deutscher Volkswirt und Zeitungswissenschaftler Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Bücher war der Sohn des Bürstenmachermeisters Friedrich Bücher, der in Kirberg eine kleinindustrielle Fertigung und Landwirtschaft betrieb, und dessen Frau Christiane. Karl Bücher besuchte von 1863 bis 1866 das Gymnasium in Hadamar. An den Universitäten Bonn und Göttingen studierte er Alte Geschichte und Philologie. Nach der Promotion, die er 1870 ablegte, bestand er 1872 die Staatsprüfung und arbeitete im Probejahr als Lehrer in Dortmund. Von 1873 bis 1878 war er Lehrer an der Wöhlerschule in Frankfurt am Main, deren Trägerin die Polytechnische Gesellschaft war. Während dieser Zeit betrieb er über seine Lehrertätigkeit hinaus nationalökonomische Studien.
1878 nahm Bücher ein Angebot des Herausgebers der Frankfurter Zeitung, Leopold Sonnemann, an und wurde dort Redakteur des sozial- und wirtschaftspolitischen Ressorts. Aus einem immer stärker zu Tage tretenden Interesse für die sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen am Beginn der Ära Bismarck fasste er eine Habilitation ins Auge. 1881 erhielt er an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Venia legendi für Nationalökonomie und Statistik. Nach Ordinariaten an den Universitäten Dorpat und Basel und an der Technischen Hochschule Karlsruhe folgte er 1892 einem Ruf nach Leipzig, er lehrte dort bis 1917.
1903 veröffentlichte Karl Bücher die Denkschrift „Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft“, die einen Höhepunkt im nach ihm benannten Bücher-Streit darstellte. Darin kritisierte er die Buchpreisbindung, weil sie eine Kartellbildung begünstige und Druckerzeugnisse verteuere.
Büchers nationalökonomisches Werk ist charakteristisch für die Erkenntnisperspektive der „jüngeren Historischen Schule“ in der Nationalökonomie. Diese hatte zum Ziel, den zeitgenössischen Problemen durch die Rekonstruktion ihrer historischen Wurzeln auf die Spur zu kommen. Dafür steht auch Büchers „Wirtschaftsstufentheorie“, die er in dem Werk darstellte, mit dem er als Nationalökonom Ansehen und Berühmtheit erlangte, seiner zweiteiligen Aufsatzsammlung „Die Entstehung der Volkswirtschaft“ (1893, 1918).
Nach seiner Emeritierung widmete Bücher sich dem Feld, das ihn zeit seines Lebens – praktisch in seinen Jahren als Journalist der Frankfurter Zeitung, theoretisch in seiner nationalökonomischen Lehre – begleitet hat: der Zeitungswissenschaft. 1916 errichtete er an der Universität Leipzig das erste Institut für Zeitungskunde in Deutschland. Das Ziel des Institutes war, den angehenden Journalisten eine akademisch fundierte und ebenso berufsvorbereitende wie zeitungsfachliche Ausbildung zu ermöglichen, um damit das Niveau der Presse zu heben. Andererseits wollte er für die Presse eine Stätte der ernsten wissenschaftlichen Forschung schaffen. 1926 gipfelten seine Bemühungen für das Fach in der Einrichtung der ersten ordentlichen Professur für Zeitungskunde, auf die Erich Everth berufen wurde.
Er wurde im Kolumbarium auf dem Südfriedhof Leipzig (Nische II/25) beigesetzt. Die Urne wurde Anfang der 1990er Jahre gestohlen.
Der Außenpolitiker und Industrielle Hermann Bücher war sein Neffe.
Seine Studenten bauten ihm in Bad Liebenstein im Wald in der Nähe seines Sommerdomizils („Mein Belvedere“) ein Denkmal.[1]
Die Karl-Bücher-Straßen wie in Bremen-Mahndorf und Leipzig-Paunsdorf wurden nach ihm benannt.
2018 richtete die Universität Leipzig im Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie die „Karl-Bücher-Gastprofessur für die Zukunft des Journalismus“ ein. Die ersten Inhaber waren Constantin Blaß und Julia Bönisch.[2]
Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im XIV. und XV. Jahrhundert, social-statistische Studien, Laupp, Tübingen 1886, (Digitalisat– Internet Archive)
Arbeitsteilung und soziale Klassenbildung, 1892, Neuausgabe Frankfurt 1946
Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft, Teubner, Leipzig 1903
Ordnungen und Urkunden zur Geschichte des Buchgewerbes. Leipzig 1903.
„Die Anonymität in der Presse“. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 72. Band, 1916, S. 289–327 Digitalisat
„Eine Schicksalsstunde der akademischen Nationalökonomie“ In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 73. Band, 1917/18, S. 255–293 Digitalisat
„Die wirtschaftliche Reklame“. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 73. Band, 1917/18, S. 461–483 Digitalisat
Die deutsche Tagespresse und die Kritik. Tübingen 1917.[3]
„Das Intelligenzwesen“. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 75. Band 1920/21, S. 326–345 Digitalisat
„Zur Frage der Pressereform“. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 76. Band, Heft 3, 1921, S. 296–331 Digitalisat
„Zur Geschichte des Zeitungs-Abonnements“. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 78. Band 1924, S. 3–18 Digitalisat
„Der Vertrieb der Zeitungen“. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 78. Band 1924, S. 221–258 Digitalisat
„Buchbesprechungen“. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 78. Band 1924, S. Digitalisat
Die Frauenfrage im Mittelalter. 2., verbesserte Auflage, Tübingen 1910. Digitalisat
DieKultur der Gegenwart: Das Zeitungswesen. Hrsg. Paul Hinneberg, B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1906, S. 481–517 Digitalisat, 2. Auflage 1912: S. 512–555, auch als Gesammelte Aufsätze zur Zeitungskunde (1926, siehe unten) Digitalisat
Die Berufe der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter, (= Abhandlungen der Philologisch-Historischen Klasse der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Band 30, 3). Teubner, Leipzig 1914. Digitalisat
Gemeinsam mit Benno Schmidt: Frankfurter Amts- und Zunfturkunden bis zum Jahre 1612. 2 Bände (= Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission Band 6, 1–2). Frankfurt am Main 1914–1915.
Gesammelte Aufsätze zur Zeitungskunde. Verlag der H. Laupp’schen Buchhandlung, Tübingen 1926 Digitalisat darin: „Die Grundlagen des Zeitungswesens“ (1906/12), „Zur Geschichte des Zeitungsabonnements“ (Vortrag, Sächsische Akademie der Wissenschaften 1923, auch in ZfdgStw 1924), „Das Intelligenzwesen“ (1920, auch in ZfdgStw 1920/21), „Die Anonymität in den Zeitungen“ (1916/17, auch in ZfdgStw 1916), „Buchbesprechungen“ (1924, auch in ZfdgStw 1924), „Der Zeitungs-Vertrieb“ (1924, auch in ZfdgStw 1924), „Die Reklame“ (1917, auch in ZfdgStw 1917/18), „Der Krieg und die Presse“ (Vortrag, Universität Leipzig 1915), „Die deutsche Tagespresse und die Kritik“ (1915/17), „Zur Frage der Preßreform“ (, auch in ZfdgStw 1924)
Arbeitsteilung und soziale Klassenbildung, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1946
Jürgen G. Backhaus (Hrsg.): Karl Bücher. Theory – History – Anthropology – Non Market Economies. Metropolis, Marburg 2000, ISBN 3-89518-229-X.
Wolfgang Drechsler mit Rainer Kattel: Karl Bücher in Dorpat. In: Trames 1:4 (1997), S. 322–368 (kürzere Version auch im Backhaus-Band).
Thomas Düe: Fortschritt und Werturteilsfreiheit. Entwicklungstheorien in der historischen Nationalökonomie des Kaiserreichs. Dissertation, Universität Bielefeld 2001 (Volltext).
Erich Everth: In memoriam Karl Büchers. In: Zeitungswissenschaft, Jg. 6 (1931), Nr. 1, 15. Januar 1931, S. 2–8.
Sebastian Göschel: Schließlich sind wir alle Büchers Schüler.Der Leipziger Nationalökonom Karl Bücher. In: Leipziger Blätter 57, Herbst 2010, S. 64 f.
Arnulf Kutsch: Schriftenverzeichnis Karl Bücher. Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2000, ISBN 3-934565-59-X (Bibliographie).
Alexander Pinwinkler: Historische Bevölkerungsforschungen. Deutschland und Österreich im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, Göttingen 2014, hier bes. 135–146.
Sylvia Straetz: Das Institut für Zeitungskunde in Leipzig bis 1945. In: Rüdiger vom Bruch und Otto B. Roegele (Hrsg.): Von der Zeitungskunde zur Publizistik. Haag und Herchen, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-89228-039-8, S. 75–103 (mit zahlreichen Hinweisen auf die Rolle Büchers).
Jürgen Wilke: Von der Zeitungskunde zur Integrationswissenschaft. Wurzeln und Dimensionen im Rückblick auf hundert Jahre Fachgeschichte der Publizistik-, Medien- und Kommunikationswissenschaft in Deutschland. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Jg. 64 (2016), Heft 1, S. 74–92, (behandelt stark auch die Rolle Büchers in der Frühzeit der Zeitungswissenschaft).
Thomas Irmer/Juliana Raupp: „Tummelplatz der Unkultur“ – Karl Bücher und die Presse im Ersten Weltkrieg. In: Markus Beiler, Benjamin Bigl (Hrsg.): 100 Jahre Kommunikationswissenschaft in Deutschland. Von einem Spezialfach zur Integrationsdisziplin. UVK, Konstanz 2017 (Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft; 44), ISBN 978-3-86764-720-5, S. 49–62.
Gastprofessoren, Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Universität Leipzig, abgerufen am 15. Januar 2020
Vgl. hierzu Wesen und Aufgabe der Presse, in: Kölnische Volkszeitung Nr. 631, 14. August 1917, S. 1, und Paul Schumann: Die deutsche Tagespresse und die Kritik wider Karl Bücher. Dresden 1917.