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Reitkunst
Pferdedressur Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Reitkunst befasst sich mit der Dressur-Ausbildung von Reitpferden nach klassischen Grundsätzen. Sie betrachtet das Pferd als Kunstwerk und das Reiten als Kunst. Sie umfasst auch die Präsentation des Pferdes an der Hand.



Begriffsabgrenzung
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Das Dressurreiten auf Turnieren unterscheidet sich von der Reitkunst durch den verwendeten Pferdetyp.[1][2]
In der Reitkunst werden Pferde verwendet, die auf orientalischen Rassen basieren. Dieser Pferdetyp[3] zeichnet sich durch weiche Gänge aus. Er hat ca. 155–160 cm Stockmaß, eine starke Hinterhand und eine volle Kruppe. Ein relativ kurzer Rücken wird bevorzugt, damit die Hinterhand leichter Last aufnehmen kann. Typische Rassen sind Lipizzaner, Andalusier und Lusitano. Nach der Grundausbildung werden die Pferde zur Versammlung und Hankenbeugung und je nach Veranlagung zur Piaffe, Passage, Levade, Pesade und den Schulsprüngen weiter ausgebildet.
Sportpferde haben zwischen 165 und 175 cm Stockmaß, ausgreifende Gänge und sind vergleichsweise schlank, langrückig und langbeinig. Aus der Tradition des Militärreitens kommend,[2] werden zumeist dunkle Pferde[4] bevorzugt.
„Idealerweise und theoretisch sollte es keinen Unterschied zwischen der klassischen Schule und dem Dressursport geben: In der Praxis ist er jedoch vorhanden. … Das Ziel der klassischen Schule ist es, das Pferd durch eine logische und psychologische Ausbildung zu gymnastizieren. Der Dressursport möchte den Pferden Lektionen für den Wettbewerb beibringen.“
– Kurt Albrecht: Dogmen der Reitkunst, 1994
Die häufig verwendeten Bezeichnungen klassische Reitkunst oder klassische Reitlehre, meinen allgemeingültige, modeunabhängige Prinzipien und nicht eine kulturgeschichtliche Epoche.[5]
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Geschichte und Entwicklung
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Die ältesten Zeugnisse der Reitkunst lassen sich bis ins antike Medien um 700 v. Chr. zurückverfolgen. Sie züchteten den Nisäer, den Herodot erwähnt.[1] Schnelle Wendungen auf der Hinterhand (Levade mit Wendung) und die Karriere wird in der Antike immer wieder dargestellt, oft mit einem Bogenschuss nach hinten, dem Partherschuss. Xenophon beschreibt in peri hippika die Reitkunst der alten Griechen.[6] Es ist wahrscheinlich, dass sie sich in Byzanz und in der byzantinischen Armee und in der byzantinischen Aristokratie, unter anderem durch das Spiel des Tzykanion. Nach der Eroberung von Konstantinopel (1453) durch die Türken wechselten viele Byzantiner den Glauben und blieben als Akinci-Reitertruppen im osmanischen Reich tätig und die Türke übernahmen diese die Pferde der byzantinischen Ställe und verkauften sie weiter. Man nannte sie daher auf dem europäischen Markt oft 'türkisch'.
Alfons V. von Aragon, König von Neapel, und sein Sohn Ferrante führten türkische Pferde ab 1543 nach Neapel ein und erlaubten albanischen Stratioten, die zu den Resten der byzantinischen Armee gehörten, in ihr Königreich einzuwandern. Sie freundeten sich mit dem albanischen Fürsten Skanderbeg und dessen Familie an, die Erfahrung in der byzantinischen Reiterei einbrachte. Skanderbegs Sohn wurde Herzog von San Pietro in Galatina und widmete sich der Pferdezucht. Die neue Reitkunst wurde aus diesem Grund anfänglich als 'a la Stradiota' bezeichnet oder aber nach den spanischen Herrschern Neapels, den Aragonesen, als spanisch.[1] Wenige Jahrzehnte später, um 1516 werden von Federico II. Gonzaga[7] und Galeazzo Sanseverino[8] dort erstmals in der Literatur Schulprünge beschrieben. Das Pferd erlangte von da an am neapolitanischen Hof soziale Bedeutung, es ging nicht mehr nur darum beritten zu sein. Man schmückte die Tiere, ritt Kavalkaden, veranstaltete Stierkämpfe und profitierte von den neuen Pferden und Reitkünsten. In Neapel, aber auch in Ferrara, Mailand und Mantua wandelte sich das Pferd vom Kriegswerkzeug und Transportmittel zum Statussymbol.
Das Militärwesen veränderte sich durch die Verbreitung der Feuerwaffen im 15. bis 16. Jahrhundert. Dies beendete die Zeit der gepanzerten Ritter und führte zur Einführung der leichten Kavallerie.[2] Durch die vorerst sehr geringe Schussweite der Radschlosspistolen mussten die Reiter die Pistolen auf die Rüstungen aufsetzen und enge, schnelle Wendungen wurden immer nötiger und förderten die Ausbreitung der Reitkunst.
Über die Reitkunst verfassten zahlreiche europäische Rittmeister Bücher. Dazu gehören die Werke von Federigo Grisone[9], Cesare Fiaschi,[10] den Franzosen Antoine de Pluvinel, De la Guériniere,[11] dem Engländer William Cavendish,[12] und dem Portugiesen Manoel Carlos de Andrade und der Deutschen Georg Engelhard von Löhneysen und Friedrich Wilhelm von Eisenberg.
Die Reitkunst diente auch zur Ausbildung leichterer Reiter im Krieg und hielt ab dem Schmalkaldischen Krieg (1546 bis 1547) über die Kurfürstenhöfe, wie etwa Dresden, und die Höfe der Habsburger, wie etwa Wien und Prag, in den deutschsprachigen Gebieten Einzug. Als 'Türken' bezeichnete Pferde, wurden ab dem Ende des 15. Jahrhunderts in den Ernestinischen Herzogtümern im Vorwerk Bleesern bei Wittenberg und Torgau gezüchtet. Der kurfürstliche Stall in Dresden wurde ab 1588 erbaut und wurde zum ersten Museum der Neuzeit. In ihm standen nicht nur Waffen, Figurinen und Schlitten, sondern auch das Pferd als Kunstwerk im Mittelpunkt. Der zugehörige Stallhof erhielt 1618 die erste Reithalle in Deutschland.[2]
Mit der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts kam es zum abrupten Untergang der höfischen Reitkunst. Dies war auch in Deutschland und England der Fall. Die „Anglomanie“[13] genannte Zuchtauswahl und Bevorzugung englischer Vollblüter im 19. Jahrhundert brachte die meisten der alten Barockpferderassen, wie Sachsen, Oldenburger und Neapolitaner, zum Aussterben.
Die Einführung großer Kavallerieeinheiten und die Notwendigkeit einer verkürzten Ausbildung für Reiter und Pferd im 19. und Anfang 20. Jahrhundert beendete die umfassendere Ausbildung von Pferden weitgehend. In Portugal und Spanien erhielt sich die Reitkunst durch den Stierkampf der Rejones. Österreich bewahrte sie in der Spanischen Hofreitschule.[2] Die Reitkunst erfährt derzeit in Deutschland vermehrten Zuspruch.[1]
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Grundsätze
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Die Reitkunst orientiert sich am Körperbau und der Leistungsfähigkeit des Pferdes. Das Pferd soll seinen Fähigkeiten entsprechend ausgebildet werden. Zu den Grundsätzen gehören die Sprezzatura, was Losgelassenheit und Abwesenheit von Zwang bedeutet,[14] Takt und Schwung.[2] Das Pferd soll mit unsichtbaren Hilfen gelenkt werden.[15][16] Zu einem Höchstmaß der Durchlässigkeit kommt in der Hohen Schule noch die Kadenz hinzu.[17]
Das entspricht weitgehend der Ausbildungsskala, die von der FN in den 1950er-Jahren entwickelt wurde: Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichten und Versammlung. Auch die unsichtbare Hilfengebung gehört dazu.[18]
Kennzeichen des Schulpferdes ist seine „Fähigkeit, sich zeitweise bis zu einer Selbsthaltung versammeln zu lassen, bei welcher vorderes und hinteres Beinpaar je die Hälfte der Last zu tragen hat, und die so weit geht, dass bei einzelnen Lektionen die Hinterhand den überwiegenden Teil dieser Last, wenn nicht sogar ihre Gesamtheit willig und elastisch federnd aufnimmt“.[19]
Die Sporen werden in der klassischen Reitkunst für den effet d’ensemble verwendet. Der effet d’ensemble wirkt versammelnd, also eher bremsend. Dazu werden die Sporen so weit wie möglich vorne, unmittelbar hinter dem Gurt eingesetzt. Bei einem gut ausgebildeten Paar genügt bereits die Schenkeldrehung, die notwendig ist, um die Sporen an das Pferd zu bringen, um das Pferd zu versammeln.[20][21]
Als descente de main et de jambes, meist verkürzt zu descente de main, wird in der klassischen Reitkunst das kurzzeitige Aussetzen der Zügel- und Schenkelhilfen bezeichnet, wenn das Pferd sich in hoher Versammlung befindet und diese ohne reiterliche Unterstützung weiter halten soll.[22] Das descente de main et de jambes gilt als wesentlicher Bestandteil der klassischen Ausbildung des Pferdes, da es zu seiner Ausführung so weit gymnastiziert sein muss, dass ihm die geforderte Haltung leicht genug fällt, um sie ohne weitere reiterliche Aufforderung zu halten.[23][24]
In der Antike und bis in die Renaissance wurde die Reitkunst teilweise ohne Steigbügel und auch Sattel geritten.[1] In der Spanischen Hofreitschule reiten die Eleven zwei Jahre lang ohne Steigbügel.[25] Auch die Schulsprünge werden ohne Steigbügel geritten.[26]
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Reitschulen
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Die erste und bedeutendste Hofreitschule war die Reitschule der Aragonesen, die nach 1543 von Ferrante von Aragon bei Neapel gegründet wurde. Sie wird von Federigo Grisone, Pirro Antonio Ferraro und Claudio Corte erwähnt. Es ist wahrscheinlich, dass sie sich in Nola bei Neapel befand und in ihr eine Vielzahl der Rittmeister ausgebildet wurden, die später an den diversen europäischen Fürstenhöfen dienten, wie etwa Carlo Theti (Dresden), Battista und Pirro Antonio Ferraro (Madrid), Geronimo Tinti (Cordoba) etc.[1]
Die Spanische Hofreitschule in Wien sicherte nach dem Ende der k.u.k. Monarchie 1918 ihr weiteres Überleben, indem sie sich der Öffentlichkeit öffnete und durch Vorführungen rasch eine breite Popularität erlangte. Auch in Frankreich wird vom Cadre Noir bis heute die Reitkunst des 15. bis 18. Jahrhunderts gepflegt.
In Deutschland wurde die klassische Reitkunst durch das von Egon von Neindorff gegründete Reitinstitut in Karlsruhe fortgeführt.
Im 20. Jahrhundert wurden in Jerez de la Frontera, Spanien und in Queluz, Portugal Hofreitschulen wieder eröffnet. Die spanische Reitkunst Doma Clásica ist der klassischen Reitkunst sehr ähnlich, zeigt aber zusätzlich folkloristische Elemente und den Spanischen Schritt. Die portugiesische Reitkunst umfasst auch typische Elemente der barocken Reitkunst.
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Lektionen

Die Campagneschule ist die grundlegende Ausbildung des Pferdes für die Gebrauchsreiterei.[27] Hohe Schule ist Dressurreiten im höchsten Schwierigkeitsgrad mit künstlerischem Anspruch.
Die Lektionen dienen der korrekten Ausbildung und Gymnastizierung des Pferdes. Sie werden eingeteilt in Schulen auf der Erde, zu denen die Seitengänge gehören und in Schule über der Erde,[28] zu denen die Schulsprünge und die Erhebungen zählen. Viele Lektionen der Niederen und Hohen Schule werden aus der Arbeit an der Hand entwickelt.
Viele Lektionen werden aus der Arbeit an der Hand entwickelt. Die bereits im 17. Jahrhundert verwendeten Pilaren dienen als Ausbildungshilfe. Aufgrund ihrer statischen Natur werden sie heute selten verwendet.
Manche Lektionen der Hohen Schule, wie Piaffe, Passage, Pirouette und Galoppwechsel von Sprung zu Sprung (Einerwechsel) sind Bestandteile des Dressursports, die Schulen über der Erde jedoch nicht.
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Siehe auch
Literatur
- Michaela Otte: Geschichte des Reitens. Von der Antike bis zur Neuzeit. FN-Verlag, Warendorf 1994, ISBN 3-88542-255-7.
- Gustav Steinbrecht (Begr.), Paul Plinzner (Hrsg.): Das Gymnasium des Pferdes. 16. Aufl. Georgi, Aachen 1995, ISBN 3-87248-038-3 (Nachdr. d. Ausg. Potsdam 1935, EA 1884).
- Richard Wätjen: Dressurreiten. Ein Leitfaden für die Ausbildung von Reiter und Pferd. 8. Aufl. Parey, Hamburg 1978, ISBN 3-275-01150-2.[29]
- Ulrike Ortrere: Die Geschichte des Reitens (= ArtEquestre Geschichte des Reitens. Band 1), ISBN 979-8-33378682-1.
- Nuno Oliveira: Gedanken über die Reitkunst. 1999, ISBN 3-487-08383-3.
- Philippe Karl: ReitKunst. Klassische Dressur bis zur Hohen Schule. 1999, ISBN 3-405-15826-5.
- Anja Beran: Aus Respekt. 2008, ISBN 978-3-930953-14-1.
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Weblinks
Commons: Klassische Reitkunst – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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