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Pakistanisches Atomprogramm
Atomare Aktivitäten in Pakistan Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Das pakistanische Atomprogramm begann 1972 unter Zulfikar Ali Bhutto. Pakistan ist, wie der Nachbar und Erzrivale Indien, eine faktische Atommacht und hat den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet. Das ursprüngliche Ziel Pakistans, bereits 1976 die Atombombe zu haben, konnte jedoch nicht eingehalten werden. Der erste öffentliche Kernwaffentest fand 1998 statt. Gegenwärtig betreibt Pakistan drei kommerzielle Reaktoren mit insgesamt 690 MW, zwei weitere mit zusammen 630 MW sind in Bau.[2]

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Geschichte
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1965 wurde das Pakistanische Institut für nukleare Wissenschaft und Technologie gegründet und Ende des Jahres ging der erste Forschungsreaktor in Betrieb – ein Jahr nachdem Abdus Salam das Land verlassen hatte. 1969 begann in Karatschi der Bau eines kommerziellen Reaktors mit der elektrischen Leistung von 90 MW. Abdus Salam kehrte schließlich zurück und wurde 1970/1971 Direktor des Instituts. Führender Ingenieur des offiziellen staatlichen Atomprogramms, welches am 20. Januar 1972 startete, war zunächst Munir Ahmad Khan. Ab 1974 kam Abdul Kadir Khan dazu und trieb das Programm maßgeblich voran. Munir Ahmad Khan wurde Direktor des Forschungsinstituts. Die Atomwaffen wurden seit 1976 unter Leitung von Abdul Kadir Khan entwickelt. Nach ihm ist auch das Khan-Forschungszentrum benannt. 1974–1983 lief das Atomprogramm unter verschiedenen Codenamen wie Project-706 oder Project-726.[3] Nach Aussagen von Abdul Kadir Khan standen erst 1985 alle Mittel bereit, um einen erfolgreichen Atomtest durchzuführen. 1981–1987 erhielt das Land 3,2 Milliarden US-Dollar an militärischer und ziviler Hilfe durch die USA. Während des Militärregimes von Mohammed Zia ul-Haq wurde das Militär mit Hilfe der USA vor dem Hintergrund des Afghanistankrieges modernisiert. Zia ul-Haq bestätigte 1987 in einem öffentlichen Interview mit dem US-Magazin Time, dass Pakistan jederzeit eine Nuklearwaffe herstellen könne.[4] Im Jahr 1983 besuchten indische Militärs Israel, um Technik zur Ausschaltung der pakistanischen Luftabwehr zu kaufen. Ziel war ein indischer Luftschlag auf das pakistanische Atomwaffenzentrum Kahuta. Der pakistanische Geheimdienst erfuhr jedoch davon und ließ Indien mitteilen, dass im Falle eines Angriffs ein Gegenschlag auf die indische Nuklearanlage in Trombay geschehen würde, das in der Nähe von Mumbai liegt. Dies hätte eine Verseuchung einer Millionenstadt mit vielen Toten und Erkrankten zur Folge. Daher bot Israel Indien gemäß der Begin-Doktrin, die besagt, dass keinem islamischen Land Nuklearwaffen zugebilligt werden, an, den Angriff durchzuführen. Indien sollte nur zwei Luftbasen zur Verfügung stellen. Die CIA erhielt Informationen darüber, informierte seinen engen Verbündeten Pakistan und übte Druck auf Israel und Indien aus, sodass Indira Gandhi Anfang 1984 die Pläne fallen ließ.[5]
1998 zündeten die pakistanischen Streitkräfte unterirdisch sechs Nuklearwaffen in der Provinz Belutschistan. Dies erfolgte als Reaktion auf fünf indische Tests im selben Jahr.[6] In den Umfragen über die Atomtests, mit denen sich Pakistan auch für den ersten indischen Test von 1974 revanchieren wollte, gab es zwischen rund 60 % und 97 % Zustimmung.[7]
Die taktischen Nuklearstreitkräfte wurden 1999 von Pervez Musharraf eingeführt. Das Alltagsgeschäft der Kontrolle und Sicherheit der zivilen und militärischen Nuklearanlagen liegt in den Händen der SPD Force, diese untersteht der National Command Authority, deren Vorsitz der Präsident innehat.[8] Das Atomwaffenarsenal wird auf 165 Sprengköpfe geschätzt.[9] Offizielle Angaben dazu gibt es nicht. Ebenfalls unklar ist die Anzahl der Mittel- und Langstreckenraketen Pakistans.
Pakistan verwendet für seine Sprengköpfe hochangereichertes Uran, sein Bestand wurde 2014 auf 2,7–3,5 Tonnen geschätzt. Für die Anreicherung betreibt das Land Gaszentrifugen in Gadwal und Kahuta in der Provinz Punjab.[10]
Pakistan testete im August 2005 erfolgreich den Marschflugkörper vom Typ Hatf VII Babur. Die Streitkräfte folgen der pakistanischen Nukleardoktrin, die einen Erstschlag beinhaltet.[11]
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Internationale Sanktionen
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Pakistans Atomprogramm führte wiederholt zu internationalen Sanktionen. Bereits 1979 stoppten die USA ihre Hilfe aufgrund von Pakistans heimlicher Urananreicherung (Symington Amendment). Zwar wurde diese Beschränkung zu Beginn der 1980er aus geostrategischen Gründen (Sowjetinvasion in Afghanistan) temporär ausgesetzt, doch folgte 1985 das Pressler Amendment, das jegliche US-Militärhilfe untersagte, sollte Pakistan eine Nuklearexplosivvorrichtung besitzen. 1990 weigerte sich der US-Präsident zu zertifizieren, dass Pakistan keine Nuklearwaffe besitze, woraufhin die Pressler-Sanktionen in Kraft traten und unter anderem die Lieferung bereits bezahlter F-16-Kampfjets einfroren.[12]
Nach den Nukleartests von 1998 verhängten die Vereinigten Staaten und viele weitere Staaten strenge Strafmaßnahmen gegen Pakistan und Indien. Dazu gehörten Wirtschaftssanktionen, der Stopp von Entwicklungshilfe und Rüstungsexporten sowie das Aussetzen von Krediten internationaler Finanzinstitutionen (Glenn Amendment).[12] Japan etwa fror als größter bilateraler Geldgeber seine umfangreichen Finanzhilfen für Pakistan ein.[13] Allerdings wurden viele dieser Maßnahmen im Laufe der folgenden Jahre wieder gelockert. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hob die US-Regierung im Austausch für Pakistans Unterstützung im Anti-Terror-Kampf sämtliche nuklearbezogenen Sanktionen auf.[14] Gleichwohl bleibt Pakistan bis heute außerhalb wichtiger globaler Abkommen wie dem NPT und hat auch den Kernwaffenteststopp-Vertrag (CTBT) nicht ratifiziert, was seinen Zugang zu ziviler Nuklearkooperation einschränkt.
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Nukleare Zusammenarbeit Pakistans mit anderen Staaten
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Insbesondere die Volksrepublik China unterstützte Pakistans Atomprogramm maßgeblich. Bereits in den 1980er Jahren lieferte China nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste nicht nur Ausrüstung, sondern auch einen vollständigen Bauplan einer erprobten Kernwaffe sowie waffenfähiges Uran an Pakistan.[15] Peking stellte zudem stellte ballistische Kurzstreckenraketen bereit und half beim Aufbau nuklearer Infrastruktur. So basiert der erste pakistanische Leistungsreaktor in Chashma auf chinesischer Technologie, und China finanzierte in den 1990ern und 2000ern weitere Reaktoren trotz der Exportkontrollen der Nuclear Suppliers Group. Chinas Motivation lag Beobachtern zufolge darin, Indiens regionalen Einfluss einzudämmen.[16] Außerdem soll Saudi-Arabien (ein weiterer enger geopoltiischer Verbündeter Pakistans) Berichten zufolge das Atomprogram finanziell unterstützt haben.[17]
Daneben pflegte Pakistan geheime Nuklearkooperation mit anderen Ländern. Bei ihren gemeinsamen nuklearen Ambitionen sollen Pakistan und Nordkorea bereits seit den 1970er Jahren kooperieren und in den 1990er Jahren tauschte Islamabad mit Nordkorea Urananreicherungstechnik gegen nordkoreanische Mittelstreckenraketen der Nodong-Klasse (pakistanische Bezeichnung: Ghauri). Unter Federführung von Abdul Kadir Khan entstand zudem ein clandestines Netzwerk, das Nukleartechnik an Drittstaaten wie Iran, Libyen und Nordkorea lieferte.[18] Dieses Schmuggelnetz flog 2004 auf; Khan gestand die Weitergaben und wurde in Pakistan unter Hausarrest gestellt. Experten vermuten, dass Teile der pakistanischen Führung von den Aktivitäten wussten oder sie zumindest duldeten[19] Khan selbst zufolge war die pakistanische Armee mit involviert bei der Weitergabe von Atomtechnologie.[20]
Pakistanische Nukleardoktrin
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Die Nukleardoktrin Pakistans zielt auf Abschreckung des Erzrivalen Indien. Nach den Atomtests 1998 verkündete Premierminister Nawaz Sharif das Prinzip der „minimalen glaubwürdigen Abschreckung“ (Minimum Credible Deterrence). Diese Doktrin soll alle Formen externer Aggression – konventionell oder nuklear – durch die Androhung massiver Vergeltungsschläge unterbinden.[21] Anders als Indien hat Pakistan ausdrücklich keine Verpflichtung zum Nicht-Ersteinsatz von Atomwaffen übernommen. Im Gegenteil behält sich Islamabad in einem existenziellen Konfliktfall einen präventiven Einsatz vor, was es mit seiner konventionellen Unterlegenheit und fehlender strategischer Tiefe gegenüber Indien begründet. Indien müsse stets einkalkulieren, dass Pakistan im äußersten Fall zu einem nuklearen Gegenschlag bereit sei, wodurch Abschreckung geschwaffen werden soll.[22] Premierminister Sharif bekräftigte, dass die pakistanische Bombe „im Interesse der nationalen Selbstverteidigung ... zur Abschreckung von Aggressionen, ob nuklearer oder konventioneller Art“ sei. Im Jahr 2002 erklärte Präsident Pervez Musharraf, Pakistan werde im Falle eines Angriffs „mit aller Macht zurückschlagen“.[18]
In den 2010er Jahren entwickelte Pakistan seine Strategie zur „Full Spectrum Deterrence“ weiter. Damit soll das gesamte Spektrum potentieller Bedrohungen abgedeckt werden, von strategischer Langstreckenabschreckung bis zur Gefechtsfeldwaffe auf taktischer Ebene. So verfügt Pakistan heute über Nuklearsysteme verschiedener Reichweiten und Sprengkraftklassen, darunter auch kurzreichweitige, niedrig gebündelte Waffen wie die 2011 eingeführte Nasr-Rakete, um auch begrenzte konventionelle Angriffe abzuschrecken. Diese Ausweitung des Arsenals gilt als Reaktion auf Indiens konventionelle „Cold Start“-Doktrin für einen limitierten taktischen Vorstoß auf pakistanisches Gebiet und soll jeglichen Handlungsspielraum für einen nicht-nuklearen Angriff nehmen.[23]
Die operative Kontrolle über die pakistanischen Kernwaffen obliegt dem National Command Authority (NCA) unter Vorsitz des Premierministers, wobei das militärische Strategic Plans Division (SPD) für Umsetzung und Sicherheit zuständig ist. Pakistan betont, strenge Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherung seines Nukleararsenals implementiert zu haben. Dennoch äußern internationale Beobachter immer wieder Sorgen über die nukleare Sicherheit des Landes angesichts innenpolitischer Instabilität und extremistischer Bedrohungen.[24]
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Weblinks
- Catherine Collins, Douglas Frantz: The Long Shadow of A.Q. Khan. How One Scientist Helped the World Go Nuclear. In: Foreign Affairs. 31. Januar 2018 (englisch).
Einzelnachweise
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