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Strukturgleichungsmodell
statistisches Verfahren zum Testen und Schätzen auch kausaler Zusammenhänge Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Strukturgleichungsmodell (SGM, englisch structural equation modeling, kurz SEM) bezeichnet ein statistisches Modell, das das Schätzen und Testen korrelativer Zusammenhänge zwischen abhängigen Variablen und unabhängigen Variablen sowie den verborgenen Strukturen dazwischen erlaubt. Dabei kann überprüft werden, ob die für das Modell angenommenen Hypothesen mit den gegebenen Variablen übereinstimmen. Es wird den strukturprüfenden multivariaten Verfahren zugerechnet und besitzt einen konfirmatorischen (bestätigenden) Charakter. Ansätze der Strukturgleichungsmodellierung können grundlegend in kovarianzbasierte (z. B. englisch covariance-based structural equation modeling, kurz CB-SEM) und varianzbasierte (z. B. die Partielle Kleinste-Quadrate-Schätzung englisch partial least squares structural equation modeling, kurz: PLS-SEM) Verfahren unterschieden werden.[1][2]
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Geschichte
Grundlegende Überlegungen gehen auf Sewall Wright (1921 bzw. 1923),[3] Trygve Haavelmo (1943)[4] und Herbert Simon (1977) zurück. Der Ansatz der Kovarianzstrukturanalyse geht im Wesentlichen auf Karl G. Jöreskog (1973)[5] zurück. Der partielle Kleinste-Quadrate-Ansatz zur Schätzung von sogenannten Kausalmodellen wurde ursprünglich von Herman Wold (1982)[6] entwickelt. Die kovarianzbasierte Strukturgleichungsmodellierung war über viele Jahre das etablierte und damit dominante Verfahren. In den letzten Jahren ist der Einsatz der varianzbasierten Strukturgleichungsmodellierung immer beliebter geworden, was zahlreiche Studien zu dem Einsatz des Verfahrens in verschiedenen Disziplinen zeigen.[7][8][9]
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Modellkomponenten

- Indikator (Item): Hierbei handelt es sich um beobachtete Variablen. Beispielsweise sind Indikatoren für „Intelligenz“ die „Abschlussnote im Abitur“, der „Intelligenzquotient“ und die „Anzahl der Sprachen, die eine Person beherrscht“. Üblicherweise wird im Modell die Verwendung von mindestens vier Indikatoren empfohlen.
- Latente Variable (Faktor): Hierbei handelt es sich um die unbeobachtete Variable, die erst durch ihre Indikatoren gemessen wird. Im Beispiel ist „Intelligenz“ die latente Variable. Es wird zwischen unabhängigen latenten (= exogenen) und abhängig latenten (= endogenen) Variablen unterschieden.
- Messmodell (measurement model): Hierbei handelt es sich um den Kern des Strukturgleichungsmodells. In ihm werden im Sinne einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (confirmatory factor analysis) Verbindungen zwischen den Indikatoren und den latenten Variablen modelliert. Hierbei spielt die Kovarianz eine entscheidende Rolle.
- Strukturmodell (structural model): Hierbei handelt es sich um die Menge exogener und endogener Variablen und deren Verbindungen.
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Modellkomponenten und grundlegende Vorgehensweise
Modellkomponenten
Für die Modellierung haben Mulaik und Millsap (2000) vier Schritte vorgeschlagen.[10] Im ersten Schritt wird eine Faktorenanalyse durchgeführt, um die Anzahl der latenten Variablen zu bestimmen. Mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse wird im zweiten Schritt das Messmodell bestätigt. Im dritten Schritt wird das Strukturmodell getestet. Im vierten Schritt werden verschachtelte Modelle getestet, um die sparsamsten zu identifizieren.
Allerdings ist zu beachten, dass in der Literatur davor gewarnt wird, Modelle so lange zu modifizieren, bis sie „passen“. Es kann bei dieser Vorgehensweise zum Problem der Überanpassung kommen. Daher muss zur Überprüfung veränderter bzw. neuer Hypothesen immer eine neue Stichprobe erhoben werden.[11][12]
Grundlegende Vorgehensweise
- Theoretische Fundierung und Hypothesenbildung
- Methodenwahl
- Modellformulierung
- Empirische Erhebung
- Parameterschätzung
- Beurteilung der Schätzergebnisse
- ggf. Modifikation der Modellstruktur
Anwendungen
Strukturgleichungsmodelle spielen unter anderem in der empirischen Sozialforschung und der Psychologie eine wichtige Rolle. Eine Besonderheit von Strukturgleichungsmodellen ist das Überprüfen latenter (nicht direkt beobachtbarer) Variablen. Pfadanalyse, Faktorenanalyse und Regressionsanalyse können als Spezialfälle von Strukturgleichungsmodellen angesehen werden.[13] Ein Strukturgleichungsmodell stellt wiederum einen Spezialfall eines sogenannten Kausalmodells dar.[14]
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Software
Zusammenfassung
Kontext
Strukturgleichungsmodelle werden von vielen gängigen Statistikprogrammen unterstützt. Daneben gibt es eine Reihe spezialisierter Software, die entweder als Standalone-Programm ausführbar ist oder bestehende Software ergänzt.[15] Da die unterschiedlichen Programme häufig unterschiedliche Fähigkeiten haben und unterschiedliche Algorithmen verwenden, um ähnliche genannte Analysen durchzuführen, ist es gute Praxis, sowohl den Namen als auch die Version des Programms zu nennen, mit dem gearbeitet wird.[16]
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Literatur
- K. Arzheimer: Strukturgleichungsmodelle für Politikwissenschaftler. Eine anwendungsorientierte Einführung. Springer, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-09608-3.
- R. Bagozzi, Y. Yi: Specification, evaluation, and interpretation of structural equation models. In: Journal of the Academy of Marketing Science. Band 40, Nr. 1, 2012, S. 8–34, doi:10.1007/s11747-011-0278-x.
- B. M. Byrne: Structural Equation Modeling with AMOS: Basic Concepts, Applications, and Programming (Multivariate Applications). Routledge, New York, NY 2016, ISBN 978-1-138-79703-1.
- O. Christ, E. Schlüter: Strukturgleichungsmodelle mit Mplus. Eine praktische Einführung. Oldenbourg, München 2012, ISBN 978-3-486-59046-3.
- J. F. Hair, G. T. M. Hult, C. M. Ringle, M. Sarstedt: A Primer on Partial Least Squares Structural Equation Modeling (PLS-SEM). 3. Auflage. Sage, Thousand Oaks, CA 2022, ISBN 978-1-4833-7744-5 (pls-sem.com).
- J. F. Hair, G. T. M. Hult, C. M. Ringle, M. Sarstedt, N. F. Richter, S. Hauff: Partial Least Squares Strukturgleichungsmodellierung (PLS-SEM). Eine anwendungsorientierte Einführung. Vahlen, München 2017, ISBN 978-1-5443-9640-8.
- J. F. Hair, M. Sarstedt, C. M. Ringle, S. P. Gudergan: Advanced Issues in Partial Least Squares Structural Equation Modeling. 2. Auflage. Sage, Thousand Oaks, CA 2024, ISBN 978-1-07-186252-0 (pls-sem.com).
- R. H. Hoyle (Hrsg.): Handbook of Structural Equation Modeling. Guilford, New York, NY 2012, ISBN 978-1-4625-1679-7.
- J.-B. Lohmöller: Latent Variable Path Modeling with Partial Least Squares. Physica, Heidelberg 1989, ISBN 3-7908-0437-1.
- E. E. Rigdon, M. Sarstedt, C. M. Ringle: On Comparing Results from CB-SEM and PLS-SEM. Five Perspectives and Five Recommendations. Band 39, Nr. 3, 2017, S. 4–16.
- R. Weiber, M. Sarstedt: Strukturgleichungsmodellierung: Eine anwendungsorientierte Einführung in die Kausalanalyse mit Hilfe von AMOS, SmartPLS und SPSS. 3. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2021, ISBN 978-3-658-32659-3.
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Siehe auch
Weblinks
Commons: Strukturgleichungsmodell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Politikwissenschaftliche Beispieldaten und Skripte für LISREL, Stata und MPlus
- Handbook of Management Scales, enthält eine Reihe von Skalen zur Messung von Konstrukten, die in der betriebswirtschaftlichen Forschung (u. a. für Strukturgleichungsmodelle) verwendet werden können.
Belege
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