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Pengkul

Naturtrompete aus einem Bambusrohr Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Pengkul, regional auch sumkon, ist eine lange, schwach konische Naturtrompete aus einem Bambusrohr, die früher von den Kuki, einer mit den Chin verwandten Ethnie in Nordostindien an der Grenze zu Myanmar, als Signalinstrument und zur zeremoniellen Begrüßung angesehener Gäste geblasen wurde. Die weit zurückreichende Tradition als akustische Zeitanzeige für die Organisation der kollektiven Feldarbeit und als Kommunikationsmittel über Entfernungen macht die pengkul zu einem wesentlichen Bestandteil der nationalen Kultur der Kuki. Wie anderen traditionellen Musikinstrumenten wurde der pengkul in den naturreligiösen Glaubensvorstellungen eine mythische Herkunft von den Ahnen zugesprochen. Heute wird sie noch bei traditionellen Jahresfesten und anderen herausragenden Ereignissen geblasen.

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Herkunft und Verbreitung

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Ein Spieler des Büffelhorns pepa begleitet den assamesischen Bihu-Tanz

Die Kuki leben überwiegend in den nordostindischen Bundesstaaten Manipur, Nagaland, Mizoram, Assam und einige Gruppen auch in Tripura.[1] Sie sprechen eine Mizo-Kuki-Chin-Sprache, die eine Untergruppe der tibetobirmanischen Sprachen bildet und sind im zentralen Tal von Manipur sowie in den umliegenden Berggebieten von zahlreichen anderen tibetobirmanischen Sprachgruppen umgeben. Hinzu kommen eingewanderte lokale Minderheiten, die indoarische Sprachen, vor allem Bengali und Hindi, sprechen. Die größte und dominante Sprachgruppe in der Region sind die Meitei-Sprecher, deren Königsdynastie bis zum Beitritt zur Indischen Union 1949 unabhängig über das Gebiet von Manipur herrschte und die heute die Regierung des Bundesstaates stellen.[2] Mit den hinduistischen Meitei befinden sich die überwiegend christlichen Stammesgruppen der Kuki in einem länger zurückreichenden ethnischen Konflikt, der auch eine Folge ihrer heutigen unzureichenden politischen Repräsentanz ist.[3] Der Rückgriff der Kuki auf die Tradition der pengkul ist daher eine Methode, sich ihrer gesellschaftlich-kulturellen Eigenständigkeit zu versichern.

Auch wenn die spezifische Verwendung der pengkul eine Besonderheit der Kuki ist, so sind ähnliche lange Naturtrompeten aus Pflanzenmaterial oder aus Metall in Nordostindien und in der Himalayaregion weit verbreitet. Das vielleicht älteste und in ganz Südasien als Ritual- und Signalinstrument bekannte Blasinstrument, dessen Töne nach dem Prinzip der Polsterpfeife mit den Lippen produziert werden, ist das Schneckenhorn. In den altindischen Sanskrit-Schriften des Rigveda, die vermutlich in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. entstanden, kommt zweimal das Wort bakura vor, das entweder als (im Krieg geblasene) Sackpfeife[4] oder als „Schneckenhorn“ übersetzt wird. Seit mittelvedischer Zeit (1200–850 v. Chr.) ist der heutige Name shankha üblich. Darstellungen von Schneckenhörnern finden sich auf Steinreliefs an buddhistischen Stupas in Nordindien ab dem 2./1. Jahrhundert v. Chr. Die Kampfszenen zeigen, dass die Schneckenhörner geblasen wurden, um den Beginn einer Schlacht zu signalisieren.[5] Weitere seit ältesten Zeiten gespielte Naturtrompeten sind Tierhörner und Knochen. Die Verwendung von Röhrenknochen in den nordostindischen Randgebieten von Arunachal Pradesh geht auf einen tibetisch-buddhistischen Einfluss zurück. In der tibetischen Ritualmusik wird ein mit Kupferblech verkleideter menschlicher Oberschenkelknochen rkang dung bei besonderen magischen Ritualen geblasen.

In Südasien werden in volksreligiösen Zeremonien vor allem Hörner von Rindern und Wasserbüffeln eingesetzt,[6] so das etwa 60 Zentimeter lange Wasserbüffelhorn neku, das in Nepal bei buddhistischen Totenritualen geblasen wird, und das Rinderhorn wong, mit dem buddhistische Mönche im Kloster von Tawang im nordostindischen Bundesstaat Arunachal Pradesh zur Versammlung im Gebetssaal aufrufen. Die nordostindischen Garo verwenden ein adil genanntes langes Bambusrohr mit einem Wasserbüffelhorn als Schallbecher, um damit einzelne kurze Töne zu Signalzwecken zu produzieren. Rinderhörner sind allgemein die beliebtesten traditionellen Naturtrompeten in Nordostindien.[7] Mit einem Rohrblatt an der am oberen Ende aufgesteckten Bambusröhre ausgestattet gehört das Büffelhorn pepa in Assam zu den Einfachrohrblattinstrumenten.

Neben diesen längsgeblasenen Hörnern sind in der Region auch vereinzelt Tierhörner bekannt, die wie afrikanische Elfenbeintrompeten quer geblasen werden. Ein seltenes Beispiel ist ein quer geblasenes Büffelhorn der Naga in Assam.[8] Die runde Form der generell militärisch und zu Signalzwecken verwendeten Hörner bildeten die Vorbilder für die heute in der religiösen Musik in ganz Indien und Nepal verwendeten gebogenen (halbkreisförmigen oder S-förmigen) Metalltrompeten kombu in südindischen Sprachen und shringa („Horn“) oder turahi in nordindischen Sprachen.

Eine andere Gruppe bilden die langen geraden Naturtrompeten, die in meist konische Metalltrompeten und in zylindrische oder schwach konische Trompeten aus Pflanzenrohr eingeteilt werden. Konische Holztrompeten kommen in Südasien nicht vor. Die älteste bekannte Darstellung einer konischen Langtrompete findet sich auf einem sumerischen Reliefbruchstück aus Mesopotamien, das um 2600 v. Chr. datiert wird. Die Zugehörigkeit des Reliefs zu einem Siegesdenkmal lässt darauf schließen, dass diese Trompete als Signalinstrument verwendet wurde.[9] Dieses Relief ist wesentlich älter als der altägyptische Fund von zwei leicht konischen Metalltrompeten (scheneb) aus dem 14. Jahrhundert v. Chr., von denen Curt Sachs (1940) eine mögliche Verbindung zum südindischen Langtrompetenpaar tiruchinnam herstellt.[10]

Eine mögliche Traditionslinie heute in der regionalen indischen Volksmusik gespielten Langtrompeten aus Metall könnte zu altindischen Trompeten führen, die von einem Relief am Stupa von Sanchi aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. überliefert sind. Zu solchen regionalen Metalltrompeten gehören vielleicht die bhankora im nordindischen Bundesstaat Uttarakhand und die für Tempelprozessionen in Tamil Nadu gebrauchte sehr lange, beinahe zylindrische ekkalam.[11] Tradierte Namen für Metalltrompeten aus altindischen Schriften sind unter anderem turya (im Arthashastra), turahi (in Jatakas) und kahala (kahali in der Jain-Schrift Raja Prashniya Sutra, andere Umschrift Rayapaseneeya, „Fragen des Königs“).[12]

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Zweiteilige Messingtrompete karnal mit breitem Schallbecher vor einem Tempel in Mandi im nordwestindischen Bundesstaat Himachal Pradesh.

Mit den arabisch-persischen Eroberungen gelangten ab dem 8. Jahrhundert die in den Militärkapellen eingesetzten Langtrompeten nafir und karna nach Nordindien. Im muslimischen Sultanat von Delhi (1206–1526) und im nachfolgenden Mogulreich gehörte die lange konische karna mit einem breiten Schallbecher zu den höfischen Repräsentationsorchestern naqqara khana. Nach Nepal wurde dieses Orchester vermutlich ab dem 14. Jahrhundert durch Hofmusiker der hinduistischen Rajputen gebracht, die vor den muslimischen Angriffen geflohen waren.[13] In Zentral- und Ostnepal ist die namensverwandte karnal, eine zweiteilige teleskopartige Langtrompete aus Messing oder Kupfer in mehreren Varianten mit Längen von etwa 140 oder 180 Zentimetern verbreitet. Die karnal werden einzeln oder paarweise in der zeremoniellen Musik gespielt.[14] Daneben sind etliche weitere Metalltrompeten in Nepal bekannt, darunter die mit 225 bis 400 Zentimetern extrem lange Kupfertrompete der im Himalaya entlang der tibetischen Grenze lebenden buddhistischen Gurung, Sherpa und Tamang.[15] Von ähnlicher Länge ist die von tibetischen Mönchen in der Ritualmusik gespielte Kupfertrompete dungchen, die wie die nepalesischen Langtrompeten paarweise geblasen wird. Dieses Trompetenpaar wurde unter tibetischem Einfluss auch zu den Monba in Bhutan und in den angrenzenden Distrikt West Kameng von Arunachal Pradesh verbreitet.

Langtrompeten aus Pflanzenrohr wie die pengkul der Kuki und die adil der Garo sind in Nepal nicht gebräuchlich, sondern außerhalb der tibetischen Tradition charakteristisch für Nordostindien. Die tawtawrawt der Mizo in Mizoram ist eine der pengkul entsprechende, gestuft-konische Bambustrompete, die aus mehreren ineinandergesteckten Bambusröhren besteht.[16] Ähnliche Trompeten aus Pflanzenrohr bliesen auch andere Ethnien in Nordostindien zu Signalzwecken. Einige der zu den Naga in Nagaland gezählten Ethnien verwendeten hierfür Hörner, Trompeten und Schlitztrommeln.

In Assam kommt außerdem eine gerade Langtrompete vor, die aus gewickelten und ineinandergesteckten Kürbisblättern geformt ist, sodass eine konische Röhre entsteht. Eine kurze konische Bronzetrompete in Assam steht mit ihrem Namen karranal mit karna und durch ihre Form mit den in der hinduistischen Tempelmusik in Indien gespielten Trompeten in Verbindung.[17]

Zu den bis heute von den Kuki gespielten traditionellen Musikinstrumenten gehören das Mithun-Horn (selki), die Panflöte pheiphit und die Kernspaltflöte kuli aus Bambus. Die Bambusmundorgel rasem (gosem), die kurzen zweifelligen Röhrentrommeln khong, einzelne Buckelgongs dah, ein Flachgong dolpahu und die Bambusmaultrommel lhemlhei verweisen auf einen südostasiatischen Einfluss.[18] Andere Musikinstrumente, die 1929 William Shaw beschrieb,[19] wie die Bambusröhrenzither go-da (entsprechend der gintang), die dreisaitige Streichlaute shilangda (mit der sarinda verwandt) und das Xylophon diengdong sind nicht mehr in Gebrauch.[20]

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Bauform

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Eine pengkul besteht aus mehreren (bis etwa neun) Bambusröhren (golong, mit go oder gu für „Bambus“) mit unterschiedlichen Durchmessern, die zum unteren Ende größer werdend ineinandergesteckt werden. Als nicht zwingend erforderlicher Schallbecher wird ein Horn des Mithun (selki) aufgesetzt. Der Spieler bläst in das gerade Ende des oberen Bambusrohrstücks. Die Enden an den Verbindungsstellen der Bambussegmente werden mit Baumwollschnur (patjang) und heute auch mit farbigem Plastikklebeband umwickelt. Damit soll die äußere Röhre geschützt werden, damit sie beim Zusammenstecken nicht ausreißt. Als besonders geeignet gilt eine dünnwandige und damit wenig stabile Bambusart, die gotha (oder gopi) genannt wird. Die gesamte Länge beträgt typischerweise 120 bis 150 Zentimeter.[21] Die meist sechs bis acht Bambussegmente haben Durchmesser zwischen ungefähr 9 Zentimeter am unteren Ende und 4 Zentimeter am Mundstück. Bei einem gemessenen Exemplar von 169 Zentimetern Gesamtlänge einschließlich einem 11 Zentimeter langen Schallbecher betragen die Längen der neun vorhandenen Bambussegmente ab dem Schallbecher: drei untere je 8 Zentimeter, zwei mittlere je 48 Zentimeter, drei obere je 9,5 Zentimeter und ein Mundstück 9,2 Zentimeter. Der Durchmesser des Hornschallbechers erweitert sich von etwa 11 auf 22 Zentimeter.[22]

Für die Eignung des Horns existiert keine Vorschrift, was die Todesumstände des Mithuns betrifft, und es kann von einem männlichen oder weiblichen Tier stammen. Die Öffnung sollte möglichst groß sein. Für den Transport lassen sich die einzelnen Bambussegmente und der Schallbecher auseinandernehmen. Aufbewahrt und transportiert wird die pengkul in einer Plastiktasche. Wird die pengkul regelmäßig gebraucht, so hängt sie der Besitzer an die vordere Wand seines Hauses. Sind einzelne Bambussegmente verschlissen, werden diese durch neue ersetzt. Muss die gesamte Spielröhre ausgetauscht werden, so lässt sich zumindest der Schallbecher weiterverwenden.[23]

Die pengkul besitzt kein Trompetenmundstück. Der Spieler hält deshalb das obere Rohrende fest an seine Lippen und umschließt das Rohr zusätzlich, indem er Daumen und Zeigefinger der rechten Hand um das Rohr an seinen Mund legt.[24]

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Kulturelle Bedeutung

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Bambuswald in Assam

Früher war das Ertönen der pengkul das einzige Signal zur Zeitanzeige (phat-kihet-tona) bei den Kuki. Außerdem diente die pengkul dazu, auf bedeutende Ereignisse aufmerksam zu machen und Botschaften an die Dorfgemeinschaft zu übermitteln (ki-kou-tona). Die meisten Männer konnten die pengkul blasen und in wenigen Stunden ein neues Instrument anfertigen, doch die offizielle Nachrichtenübermittlung oblag einem von der Gemeinschaft gewählten Trompeter (pengkul-dal). Jedes Dorf hatte mindestens einen Trompeter, dessen Aufgabe es war, zu bestimmten Tageszeiten, die vor allem für die kollektive Feldarbeit von Bedeutung waren (Arbeitsbeginn und Ende in den Reisfeldern, Ruhezeiten), die pengkul zu blasen.

Die Namen einiger der Signale lauteten: jingtho (morgendlicher Weckruf), vaikon (Ruf zum Arbeitsbeginn), lenkhang oder imutphat (Ruhezeit), vailhun (Feierabend), mipi ki jotna (Aufruf zu einer Prozession), mipi koukhom na (Aufruf, um sich zu versammeln) und thilhaho a kon kivenna a (Warnung, um sich vor bösen Geistern und Dämonen zu schützen). Die pengkul produziert kräftig klingende Töne der Naturtonreihe, deren Abfolge die Bedeutung der Signale ergibt. Obwohl die Töne warm und nicht schrill klingen, sind sie über große Entfernungen zu hören. Hierfür ist ein starker Blasdruck erforderlich.[25]

Die für Signale im Tagesverlauf erforderliche Zeitbestimmung führten die Kuki früher ohne Uhren oder andere Zeitmessgeräte durch, indem sie den Stand von Sonne, Mond und Sternen beobachteten. Frühmorgens verließen sie sich auf die ersten Hahnenschreie, von denen sie drei unterschieden: den ersten (ah-masa-khon), den zweiten (ah-nivei-khon) und den dritten Hahnenschrei (ah-thumvei-khon). Tagsüber wurde nach dem Sonnenstand und der Länge des Schattens geschätzt. Das zeitliche Grundgerüst bildete die Einteilung eines Tages in die vier Abschnitte sun-choma (Morgendämmerung bis Mittagszeit), sun-chonung (Mittag bis Sonnenuntergang), jan-choma (Sonnenuntergang bis Mitternacht) und janchonung (Mitternacht bis Morgendämmerung).

Mit dem Einsatz der pengkul ließ sich diese Zeitfestlegung für alle Arbeitskräfte des Dorfes vereinheitlichen. So ergab sich die ungefähre Tageseinteilung:

  • 3 Uhr, erster Hahnenschrei (ah-masa-khon): Jäger und Fallensteller gehen in den Wald und besichtigen ihre Fallen.
  • 3:30 Uhr, zweiter Hahnenschrei (ah-nivei-khon): Dies ist die morgendliche Aufstehzeit (jingtho phat) für die übrigen Dorfbewohner. Die Trompete wird zweimal oder dreimal geblasen. Um sicherzugehen, dass alle Bewohner aufgestanden sind, gehen „Freiwillige“ (tollaipao, Aufseher) von Haus zu Haus. Wer noch schlafend angetroffen wird, bekommt die übliche Bestrafung (tui-talen) und muss ein mit kaltem Wasser gefülltes Horn (selki) in einem Zug austrinken.
  • 4 Uhr, dritter Hahnenschrei (ah-thumvei-khon): Die Dorfbewohner essen ihr Frühstück und bereiten sich auf den Tag vor. Die Frauen holen Wasser, Feuerholz und kochen.
  • 7 Uhr (vaikon phat): Es ertönt das Signal für den Aufbruch zu den Feldern. Hierzu begeben sich die jungen Bauern zunächst zum Versammlungsort khomol im Dorf (aus khol, „Dorf“, und mol, „Hügel“). Dort bläst der pengkul-dal dreimal die Trompete im Abstand von 10 Minuten: Alle sind versammelt / alle sind abmarschbereit / die Feldarbeiter ziehen in einer Reihe hintereinander los. Auch wer beim dritten Trompetenstoß den Versammlungsort noch nicht erreicht hat, wird mit tui-talen bestraft. Auf dem Marsch zu den Feldern bläst der pengkul-dal mit Unterbrechungen melodische Tonfolgen zur Aufmunterung. Auf den Feldern angekommen tönt der pengkul-dal einmal am Beginn der Arbeitszeit (natoh-phat).
  • 9 Uhr (vai-ham): Einige Nachzügler stoßen zu den Feldarbeitern hinzu. Wiederholt Zuspätkommende werden von den tollaipao mit dem Rohrstock (ting-pum) geschlagen. Kurze Pausen von 5 Minuten leitet wiederum der pengkul-dal mit der Trompete ein.
  • 12 Uhr, Mittagszeit (sun-kim): Mittagessen (sun-bu) und Ruhezeit
  • 15 Uhr (nilhah-an hon phat): Zeit, um das Abendessen zu kochen
  • 16 Uhr (vaiche phat): Die Feldarbeiter kehren zu ihren Häusern zurück. Dies geschieht auf demselben Weg wieder im Gänsemarsch. Kurz vor Erreichen des khomol bläst der pengkul-dal ohne Unterbrechung, um die Dorfbewohner von der Rückkehr der Feldarbeiter zu informieren.
  • 17 Uhr (nilhah-an neh phat): Das Abendessen wird eingenommen.
  • 20 Uhr (somlen phat): Die Nacht beginnt. Die jungen Männer gehen in ihr Gemeinschaftshaus.
  • 22 Uhr (jan-imut phat): Die allgemeine Schlafenszeit wird mit einem letzten Signal der pengkul eingeleitet, danach herrscht Nachtruhe und niemand ist mehr auf der Straße.
  • 24 Uhr (khang-kim): Mitternacht.

Die Hauptaufgabe des pengkul-dal war, den ganzen Tag zu den genannten Zeiten die Trompete zu blasen. Bei bedecktem Himmel während der Regenzeit hatte er es schwer, die Zeit zu bestimmen und war auf eine grobe Schätzung angewiesen, die insoweit zutreffend sein sollte, dass die Feldarbeiter spätestens bei Anbruch der Dunkelheit zurückgekehrt waren.[26]

Die traditionelle Verwendung der pengkul gehörte zur gesellschaftlichen Organisation des Dorfes und der kollektiven Feldarbeit. Die Kuki-Gesellschaft war in eine Form von Häuptlingstümern mit einem kho-haosa (oder haosa-pa) genannten Dorfoberhaupt organisiert. Dieses Amt wurde an den erstgeborenen Sohn vererbt. Zusammen mit einigen Männern in unterschiedlichen besonderen Positionen herrschte das Oberhaupt über ein Dorf, das typischerweise aus 20 bis 40 Haushalten entsprechend 100 bis 200 Bewohnern bestand und das bei dieser geringen Zahl und mit engen Verwandtschaftsverhältnissen eine homogene Einheit bildete.[27]

Die kollektive Feldarbeit war unter dem Begriff lom (oder lompi) institutionalisiert. Aus jeder Familie musste sich mindestens eine Person an der Feldarbeit des lom beteiligen. Die Mitglieder des lom waren Jugendliche und noch unverheiratete Erwachsene beiderlei Geschlechts. Der männliche Führer eines lom hieß lom-haosa (oder lompa) und wurde vom Dorfchef ernannt. Er delegierte die praktische Organisation des lom an den ihm unterstehenden lom-upa. Die darunterstehenden tollaipao (auch bollaton) bliesen die pengkul (in dieser Funktion pengkul-dal genannt) und übernahmen die Aufgaben von Aufsehern. Auf der untersten Rangstufe im lom standen die twikonpah. Sie hatten die Aufgabe, während der Feldarbeit der anderen Wasser zu holen.[28] Tollaipao und pengkul-dal waren also für das praktische Funktionieren der lom-Organisation wesentlich verantwortlich. Manchmal wurden beide Aufgaben von nur einer Person ausgeübt.

Die lom-Gemeinschaftsaktivitäten endeten nicht mit der Rückkehr von der Feldarbeit, denn danach folgte das abendliche Unterhaltungsprogramm lom-juneh phat („Zeit für Reisbier“), das für die Jugendlichen ebenso verpflichtend war. Für das eigene Brauen von Reisbier, das von den meisten Ethnien in Nordostindien getrunken wird, verwendete jede Familie der Kuki einen beträchtlichen Teil der ihnen zur Verfügung stehenden Reisernte.[29] Der Besitzer des Reisfeld schenkte abends in großen Töpfen Reisbier (vaiju) an die Gemeinschaft aus. Zu Beginn dieses Treffens aller Altersgruppen wurde abermals die pengkul geblasen, manchmal auch die große Trommel khongpi geschlagen. Die Versammelten tanzten, sangen und machten Musik. Anschließend gingen sie gemeinsam nach Hause.

Abgesehen von den Tageszeiten markierte die pengkul die meisten der für die Dorfgemeinschaft relevanten Ereignisse. Kam wichtiger Besuch, wurde die pengkul geblasen. Um offiziellen Regierungsvertretern und Oberhäuptern bei ihrem Besuch die Ehre zu erweisen, wurde eine spezielle Begrüßungsmelodie salam-pengkul am Dorfeingang gespielt.[30] Bei Begräbnissen erweisen die Dorfbewohner noch mit der pengkul bedeutenden Persönlichkeiten beim Totenritual thilhah-na die letzte Ehre. Beim großen Freudenfest Lomsel neh der lom-Gemeinschaft wird ein Mithun rituell geschlachtet. Die Trompete ertönt beim Aufmarsch, die nachfolgenden Tänze werden nur mit Gesängen und einer Trommel begleitet.[31]

Ein weiteres altes Ritual ist Sa-ai (mit sa, „Tier“, und ai, „Unterwerfung“, also „Sieg über die Tiere“), mit dem früher bedeutende Jäger, die eine große Zahl von Tieren getötet hatten, geehrt wurden. Im traditionellen Glauben der Kuki wird das Weiterleben der Seele nach dem Tod durch die Taten im Diesseits beeinflusst. Die Kuki hielten sich für große Kopfjäger. Die Kopfjagd war früher auch bei anderen Völkern in Nordostindien verbreitet.[32] Für die Jäger der Kuki bedeutete ein erbeuteter Kopf (eines Menschen oder eines großen Tiers), ihr Ansehen (Männlichkeit, Stärke) in der Gemeinschaft zu steigern, weil sie die Tradition der Ahnen fortsetzten, außerdem galt jeder erbeutete Kopf als ein weiterer Sklave für die Seele in der jenseitigen Welt. Teilweise organisierte die Familie eines Verstorbenen Jagdausflüge, um Tierköpfe auf dem Grab zu dessen Wohl zu platzieren. Auch bei einem Sa-ai-Ritual wird ein Mithun geschlachtet.[33] Bei dem bis heute zum Gedenken an die Jäger der Ahnen aufgeführten Sa-ai-Ritual werden bei wesentlichen Phasen pengkul und Trommeln gespielt.[34]

Das Ritual Chang-ai (mit chang, „ungeschälter Reis“, und ai, „Unterwerfung“, also „Sieg über den Reis / das Reisfeld“) ist ein Erntedankfest und soll der Hausfrau ein gutes Weiterleben der Seele nach ihrem Tod sichern. Eine Frau, die ein Chang-ai-Ritual durchführen lässt, muss einen Tag lang das gesamte Dorf mit Essen versorgen und darf ein thangnangpuon genanntes dunkelblaues Kleid mit Stickereien tragen. Chang-ai ist das einzige von Frauen geleitete Ritual in der traditionellen Kuki-Gesellschaft.[35] Zur Begleitung spielen Trommeln (khong) und pengkul.

Weitere Einsatzgebiete für die pengkul waren früher Treibjagden (changvai-na), bei denen die Trompetentöne einer unbewaffneten Gruppe von Jägern zum Aufscheuchen des Wildes dienten. Das Wild floh in die Richtung der anderen, mit Gewehren ausgerüsteten Gruppe (chang-pang). Um Raubtiere aus ihrem Gebiet zu verscheuchen, setzten die Kuki neben der pengkul auch andere lautstarke Klangerzeuger wie große Trommeln (khongpi) und Gongs (daphi) ein. Der Lärm sollte darüber hinaus eine magische Schutzwirkung haben.[36]

Bis zu ihrer Bekehrung durch christliche Missionare Ende des 19. Jahrhunderts praktizierten die Kuki eine eigene Religion mit einem Hochgott Chung-Pathen und im allgemeinen Sinn animistischen Glaubensvorstellungen, wonach alltäglichen Phänomenen eine übernatürliche und in die Zeit der Ahnen zurückreichende Bedeutung zugesprochen wird.[37] Das wesentliche religiöse Symbol war indoi, ein Bündel magischer Gegenstände, das für jede Familie eine Art Hausgottheit darstellte.[38] Die christlichen Missionsschulen sorgten für eine höhere Alphabetisierungsrate und für einen starken Rückgang magisch-mythischer Vorstellungen, in die auch die Musikinstrumente einbezogen waren. So sollten etwa die Bambusmundorgel gosem und die Panflöte pheiphit von einem Geistwesen (thilha) abstammen. Als ungefähr in den 1970er Jahren einem Spieler, der stark in eine pengkul hineinblies, die offenbar brüchig gewordene Bambusröhre aufbrach, wurde dies als Zeichen für den baldigen Tod dieser Person gesehen. Die erschütterte Gemeinde führte daraufhin ein für die betroffene Familie trostspendendes Ritual (setvet) durch.[39]

Heute wird die pengkul zur Unterhaltung bei einigen der genannten traditionellen Feste und bei bedeutenden Ereignissen, außerdem auf Bühnen bei Kulturveranstaltungen und Musikwettbewerben geblasen. Zu den Jahresfesten gehört auch das größte Freudenfest Chavang kut, das am 1. November von den Mizo-Kuki-Chin-Sprachgruppen in Manipur und Assam durchgeführte Erntedankfest, bei dem mit Tänzen, Musik und sportlichen Wettkämpfen an die alte Tradition und die kulturellen Werte erinnert wird und das die Kuki-Gemeinschaften zusammenbringen soll.[40]

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Literatur

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Einzelnachweise

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