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Codex Argenteus
gotische Handschrift des Neuen Testaments Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Der Codex Argenteus (lat. „Silberbibel“) ist eine um 505 entstandene byzantinische Purpurhandschrift der gotischen Ulfilabibel, die in der Universitätsbibliothek Carolina Rediviva in Uppsala aufbewahrt wird. Er enthält den ältesten erhaltenen Text einer germanischen Sprache.

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Umfang und Inhalt
Zusammenfassung
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Kodex in Uppsala
Der Kodex ist eine Abschrift der gotischen Bibelübersetzung (Wulfilabibel) des Bischofs Wulfila (lateinisch Ulfilas) (311–383). Die gotischen Schriftzeichen sind mit silber- und goldfarbener Tinte auf purpurgefärbtem Pergament geschrieben. Wie bei Purpurkodizes üblich sind nomina sacra in Goldtinte geschrieben. Die Bezeichnung Codex Argenteus taucht 1597 auf.[1] Auf jeder Seite der Handschrift sind am unteren Rand biblische Parallelstellen in Eusebischer Notation angegeben, die von Rundbögen umschlossen sind.
Der Codex Argenteus umfasste ursprünglich 336 Blätter, von denen 160 erhalten sind. Einschließlich des „Speyrer Fragments“ (siehe unten) sind 188 Blätter erhalten.[2] Im Codex Argenteus sind die vier Evangelien in der Reihenfolge Matthäus, Johannes, Lukas und Markus enthalten.[3] Der Text wurde von zwei Schreibern kopiert, nämlich Matthäus und Johannes von „Hand I“ und Lukas und Markus von „Hand II“.[4]
Speyrer Fragment
Dieses Fragment wurde 1970 bei Restaurierungsarbeiten in der Afrakapelle des Speyerer Doms gefunden. Es war auf einen Holzstab aufgerollt und lag in einem Reliquienkästchen, das sich in der Nähe des Altars unter dem Fußboden fand.[5] In der Folge wurde es als Speyrer Fragment bezeichnet. Dieses Blatt war das ursprünglich verschollene fol. 336 des Codex Argenteus. Es schließt sich genau an den Abbruch von Blatt 335 (187 verso) des Codex Argenteus an, die Purpurfärbung sowie die Gold- und Silberbuchstaben und selbst die Wurmfraß-Löcher der Blätter stimmen überein.[6]
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Geschichte
Zusammenfassung
Kontext
Der zwischen 500 und 510 in Norditalien vermutlich für Theoderich den Großen geschriebene Codex Argenteus war zuerst im Kloster Werden nachweisbar. Möglicherweise wurde die Handschrift vom heiligen Liudger (etwa 742–809), dem Gründer dieses Klosters, aus Italien nach Werden gebracht. 1569 wurde von Johannes Goropius Becanus (1519–1572) das gotische Vaterunser nach dem Text des Codex Argenteus veröffentlicht. Schon am Anfang des 17. Jahrhunderts war der Codex stark verstümmelt. Er wurde 1573 vom Abt Heinrich Duden an den späteren Kaiser Rudolf II. verkauft, der die Kostbarkeit nach Prag schaffte und in der Prager Burg verwahrte.
Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges fiel der Codex bei der Plünderung Prags schwedischen Truppen in die Hände. Im gleichen Jahr schickte Graf Königsmarck die Handschrift Königin Christina von Schweden (1626–1689) als Geschenk. Königin Christina reichte den Codex als Teil einer Bezahlung von Schulden an den niederländischen Altphilologen Isaac Vossius (1618–1689) weiter.[7] Vossius vertraute die Handschrift Franz Junius dem Jüngeren (1591–1677) an, der dort 1665 die Erstausgabe des Codex Argenteus herausgab und drucken ließ. Dafür ließ er eine Drucktype der gotischen Buchstaben anfertigen, welche nach England in den Besitz der Oxforder Universität gelangte.
Der schwedische Reichskanzler Magnus Gabriel de la Gardie (1622–1686), der zugleich Kanzler der Universität Uppsala war, ließ die Handschrift – noch vor der Erstedition durch Junius – 1665 in Silber binden. Er kam in den Besitz des Codex und schenkte 1669 diese verbliebenen 187 Blätter, versehen mit dem neu angefertigten Silbereinband, der dortigen Universitätsbibliothek, wo der Codex sich noch heute befindet.[8] In den 1920er Jahren wurde der Codex durch Hugo Ibscher restauriert.
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Ausgaben
Auf Junius’ Erstausgabe (Dordrecht 1665; Amsterdam 1684) folgten Ausgaben durch Georg Stiernhielm (Stockholm 1671) sowie eine verbesserte und überarbeitete Ausgabe durch Erik Benzelius und Edward Lye (Oxford 1750). Johan Ihre veröffentlichte 1752 und 1755 zwei kurze Aufsätze über den Codex unter dem Titel Ulphilas Illustratus. George Hickes veröffentlichte 1705 in seinem Thesaurus ein kurzes Faksimile. 1807 veröffentlichte Samuel Henshall das Matthäusevangelium. Die erste deutsche Ausgabe durch Zahn (Weissenfels 1805) enthielt eine gotische Grammatik von Fulda und ein Glossar von Reinwald.[9][10]
Textbeispiel
Der Text des Vaterunsers (Mt 6,9–13 EU) ist im Codex Argenteus auf fol. 4 verso, letzte Zeile, und auf fol. 5 recto, Zeilen 1 bis 12, zu finden. Der nachfolgenden Abschrift ist eine Transliteration beigefügt. Zur genaueren Beschreibung der Schriftzeichen, Interpunktion und Worttrennung des Vaterunsers im Codex Argenteus siehe Artikel Gotisches Alphabet.

Bedeutung
Der Codex Argenteus ist neben den 4 Blättern des Codex Gissensis, den 4 Blättern des Codex Carolinus, den 193 Blättern der Codices Ambrosiani A–E und dem Vatican MS. No. 5750 (beide Palimpseste) eines der wenigen erhaltenen Texte in moeso-gotischer Sprache.
Literatur
- Hans Ammerich: Das Bistum Speyer und seine Geschichte Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende der Salierzeit (1125). Echo, Kehl 1998. ISBN 3-927095-36-2
- Wilhelm Braune: Gotische Grammatik, Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. A: Hauptreihe, 19. Auflage 1981, bearbeitet von Ernst A. Ebbinghaus, Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2004, ISBN 3-484-10852-5
- Cornelis Dekker: The Origins of Old Germanic Studies in the Low Countries, Brill’s studies in intellectual history 92, Leiden 1999, ISBN 90-04-11031-3
- Peter Arnold Heuser: Zur Geschichte des Codex Argenteus im 16. Jahrhundert: Addenda. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 69 (2005), S. 133–152. Digitalisat.
- Tönnes Kleberg: Codex Argenteus. Silver Bibeln i Uppsala. Universitets Bibliotek, Uppsala 1954 (auf Deutsch: Codex Argenteus. Die Silberbibel von Uppsala. 4. bearbeitete Auflage. Almqvist & Wiksell, Uppsala 1981. ISBN 91-85092-14-2)
- Wolfgang Krause: Handbuch des Gotischen. Handbücher für das germanistische Studium, C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1963, 2., verbesserte Auflage
- Lars Munkhammar: The Silver Bible. Origins and History of the Codex Argenteus. Selenas, Uppsala 2011. ISBN 978-91-979609-0-8
- Reinhart Staats: Der Codex Argenteus und Philipp Melanchthon in Helmstedt. In: Daphnis 40 (2011), S. 377–409
- Wilhelm Streitberg (Hrsg.): Die Gotische Bibel. Erster Teil. Der gotische Text und seine griechische Vorlage. Mit Einleitung, Lesarten und Quellennachweisen sowie den kleinern Denkmälern als Anhang, Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1908
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Weblinks
Commons: Codex Argenteus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Digitalisat des Codex Argenteus im schwedischen Portal für Kulturerbe-Sammlungen, alvin-record:60279
- Digitale Rekonstruktion des Codex Argenteus: Matthäus-Evangelium – Sehr gut lesbar!
- Lars Munkhammar: Codex Argenteus. From Ravenna to Uppsala. The wanderings of a Gothic manuscript from the early sixth century (ausführlichere Darstellung der Überlieferungsgeschichte in englischer Sprache)
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Einzelnachweise
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