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Oskar Lenz

deutsch-österreichischer Afrikaforscher, Mineraloge und Geologe Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Oskar Lenz
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Heinrich Oskar Lenz[1] (* 13. April 1848 in Leipzig; † 2. März 1925 in Sooß) war ein deutsch-österreichischer Afrikaforscher, Mineraloge und Geologe.

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Oskar Lenz (um 1885)
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Das Stromgebiet des Ogowe vom Okandeland bis zur Mündung des Schebe aufgenommen in den Jahren 1874–1877 von Dr. Oskar Lenz in Wien (Karte: 1877)
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Expeditionsroute nach Timbuktu, 1879/80, im Verhältnis zu Routen anderer Forscher (Karte: 1881)
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Leben und Wirken

Zusammenfassung
Kontext

Lenz, Sohn eines Schuhmachers, absolvierte das Leipziger Nicolaigymnasium. Ab 1866 studierte er an der Universität Leipzig Mineralogie und Geologie und wurde dort 1870 zum Dr. phil. promoviert[2]. 1870 ging er nach Wien als Lehrer an ein Privatinstitut; 1872 trat er als Volontär in die k.k. Geologische Reichsanstalt ein,[3] wo er noch im selben Jahr, verbunden mit der österreichischen Staatsbürgerschaft, definitiv angestellt wurde.[4] Er mappierte südliche und östliche Gebiete von Österreich-Ungarn. 1874–77 war er, in Wien beurlaubt, als Forschungsreisender im Dienste der in Berlin ansässigen Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Äquatorial-Afrikas in der französischen Kolonie Gabun, wo er hauptsächlich in der Umgebung des Flusses Ogowe arbeitete.[5] Lenz musste jedoch die Expedition wegen Krankheit sowie der Weigerung seiner schwarzen Begleiter, noch weiter zu gehen, abbrechen. Auf dem Rückweg begegnete er Pierre Savorgnan de Brazza, der die Untersuchung des Ogowebeckens vollendete.[4]

Von 1877 bis 1879 beteiligte er sich im Dienstauftrag der Reichsanstalt als Sections-Geologe an den Landesaufnahmen in Ostgalizien (Gebiet Stryj, Bolechiw, Halytsch) mit denen auch mehrfach prähistorische Ausgrabungen verbunden waren.[6]

Größere Erfolge brachte seine zweite Reise, 1879–80. Eine von Lenz angeführte Expedition[Anm. 1] durchquerte erstmals die Sahara von Marokko an den Senegal[Anm. 2]; Hauptaugenmerk der Reise waren geologische Studien, vor allem die in Nordwestafrika vermuteten Eisenerzvorkommen. In Timbuktu wurde Lenz, der für den Sohn des Afrikaforschers Heinrich Barth gehalten wurde, am 1. Juli 1880[7] freundlich empfangen, obwohl die allgemeine Stimmung in der Karawanenstadt wegen der französischen Vorstöße vom Senegal und von Algerien aus in Richtung Niger aufgeheizt und latent fremdenfeindlich war. Lenz, der sich, entsprechend gekleidet, als (muslimischer) türkischer Arzt ausgab,[8] und seine Begleiter hatten weitgehend unbehelligt reisen können, doch beteiligte sich der Forscher nach seiner Rückkehr nach Europa besonders aggressiv an der anti-islamischen Agitation, die eine koloniale Inbesitznahme Nord- und Westafrikas ideologisch rechtfertigen sollte. Aus dem Islam könne „nur Intoleranz, Gier, Morde, Raub und systematische Ermordungen resultieren“ – so Lenz, der in seinem Buch über Timbuktu zugleich behauptete, der Islam sei „der Feind jeglichen Fortschritts“ und existiere „nur durch die Kraft seiner eigenen Trägheit, die ihn unangreifbar“ mache. Indem er dem Islam als eine Verneinung der Kultur (Orig.: „négation de la civilisation“) wahrnahm, wurde ihm der Status einer Kultur abgesprochen. In diesem islamophoben Weltbild stellt Islam eine Antikultur dar. Entsprechend dieser Wahrnehmung wurden Muslime als unzivilisierbar betrachtet.[9] Lenz war der erste Europäer, der von Norden kommend über Timbuktu den Sengal erreichte (Eintreffen in der Hafenstadt Saint-Louis am 22. November 1880).[10] Eine vergleichbare Route war in umgekehrter Richtung von René Caillié (1799–1838) ein halbes Jahrhundert zuvor zurückgelegt worden.[11]

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Route der von Oskar Lenz geführten Österreichischen Kongo-Expedition, 1885–87 (Karte: 1890)

Nach Vorträgen bei geographischen Gesellschaften in Spanien, Frankreich und Deutschland war Lenz ab Mitte 1881 wieder an der Geologischen Reichsanstalt, befasste sich nun zuvörderst mit geografischen Arbeiten und übernahm die Redaktion der Monatsschrift Aus allen Welttheilen [12], wurde in der Folge Generalsekretär der k.k. geographischen Gesellschaft und, mit 7. März 1885, ordentlicher Professor der Geographie an der k.k. Universität Czernowitz.[13]

Er kam jedoch nicht dazu, diese Stellung anzutreten, da er von der k.k. geographischen Gesellschaft mit der Leitung einer in den neu errichteten Congo-Staat führenden Expedition beauftragt wurde. Deren Ziel sollte im Weiteren der Versuch sein, vom oberen Kongo aus, in nordöstlicher Richtung, die oberen Nilgebiete zu erreichen und dabei Erkenntnisse über die zwischen beiden Gewässern bestehende Wasserscheide zu erlangen.

Hauptbestreben dieser bis 1887 dauernden Forschungsreise war die Feststellung der tatsächlichen Handelsverhältnisse im 1885 gegründeten Kongo-Freistaat sowie die Kartografierung des Kongo-Stroms. Am 1. Juli 1885 reiste die Expedition auf dem (1881 fertiggestellten, 1908 verschrotteten) Dampfer Carl Woermann von Brunswik (Kiel) ab.[14] Ziel war die an der Kongomündung gelegene Hafenstadt Banana. Die Schiffsroute berücksichtigte Handelsplätze, an denen sich deutsche, britische und französische Faktoreien befanden.[15] Die Ankunft in Banana erfolgte am 14. August 1885.[16]

Lenz konzentrierte sich vor allem auf die geologischen und ethnographischen Studien, während seine Begleiter, zunächst, bis zu dessen Erkrankung an Diphtherie, Oskar Baumann (1864–1899), dann Friedrich Bohndorff (1848–1921), für die Kartografierung des Gebietes zuständig waren. Widrige Umstände, vor allem auch der Mangel einer genügend großen militärischen Macht, ließen den Plan, die Gebiete nördlich vom Kongo zu erreichen, scheitern – jedoch gelang dem Unternehmen die einheitliche Durchquerung des afrikanischen Kontinents von der Mündung des Kongo bis zur Mündung des Zambesi[17].

Für etwa 1.600 Flusskilometer, von Pool Malebo (beim heutigen Kinshasa) stromaufwärts bis Kisangani (Welt-Icon), benötigte die Forschergruppe, seit 29. Dezember 1885 an Bord des neuen, von der Regierung des Kongo-Staates zur Verfügung gestellten Dampfers H. M. Stanley[18], 48 Tage. [19] In Kisangani traf Lenz den (europäischen Forschern gut gesinnten) Sklaven- und Elfenbeinhändler Tippo Tip (1837/38–1905), die einflussreichste Persönlichkeit Ostafrikas jener Zeit, der ihm von einer Expedition in die höchst unsicheren Gebiete nördlich des Kongo abriet, ihm jedoch für die kommende Weiterfahrt auf dem stark strömenden Kongo (jenseits der Stanleyfälle) drei schwere Kanus (à 6–8 Ruderer) für so gut wie umsonst gab [20] sowie ihm einige seiner arabischen Gefolgsleute zum Schutz gegen Angriffe (anthropophager) Einheimischer zur Seite stellte[21].

Nach (erneut) 48 Tagen erreichten die Kanus Nynagwe (Welt-Icon) (Provinz Maniema), einen Handelsort, dessen Bedeutung zugunsten von Kasongo (Welt-Icon), dem Hauptquartier Tippo Tips, im Schwinden begriffen war. Am 23. Mai 1886 kam die Expedition in das 15 Kilometer landeinwärts gelegene Kasongo[22]  – und gelangte später von dort über Landpassagen vom Tanganjika- zum Nyassasee und über Shire und Sambesi am 13. Dezember 1886[23] an den Indischen Ozean.[17] Die Heimreise führte über Mosambik (das er am 14. Jänner 1887 erreichte), Sansibar[Anm. 3] und Aden.[22]

Im März 1887 war Lenz wieder in Wien, und bereits im Juni darauf wurde er ordentlicher Professor an der Deutschen Universität Prag, wo er an der 1875 geschaffenen Lehrkanzel für Geographie Dionys von Grün (1819–1896)[24] nachfolgte[25], ein geografisches Institut einrichtete und eine Lehrtradition begründete. Lenz war 1892/93 Dekan, 1902/03 Rektor; 1909 trat er freiwillig[26] in den Ruhestand.[5][Anm. 4]

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Wohn- und Sterbehaus (Sooß, Hauptstraße 48)
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Grabmal auf dem Ortsfriedhof von Sooß

Oskar Lenz, der 1894[27] in der Gemeinde Sooß eine Liegenschaft erworben hatte,[Anm. 5] erlag (ein Jahr nach dem Tode seiner aus Wien stammenden Ehefrau, Paula, geborener Ridolfi)[28] einem Schlaganfall. Er wurde am 5. März 1925 auf dem Ortsfriedhof von Sooß zur letzten Ruhe bestattet. [29]

Lenz war bereits im 70. Lebensjahr nach Georg Schweinfurth (1836–1925) und Gustav Theodor Fritsch (1838–1927) der älteste noch lebende deutsche Afrikaforscher.[30]

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Schriften

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Auszeichnungen, Ehrungen, Preise

Literatur

  • Die neueren Forschungen am Ogowe. (Teil 1). In: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie.Band 24, Jahrgang 1878, S. 106–110 (Digitalisat).
  • Die neueren Forschungen am Ogowe. (Teil 2). In: Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie. Band 24, Jahrgang 1878, S. 426 ff. (Digitalisat).
  • Lenz, Oskar. In: Friedrich Embacher: Lexikon der Reisen und Entdeckungen. (…) Erste Abteilung: Biographien der Forschungsreisenden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Meyers Fach-Lexika. Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig 1882, S. 186–187 (Digitalisat).
  • Franz Ritter von Le Monnier: Die österreichische Congo-Expedition. In: Mittheilungen der kaiser(lichen) königl(ichen) Geographischen Gesellschaft, Jahrgang 1885, Band 28/1885, S. 225–232 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/geo
  • Franz Ritter von Le Monnier: Die Rückkehr der österreichischen Congo-Expedition. In: Mittheilungen der kaiser(lichen) königl(ichen) Geographischen Gesellschaft, Jahrgang 1887, Band 30/1887, S. 1–5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/geo
  • Dr. Oskar Lenz, Afrikareisender. In: Fernschau. Jahrbuch der Mittelschweizerischen Geographisch-Commerciellen Gesellschaft in Aarau. Band 3, 1889, ZDB-ID 802547-2, S. LXI–LXIV (Digitalisat).
  • Vom Congo zum Zambesi. Bericht über die österreichische Congo-Expedition in den Jahren 1885–1887. In: Fernschau. Jahrbuch der Mittelschweizerischen Geographisch-Commerciellen Gesellschaft in Aarau. Band 3, 1889, ZDB-ID 802547-2, S. 91–121 (Digitalisat).
  • Anton Krispin: Lokal-Nachrichten. Ein Besuch bei Hofrat Oskar Lenz. In: Badener Zeitung, Nr. 21/1914 (XXXV. Jahrgang), 14. März 1914, S. 3 f. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bzt
  • Martin Mueller: Oskar Lenz zum 100. Geburtstage am 13. April 1948. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1949, ÖNB.
  • Karl Adalbert Sedlmeyer: Oskar Lenz, Afrikaforscher und Prager Universitätsprofessor. In: Bohemia, Band 6, 1965, ZDB-ID 1166-6, S. 400–426 (Digitalisat).
  • Jaroslav Vávra: Lenz, Oskar. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1972, S. 140.
  • Josef R. Krammer: Der Afrikaforscher Oskar Lenz. Hausarbeit Universität Wien, Wien 1979 (ungedruckt).
  • Hans Weis: Zur Erinnerung an die Reise von Oskar Lenz durch Marokko, die Sahara und den Sudan in den Jahren 1879–1880. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft. Band 127, 1985, ZDB-ID 206039-5, S. 158–169.
  • Karin Elisabeth Lorber: Gesellschaft und Wirtschaft in den Reise- und Forschungsberichten von Oskar Lenz (1848–1925). Der Blick eines Österreichers in die vorindustriellen Lebenswelten Afrikas. Diplomarbeit Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Klagenfurt 2007 (ungedruckt).
  • Alexander Brandt, Paul Kainbacher: Österreichische Forscher und Reisende in Afrika vor 1945. Eine Biographie und Bibliographie von A–Z. 2. Auflage, Kainbacher, Baden 2010, ISBN 3-9501302-7-6, S. 107–116 (mit vollständigem Schriftenverzeichnis; Digitalisat).
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Einzelnachweise

Anmerkungen

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