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Richard Held

US-amerikanischer Psychologe und Professor Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Richard Marx Held (* 22. Oktober 1922 in New York City; † 22. November 2016 in Northampton (Massachusetts)) war ein US-amerikanischer Psychologe und emeritierter Professor für Gehirn- und Kognitionswissenschaften am Massachusetts Institute of Technology.[1]

Leben

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Er wurde Manhattan als einziges Kind von Lawrence W. Held, einem Exportmakler, und Tess (Klein) Held, einer Künstlerin, die zeitweise als Modedesignerin tätig war, geboren. Er besuchte hier die Stuyvesant High School und studierte danach an der Columbia University und erwarb hier einen Bachelor of Science in Ingenieurwissenschaften und Geisteswissenschaften. Dabei wurde er von seinem Mentor Meyer Schapiro beeinflusst, dem er es zuschrieb, sein Interesse an der Forschung durch eine Aufgabe, über ein Kunstwerk zu schreiben, geweckt zu haben. Er wählte Van GoghsSternennacht“, da die Darstellung des Mondes an eine Sonnenfinsternis erinnerte und er vermutete, das Gemälde sei eine Allegorie der Heiligen Dreifaltigkeit. Im Zweiten Weltkrieg diente er in der United States Navy, wo er als taktischer Radaroffizier auf den Flugzeugträgern USS Kadashan Bay und USS Saratoga im Pazifik eingesetzt war und den Rang eines Leutnants erreichte. Er war auf dem Eniwetok-Atoll stationiert und bereit für eine geplante Bodeninvasion, als der Krieg durch den Abwurf der Atombombe endete.

Nach dem Krieg wurde er Laborassistent von Wolfgang Köhler, der 1935 Deutschland zugunsten einer Professur am Swarthmore College verlassen hatte. Gemeinsam mit ihm verfasste er 1949 eine in „Science“ veröffentlichte Studie, die zeigte, dass die Bewegung eines hellen Objekts vor einem ruhenden Beobachter ein entsprechendes elektrisches Feld im Gehirn erzeugt. Die Schlussfolgerung dieser Studie nahm spätere Forschungen von David Hubel und Torsten Wiesel vorweg, die belegten, dass das Sehen durch elektrische Reaktionen einzelner Neuronen ermöglicht wird. Am Swarthmore College erwarb er einen Master-Abschluss. Danach wechselte er an die Harvard University, um hier 1952 zu promovieren (Ph.D.). 1953 trat er der Fakultät der Brandeis University bei, wo er bis 1962 lehrte. Dann wechselte er an das MIT in den Fachbereich für Experimentelle Psychologie, einem der ersten Zentren der Neurowissenschaften. Hier fungierte er als Leiter des heutigen Departments of Brain and Cognitive Sciences (BCS) und trug maßgeblich dazu bei, dass sich der Fachbereich zu einer der führenden Institutionen für Neurowissenschaften und Kognitionswissenschaften entwickelte. 1993 wurde er zum Professor Emeritus ernannt.

Nach seiner Emeritierung am MIT war er von 2001 bis 2010 Forschungs- und Ausbildungsleiter am New England College of Optometry in Boston und forschte dort zur frühen Entwicklung der Kurzsichtigkeit. 2003 trat er auch dem Labor von Pawan Sinha am MIT bei, einem Professor für Seh- und Computerneurowissenschaften, und wurde Mitarbeiter im Projekt Prakash, einer von Sinha gegründeten gemeinnützigen Organisation, die angeboren blinden Kindern in Indien das Sehvermögen zurückgibt und deren weitere Sehentwicklung erforscht.

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Werk

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Er widmete sich lebenslang der Erforschung der Entwicklung und Anpassung des visuellen Systems.

An der Brandeis University führte er ein Experiment durch, das zeigte, wie bereits Marc Jeannerod vermutet hat, „Wahrnehmung durch Handeln konstruiert wird“, und belegte die wichtige Rolle selbst erzeugter Bewegung in der visuellen Entwicklung: Um Tiefe richtig einzuschätzen und Objekte zu unterscheiden, benötigen Tiere (einschließlich Menschen) die aktive Interaktion mit ihrer Umwelt. Es genügt also nicht, die Welt nur zu sehen und sich passiv darin bewegen zu lassen. Dazu wurden zwei Katzenwelpen in ein Karussell gesetzt. Eines bewegte sich aktiv und zog seinen passiven Partner in einer gondelartigen Wiege hinter sich her. Obwohl beide Kätzchen denselben Reizen ausgesetzt waren, konnte nur das sich aktiv bewegende Kätzchen die Fähigkeit erwerben, sich visuell zu orientieren. So konnte beispielsweise das aktive Kätzchen mit seiner Pfote präzise nach einem Gegenstand greifen; das passive Kätzchen hingegen nicht. 42 Jahre später, inspiriert von diesen erstmals 1963 veröffentlichten Ergebnissen, berichteten Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und des Zentrums für Computerneurowissenschaften der Universität Sussex in einer 2005 veröffentlichten Studie, dass dies auch für Roboter gilt, die kollisionsfrei navigieren können.

Bereits vor 1688 hatte die Frage, ob ein Blinder eine Kugel optisch von einem Würfel unterscheiden kann, wenn er plötzlich sein Sehvermögen zurückerlangt, den irischen Philosophen William Molyneux beschäftigt und diese Frage fand jahrhundertelang keine befriedigende Antwort. Das Molyneux-Problem konnte aber im Rahmen des Prakash-Projektes, das sich für die Behandlung kranker Kinder in Indien einsetzt, von Held und Pawan Sinha gelöst werden. In ihrer 2011 in „Nature Neuroscience“ veröffentlichten Studie mit dem Titel „The newly sighted fail to match seen with felt (dt. Die neu Sehenden können Gesehenes nicht mit Gefühltem abgleichen)“ berichten sie, dass von Geburt an blinde Menschen, die mit medizinischer Hilfe ihr Augenlicht wiedererlangen, und Objekte mit ihren Händen ertasteten, diese nicht visuell identifizieren konnten. Dabei testeten sie die Kinder innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Operation. Sie gaben ihnen dazu einen auffallend geformten großen Legostein in die Hand, dessen Form sie ertasten sollten. Anschließend zeigten sie den Testteilnehmern zwei Steine und ließen sie angeben, welcher dem zuvor erfühlten entsprach. Die Kinder lagen lediglich in 58 Prozent der Fälle richtig und erreichten somit einen Wert, der dem entspricht, der beim zufälligen Raten erzielt wird. Fünf Tage später schnitten die Kinder mit zum Teil über 90 Prozent Trefferquote dagegen bereits deutlich besser ab. Die rasche Verbesserung deutet darauf hin, dass das visuelle System maßgeblich auf die durch Erfahrung gewonnene Rückkopplung zwischen Sehen und Tasten angewiesen ist. Oder anders gesagt: Auch Sehen muss gelernt werden.[2] Es gibt also offenbar kein angeborenes Konzept von Raum und Form, das unabhängig von den Sinneswahrnehmungen entsteht und über jeden Sinn zugänglich ist. Vielmehr scheint das Raumkonzept erst durch Erfahrung zu entstehen, die sich wiederum aus dem Input mehrerer Sinne zusammensetzt.

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Ehrungen/Positionen

Privates

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Edward Bernays und Doris E. Fleischman (1925)

Er war seit 1951 mit Doris Bernays verheiratet, die Tochter von Edward Bernays und Doris Fleischman. Mit seiner Frau, zuletzt eine pensionierte Psychotherapeutin, war er 65 Jahre verheiratet. Sie hatten drei Kinder: Lucas, Julia und Andrew Held. Er führte ein aktives Leben. In den 1960er- und 1970er-Jahren pendelte er mit dem Fahrrad zum MIT, was damals noch ungewöhnlich war, und er war bis ins hohe Alter ein begeisterter Tennisspieler im Cambridge Tennis Club. Gemeinsam mit seiner Frau war er ein Mitglied der Old Cambridge Shakespeare Association, die sich monatlich traf, um aus Werken Shakespeares vorzulesen. In den letzten anderthalb Jahrzehnten war er auch aktives Mitglied einer Memoiren-Schreibgruppe und veröffentlichte dort seine autobiografischen Skizzen.[3] Er verstarb mit 94 Jahre zu Hause an Herzinsuffizienz.

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Publikationen (Auswahl)

Monografien
  • Image, Object, and Illusion: Readings from Scientific American. W. H. Freeman & Co, New York 1974, ISBN 978-0-7167-0504-8.
Herausgeberschaften
  • Mit H. W. Leibowitz; H. L. Teuber (Hrsg.): Thinès G. Handbook of sensory physiology. Volume VIII: Perception. Springer, New York 1978, ISBN 978-3-642-46356-3.
  • Mit Whitman Richards: Recent Progress in Perception: Readings from “Scientific American”. W. H. Freeman & Co, New York 1976, ISBN 978-0-7167-0533-8.
  • Mit Whitman Richards; John P. J. Pinel Perception: Study Gde: Mechanisms and Models: Readings from “Scientific American”. W. H. Freeman & Co, New York 1973, ISBN 978-0-7167-0839-1.
  • Mit Whitman Richards: Perception: Mechanisms and Models: Readings from “Scientific American”. W. H. Freeman & Co, New York 1972, ISBN 978-0-7167-0853-7.
Zeitschriftenartikel/Buchbeiträge
  • Mit Pawan Sinha; Margaret M. Kjelgaard; Tapan K.; Kleovoulos Tsourides; Annie L Cardinaux; Dimitrios Pantazis; Sidney P. Diamond: Autism as a disorder of prediction. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 2014, 21, 111 (42), S. 15220–1525.
  • Mit Pawan Sinha; Margaret Kjelgaard; Tapan K. Gandhi; Kleovoulos Tsourides; Annie Cardinaux; Dimitrios Pantazis; Sidney Philip Diamond: Autism as a disorder of prediction. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014 111(42).
  • Mit Lukas Vogelsang; Sharon Gilad-Gutnick; Evan Ehrenberg; Albert Yonas; Sidney Philip Diamond; Pawan Sinha: Potential downside of high initial visual acuity. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018, 115(44).
  • Mit Pawan Sinha: Sight restoration. In: Medicine Reports, 2012, 4 (17).
  • Mit Yuri Ostrovsky; Beatrice deGelder; Tapan K. Gandhi; Suma Ganesh; Umang Mathur: Pawan Sinha: The newly sighted fail to match seen with felt. In: Nature Neuroscience, 2011, 14 (9), S. 1217–1217.
  • Köhler, W., & Held, R. (1949): The cortical correlate of pattern vision. Science, 110(2860), 414-419.
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Einzelnachweise

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