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deutscher Sprach- und Literaturwissenschaftler sowie Jurist, Begründer der deutschen Philologie und Altertumswissenschaft Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Jacob Ludwig Karl Grimm (auch: Jakob und Carl; * 4. Januar 1785 in Hanau; † 20. September 1863 in Berlin) war ein deutscher Sprach- und Literaturwissenschaftler. Er gilt als Begründer der deutschen Philologie und Altertumswissenschaft.
Sein Lebenslauf und Werk sind eng mit denen seines ein Jahr jüngeren Bruders Wilhelm Grimm verbunden, worauf die oft gebrauchte Bezeichnung Brüder Grimm hinweist.[1]
Jacob Grimm verbrachte seine Jugend in Steinau an der Straße, wohin sein Vater Philipp Wilhelm Grimm 1791 als Amtmann versetzt worden war, und besuchte ab 1798 mit seinem Bruder Wilhelm das Friedrichsgymnasium in Kassel.
1802 schrieb er sich an der Universität Marburg ein, wo er bei Friedrich Carl von Savigny Jura studierte. Durch dessen rechtshistorische Forschungen sowie durch Ludwig Wachlers Vorlesungen wurde seine Aufmerksamkeit auf die geschichtliche Entwicklung der deutschen Sprache und Literatur gerichtet. Als Savigny 1804 wegen wissenschaftlicher Forschungen (betreffend das römische Recht im Mittelalter) nach Paris ging, ließ er Grimm nachkommen. Dieser wurde jedoch bald der juristischen Studien überdrüssig und gab in Briefen kund, dass er sich künftig der altdeutschen Literatur widmen wolle. Als er im September 1805 nach Kassel, dem Wohnort seiner Mutter, zurückgekehrt war, erlangte er einen Posten beim Kriegskollegium, das aber wegen der französischen Besetzung der Stadt noch vor Ablauf eines Jahres aufgelöst wurde.
Nach dem Tod der Mutter 1808 musste Jacob Grimm die Familie ernähren. Er wurde Bibliothekar Jérôme Bonapartes, des Königs von Westphalen, und wurde im Februar 1809 außerdem zum Beisitzer im Staatsrat ernannt. Die Muße, die ihm die amtlichen Geschäfte ließen, verwendete er auf das Studium der altdeutschen Poesie und Sprache. Seit 1806 hatte er gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm sowie dem Kreis um seinen in Westfalen ansässigen Freund Werner von Haxthausen Märchen gesammelt, die nun bearbeitet und herausgegeben wurden. Auch an der Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano war er beteiligt.
Nach der Wiederherstellung des Kurfürstentums Hessen verlor Grimm seine Stelle als Privatbibliothekar des Königs Jérôme, wurde jedoch in den diplomatischen Dienst des zurückgekehrten Kurfürsten übernommen. 1814/15 war er kurhessischer Legationssekretär beim Wiener Kongress, wo er mit Gleichgesinnten im Gasthaus Zum Strobelkopf in der Straße Wollzeile die „Wollzeilergesellschaft“ gründete. Kurzzeitig verhandelte er in Paris über die Rückführung geraubter Kunstschätze nach Hessen und Preußen.
In dieser Zeit begann er mit dem Studium der slawischen Sprachen. 1815 nahm er seinen Abschied als Diplomat, um sich der Literaturgeschichte und Sprachforschung zu widmen. Ein Jahr später wurde er Zweiter Bibliothekar an der Bibliothek zu Kassel (sein Bruder Wilhelm war 1814 dort Sekretär geworden). Sie schlossen sich dort einem literarischen Zirkel im Umfeld der Kurfürstin Auguste an, der sich in Opposition zum regierenden Kurfürsten sah. Auch deshalb wurden die Brüder 1829 nach dem Tod des Oberbibliothekars nicht wie erwartet befördert, sondern sahen sie sich enttäuscht nach einer neuen Position um.
1830 erhielt Jacob Grimm eine Professur an der Universität Göttingen, wo er auch als Rechtsbibliothekar[2] tätig war. In den Jahren 1834–1837 hielt er dreimal eine Vorlesung über deutsche Literaturgeschichte, die durch studentische Mitschriften überliefert ist.[3] In Göttingen diente ihm Georg Schulze als sein Amanuensis.[4] Im Dezember 1837 wurde Grimm als Mitverfasser des Protestes der „Göttinger Sieben“ durch den König von Hannover seines Amtes enthoben und des Landes verwiesen.[5]
1841 folgte er dem Ruf des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin. 1841–1846 wohnt er gemeinsam jeweils mit der Familie seines Bruders Wilhelm Grimm am Rand des Tiergartens in der kurz vorher angelegten Lennéstraße, Nr.8, 1846/1847 näher zu Akademie, Universität und Bibliothek in der Dorotheenstraße, Nr. 47, und ab 1847 in der Linkstraße Nr. 7, unmittelbar am damaligen Potsdamer Bahnhof.[6] Er wurde Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften mit dem Recht, Vorlesungen an der Friedrich-Wilhelms Universität zu halten. Auf den beiden Germanistenversammlungen 1846 in Frankfurt am Main und 1847 in Lübeck war er tonangebend.
1848 gehörte er dem Vorparlament an.[7] An der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche nahm er im Frühjahr 1848 als parteiloser, aber der Casino-Fraktion nahestehender Abgeordneter des preußischen Wahlkreises Essen und Mülheim an der Ruhr (29. Wahlbezirk) teil,[8] wobei er einen Ehrenplatz erhielt. Er sprach über Adel und Orden; außerdem legte er einen Entwurf für den ersten Artikel der Grundrechte vor. Da die Versammlung aber sehr schleppend verlief und die Resultate eher enttäuschend für ihn waren, legte er am 2. Oktober 1848 sein Mandat nieder. Im Juni 1849 nahm er noch am sogenannten Gothaer Nachparlament teil, aber danach hielt er sich aus dem aktiven politischen Leben heraus. Im selben Jahr beendete er seine Vorlesungstätigkeit und veröffentlichte in Leipzig seine Geschichte der deutschen Sprache.[9] Seine demokratische Gesinnung behielt er indes bei und nahm, wie sich im privaten Briefaustausch mit Georg Waitz zeigt, geradezu revolutionäre Züge an.[10]
Danach konzentrierte er sich auf die Arbeit am Deutschen Wörterbuch, das den gesamten neuhochdeutschen Sprachschatz von Luther bis Goethe erfassen sollte. Die Arbeiten an diesem gewaltigen Gemeinschaftsprojekt mit seinem Bruder hatten schon 1838 begonnen und wurden auch nach dem Tod der Brüder Grimm bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fortgesetzt.[11]
Bei der Arbeit an dem Artikel Frucht des Deutschen Wörterbuches starb Jacob Grimm am 20. September 1863. Er wurde auf dem alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg neben seinem Bruder[12] bestattet. Das Ehrengrab des Landes Berlin befindet sich im Feld F, F-S-001/004, G1.
Zusammen mit seinem Bruder Wilhelm gilt er als Begründer der germanistischen Altertumswissenschaften, der germanistischen Sprachwissenschaft und der deutschen Philologie. Beiträge wie Über den deutschen Meistergesang (1811) dürfen neben der Forschung Karl Lachmanns als die ersten soliden Bestandsaufnahmen älterer deutscher Literatur gelten. Zur Durchsetzung seiner Positionen pflegte Jacob Grimm einen konfrontativen Stil, der weder Polemik noch die Verunglimpfung von Konkurrenten scheute. Zu den „Gründungsmythen“ der Germanistik gehört etwa der sogenannte „Wissenschaftskrieg“ gegen Friedrich Heinrich von der Hagen und Johann G. G. Büsching.[13]
Berühmt wurden die beiden Brüder Grimm durch ihre gemeinsame Sammlung Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (2 Bände, 1812–1815) und das Deutsche Wörterbuch (Lieferungen ab 1838, 1. Band 1854). Die Deutschen Sagen (2 Bände, 1816–1818) sind nach den berühmten Kinder- und Hausmärchen das zweite große Sammelwerk der Brüder Grimm und gelten als die bedeutendste Zusammenstellung ihrer Art.
Jacob Grimm formulierte, nachdem 1811 bereits Rasmus Rask Belege für Lautveränderungen in germanischen Sprachen veröffentlicht hatte,[14] 1822 ein erstes Lautgesetz für die germanischen Sprachen, das als „Erste Lautverschiebung“ bezeichnet wird. In angelsächsischen Ländern spricht man von Grimm's Law, im Französischen sinngemäß von loi de Grimm.[15]
Ein weiteres für die Germanistik wegweisendes Werk ist die 1835 in drei Bänden publizierte Deutsche Mythologie, welche sich auf linguistischem Wege der Lebensweise und Göttersicht nicht nur der Germanen nähert. In der Folge entstanden ähnliche Werke im finno-ugrischen und slawischen Raum. Grimms historisch-vergleichendes Vorgehen schuf auch die Voraussetzungen für die Begründung der romanischen Sprachwissenschaft durch Friedrich Diez.[16]
Jacob Grimm war seit dem 31. Mai 1842 Mitglied des preußischen Ordens Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste.[17] 1847 wurde er auf Lebenszeit in die französische Académie des Inscriptions et Belles-Lettres gewählt.[18] 1857 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences und in seinem Todesjahr 1863 in die American Philosophical Society[19] gewählt.
Nach Jacob Grimm sind ein Gymnasium in Kassel (Jacob-Grimm-Schule), eine gleichnamige Förderschule in Soest und eine Gesamtschule (Jakob-Grimm-Schule) in Rotenburg an der Fulda benannt.
Teile des Nachlasses (wie beispielsweise Bücher seiner Bibliothek mit Randbemerkungen) liegen in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK). Ein weiterer Teil, darunter Briefe von und an die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, verschiedene Manuskriptenkonvolute und vor allem Handexemplare mit handschriftlichen Zusätzen, wird im Nachlass seines Neffen Herman Grimm im Hessischen Staatsarchiv Marburg aufbewahrt.[20] Weitere wichtige Quellen befinden sich im Brüder Grimm-Museum Kassel.
Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Kritische Ausgabe in Einzelbänden:
Kasseler Ausgabe (Werke und Briefwechsel der Brüder Grimm):
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