Morphotyp der Virenklasse ''Caudoviricetes'' Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die morphologisch begründete (nicht-taxonomische) Gruppe der Myoviren (englischmyoviruses, früher auch Morphotyp A genannt) umfasst eine Reihe von Familien, Unterfamilien und Gattungen von Viren mit einem linearen Molekül doppelsträngiger DNA (dsDNA) als Genom.
Typisches Aussehen eines Virusteilchens mit Myoviren-Morphologie, sheath: Schwanzscheide, baseplate: BasisplatteDetailzeichnung im Fall eines Bakteriophage vom Morphotyp der Myoviren mit kontraktilem Schwanzeil
Die Myoviren werden unterteilt in Subtypen: 1: Kopf ohne „Fühler“, aber kurze Anhängsel am Schwanz; 2: kragenartige Struktur zwischen Kopf und Schwanz und kurze Anhängsel am Schwanz.[2]
Alle Mitglieder gehören zur Klasse der Caudoviricetes („Schwanzviren“ – Viren mit Kopf-Schwanz-Struktur): Ihre Mitglieder besitzen ein ikosaedrischesKapsid und ein Schwanzteil; wegen dessen kontraktiler Eigenschaft leitet sich der Gruppenname von griechischμυόςmyos, deutsch ‚Muskel‘ ab.
Als Wirte dienen Prokaryoten, meist Bakterien (Bakteriophagen), aber teilweise auch Archaeen.
Innerhalb der Klasse Caudoviricetes zeichnen sich die Myoviren außerdem durch besonders große, teilweise langgestreckte Kapside (z.B. T4-Phage: 111×78nm) und ein sehr großes Genom (34–169kBp) aus (siehe Riesenphagen). Der wichtigste Vertreter ist der schon früh entdeckte T4-Phage (Spezies Enterobacteria-Virus T4, Gattung Tequatrovirus), dessen besondere Morphologie und genetische Eigenschaften in der molekularbiologischen Forschung eine herausragende Rolle spielte. Die von diesem Phagen abgeleitete T4-DNA-Ligase findet heute noch Verwendung in der Molekularbiologie. Weitere Mitglieder von Bedeutung sind
der Vibrio-Phage KVP40 (Spezies Vibrio-Virus KVP40, Gattung Schizotequatrovirus),
der Pseudomonas-Phage phiKZ (Spezies Pseudomonas-Virus phiKZ, Gattung Phikzvirus),
der Bakteriophage P1 (Spezies Escherichia-Virus P1, Gattung Punavirus, siehe P1 Artificial Chromosome)
u.a.
Die Gruppe galt lange Zeit als ein Virustaxon im Rang einer Virusfamilie mit der Bezeichnung Myoviridae.
Im März 2021 wurde vorgeschlagen, diese Familie mitsamt der Ordnung Caudovirales wegen fehlender Monophylie aufzulösen und (wie damals bereits z.T. geschehen) durch neu zu schaffende Familien zu ersetzen, damit neue Ergebnisse aus der Metagenomik in die Taxonomie aufgenommen werden können.[3]
Das International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) hat dem im März 2022 entsprochen.[1]
Gemäß Vorschlag bleibt die Bezeichnung „Myoviren“ (englischmyoviruses) aber als informeller Sammelbegriff morphologisch ähnlicher Prokaryotenviren mit einem linearen Doppelstrang-DNA-Genom erhalten.[3]
Listeria-Phage A511 (Herelleviridae): Aufbau der Basisplatte und Veränderung während der Absorption an der Zellwand des Wirtsbalterium.
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Systematik
Zusammenfassung
Kontext
Generische Schemazeichnung eines Virions des Familien Ackermannviridae und Chaseviridae
Die folgende Systematik nach ICTV mit Stand 3./7. März 2025.[4][5] umfasst nicht immer alle Spezies der aufgeführten Gattungen:
Nicht-taxonomische Gruppe Myoviren (en. myoviruses, auch Caudoviricetes „Morphotyp A“) – zu unterschiedlichen Details der Morphologie siehe Schemazeichnungen (Quelle: SIB: ViralZone, Expasy)
Spezies „Campylobacter virus IBB35“ („Campylobacter-Virus IBB35“), mit Campylobacter-Phage vB_CcoM-IBB_35[19]
Schemazeichnung eines Virions der Gattung Fletchervirus (Campylobacter-Phage CP81) mit Schwanzfibern. Bei der Schwestergattung Firehammervirus (Campylobacter-Phage CP220) sind diese nicht sicher vorhanden, vgl. Zeichnung oben Ackermannviridae
Spezies „Mycobacterium-Phage Nidhogg“ (en. „Mycobacterium phage Nidhogg“) (Vorschlag, wohl zu unterscheiden von Asgardviren mit vorgeschlagener Bezeichnung Nidhogg-Viren, en. Nidhogg viruses)[21]
Spezies „…“ (weitere Vorschläge)
Gattung Myrnavirus
Spezies Myrnavirus myrna (Mycobacterium-Virus Myrna), mit Mycobacterium-Phage Myrna
Spezies Myrnavirus phabba, mit Mycobacterium-Phage Phabba
Unterfamilie Iiscvirinae
Gattung Aryavirus
Spezies Aryavirus arya, mit Enterobacter-Phage Arya
Gattung Jilinvirus (früher Cvm10virus, zu ehem. Familie Myoviridae)[22]
Spezies Jilinvirus ECOO78, mit Escherichia phage vB_EcoM_ECOO78
Spezies Jilinvirus ep3, mit Escherichia phage vB_EcoM-ep3
Unterfamilie Jameshumphriesvirinae
Gattung Bimevirus (abgetrennt von Jedunavirus)
Spezies Bimevirus bv1611EK21
Spezies Bimevirus IME346, mit Klebsiella-Phage vB_KpnM_IME346
Spezies Bimevirus KB2
Gattung Chaoyangvirus
Spezies Chaoyangvirus BUCT49532, mit Klebsiella-Phage BUCT_49532
Gattung Geezettvirus
Spezies Geezettvirus geezett, mit Klebsiella-Phage Geezett
Gattung Jedunavirus, früher zur ehem. Familie Myoviridae[23]
Spezies Jedunavirus JD001, mit Klebsiella-Phage JD001
Gattung Mascletvirus
Spezies Mascletvirus VLCpiM12a, mit Klebsiella-Phage VLCpiM12a
Gattung Parissaclayvirus
Spezies Parissaclayvirus POU148, mit Klebsiella-Phage vB_KpnM_15-38_KLPPOU148
Gattung Peatvirus
Spezies Peatvirus peat2, mit Pectinobacterium-Phage PEAT2
Gattung Ringroadvirus
Spezies Ringroadvirus BUCT47333, mit Klebsiella-Phage BUCT_47333
Gattung Sircambvirus
Spezies Sircambvirus FZ14, mit Klebsiella-Phage vB_KpnM_FZ14
Spezies Sircambvirus justaphage, mit Klebsiella-Phage vB_KpnM_JustaPhage
Spezies Sircambvirus KpV52, mit Klebsiella-Phage vB_KpnM_KpV52
Spezies Sircambvirus KpV79, mit Klebsiella-Phage vB_KpnM_KpV79
Spezies Sircambvirus MEW1, mit Klebsiella-Phage MEW1
Spezies Sircambvirus pKp383, mit Klebsiella-Phage pKp383
Gattung Zewailvirus
Spezies Zewailvirus SBP, mit Klebsiella-Phage SBP
Spezies Zewailvirus ZCEC13, mit Escherichia-Phage ZCEC13
Unterfamilie Kantovirinae
Gattung Beograduvirus
Spezies Beograduvirus KPhi1
Spezies Beograduvirus Xaf18
Gattung Tsukubavirus
Spezies Tsukubavirus OP2 (Xanthomonas-Virus OP2, früher in Gattung Naesvirus)
Spezies Tsukubavirus XPP1
Spezies Tsukubavirus XPV1
Unterfamilie Stephanstirmvirinae
Gattung Justusliebigvirus
Spezies Justusliebigvirus alia, mit Escherichia-Phage alia
Spezies Justusliebigvirus muut, mit Escherichi-Phage muut
Spezies Justusliebigvirus PD06, mit Escherichia-Phage vB_vPM_PD06
Spezies Justusliebigvirus PHB05, mit Escherichia-Phage vB_EcoM_PHB05
Spezies Justusliebigvirus phi92, mit Enterobacteria-Phage phi92[24][25]
Spezies Justusliebigvirus VEcB, mit Escherichia-Phage VEcB
Gattung Phapecoctavirus (13 Spezies)
Spezies Phapecoctavirus anhysbys, mit Escherichia-Phage anhysbys
Spezies Muvirus mu (Escherichia-Virus Mu), mit Enterobacteria-Phage Mu, alias Bacteriophage Mu oder Myovirus Mu[45] (siehe Barbara McClintock §Nobelpreis)
Spezies Muvirus SfMu (Shigella-Virus SfMu)
TEM-Aufnahme zweier Virionen von Alteromonas-Phage AltPT11-V22, Gattung Myoalterovirus.
Gattung Myoalterovirus
Spezies Myoalterovirus PT11V22 (Alteromonas-Myovirus V22, Alteromonas-Virus AltPT11-V22), mit Alteromonas-Phage AltPT11-V22 alias Phage vB_AmeM_PT11-V22[46]
Spezies Shirahamavirus PTm1 (Tenacibaculum-Virus PTm1), mit Tenacibaculum-Phage PTM1 alias PTm1 und Tenacibaculum-Phage PTm5[53][40] – verwandt mit Tenacibaculum-Virus pT24 (Kungbxnavirus) und Sphingomonas-Phage PAU[40]
Gattung Svunavirus
Spezies Svunavirus GBSV1, mit Geobacillus-Phage GBSV1
Spezies Svunavirus sv1 (Bacillus-Virus 1), mit Bacillus-Phage 1 (DQ840344)[A. 2]
Gattung Takahashivirus
Spezies Takahashivirus PBS1 (Bacillus-Virus PBS1), mit Bacillus-Phage PBS1 alias Bacillus subtilis phage PBS1[55][56][57]
Spezies „Sphingomonas-Phage PAU“[77][78] – verwandt mit Tenacibaculum-Virus pT24 (Kungbxnavirus) und Tenacibaculum-Virus PTm1 (Shirahamavirus),[40]Jumbo-Phage mit einer Mopp-ähnlichen Anordnung von flexiblen Schwanzfasern[7]
Spezies „Bacillus-Phage PBS2“ (en. „Bacillus phage PBS2“) mit Bacteriophage PBS2.[79]
Die am 3. März 2025 vom ICTV als Mitglieder der neuen Ordnung Grandevirales offiziell anerkannten Lak-Phagen wurden von Audra E. Devoto, Jillian F. Banfieldetal. im Januar 2019 erstbeschrieben. Aufgrund ihrer Genomgröße von mehr als 200kbp (Kilobasenpaaren), darunter ein Genom von 735kbp (das bis dato größte beschriebene Phagengenom) werden diese als ‚Riesenphagen‘ klassifiziert. Das Team hatte das Darm-Mikrobiom von Personen mit nicht-westlicher Ernährungsweise aus der Verwaltungseinheit (Upazila) Laksam in der Division Chittagong (Bangladesch) und der Hadza aus Tansania, sowie zum Vergleich auch von kenianischenGelben Pavianen (Papio cynocephalus) und Dänischen Schweinen untersucht. Wie sich zeigt, infizierten die gefundenen Riesenphagen Darmbakterien der Gattung Prevotella. Nach den Ergebnissen sind Lak-Phagen häufige und offenbar wichtige Bestandteile des Darmmikrobioms von Menschen und Tieren.
Es wurde zudem festgestellt, dass von den Lak-Phagen das kanonische TAG-Stoppcodon (alias UAG-Stoppcodon, Uracil–Adenin–Guanin) offenbar zur Codierung der AminosäureGlutamin (Q, Code 15) umfunktioniert wird.[8]
Weitere Untersuchungen von Ryan Cook, Evelien M. Adriaenssens etal. (2024) führten dann zum 2025 vom ICTV bestätigten Vorschlag der neuen Ordnung, Grandevirales, die sich insbesondere durch eine Uminterpretation des UAG-Codons zwecks Codierung einer Aminosäure auszeichnet.[10]
Zwischenzeitlich hatten Untersuchungen von Basem Al-Shayeb, Jillian F. Banfieldetal. im Februar 2020 weitere Kladen von Riesenpagen identifiziert, die von dem Team mit den provisorischen Bezeichnungen „Kabirphage“, „Mahaphage“, „Biggiephage“, „Dakhmphage“, „Kyodaiphage“, „Kaempephage“, „Jabbarphage“, „Enormephage“, „Judaphage“ und „Whopperphage“ (alles verschiedene Bezeichnungen für „groß“, „riesig“) benannt wurden.
Einige dieser neu entdeckten Riesenphagen tragen Gene für Varianten der Cas-Proteine, die in verschiedenen bakteriellen CRISPR-Systemen zu finden sind, z.B. in den FamilienCas9, Cas12, CasX und CasY.
Die Lak-Phagen erwiesen sich zudem als Teil der „Mahaphage“-Klade,[89]
sodass eine Synonymie dieser Klade mit der inzwischen eingerichteten Ordnung Grandevirales nahe liegt.
Bacillus-Phage 1_ICo-2020 (MT700412, Spezies Suttonboningtonvirus sv1ICo2020, Familie Ehrlichviridae)
„Streptomyces-Phage SV1“ (ΦSV1, JX182371 – vorschlagsgemäß zur Gattung Picardvirus),[54]
Literatur
A.M.Q. King, M.J. Adams, E.B. Carstens, E.J. Lefkowitz (Hrsg.): Virus Taxonomy. Ninth Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses. Amsterdam 2012, ISBN 978-0-12-384684-6, S.46–62.
C.M. Fauquet, M.A. Mayo etal.: Eighth Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses. London / San Diego 2004.