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Tokioter Prozesse

Kriegsverbrecherprozess Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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In den Tokioter Prozessen (japanisch 東京裁判, Tōkyō Saiban) vor dem Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten (極東国際軍事裁判, Kyokutō Kokusai Gunji Saiban) wurden nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Siegermächte 28 der politischen und militärischen Führer des japanischen Kaiserreiches als Hauptkriegsverbrecher (major war criminals) wegen Verbrechen gegen den Frieden und wegen Kriegsverbrechen angeklagt und verurteilt.

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Grundlage

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Tōjō Hideki während des Prozesses in Tokio

Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatte Japan kapituliert. Der Supreme Commander for the Allied Powers Douglas MacArthur hatte die Aufgabe, ein Gericht einzurichten.[1] In den Nürnberger Prozessen war das Gericht auf einer Charta errichtet worden, die die vier Alliierten vereinbart hatten. An dieser Charta orientierte sich MacArthur, als er am 19. Januar 1946 im Rahmen seiner Amtsgewalt die Tokio Charta in Kraft setzte. Im Gegensatz zur Nürnberger Charta war die Grundlage des Gerichtshofes keine internationale Vereinbarung, sondern eine militärische Anordnung.[2] Dieser Umstand wird als Indikator für den Einfluss der Vereinigten Staaten im Prozess gesehen,[3] aber auch als Grund, warum der Prozess im Gegensatz zu dem in Nürnberg weniger Aufmerksamkeit bekam.[2]

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Durchführung

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Neben militärischen Befehlshabern standen Politiker, Diplomaten und hohe Staatsbeamte vor Gericht.[4] Der politische Philosoph und Propagandist Ōkawa Shūmei stellte hierbei eine Ausnahme dar.[5] Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte Japans, Kaiser Hirohito, wurde nicht angeklagt und auch nicht als Zeuge vorgeladen.[6] Dieses und das Verhalten General Douglas MacArthurs und des Brigadier General Bonner Fellers, die sich nach dem Krieg bemühten, Kaiser Hirohito und die kaiserliche Familie vor Strafverfolgung zu schützen, wird unter anderem von den Historikern John Dower und Herbert Bix kritisiert. Die Verantwortlichkeiten der kaiserlichen Familie seien heruntergespielt und Tōjō Hideki – der zuletzt Japans Premierminister war – als Hauptschuldiger dargestellt worden.[7] MacArthur und Fellers hatten maßgeblichen Einfluss auf die Nachkriegsordnung Japans und auf die amerikanische Entscheidung, Kaiser Hirohito auf dem Thron zu belassen.[8]

Die Anklage wurde am 29. April 1946 erhoben. Die Verhandlungen begannen am 3. Mai 1946, die Urteilsverkündung erfolgte am 12. November 1948. Alle wesentlichen Originalunterlagen, Dokumente und Fotos sind abrufbar z. B. in der umfangreichen IMTFE – Digitalsammlung (The International Military Tribunal For The Far East) der University of Virginia Law Library[9] oder im National World War II Museum, New Orleans.[10]

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Ankläger

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Internationaler Militärgerichtshof für den Fernen Osten, Vorsitzender Richter: William F. Webb, 1946
Weitere Informationen Nr., Ankläger ...

Weitere Mitarbeiter des Anklägerteams: Solis Horowitz, Willis E. Mahoney

Anklagepunkte

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Kontext

Am Ende wurden 55 Anklagepunkte in zehn zusammengefasst. Zwei Punkte, „Verschwörung von Japan, Italien und Deutschland um Weltherrschaft“ und „Invasion in Thailand“, wurden aus Mangel an Beweisen nicht verhandelt.

Während in das Londoner Statut noch die Verfolgung aufgrund von religiösen Gründen aufgenommen worden war, wurde dieser Anklagegrund in Tokio gestrichen. Auch gab es in der Tokio Charta keine Vorschriften über das Verbot krimineller Organisationen wie in Nürnberg.

Die Formulierungen der Anklagepunkte wurde auch in Nachfolgeprozessen in China genutzt.[11]

Weitere Informationen Anklagepunkt, Inhalt ...
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Richter

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Alle 11 Richter, 29. Juli 1946

Vorsitzender (Präsident): William F. Webb

Weitere Informationen Nr., Richter ...
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Verteidigung

Die meisten Verteidiger kamen aus dem ehemaligen Kriegs-, Marine- oder Außenministerium oder auch von verschiedenen Rechtsanwaltskammern.[13] Mit den ebenfalls zugelassenen amerikanischen Verteidigern, die sich anders als die japanischen auch mit dem anglo-amerikanischen Recht auskannten, kam es zu heftigen Konflikten um die Verteidigungsstrategie. Während es den Japanern auf eine Gesamtverteidigung der Nation ankam, wollten die Amerikaner den Schwerpunkt auf die individuelle Verteidigung jedes einzelnen Angeklagten legen.[14]

Aus der Möglichkeit für das Gericht im MTFE-Statut, nach eigenem Ermessen Verteidiger von der Verhandlung ausschließen sowie die Beweiserbringung oder Beweisführung der Verteidigung zu beschränken, konstatieren einzelne „eine systematische Behinderung der Verteidigung“.[13]

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Angeklagte und Urteile

Weitere Informationen Nr., Angeklagter ...
1 S: schuldig; U: unschuldig; A: anderes
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Die Angeklagten während des Prozesses in Tokio

Als Urteil wurde das Mehrheitsvotum von Richtern aus den USA, Großbritannien, der Sowjetunion, der Republik China, Kanada und Neuseeland angenommen. Richter aus den Niederlanden, Frankreich, Indien, Philippinen und Australien veröffentlichten einzelne Minderheitsvoten. Besonders das Freispruchsvotum des indischen Richters Radhabinod Pal, der die Prozesse als Siegerjustiz betrachtete, wurde bekannt – wenn auch nur im Ausland; die Veröffentlichung seines Votums in Japan wurde von den Besatzungsmächten verboten. Von besonderem Interesse sind die Verurteilungen wegen „Führen eines Angriffskrieges gegen die UdSSR“, da die UdSSR vor dem Kriegsende Friedensvermittlungen zwischen Japan und den USA angekündigt hatte, am 8. August 1945 jedoch überraschend Japan den Krieg erklärte, wozu sie jedoch nach den Abkommen von Jalta gezwungen war. Die Anklage basiert in diesem Punkt auf den militärischen Auseinandersetzungen zwischen Japan und der Sowjetunion 1938/39. Die Todesurteile wurden am 23. Dezember 1948, dem 15. Geburtstag von Prinz Akihito, im Sugamo-Gefängnis in Tokio vollstreckt.

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Rezeption und Kritik

Zusammenfassung
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Der Prozess blieb außerhalb Asiens lange Zeit weit weniger beachtet als der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess.

Ein Grund wird in der unterschiedlichen Dokumentation der beiden Prozesse vermutet.[15] Schon kurz nach Beendigung des Nürnberger Tribunals wurden die Prozessprotokolle und –urteile im Jahr 1947 in englischer, französischer, russischer und deutscher Spreche veröffentlicht.[16] Nach Abschluss des Tokioter Tribunals wurden diese Dokumente lediglich den Beteiligten des Verfahrens übergeben.[15] Auf eine Veröffentlichung wurde zunächst verzichtet. Erst im Jahr 1968 wurden die Prozessmaterialien in japanischer Sprache öffentlich gemacht. Die englische Fassung der Prozessdokumente erschien erst Anfang der 1980er Jahre.[15]

Die NS-Behörden haben ihre Tätigkeit in weit mehr Akten festgehalten als die japanische Bürokratie, die traditionell eher auf Schriftlichkeit verzichtete. So lag in Nürnberg weit mehr schriftliches Beweismaterial als Grundlage einer späteren wissenschaftlichen Auseinandersetzung vor als in Tokio.[15] Möglicherweise wurden vor Prozessbeginn in Tokio auch belastende Dokumente vernichtet.[17] Die in Nürnberg angeklagten hohen NS-Vertreter waren zudem außerhalb Japans weit bekannter als die Angeklagten in Tokio.[18]

Japanische Nationalisten kritisieren das Militärtribunal bis heute als ungerechte Siegerjustiz,[19] nicht nur wegen der gravierenden Übersetzungsprobleme von der englischen in die japanische Sprache vor und während der Verhandlung, sondern etwa auch weil der philippinische Richter Delfin Jaranilla an dem Todesmarsch von Bataan teilnehmen musste und daher als befangen galt. Die Richter Henri Bernard, Bert Röling und Radhabinod Pal haben im Nachhinein die Legitimität des Gerichtshofs und die Rechtstaatlichkeit des Verfahrens bezweifelt.[19] Auch der Nürnberger Chefankläger Telford Taylor war der Meinung, die Kriegsverbrechen des japanischen Militärs seien im Gegensatz zum NS-Staat nicht auf Befehle der politischen Führung zurückgegangen, weshalb man die politische Führung in Japan nicht hätte anklagen dürfen.[20] Der Yasukuni-Schrein reihte denn auch vierzehn vom Tribunal verurteilte Japaner unter die für die Nation Gefallenen ein.[19] Generell werden die japanischen Kriegsverbrechen in Japan im Gegensatz zu den NS-Verbrechen in Deutschland nicht systematisch aufgearbeitet.[18][21][22] Vor dem Hintergrund der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki sah sich Japan lange als Opfer des Krieges, nicht als Täter.[23]

Mit der Aufnahme des Verbrechens des Angriffskrieges in den Katalog der Straftatbestände des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahr 2018 erhielt der Prozess wieder mehr internationale Aufmerksamkeit.[24]

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Literatur

  • Gary J. Bass: Judgment at Tokyo: World War II on Trial and the Making of Modern Asia. Knopf, New York 2023.
  • Arnold C. Brackman: The other Nuremberg. The untold story of the Tokyo war crimes trials. Morrow, New York NY 1987, ISBN 0-688-04783-1.
  • John L. Ginn: Sugamo Prison, Tokyo. An Account of the Trial and Sentencing of Japanese War Criminals in 1948, by a U.S. Participant. McFarland & Company, Jefferson NC u. a. 1992, ISBN 0-89950-739-5.
  • Jeanne Guillemin: Hidden Atrocities: Japanese Germ Warfare and American Obstruction of Justice at the Tokyo Trial. Columbia University Press, New York 2017, ISBN 978-0-231-18352-9.
  • Tim Maga: Judgment at Tokyo. The Japanese War Crimes Trials. University Press of Kentucky, Lexington KY 2001, ISBN 0-8131-2177-9.
  • Frank Michelin: Le procès des criminels de guerre japonais. L'Histoire. Nr. 271, 2002, S. 54–62.
  • Richard H. Minear: Victors' Justice. The Tokyo War Crimes Trial (= Michigan Classics in Japanese Studies. 22). Reprinted Edition. University of Michigan, Ann Arbor MI 2001, ISBN 1-929280-06-8.
  • Philipp Osten: Der Tokioter Kriegsverbrecherprozeß und die japanische Rechtswissenschaft (= Berliner Juristische Universitätsschriften. Strafrecht. 16). BWV – Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2003, ISBN 3-8305-0376-8 (Zugleich: Berlin, Humboldt-Universität, Dissertation, 2002).
  • Radhabinod B. Pal: International Military Tribunal For The Far East. Dissentient Judgement Of Justice Pal. Kokusho Kankoukai Inc., Tokyo 1999, ISBN 4-336-04110-5 (Volltext).
  • R. John Pritchard (Hrsg.): The Tokyo War Crimes Trial. The Complete Transcripts of the Proceedings of the International Military Tribunal for the Far East. 22 Bände. Garland, New York NY u. a. 1981.
  • Annette Wieviorka (Hrsg.): Les Procès de Nuremberg et de Tokyo. Éditions Complexe, Brüssel 1996, ISBN 2-87027-612-5.

Aufsätze

Japanische Sekundärliteratur

  • Awaya Kentaro: Tōkyō Saiban Shiryō. Tōkyō 1994.
  • Awaya Kentaro: Tōkyō Saiban e no Michi. Tōkyō 1994.
  • Awaya Kentaro: Tōkyō Saibanron. Tōkyō 1989.
  • Noboru Kojima: Tōkyō Saiban. Tōkyō 1974.

Deutsche und englische Sekundärliteratur

  • Ian Buruma: Erbschaft der Schuld. Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und Japan. Hanser, München u. a. 1994, ISBN 3-446-17602-0.
  • Roland Berger: Die internationalen Militärtribunale von Nürnberg und Tokio. Eine rechtshistorische Aufarbeitung. Johannes Kepler Universität Linz, März 2015 (Volltext online.)
  • Bernard V. A. Röling: The Tokyo Trial and Beyond. Reflections of a Peacemonger. Edited and with an introduction by Antonio Cassese. Polity Press, Cambridge 1993, ISBN 0-7456-1006-4.
  • Solis Horwitz: The Tokyo Trial. In: International Conciliation. Nr. 465, 1950, ZDB-ID 220444-7, S. 473–584.
  • Chihiro Hosoya, Nisuki Ando, Yasuaki Ōnuma, Richard Minear (Hrsg.): The Tokyo War Crimes Trial. An International Symposium. Kodansha, Tokyo 1986, ISBN 0-87011-750-5.
  • Philip R. Piccigallo: The Japanese on Trial. Allied war Crimes Operations in the East, 1945–1951. University of Texas Press, Austin TX u. a. 1979, ISBN 0-292-78033-8.
  • Zhang Sheng: The Rape of Nanking. De Gruyter Oldenbourg, Berlin, Boston 2021, ISBN 978-3-11-065233-8, Cases in the International Military Tribunal for the Far East Trial Arguments and Their “Legacy”. Based in a Study of Cross-examinations, S. 559604, doi:10.1515/9783110652789.
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Film und Fernsehen

Der Prozess ist Gegenstand eines 2006 erschienenen und dort viel beachteten chinesischen Films von Gao Qunshu, The Tokyo Trial (111 Min.), in drei Sprachversionen Mandarin, Englisch und Japanisch.

2016 produzierte der japanische Sender NHK die außerhalb Japans durch Netflix vertriebene Miniserie Tokyo Trial, die die Ereignisse aus Sicht der Richter zeigt.

2015 waren die Prozesse Gegenstand des arte-Films Death by hanging – der Kriegsverbrecherprozess von Tokio.[25]

Die fünfte Episode 1946. Die Tokioter Prozesse der achten Staffel der Arte-Dokumentationsreihe Verschollene Filmschätze analysiert die von dem Prozess gemachten Filmaufnahmen und ordnet sie ein.[26]

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Commons: Internationaler Militärgerichtshof für den Fernen Osten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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Einzelnachweise

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