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Prostitution in der Deutschen Demokratischen Republik

Prostitution in der Deutschen Demokratischen Republik Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Die Prostitution war in der Deutschen Demokratischen Republik seit 1968 gesetzlich verboten, wurde dennoch geduldet und zum Teil von der Staatssicherheit für ihre Zwecke benutzt. So waren prostituierte Frauen als IM für das MfS tätig, der Hauptfokus ihrer Tätigkeit lag dabei allerdings nicht im rein sexuellen Kontakt mit ihren Zielobjekten, sondern zumeist im Aufbau langwieriger Beziehungen. Prostituierte, die nicht für das MfS angeworben wurden durch den SED-Staat aktiv verfolgt.

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Geschichte

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1945–1955

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Prostitution primär der Existenzsicherung. Das Hauptaugenmerk des Staates lag in dieser Zeit in der Eindämmung von Infektionskrankheiten. Die Inzidenz von Geschlechtskrankheiten lag bei 1 %. Erkrankte Prostituierte wurden in der Regel in Fürsorgeheime und geschlossene Krankenhausabteilungen zur Behandlung der Krankheit und zur Änderung des Lebensstils eingewiesen. Zwangsreihenuntersuchungen von (vor allem weiblichen) Gästen von Vergnügungslokalen sowie Gesundheitsstreifen von Mitarbeitern der Landesgesundheitsämter sowie der Polizei wurden zum Eindämmen der Übertragung von Geschlechtskrankheiten durchgeführt.[1]

1955–1968

Ab Mitte der 1950er-Jahre wurde die Prostitution als unvereinbar mit dem sozialistischen Frauenbild angesehen. Es wurde versucht, Prostituierte durch Agitation bzw. durch Einweisung in „Heime für soziale Betreuung“ zur Aufnahme einer regulären Tätigkeit zu überzeugen. Prostitution wurde entsprechend nebenberuflich ausgeübt.

1968–1990

1968 wurde Prostitution durch den sogenannten Asozialenparagrafen offiziell verboten. Dennoch verschwand Prostitution damit nicht aus dem öffentlichen Raum. So gab es auch in größeren Städten wie Leipzig oder Ostberlin Straßenstriche, auf denen sich Frauen ihren Lebensunterhalt verdienten. Diese wurden in Vorbereitung auf Großveranstaltungen zumeist in geschlossene Venerologische Stationen oder Arbeitslager interniert, um sie zumindest zeitweise aus dem Stadtbild fernzuhalten.[2] Prostitution wurde insbesondere in Devisenhotels, vor allem in Leipzig (Leipziger Messe) und Rostock (Rostocker Hafen) geduldet. Seit 1970 wurde ein Teil der Prostituierten vom Ministerium für Staatssicherheit zur Informationsbeschaffung eingesetzt.

Mit Inkrafttreten der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990 wurde die Strafbarkeit abgeschafft.

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Gesetzeslage

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1945–1968

Bis 1947 galt, basierend auf der 1927 beschlossenen Gesetzgebung der Weimarer Republik, Prostitution unter bestimmten Bedingungen als straffrei. Mit dem SMAD-Befehl 273 wurde diese Regelung 1947 endgültig außer Kraft gesetzt. Prostituierte gerieten in dieser Zeit in den Fokus der Behörden und wurden als vermeintlich Hauptverantwortliche für die Übertragung von Geschlechtskrankheiten zwangshospitalisiert und in die sogenannte Arbeitserziehung gewiesen. Mitte der 50er Jahre wurden in den großen Städten der DDR Gremien zur Bekämpfung von „sexuelle abweichendem Verhalten“, zu dem auch die Prostitution gezählt wurde, gebildet. Diese bildeten eine Gefährdeten Kommission, die Ansätze formulierte, um Prostituierte und weitere „haltlose“ Menschen zu bestrafen und zu erziehen.[2]

1968–1990

Zum 1. Juli 1968 wurde durch § 249 StGB („Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten“) die Prostitution in der DDR verboten und konnte mit Freiheitsstrafe bis zu zwei (bei bereits Vorbestraften: fünf) Jahren bestraft werden. Durch eine Ergänzung im Jahre 1979 wird Prostitution explizit im Paragraf 249 erwähnt und nicht länger subsumiert. Zum 1. Juli 1990 wurde der § 249 aufgehoben. Die Förderung und Ausnutzung der Prostitution (z. B. Betrieb von Bordellen) blieb strafbar (§ 123 StGB-DDR).

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Bewertung von Prostitution durch den SED-Staat

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Prostitution wurde in der offiziellen Doktrin des SED-Staates als „Krankheit des Kapitalismus“ abgelehnt und als Hindernis in der Gleichstellung von Mann und Frau bewertet. Der Blick auf die Prostituierten selbst war dabei geprägt durch eine Einteilung in jene Prostituierten, die es zu „erziehen“ galt und jene die sich für das MfS anwerben ließen.

Prostituierte wurden in der DDR zu den sogenannten „Asozialen“ gezählt, die sich auf unlautere Weise ihren Lebensunterhalt verdienten und somit den sozialistischen Staat gefährden würden. Prostituierte galten in der DDR als „Täter am real existierenden Sozialismus“[2.1], als sogenannte HwG Personen sollte Kontakt mit ihnen gemieden werden. Anknüpfend an das bereits seit der Neuzeit bestehende Narrativ, Prostituierte wären Hauptverantwortliche für die Übertragung von Geschlechtskrankheiten, wurden sie bereits seit 1947 zwangshospitalisiert. Prostituierte wurden basierend auf der 1961 verabschiedeten Verordnung zur Bekämpfung und Verhütung von Geschlechtskrankheiten auch in geschlossene Venerologische Stationen zwangsinterniert.[3]

Der Blick auf Prostituierte in der BRD fiel wiederum anders aus. Prostituierte in der BRD galten in der DDR ausschließlich als ausgebeutete Opfer des Kapitalismus.[2]

Sozialstruktur innerhalb der Prostitution

Während in der Nachkriegszeit der Anteil der Prostituierten aus der Unterschicht hoch war und auch viele Heimatvertriebene sich als Prostituierte verdingten, so entstammten die Prostituierten ab den 1970er-Jahren allen Gesellschaftsschichten (mit einem Schwerpunkt der Unter- und Mittelklasse). Der Anteil der Prostituierten mit einer Berufsausbildung bzw. mit Fach- und Hochschulabschluss war zumindest überdurchschnittlich hoch.[4] Der Zugang der Frauen erfolgte zufällig oder über Bekannte und informelle Kontakte.[5]

Die Gesamtzahl der Prostituierten bzw. Freier war im Vergleich zur Bundesrepublik deutlich geringer. Eine Schätzung spricht von 3.000 Prostituierten.[6] Hinzu kamen Frauen, die mit Geschenken vergütet wurden und sich selbst nicht als Prostituierte sahen. Frauen und Prostituierte mit einer Vielzahl an Partnern wurden im Amtsdeutsch als HWG-Personen (HWG = häufig wechselnde Geschlechtspartner) bezeichnet – damit gingen Promiskuität und tatsächliche Prostitution ineinander – und besonders überwacht. Sie hatten in der Regel offizielle Arbeitsverhältnisse, um nicht als „Asoziale“ im Sinne des § 249 registriert zu werden.[7]

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Kontaktsuche

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Hotels und Lokale

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Palasthotel Berlin
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Hallenschwimmbad des Hotels Merkur, Leipzig
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Leipziger Messe

Prostitution fand insbesondere während der Leipziger Messe, in Devisenhotels und den internationalen Seehäfen (insbesondere Rostock) statt. Die folgenden Hotels (Hotelbars) und Bars waren als Treffpunkte von Prostituierten und Freiern aus Nicht-RGW-Staaten bekannt:[8][9]

Die Frauen reisten aus der ganzen Republik an und wurden vom Hotelpersonal angehalten, sobald sie mit dem Gast auf dessen Zimmer gingen, eine Anmeldung auszufüllen.[11] In den 1980er-Jahren wurden einzelne Hotelzimmer durch die Staatssicherheit mit Ton- und/oder Videoüberwachung versehen.[12][13]

In Ost-Berlin erleichterten die tagesweisen Einreisemöglichkeiten Kontaktmöglichkeiten. Für Freier aus dem Westen bestand bis zur Maueröffnung nicht die Gefahr, von der „Beziehung“ im Osten zu Hause behelligt zu werden.

Straße

Im Unterschied zu den Hotelkontakten wurde auf dem Straßenstrich mit der Mark der DDR bezahlt. Die Preise für Geschlechtsverkehr lagen bei 50 Mark im Auto und 100 Mark in der Wohnung.[11][12] Wurde ein Taxifahrer benötigt, erhielt er 10 Mark, auch ein Anwohner der Leipziger Nordstraße, der ein Zimmer zur Verfügung stellte.[11] In Volkspolizeiakten fand sich, dass, als einmal die Nummern der ganz überwiegend „großen Autos“ nachverfolgt worden waren, die der Fahrbereitschaft des Zentralkomitees der SED zugeordnet werden konnten.[11]

Straßenprostitution fand statt in:

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Stasi-Mitarbeit

Durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurden ab ca. 1970 HWG-Personen zur Informationsgewinnung eingesetzt.

Ziele hierbei waren:

  • Details über das Leben des Freiers zu erfahren
  • Informationen über die sexuellen Deviationen der Freier zu erhalten, um sie später damit zu erpressen
  • Beziehungen aufzubauen

Der Umstand, dass die Prostitution verboten war, wurde von der Staatssicherheit ausgenutzt, um Frauen mit erotischen Beziehungen zu Gästen aus dem Westen zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. An Daten von Frauen gelangte sie einfach, indem sie morgens die Meldescheine der Frauen im Foyer der Hotels abholte.[14] Der Focus veröffentlichte 1997 die Geschichte der IM „Petra Meyer“.[15]

Es wurden zudem gezielt Studentinnen angeworben, um Kontakt mit Personen aus dem nichtsozialistischen Ausland aufzunehmen. Der Anforderungskatalog der Staatssicherheit war dabei: „Zwischen 20 und 30, unverheiratet, keine Kinder, Fremdsprachenkenntnisse, gut aussehend, gebildet, analytische Fähigkeiten, vaterländische Gesinnung“.[16]

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Literatur

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Einzelnachweise

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