).[6]

Nach der Wende und friedlichen Revolution in der DDR wurde Ingeborg Baude Mitglied der geschichtsrevisionistischen Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR (ISOR).[7]

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Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

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