Niederlande
eines der vier autonomen Länder des Königreiches der Niederlande Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
eines der vier autonomen Länder des Königreiches der Niederlande Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Niederlande (niederländisch Nederland und friesisch Nederlân, Singular, informell Holland) sind eines der vier autonomen Länder des Königreiches der Niederlande. Das größtenteils im nördlichen Westeuropa liegende Land wird dort durch die Nordsee im Norden und Westen, Belgien im Süden und Deutschland im Osten begrenzt. Der europäische Landesteil Niederlande umfasst 41.543 Quadratkilometer und zählt 17.947.684 Einwohner (1. Januar 2024). Die Hauptstadt der Niederlande ist Amsterdam, der Regierungs- und Parlamentssitz ist Den Haag. Die offizielle Landesfarbe ist Orange (Oranje).[6][7]
Zum Gebiet der Niederlande gehören, neben den zwölf Provinzen des europäischen Teils, die Karibikinseln Bonaire, Sint Eustatius und Saba (einschließlich ihrer jeweiligen Nebeninseln), die Besondere Gemeinden des Landes sind. Weitere niederländische karibische Gebiete sind kein Teil des Landes Niederlande, sondern autonome Länder im Königreich der Niederlande. Dies sind die Länder Aruba, Curaçao und Sint Maarten.
Nach Zugehörigkeit zum Mittelreich, Ostfrankenreich und zum Heiligen Römischen Reich gilt das Jahr 1581 mit dem Plakkaat van Verlatinghe als Geburtsstunde der Vereinigten Niederlande, die 1648 mit dem Frieden von Münster endgültig anerkannt wurden. Die Niederlande wurden zu einer Handels-, Kolonial- und Seegroßmacht. Das 17. Jahrhundert wird als Goldenes Zeitalter beschrieben. In dieser Epoche waren die Niederlande das „Labor des Kapitalismus“ und entwickelten Institutionen und Techniken wie etwa Aktiengesellschaften, Börsenhandel und bargeldlosen Zahlungsverkehr.[8] „Die Niederländer können mehr als die meisten anderen Nationen beanspruchen, die Globalisierung erfunden zu haben“ (Christoph Driessen).[9] Die Verfassung der Niederlande geht auf die Zeit des Wiener Kongresses 1814/1815 zurück.
Zusammen mit Belgien und Luxemburg bilden die Niederlande die Benelux-Union. Die Niederlande sind Gründungsmitglied der Montanunion von 1951, aus der sich mehrere Nachfolger und 1992 die Europäische Union (EU) entwickelten.
Der offizielle Name des Landes heißt auf Niederländisch Nederland. Das ist auch der Name, der in der Umgangssprache für Niederländer selbstverständlich ist. Im Deutschen hingegen heißt das Land Niederlande (Plural); in der deutschen Umgangssprache wird oft – fälschlicherweise – von „Holland“ gesprochen; die Einwohner werden daher häufig als „Holländer“ statt „Niederländer“ bezeichnet. Der Name Holland bezieht sich auf eine frühere Grafschaft im Westen der Niederlande.[10] 1815 wurde das Königreich der Niederlande gegründet. Holland war zunächst eine Provinz, bis es 1840 in die Provinzen Noord-Holland (Hauptstadt Haarlem) und Zuid-Holland (Hauptstadt Den Haag) aufgeteilt wurde.[11]
Im Niederländischen ist der Ausdruck Holland oder holländisch durchaus üblich, wenn dies ironisch oder zur Betonung niederländischer Volksart gemeint ist. Auch beim Fußball lautet die Selbstbezeichnung Holland, zum Beispiel im Schlachtruf Hup Holland Hup. Für den Tourismus in den Niederlanden wird meist das international bekanntere Holland in der Vermarktung auf Englisch, Deutsch und in anderen Sprachen genutzt. Der Internetauftritt der Tourismus-Branche ist daher unter holland.com erreichbar.
Im Jahr 2019 haben Regierung und Wirtschaft beschlossen, dass das Land sich als Niederlande präsentieren soll. Es wird befürchtet, dass der Ausdruck Holland mit Klischees wie Tulpen und Windmühlen verbunden wird, während das Land sich lieber als modern und weltoffen sieht. Zudem wird beabsichtigt, die Besucherströme in die übrigen Gegenden abzuleiten und damit die Hauptstadt Amsterdam zu entlasten.[12]
Der Landesname Niederlande (im Plural) ergibt sich aus der Geschichte der Niederlande. Die Niederlande waren am Ende des Mittelalters ein Teil des Herrschaftsgebietes des Hauses Burgund. Deren Ländereien gliederten sich im 15. Jahrhundert unter Karl dem Kühnen in die oberen Lande (das Herzogtum sowie die Freigrafschaft Burgund und Nebenländer) und die niederen Lande (Flandern, Artois mit einem Teil der Picardie, Brabant, Holland, Luxemburg u. a. m.).[13] 1482 gelangte das burgundische Erbe an das Haus Habsburg. Dessen Erblande gliederten sich seinerzeit in Nieder-, Inner- und Oberösterreich (um Wien, Graz bzw. Innsbruck), die Küstenlande (an der Adria) und Vorderösterreich (in Schwaben). So ergab sich einigermaßen konsequent die Bezeichnung (burgundische oder habsburgische) Niederlande (zunächst Spanische Niederlande, seit 1714 Österreichische Niederlande). Das burgundische Oberland – das Herzogtum um Dijon, das schon immer außerhalb der Reichsgrenzen gelegen hatte, also die frühere gleichnamige Region – ging 1493 an Frankreich verloren, ebenso 1678 die Freigrafschaft um Besançon, die heutige Franche-Comté.
Im Niederländischen sagt man zu den historischen Regionen auch de Lage Landen, also die tief oder niedrig liegenden Länder, da es in den Niederlanden kein Gebirge und nur wenige Erhöhungen gibt. Die nordniederländischen Provinzen der Utrechter Union (Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland, Overijssel, Groningen und Fryslân) erklärten sich am 26. Juli 1581 unabhängig vom Landesherrn Philipp II. von Spanien. Im Frieden von Münster im Rahmen der Westfälischen Friedensverhandlungen 1648 erreichte es die Unabhängigkeit von Spanien und verstand sich endgültig als separat vom Heiligen Römischen Reich, das Gebiet entsprach in etwa den späteren Niederlanden. Der südliche Teil des Gebietes, inklusive Flandern, verblieb hingegen beim Reich; später entstand daraus der Staat Belgien. Man sprach dann von den nördlichen und den südlichen Niederlanden.[14]
Der Wiener Kongress vereinigte Norden und Süden als unabhängiges Königreich der Vereinigten Niederlande noch einmal für kurze Zeit. Jedoch schon 1830 erklärten sich die südlichen Niederlande unter der Bezeichnung Belgien für unabhängig. Belgica ist der Name einer alten römischen Provinz; seit der Renaissance wurde der Ausdruck als lateinischer Name der Niederlande, auch für deren nördliche Provinzen, verwendet.[14]
Im Mittelniederländischen bezeichneten die Adjektive dietsc (entsprechend dem deutschen deutsch) die niederländische Sprache. Daraus entstand die englische Bezeichnung Dutch.
Batavia ist ein früherer lateinischer Name für die heutigen Niederlande und bezieht sich auf den beim Rheindelta siedelnden germanischen Stamm der Bataver. Die Niederländer nannten die heutige Hauptstadt Indonesiens, Jakarta, während ihrer Kolonialzeit ebenfalls Batavia.
Ungefähr die Hälfte des Landes liegt weniger als einen Meter über, rund ein Viertel des Landes unterhalb des Meeresspiegels (gemessen bei Amsterdam; siehe Bild rechts). Die flachen Gebiete werden in der Regel durch Deiche vor Sturmfluten geschützt, die insgesamt eine Länge von etwa 3.000 km haben. Der höchste Punkt der Niederlande ist mit 877 Metern der Mount Scenery auf der Karibikinsel Saba. Der höchste Punkt des Festlandes, der Vaalserberg im äußersten Süden, in der Provinz Limburg im Dreiländereck zu Deutschland und Belgien, befindet sich 322,5 m über dem Amsterdamer Pegel.
Teile der Niederlande, zum Beispiel fast die gesamte Provinz Flevoland, wurden durch Landgewinnung dem Meer abgewonnen. Sie werden als Polder (an der deutschen Nordseeküste Koog oder Groden) bezeichnet. Das größte Projekt der Landgewinnung ist mit den Zuiderzeewerken verbunden. Im Jahr 1932 wurde der 29 km lange Abschlussdeich fertig, der die Meeresbucht Zuiderzee von der Nordsee abgetrennt hat. Auf dem Gebiet der ehemaligen Meeresbucht entstanden mehrere Süßwasserseen, von denen das IJsselmeer den größten Teil ausmacht. Von den angelegten Poldern ist der Flevopolder am größten. Er ist (je nach Berechnungsweise) die größte künstliche Insel der Welt.
Die wichtigsten Flüsse der Niederlande (de grote rivieren – ‚die großen Flüsse‘) sind Rhein, Maas und Schelde. Sie teilen das Land in einen Norden und einen Süden. Der Rheinstrom kommt aus Nordrhein-Westfalen (Deutschland) und ist für ein kurzes Stück Grenzfluss. Schon bald verzweigt er sich, auch dank Kanälen, die man zur besseren Verteilung der Wassermassen gegraben hat. Die Verzweigungen des Rheins verbinden sich schließlich mit der Maas, die von Belgien her kommt. Nur streckenweise heißen die Flüsse noch Rhein bzw. Nederrijn oder Oude Rijn. Die Flüsse prägen den Westen der Niederlande, das Rhein-Maas-Delta. Ein wichtiger Arm fließt durch Rotterdam und dann bei Hoek van Holland in die Nordsee; weitere Arme verbinden die Flüsse mit Amsterdam und dem IJsselmeer. In der Westerschelde, dem Ästuar der Schelde, verläuft ein Teil der Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden.
Die Hauptwindrichtung ist Südwest, daraus resultiert ein gemäßigtes maritimes Klima mit kühlen Sommern und milden Wintern. Besonders im Westen des Landes, an der Nordseeküste, ist das Klima stärker atlantisch geprägt (milde Winter, kühle Sommer). Nach Osten hin nimmt der atlantische Einfluss etwas ab, sodass man in der Nähe der Grenze zu Deutschland schon eher von subatlantischem Klima sprechen kann mit etwas kälteren Wintern (mild bis mäßig-kalt) und leicht wärmeren Sommern.
Im Jahr 2021 lebten 93 Prozent der Einwohner der Niederlande in Städten.[15]
Stadt | Einwohner Stadt 1. Januar 2024[16] |
Einwohner Großraum 2020[17] |
|||
---|---|---|---|---|---|
1 | Amsterdam | 934.927 | ~1.009.000 | ||
2 | Rotterdam | 671.125 | ~1.242.000 | ||
3 | Den Haag | 565.701 | ~780.000 | ||
4 | Utrecht | 374.411 | ~455.000 | ||
5 | Eindhoven | 246.443 | ~280.000 | ||
6 | Groningen | 243.833 | ~233.000 | ||
7 | Tilburg | 229.797 | ~220.000 | ||
8 | Almere | 226.630 | ~212.000 | ||
9 | Breda | 188.217 | ~184.000 | ||
10 | Nijmegen | 187.011 | ~178.000 | ||
11 | Apeldoorn | 168.212 | ~164.000 | ||
12 | Haarlem | 167.763 | ~282.000 |
Die Niederlande hatten 2020 17,4 Millionen Einwohner.[18] Das jährliche Bevölkerungswachstum betrug 0,6 Prozent. Trotz Gleichstands von Geburtenziffer (9,7 pro 1000 Einwohner[19]) und Sterbeziffer (9,7 pro 1000 Einwohner[20]) wuchs die Bevölkerung durch Migration. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2020 statistisch bei 1,6.[21] Die Lebenserwartung der Einwohner der Niederlande ab der Geburt lag 2020 bei 81,4 Jahren[22] (Frauen: 83,1,[23] Männer: 79,8[24]). Der Median des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2020 bei 43,3 Jahren und damit über dem europäischen Wert von 42,5.[25]
Die Niederlande gehören mit über 518 Einwohnern (2020) pro Quadratkilometer Landfläche (33.718 km²) zu den am dichtesten besiedelten Flächenstaaten der Welt.[28] Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung wohnt in der Randstad, dem dicht besiedelten Westen des Landes.
Die Niederländer sind statistisch das Volk mit den körperlich größten Menschen der Welt, im Durchschnitt 1,83 Meter (Männer) und 1,72 Meter (Frauen).
Rang | Staat | Bevölkerung (1. Januar 2022) |
---|---|---|
1. | Türkei | 430.000 |
2. | Marokko | 419.000 |
3. | Suriname | 360.000 |
4. | Indonesien | 349.000 |
5. | Deutschland | 343.000 |
6. | Polen | 221.000 |
7. | Curaçao | 135.000 |
8. | Syrien | 126.000 |
9. | Belgien | 123.000 |
10. | Vereinigtes Königreich | 98.000 |
In den Niederlanden leben zwischen 6000 und 10.000 Sinti und Roma[30] sowie etwa 30.000 sogenannte woonwagenbewoners. Sie werden abschätzig auch kampers genannt, bevorzugen selbst die Bezeichnung reizigers. Sie leben ortsfest auf Standplätzen in stationären Caravans. Viele üben ambulante Erwerbstätigkeiten aus. Überwiegend gehen sie auf verarmte niederländische Bauern, Landarbeiter und Torfstecher des 18. und 19. Jahrhunderts zurück. Ihre Zahl ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Zusammenhang mit Arbeitsmigration und Wohnkosten durch Zuzug aus der Mehrheitsbevölkerung erheblich angewachsen. Die gruppeninterne Sprache Bargoens ist eine niederländisch basierte Sondersprache, die mit dem deutschen Rotwelsch oder Jenisch vergleichbar ist.[31]
In die Niederlande sind Menschen aus der ganzen Welt eingewandert. Abgesehen von vielen Zugezogenen aus den Nachbarstaaten (u. a. aus Deutschland, Belgien und England) leben heute viele Menschen aus anderen Erdteilen hier, wie u. a. aus Marokko und der Türkei, aus den ehemaligen Kolonien Indonesien, Suriname und aus der Karibik.
Die Amtssprache im gesamten Staat ist die niederländische Sprache (Standardniederländisch), die aus niederfränkischen Mundarten in den Niederlanden (niederländische Dialekte) entstanden ist. In der Provinz Fryslân ist zusätzlich das verwandte Westfriesisch Verwaltungssprache.[32]
In der südwestlichen Hälfte des Landes werden niederfränkische Mundarten gesprochen. Die Ortsdialekte des Südostens gehören zum Ripuarischen und im Nordosten zum Niedersächsischen. Niederfränkische, ripuarische und niedersächsische Mundarten werden im Dialektkontinuum staatsübergreifend auch in Deutschland gesprochen, niederfränkische und ripuarische Dialekte auch in Belgien.
In den überseeischen Reichsteilen (in der Karibik) ist Niederländisch Amtssprache, neben entweder Papiamento oder Englisch. Eine Abzweigung des Niederländischen, die inzwischen eine eigene Standardsprache darstellt, ist das Afrikaans in Südafrika und Namibia.
Die niederländische Bevölkerung gilt in Europa inzwischen als eine der am wenigsten religiös bzw. kirchlich gebundenen. Hunderte Kirchengebäude wurden abgerissen, verkauft, profanen Zwecken zugeführt. Zahlreiche Klöster wurden geschlossen, es gibt auch kaum mehr kirchliche Spitäler oder Schulen. Laut dem Centraal Bureau voor de Statistiek (CBS) waren im Jahr 2021 nur mehr 18 % der Bevölkerung Katholiken, zu den protestantischen Kirchen bekennen sich 14 %. Etwa 4,5 % der Bewohner der Niederlande sind mit muslimischen Gemeinden verbunden. Bei jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren beträgt der Anteil der Gläubigen 28 Prozent; bei den über 75-Jährigen noch 65 Prozent. Auch die Teilnahme an den Gottesdiensten am Sonntag ist in den Niederlanden sehr schwach: 2021 nahmen 13 Prozent der Kirchenmitglieder wenigstens einmal im Monat an den Gottesdiensten teil, 2010 waren es noch 18 Prozent. Besonders gering ist die regelmäßige Teilnahme an der Messe bei den Katholiken (1 %), bei den Protestanten nimmt mehr als die Hälfte der Mitglieder an den Sonntagsgottesdiensten teil, heißt es in der Studie vom CBS. Der Mangel an Pastoren ist in der Protestantischen Kirche der Niederlande deutlich zu spüren, das führt zu einem Zusammenschluss verschiedener Gemeinden. Andererseits gibt es schon erste Erfahrungen, Gemeindemitglieder, die nicht eine umfassende theologische Ausbildung haben, mit bestimmten Aktivitäten der Liturgie zu betrauen, etwa in der Gestaltung und Leitung von Trauerfeiern und Bestattungen.
Die traditionell größte Bevölkerungsgruppe war jene der Protestanten (1849 knapp 60 Prozent). Durch Entkirchlichung wurde sie jedoch im Laufe des 20. Jahrhunderts zahlenmäßig von den Konfessionslosen und auch den Katholiken (1849 rund 38 Prozent) übertroffen. Die Protestanten sind in den Niederlanden überwiegend Calvinisten, nach dem vor allem in Genf wirkenden französischen Reformator im 16. Jahrhundert, Johannes Calvin. Die Niederdeutsch-Reformierte Kirche (Nederduits Gereformeerde Kerk), die 1571 in Emden gegründet wurde, gilt als „Urkirche“ der Reformierten in den Niederlanden. Heute ist der Calvinismus institutionell mit den Lutheranern in der Protestantischen Kirche in den Niederlanden vereinigt (Unierte Kirche).
Im 19. Jahrhundert bildeten sich zwei unterschiedliche calvinistische Richtungen in den Niederlanden heraus, die gemäßigteren und zahlenmäßig stärkeren hervormden und die strenggläubigen gereformeerden. Beide Wörter bedeuten „reformiert“ und wurden ursprünglich unterschiedslos verwendet. Im Deutschen kann man den Unterschied nicht wiedergeben, daher liest man für die gereformeerden manchmal „altreformiert“ (obwohl es organisatorisch gesehen die jüngere Richtung ist, eine Abspaltung der Nederlands hervormde kerk) oder „streng-reformiert“ bzw. „streng-calvinistisch“.
Seit einer Neuorganisation von 2004 gibt es die Protestantische Kirche in den Niederlanden, die beide Richtungen vereinen soll. Einige Strenggläubige sind allerdings eigenständig geblieben, wie die „befreiten“ Reformierten, die zweitgrößte protestantische Kirchenvereinigung.
Kleinere christliche Kirchen haben jeweils weniger als ein Prozent der Gesamtbevölkerung als Mitglieder. Zu diesen gehören verschiedene evangelische Freikirchen wie die „befreiten“ Reformierten oder Baptisten und Mennoniten (Doopsgezinde). Während der Reformation waren die Niederlande eines der Zentren der Täuferbewegung (siehe Menno Simons). Weiterhin gibt es die im 18. Jahrhundert entstandene Altkatholische Kirche der Niederlande mit dem Sitz des Erzbischofs in Utrecht, von der die nach dem I. Vatikanischen Konzil entstandenen Alt-Katholischen Kirchen abstammen.[34] Aufgrund von Verfolgung und Vertreibung der indigenen Assyrer aus dem Nahen Osten ist die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien mit über 30'000 Gläubigen in den Niederlanden vertreten.[35]
Der Norden und der Westen des Landes waren traditionell protestantisch, während im Süden und Osten die Katholiken die Bevölkerungsmehrheit stellten und teilweise noch stellen. In der Mitte des Landes gibt es einen sogenannten Bibelgürtel (Bijbelgordel) mit erhöhtem Anteil von gereformeerden. Noch immer (Stand 2018) stellen Katholiken die Mehrheit der Bevölkerung in manchen Gebieten südlich dieses Bibelgürtels, zum Beispiel in Limburg.[36][37] Nördlich und westlich des Bibelgürtels sind die Konfessionslosen deutlich in der Mehrheit. Eine Kirchensteuer wird in den Niederlanden nicht erhoben.
Der König ist reformierter Konfession (hervormden). Wegen der synodalen Organisation calvinistischer Kirchen hat der Monarch allerdings keine formale Führungsrolle in der Niederländisch-reformierten Kirche inne, wie sie früher bei lutherischen Landesherren in Deutschland und Skandinavien anzutreffen war.
Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Europäischen Kommission im Rahmen des Eurobarometers ergab 2020, dass für 26 Prozent der Menschen in den Niederlanden Religion wichtig ist, für 17 Prozent ist sie weder wichtig noch unwichtig und für 57 Prozent ist sie unwichtig.[38]
Von 2005 bis 2018 waren die Niederlande auf den ersten drei Plätzen des Euro Health Consumer Index (EHCI), der die Gesundheitssysteme in Europa vergleicht.[39] Das Land war 2018 zusammen mit der Schweiz in allen Indikatoren des EHCI besonders gut.[39] Das Gesundheitssystem ist im Vergleich zu anderen westlichen Ländern recht effektiv, hingegen nicht das kostengünstigste.[40]
Seit einer umfassenden Reform des Gesundheitssystems im Jahr 2006 erhielt das niederländische System jedes Jahr mehr Punkte im Index. Nach Angaben des HCP (Health Consumer Powerhouse) gibt es in den Niederlanden ein „Chaos-System“, was bedeutet, dass die Patienten weitgehend frei sind, bei welchem Versicherer sie ihre Krankenversicherung abschließen können und von welchem sie ihre medizinische Versorgung beziehen. Der Unterschied zwischen den Niederlanden und anderen Ländern besteht darin, dass das Chaos bewältigt wird.[41]
Die Gesundheitsfürsorge in den Niederlanden kann auf verschiedene Weise aufgeteilt werden: in drei Stufen, in somatische und psychische Gesundheitsfürsorge sowie in Kur (kurzzeitig) und Pflege (langfristig).
Das Gesundheitswesen in den Niederlanden wird durch ein duales System finanziert, das im Januar 2006 in Kraft getreten ist. Langzeitbehandlungen, insbesondere solche, bei denen ein halbpermanenter Krankenhausaufenthalt erforderlich ist, sowie Behinderungskosten unterliegen einer staatlich kontrollierten obligatorischen Versicherung. Dies ist im Allgemeinen Gesetz über außergewöhnliche Gesundheitskosten (Algemene Wet Bijzondere Ziektekosten) niedergelegt, die erstmals im Jahr 1968 in Kraft trat. Im Jahr 2009 deckte diese Versicherung 27 Prozent aller Gesundheitskosten. Zum 1. Januar 2015 wurde die AWBZ durch das Gesetz über die Langzeitpflege (die Wet Langdurige Zorg, WLZ) ersetzt.[42][43]
Die Krankenversicherung in den Niederlanden ist obligatorisch. Das Gesundheitswesen in den Niederlanden unterliegt zwei gesetzlichen Versicherungsformen:
Während niederländische Einwohner für die AWBZ automatisch von der Regierung versichert sind, muss jeder eine eigene Grundversicherung (Basisverzekering) abschließen, mit Ausnahme derjenigen unter 18 Jahren, die automatisch unter die Prämie ihrer Eltern fallen. Wer keine Versicherung abschließt, riskiert eine Geldstrafe. Versicherer müssen für alle über 18 Jahre ein universelles Paket anbieten, unabhängig von Alter oder Gesundheitszustand. Es ist verboten, einen Antrag abzulehnen oder besondere Bedingungen zu erlassen. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Systemen ist die niederländische Regierung für die Zugänglichkeit und Qualität des Gesundheitssystems in den Niederlanden verantwortlich, jedoch nicht für deren Verwaltung.
Für alle regulären (kurzfristigen) medizinischen Behandlungen gibt es eine obligatorische Krankenversicherung bei privaten Krankenversicherungen. Diese Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, ein Paket mit einer bestimmten Anzahl versicherter Behandlungen bereitzustellen.[44] Diese Versicherung deckt 41 Prozent aller Gesundheitsausgaben ab.[45]
Andere Quellen für die Gesundheitsfürsorge sind Steuern (14 Prozent), Eigenkosten (9 Prozent), zusätzliche optionale Krankenversicherungspakete (4 Prozent) und eine Reihe anderer Quellen (4 Prozent).[45] Die Finanzierung wird durch ein System von einkommensbezogenen Zulagen sowie von individuellen und vom Arbeitgeber gezahlten einkommensbezogenen Prämien gesichert.
Im Jahr 2020 praktizierten in den Niederlanden 40,8 Ärztinnen und Ärzte je 10.000 Einwohner.[46] 2016 waren 20,4 Prozent der Bevölkerung stark übergewichtig, was unterhalb des europäischen Durchschnitts liegt.[47]
Zeitraum | Lebenserwartung in Jahren | Zeitraum | Lebenserwartung in Jahren |
---|---|---|---|
1950–1955 | 71,9 | 1985–1990 | 76,7 |
1955–1960 | 72,9 | 1990–1995 | 77,3 |
1960–1965 | 73,5 | 1995–2000 | 77,9 |
1965–1970 | 73,6 | 2000–2005 | 78,7 |
1970–1975 | 74,1 | 2005–2010 | 80,2 |
1975–1980 | 75,2 | 2010–2015 | 81,3 |
1980–1985 | 76,1 |
In den Niederlanden ist die Schulpflicht im Alter zwischen 5 und 16 Jahren obligatorisch. In der Praxis jedoch befreiten die Gerichte nach längeren Verfahren häufiger einzelne Eltern von der Schulpflicht ihrer Kinder, um stattdessen Hausunterricht oder freilernen zu ermöglichen.
Ein gewichtiger Unterschied zum Schulsystem in Deutschland besteht darin, dass es jedem in den Niederlanden freisteht, aufgrund seiner Religion oder auf Basis bestimmter pädagogischer Grundlagen eigene – allerdings vom Staat finanzierte – Schulen zu gründen. Daher besuchen zwei Drittel aller Schüler in den Niederlanden eine private Schule. Die meisten Schulen sind entweder openbaar („öffentlich“), katholisch oder protestantisch, obgleich die Niederlande zu einem der am stärksten entkonfessionalisierten Länder der Welt zählen. Träger der „nichtöffentlichen“ Schulen sind in der Regel Stiftungen.
Die Wahl der Unterrichtsmethoden steht den Schulen frei. Die Inhalte sind allerdings in staatlichen Richtlinien formuliert und für alle Schulen verbindlich festgelegt. Ob die Schüler den darin bestimmten Leistungsanforderungen gerecht werden, wird mittels landesweiter, staatlicher Tests regelmäßig überprüft. Dies gilt auch für Schulen, die von Minderheiten besucht werden. Seit Mitte der 1980er Jahre können Eltern ihre Kinder etwa auf islamische oder hinduistische Grundschulen schicken.
Weiter können Eltern wählen, ob sie ihre Kinder auf eine Kategorialschule schicken, an der nur eine Schulform gilt, oder sich für eine Schulgemeinschaft entscheiden. Diese beherbergt mehrere Schularten. Die niederländischen Schulen sind in der Regel keine Gesamtschulen, allenfalls „kooperative Gesamtschulen“ mit mehreren Schulformen unter einem Dach. Seit Ende der 1990er Jahre haben viele Schulen aus finanziellen Gründen miteinander fusioniert, da so Direktorenstellen eingespart werden.
Die niederländische Grundschulen (basisschool) umfassen acht Klassen, die hier als groepen (Gruppen) bezeichnet werden. Groep 1 bezeichnet die Vierjährigen und groep 8 normalerweise die Zwölfjährigen. Diese groepen umfassen also sowohl den Vorschulbereich (Kindergarten) als auch die weiterführende Schule. Der Unterricht vom vierten bis zum fünften Lebensjahr (groep 1–2) kann inhaltlich mit der Kindergartenpädagogik in Deutschland verglichen werden. Allerdings ist er hier in der Regel verstärkt in den Grundschullehrplan integriert. Ab groep 3 fangen die Kinder an, das Lesen, Schreiben und Rechnen zu erlernen. In den beiden letzten Basisjahren beginnt der Englischunterricht; weitere Fremdsprachen werden allein in Schulversuchen angeboten.
Im letzten Grundschuljahr legen sie eine zentrale Prüfung ab. Mit Eingang des 8. Schuljahres findet eine Vorabprüfung (entreetoets) statt, mit deren Ergebnis eine Vorbereitung auf den eigentlichen Test (eindtoets) möglich ist. Anders als in Deutschland, wo nur das Gutachten eines Grundschulpädagogen bei der Wahl einer weiterführenden Schule zu Grunde liegt, wird in den Niederlanden anhand des Prüfungsergebnisses und eines Gutachtens durch die Grundschule, erstellt von den Klassenlehrern der letzten Schuljahre sowie eines nicht unterrichtenden Begleiters, eine bindende Empfehlung ausgesprochen, von der nur in begründeten Ausnahmen abgewichen werden kann. Auch die Anmeldung zur weiterführenden Schule erfolgt in der Grundschule, die die Empfehlung und Testergebnisse direkt an die weiterführende Schule weiterreicht.
Im Anschluss an die Grundschule folgt eine weiterführende Schule für Schüler zwischen 12 und 18 Jahren. Die Sekundarbildung kann in folgenden Einrichtungen absolviert werden:
Das erste Jahr der Sekundarschulen aller drei Formen ist die sogenannte Übergangsklasse („brugklas“). Sie dient vor allem der Orientierung des Schülers auf seine zukünftige Schullaufbahn.
Laut der weltweiten Rangliste für Hochschulbildung – 2023 des Magazins Times Higher Education sind die besten Hochschulen in den Niederlanden die Universität Wageningen (Platz 59), die Universität Amsterdam (Platz 60), die Technische Universität Delft (Platz 70), die Reichsuniversität Groningen (Platz 75), die Universität Leiden (Platz 77) und die Erasmus-Universität in Rotterdam (Platz 80).[49]
In den PISA-Studien von 2018 erreichten die niederländischen Schüler Platz 7 von 77 Ländern in Mathematik, Platz 12 in Naturwissenschaften und Platz 24 beim Leseverständnis und liegen damit über dem Durchschnitt der OECD-Staaten.[50]
In den Niederlanden gilt ab 2024 ein Handyverbot an allen Schulen.[51][52]
Geschichte der Benelux-Staaten | ||
Fränkisches Reich ≈500–843 | ||
Mittelreich (Lotharii Regnum) 843–855 | ||
Lotharingien 855–977 | ||
verschiedene adlige Besitztümer 977–1384 |
Hochstift Lüttich 985–1795 | |
Burgundische Niederlande (Haus Burgund) 1384–1477 | ||
Burgundische Niederlande (Haus Habsburg) 1477–1556 | ||
Spanische Niederlande 1556–1581 | ||
Republik der Vereinigten Niederlande 1579/1581–1795 |
Spanische Niederlande 1581–1713 | |
Österreichische Niederlande 1713–1795 | ||
Batavische Republik 1795–1806 |
Frankreich (Erste Republik) 1795–1805 | |
Königreich Holland 1806–1810 | ||
Französisches Kaiserreich (Erstes Kaiserreich) 1805–1815 | ||
Königreich der Vereinigten Niederlande (Haus Oranien-Nassau) 1815–1830 |
Großherzogtum Luxemburg (Haus Oranien-Nassau) 1815–1890 | |
Königreich der Niederlande (Haus Oranien-Nassau) ab 1830 |
Königreich Belgien (Haus Sachsen-Coburg und Gotha) ab 1830 | |
Großherzogtum Luxemburg (Haus Nassau-Weilburg) ab 1890 |
Nach der Aufteilung des Frankenreiches gehörten die niederen Lande zum ostfränkischen Königreich (Regnum Teutonicum) und danach zum Heiligen Römischen Reich. Unter Kaiser Karl V., der zugleich spanischer König war, war das Land in siebzehn Provinzen aufgeteilt und umfasste auch das heutige Belgien (mit Ausnahme des Hochstifts Lüttich) und Teile Nordfrankreichs und Westdeutschlands. Nach dem Tod Karls fiel das Gebiet als Spanische Niederlande an die spanischen Habsburger. Unter Karls Sohn Philipp II. kam es von 1566 an zu einer Serie von Aufständen. Diese hatten religiöse, politische und wirtschaftliche Ursachen.[53] Philipp II. entsandte den Herzog von Alba in die Niederlande und versuchte, den Aufstand zu unterdrücken. Doch diese harte Politik bewirkte das Gegenteil: 1572 schlugen sich fast alle Städte der Provinz Holland auf die Seite von Wilhelm von Oranien, der den Widerstand gegen Alba anführte. In den nächsten Jahren schlossen sich auch die anderen niederländischen Provinzen diesem Aufstand an.
Wilhelm von Oraniens Ideal einer friedlichen Koexistenz der Konfessionen zerbrach jedoch rasch an den Realitäten. Der Graben zwischen spanientreuen Katholiken und radikalen Calvinisten war zu tief aufgerissen und führte dazu, dass sich die calvinistischen Provinzen Holland, Zeeland und Utrecht 1579 zu einem Verteidigungsbündnis zusammenschlossen, der Utrechter Union. Dieser Vertrag wurde zur Gründungsurkunde eines neuen Staates, der Republik der Vereinigten Niederlande. 1581 taten die Generalstaaten – die allgemeine Ständeversammlung – den letzten Schritt und erklärten ihre Unabhängigkeit von der spanischen Krone. In dieser Abschwörungsakte wurde erstmals in der Geschichte überhaupt ein von Gott inthronisierter König für abgesetzt erklärt.[54] Erst nach einem Achtzigjährigen Krieg wurde die Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien im Frieden von Münster am 15. Mai 1648 anerkannt. Dieses Datum gilt als Geburtstag der heutigen Niederlande, die sich gleichzeitig mit der Schweiz vom Reich trennten. Die südlichen Niederlande – das heutige Belgien – blieben hingegen bei Spanien, so dass die Niederlande fortan geteilt waren.
In der Folge wuchsen die Vereinigten Niederlande zur größten Handels- und Wirtschaftsmacht des 17. Jahrhunderts heran. Diese Epoche ist als Goldenes Zeitalter bekannt. Während dieser Zeit wurden Handelsposten auf der ganzen Welt errichtet. Dies ging jedoch nicht vom Staat aus, sondern von den beiden ersten Aktiengesellschaften der Geschichte, der Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC) und der Niederländischen Westindien-Kompanie (WIC).[55]
Bekannt ist die Gründung von Neu Amsterdam (Nieuw Amsterdam), das später in New York umbenannt wurde. In Asien schufen die Niederländer ihr Kolonialreich Niederländisch-Indien (Nederlands-Indië), das heutige Indonesien, das im Dezember 1949 unabhängig wurde. Auch im Nordosten Südamerikas gewannen die Niederlande Kolonien. Suriname wurde 1975 unabhängig. Bei den Niederlanden verblieben nur noch wenige Inseln in der Karibik. Ein düsteres Kapitel des Goldenen Zeitalters war der Sklavenhandel, an dem auch die Niederländer maßgeblich beteiligt waren.[56] Dafür bat König Willem-Alexander am 1. Juli 2023 um Verzeihung.[57]
In Europa waren die Niederlande im 17. Jahrhundert eine Großmacht, angeführt von bürgerlichen Politikern wie Johan van Oldenbarnevelt und Johan de Witt. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht behaupteten sie sich 1667 gegen England im Englisch-Niederländischen Krieg und hielten sogar die Expansion des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. auf.[58] Die Innenpolitik war von einem ständigen Abstimmungsprozess zwischen den Ständeversammlungen der einzelnen Provinzen geprägt. „Dies war ein gravierender Unterschied zu fast allen anderen europäischen Ländern, in denen die Macht stark zentralisiert war und sich in der Hand eines Monarchen konzentrierte“, urteilt der Historiker und Niederlande-Experte Christoph Driessen. Die „frühe Demokratisierung der Niederlande“ habe darin ihren Ursprung.[59]
Die Expansion des kleinen Landes ging einher mit einer kulturellen Blütezeit, die Maler wie Rembrandt van Rijn und Johannes Vermeer, Philosophen wie Baruch de Spinoza und Wissenschaftler wie Antoni van Leeuwenhoek und Christiaan Huygens hervorbrachte.
Weitere Seekriege mit England um die Vorherrschaft im 17./18. Jahrhundert prägten den Kampf auf See.
1795 wurde mit französischer Unterstützung die Batavische Republik gegründet (benannt nach dem germanischen Stamm der Bataver, der das Gebiet zwischen Rhein und Maas ehemals besiedelt hatte); 1806 machte der französische Kaiser Napoleon I. daraus das Königreich Holland. König wurde Louis Bonaparte, ein Bruder des Kaisers.
Kaiser Napoleon I. war nicht zufrieden damit, wie sein Bruder das neue Königreich verwaltete. Im Juli 1810 löste er deshalb das Königreich Holland auf. Die Niederlande wurden dem napoleonischen Frankreich einverleibt.
Die Niederlande erlangten ihre Unabhängigkeit im Jahre 1813 zurück. Wilhelm I. aus dem Haus Oranien-Nassau wurde souveräner Fürst der Niederlande; 1815 wurde er König. Der Wiener Kongress fügte 1815 die südlichen Niederlande, das heutige Belgien, dem Königreich hinzu. Man beabsichtigte damit, dass Frankreich in Zukunft im Norden von einem starken Staat begrenzt werde. Die damals verabschiedete Verfassung der Niederlande gilt heute noch, wenn auch mit zahlreichen Änderungen. Die wichtigste, von 1848, führte die Ministerverantwortlichkeit ein und ebnete damit den Weg zum parlamentarischen System.
Der Wiener Kongress erhob außerdem das Herzogtum Luxemburg zum Großherzogtum Luxemburg und sprach Luxemburg Wilhelm I. persönlich zu, als Entschädigung für den Verlust seiner Gebiete in Deutschland (Nassau-Dillenburg, Siegen, Hadamar und Diez). Die südlichen Niederlande erlangten nach der belgischen Revolution von 1830 ihre Unabhängigkeit, die allerdings erst 1839 von Wilhelm I. anerkannt wurde.
Der niederländische König war seit 1815 auch Großherzog von Luxemburg, wo die Lex Salica kein weibliches Staatsoberhaupt zuließ. Als Wilhelm III. bei seinem Tod 1890 nur eine Tochter (Königin Wilhelmina) hinterließ – seine Söhne waren verstorben –, ging der Luxemburger Thron auf eine andere Erbfolgelinie im Haus Nassau über und Wilhelms Vetter Adolf von Nassau übernahm dort die Regierung.
Die Niederlande blieben im Ersten Weltkrieg offiziell neutral und konnten sich auch aus dem Krieg heraushalten. Sie hielten ihre Truppen dennoch bis zum Kriegsende mobilisiert und hatten überdies mit einer großen Flüchtlingswelle aus dem von Deutschland besetzten Belgien zu tun. Nach dem Ersten Weltkrieg gewährten die Niederlande dem bisherigen Deutschen Kaiser Wilhelm II. Exil.
Auch beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs versuchte die niederländische Regierung zunächst, das Land aus dem Krieg herauszuhalten. Hitler jedoch befahl der Wehrmacht die Okkupation Belgiens und der Niederlande, u. a. damit Deutschland nach dem für wahrscheinlich erachteten Sieg gut gelegene Flugbasen für Luftangriffe auf Großbritannien hatte. Nach fünftägigem Kampf zwangen die deutschen Truppen am Abend des 14. Mai 1940 die Niederlande zur Aufgabe. Ausschlaggebend war hierfür das Bombardement von Rotterdam. Die königliche Familie war vorher nach England geflohen. Die Niederlande wurden von da an bis April 1945 von der Wehrmacht besetzt gehalten. Die Nationaal-Socialistische Beweging (NSB) unter Anton Adriaan Mussert arbeitete mit den deutschen Besatzungstruppen zusammen, erlangte aber keinen relevanten Einfluss in der Bevölkerung und beim Besatzungsregime. Die Niederlande stellten das größte Kontingent ausländischer Freiwilliger in der Waffen-SS, seriöse Schätzungen reichen von etwa 25.000[60][61] bis 40.000[62] Niederländern, die sich im Verlauf des Krieges der SS anschlossen.
Nach der Invasion kam es zu Judenverfolgungen durch die deutschen Besatzer. Der Februarstreik 1941 gegen die Deportationen wurde blutig niedergeschlagen. Von den zu Beginn des Krieges 160.000 jüdischen Niederländern und 20.000 jüdischen Flüchtlingen lebten am Ende des Krieges nur noch etwa 30.000. Symbol für die Judenverfolgung ist der Fall der Anne Frank. Der Deportation in das KZ Auschwitz-Birkenau fielen auch Roma und Sinti (Manoesje) aus den Niederlanden zum Opfer. Der südliche Teil der Niederlande wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 von den vorrückenden Alliierten befreit; der Norden des Landes erst bei Kriegsende.
Am 11. Januar 1942 begann die japanische Invasion von Niederländisch-Indien. Die Niederländer kapitulierten am 1. März 1942. Sofort nach der japanischen Kapitulation riefen die indonesischen Nationalisten am 17. August 1945 die Unabhängigkeit aus. Erst nach Gewalt und militärischen Auseinandersetzungen, die als „Polizeiaktionen“[63] verharmlost wurden, wurde Indonesien am 27. Dezember 1949 formal in die Unabhängigkeit entlassen. Bis 1954 bestand noch eine lose Niederländisch-Indonesische Union. Bei den Niederlanden verblieb bis 1962 der Westteil der Insel Neu-Guinea.
Von 1949 bis 1963 waren im Rahmen der niederländischen Annexionspläne nach dem Zweiten Weltkrieg westdeutsche Gemeinden aus dem Landkreis Geilenkirchen-Heinsberg (Selfkant) und die Gemeinde Elten (bei Emmerich) unter niederländische Verwaltung gestellt. Bestrebungen der niederländischen Regierung, Teile Niedersachsens sowie des westlichen Münster- und Rheinlandes an die Niederlande anzugliedern (Bakker-Schut-Plan), konnten sich nicht durchsetzen.
Die Erfahrung der Besatzungszeit bewirkte eine Neuorientierung der niederländischen Außenpolitik. Da die Neutralitätspolitik gescheitert war, schlossen sich die Niederlande der NATO an und gründeten 1952 zusammen mit Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und Italien die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (und damit die spätere Europäische Union). Allerdings strebten sie dabei eine Wirtschaftsgemeinschaft an und keine politische Union. Zum einen fürchteten sie, die Politik eines so großen Staatengebildes als kleines Land nicht entscheidend mitbestimmen zu können, zum anderen betrachteten sie eine von Frankreich und Deutschland dominierte Europäische Union als potenzielle Bedrohung ihres engen Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten.[64] Traditionell sind die Niederlande eher atlantisch als zum Kontinent hin orientiert. Die Niederlande waren auch Gründungsmitglied der Benelux-Wirtschaftsunion (seit 1944 geplant, am 3. Februar 1958 festgelegt und am 1. November 1960 in Kraft getreten).
Die ersten Jahrzehnte der Nachkriegszeit waren von einem ähnlichen Wirtschaftswunder geprägt wie in Deutschland. Schon 1950 lag das Nationaleinkommen höher als vor dem Zweiten Weltkrieg.[65] Die Niederlande zählten damals zu den zehn größten Wirtschaftsmächten der Welt mit international operierenden Konzernen wie Royal Dutch Shell, Unilever und Philips. Dies ermöglichte den Aufbau eines großzügigen Sozialstaates.
Gesellschaftspolitisch bildeten vor allem die 1960er Jahre eine tiefe Zäsur. Die „Versäulung“, also die strikte Trennung der gesellschaftlichen Milieus von Protestanten, Katholiken, Liberalen und Sozialisten, begann sich aufzulösen. Mitgliederstärke und Einfluss der Kirchen schwanden. Während dieser Umbruch in Ländern wie Deutschland und Frankreich mit schweren gesellschaftlichen Erschütterungen einherging, vollzog er sich in den Niederlanden fast geräuschlos. So gab es keine Studentenunruhen – schon 1970 verabschiedete das Parlament in Den Haag ein Hochschulgesetz, das den Studentenvertretern weitgehende Mitbestimmungsrechte einräumte.[66] Das Kabinett des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Joop den Uyl wählte sich von 1973 bis 1977 das Motto „Die Fantasie an die Macht“. „Die Art, wie die Vertreter der Obrigkeit mit diesen kulturellen Veränderungen umgegangen sind, nötigt Respekt ab“,[67] urteilt der Historiker James C. Kennedy. Das zuvor von sittenstrengem Calvinismus geprägte Land wurde nun zu einem Vorreiter von Liberalismus und gesellschaftlichem Pluralismus. So gehörten die Niederlande zu den ersten Staaten, die den Konsum kleiner Mengen von „weichen Drogen“ wie Haschisch tolerierten.[68] Das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition sowie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war von einer Konsenskultur geprägt, die mit dem Begriff Poldermodell bezeichnet wird. Dieses Modell galt Ende der 1990er Jahre als niederländische Variante des von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem britischen Premierminister Tony Blair propagierten Dritten Weges.[69] Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete die Niederlande 1993 als „das fortschrittlichste Land Europas“.[70]
Seit April 2001 sind in den Niederlanden gleichgeschlechtliche Ehen möglich. Damit waren die Niederlande der weltweit erste Staat, der über den Status der eingetragenen Partnerschaft hinauskam und einen rechtlichen Rahmen für homosexuelle Beziehungen einrichtete.
Trotz aller wirtschaftlicher Erfolge war in der niederländischen Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein „untergründiger Strom der Unzufriedenheit“ (Christoph Driessen) wahrnehmbar. Das Ausmaß der Unzufriedenheit wurde Ende 2001 unter dem Eindruck der Terroranschläge am 11. September mit dem Erfolg des Rechtspopulisten Pim Fortuyn sichtbar. Fortuyn wurde am 6. Mai 2002, neun Tage vor der Parlamentswahl, von einem fanatischen Tierschützer erschossen. Zwei Jahre später wurden die Niederlande von einem weiteren Mord erschüttert: Am 2. November 2004 schoss ein 26-jähriger gebürtiger Amsterdamer marokkanischer Herkunft den islamfeindlichen Regisseur Theo van Gogh nieder. Nach den Morden gab es heftige Debatten über das Selbstverständnis der niederländischen Gesellschaft.
Am 1. Juni 2005 fand in den Niederlanden eine Volksabstimmung zum damals geplanten Vertrag über eine Verfassung für Europa statt. 63,3 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Volksabstimmung teil. 61,6 % der Abstimmenden (39,0 % aller Wahlberechtigten) lehnten den Verfassungsentwurf ab.
Am 22. November 2005 fand eine vorgezogene Parlamentswahl statt. Danach bildete Balkenende sein viertes Kabinett. Am 9. Juni 2010 fand eine weitere vorgezogene Parlamentswahl statt. Die PVV von Geert Wilders wurde mit 15,5 % (plus 9,6 Prozentpunkte) drittstärkste Partei. Mark Rutte bildete das Kabinett Rutte I. Es war eine Minderheitsregierung aus VVD und CDA, toleriert von der PVV. Rutte bildete nach der Wahl 2012 das Kabinett Rutte II (getragen von VVD und PvdA), nach der Wahl 2017 das Kabinett Rutte III (getragen von VVD, CDA, D66 und CU) und nach der Wahl 2021 das Kabinett Rutte IV (wieder getragen von VVD, CDA, D66 und CU).
Nach der Parlamentswahl am 22. November 2023 formierte sich das Kabinett Schoof (getragen von PVV, VVD, NSC und BBB). Ministerpräsident Schoof ist parteilos. Das Kabinett gilt als rechtsgerichtet.[71]
Die Niederlande sind eine parlamentarische Monarchie.[72][73] Das Staatsoberhaupt ist der Verfassung zufolge der König, zurzeit König Willem-Alexander. Er ernennt offiziell den Ministerpräsidenten und die Minister, zusammen formen sie die Regierung.
Das Parlament, die Generalstaaten (Staten-Generaal), besteht aus zwei Kammern. Die erste wird von den Abgeordneten der Provinzparlamente, die zweite von den niederländischen Bürgern nach Listen gewählt. Damit ist die Zweite Kammer (Tweede Kamer) die wichtigere; sie entspricht dem Deutschen Bundestag oder dem Nationalrat in Österreich und dem Nationalrat der Schweiz. Formell hat das Parlament nicht über die Zusammensetzung der Regierung zu bestimmen, tatsächlich ernennt der König die Minister nach Konsultation der Fraktionen.
Die vier größten Fraktionen in der Zweiten Kammer stellen die rechtspopulistische PVV, das grün-sozialdemokratische Wahlbündnis GroenLinks-PvdA, die rechtsliberale VVD und der christdemokratische NSC. Nach der Parlamentswahl im November 2023 trat am 2. Juli 2024 eine von Dick Schoof geführte Koalitionsregierung aus PVV, VVD, NSC und BBB ihr Amt an.
Die Niederlande kennen keine umfassende gesetzliche Regelung über Parteien, wie es sie in Deutschland mit dem Parteiengesetz gibt. Ein Gesetz speziell für Parteien wurde 1997 mit dem Gesetz zur Subventionierung politischer Parteien beschlossen. Es definiert als Partei eine politische Vereinigung, die für die Wahl zur Zweiten Kammer im vom Wahlrat geführten Register aufgenommen wurde. Eine Partei mit weniger als 1000 Mitgliedern erhält jedoch grundsätzlich keine Staatssubvention, dafür ist sie nicht verpflichtet, die Herkunft ihrer Mittel wie zum Beispiel Spenden offenzulegen.[74] Die Staatssubvention ist so ausgestaltet, dass eine Partei pro Mitglied einen bestimmten Betrag erhält. In Wahljahren ist dieser Betrag höher.
In einer niederländischen Partei ist der Parteivorsitzende verantwortlich für das Funktionieren des Parteiapparats, er ist vergleichsweise wenig prominent. Der politische Führer (oder Parteiführer, politieke leider oder partijleider) wird gesondert gewählt und ist Spitzenkandidat bei Wahlen, also lijsttrekker.
Bei der Wahl 2023 kamen Abgeordnete der folgenden Parteien in die Zweite Kammer:
Ferner gibt es in der Ersten Kammer die 50PLUS sowie die Onafhankelijke Politiek Nederland (OPNL). Bei der OPNL handelt es sich um einen einzigen Abgeordneten, der vor allem kleinere Gruppierungen vertritt, die nur auf Provinzebene arbeiten. Bei der PVV handelt es sich nicht um eine Partei im Sinne der deutschen Mitgliedsparteien, da sie nur ein einziges Mitglied hat, nämlich Geert Wilders.[75]
Der Staatshaushalt 2016 umfasste Ausgaben von umgerechnet 333,5 Milliarden US-Dollar, ihnen standen Einnahmen von 322,0 Milliarden US-Dollar gegenüber; dies ergab ein Haushaltsdefizit in Höhe von 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.[76] Die Staatsverschuldung betrug 2016 482 Milliarden US-Dollar oder 62,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.[77]
Anteile der Staatsausgaben ausgewählter Bereiche am Bruttoinlandsprodukt:
Das niederländische Rechtssystem basiert auf dem französischen Zivilgesetzbuch (Code civil) mit Einflüssen aus dem römischen Recht und dem traditionellen niederländischen Gewohnheitsrecht.
Die Niederlande wenden Zivilrecht an. Seine Gesetze sind schriftlich und die Anwendung des Gewohnheitsrechts ist außergewöhnlich. Die Rolle der Rechtsprechung ist theoretisch gering. In der Praxis ist es allerdings oft unmöglich, das Gesetz zu verstehen, ohne die einschlägige Rechtsprechung zu berücksichtigen.
Die im europäischen Teil des Landes zentral organisierte Polizei (Nationale Politie) hat etwa 63.000 Bedienstete und unterteilt sich seit einer Reform im Jahr 2013 in eine landesweit eingesetzte nationale Einheit, ein Polizeidienstzentrum sowie in zehn regionale Polizeibezirke.
Für den karibischen Teil der Niederlande (Bonaire, Sint Eustatius, Saba) besteht ein eigenständiges Polizeikorps, das Korps Politie Caribisch Nederland.
Die Koninklijke Marechaussee mit ungefähr 6800 Mitarbeitern gehört organisatorisch als Teilstreitkraft zu den niederländischen Streitkräften. Sie hat Aufgaben wie den Grenzschutz, die Bewachung der Flughäfen und den Personenschutz für die Königsfamilie.
Die niederländischen Streitkräfte sind formell eine Institution des Königreichs der Niederlande, nicht des Landes Niederlande. Da aber laut Verfassung die Regierung der Niederlande den Oberbefehl über die Streitkräfte innehat, werden sie faktisch dem Land Niederlande zugerechnet. Die allgemeine Wehrpflicht wurde 1996 auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Niederlande verfügen damit über eine Berufsarmee. Die Streitkräfte umfassen insgesamt 53.130 Personen, davon entfallen auf das Heer 23.150, auf die Luftwaffe 11.050 und auf die Marine 12.130 Soldaten. Daneben existiert noch die Koninklijke Marechaussee, seit 1998 als eigenständiger Teil der Streitkräfte. Die Militärausgaben 2017 betragen 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (zum Vergleich: Deutschland 1,2 Prozent, Vereinigte Staaten 3,1 Prozent) oder knapp 10 Milliarden US-Dollar.[79] Das niederländische Heer (Koninklijke Landmacht) ist auch durch das Erste Deutsch-Niederländische Korps mit der deutschen Bundeswehr verbunden.
Das Land stimulierte die Einführung des Euros im Jahre 1999 (Vertrag von Maastricht) als Währungseinheit der Europäischen Union. Seit dem 1. Januar 2002 ist der Euro die offizielle Währungseinheit, die den Holländischen Gulden ablöste.
In den Niederlanden haben unter anderem folgende internationale Institutionen ihren Sitz: