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Codex Gregorianus

historische Gesetzesammlung Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Der Codex Gregorianus (entspricht oströmischer Bezeichnung;[1] in Westrom: Gregorianus,[2] Corpus Gregoriani;[3] generell kurz: CG) ist eine um die Wende vom 3. auf das 4. Jahrhundert verfasste und nach systematischen Gesichtspunkten zusammengestellte Privatsammlung von Juristenschriften und Kaiserkonstitutionen, der Gesetzeskraft beigemessen war. Der Codex gehört in die Zeit des nachklassischen Rechts, ist selbst im Urtext als Ganzes nicht erhalten geblieben, findet sich aber in mehreren späteren Sammlungen und Rechtsquellen wieder, etwa dem Codex Iustinianus, die soliden Aufschluss geben.

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Geschichte des Codex

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Erstellt wurde das Werk wohl 291 auf Veranlassung des römischen Kaisers Diokletian in Rom.[4] Theodor Mommsen und andere waren noch von einer Erstellung in Beirut ausgegangen,[5][6] zudem zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich zwischen 297 und 302. Die später entstandene Mosaicarum et Romanarum legum collatio gibt mehrere Hinweise auf die Entstehung von Gesetzen und datiert auf die 290er-Jahre.[7]

Diokletian hatte einem der Vorsteher seiner Libellkanzlei (vermutlich war sein Name Gregorius[8]) den Auftrag erteilt, alle kaiserlichen Entscheidungen seit Hadrian zu sammeln und zu veröffentlichen. Der zumeist gebrauchte Werksbegriff „Privatsammlung“ darf dabei aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Codex verbindliches Recht enthielt, das Außenwirkung gegenüber der Gesellschaft erzielte. Dass Diokletian es unterließ, den Senat zur Beschlussfassung heranzuziehen, steht dem hoheitlichen Charakter der Anordnungen ebenfalls nicht entgegen, denn die Rechtsaufsicht unterstand dem Kaiser bereits. Das betraf nicht allein die Konstitutionen, von denen gesetzgebende Eigenschaften ausgingen, sondern auch die Verwaltungsarbeit, die administrativen (bürokratischen) Vorgänge im Staat.[9] Mit dem Auftrag an seinen Spitzenbeamten verband Diokletian ein Doppeltes: Die seit Hadrian verfassten Anordnungen wurden in die Gesetzeskraft einbezogen, blieben rechtsverbindlich. Die eigene Anordnungen wurden auf ihn allein – als kaiserliche Behörde – zugeschnitten, entzogen sich damit den Legitimationsvorbehalten durch Gremien außerhalb seines Beamtenapparats.

Gegen Ende des 3. Jahrhunderts umfasste das römische Privatrecht zwei große Schriftmassen. Zum einen waren das die verbindlichen Juristenschriften (iura), zum anderen waren das Kaiserentscheidungen (constitutiones). Kaiserliche Entscheidungen wurden zum Teil wieder als leges bezeichnet, insbesondere aber lagen Reskripte vor, die je einzelfallbezogen, bürgerliche Rechtsfragen und Anträge beschieden.[10] Unter den mehreren tausend kaiserlichen Äußerungen aus der Zeit von Hadrian bis zum Jahr 291, befanden sich außerdem Bescheide an Beamte und hochgestellte Private (epistulae), Dienstanweisungen an Verwaltungsträger (mandata), Urteile des Kaisergerichts (decreta), Notierungen zu mündlich erteilten Bescheiden und kaiserliche Edikte (edicta). Lücken fallen bezüglich der Kaiser Elagabal und Maximinus Thrax auf. Vereinzelt sind Diokletian und Mitkaiser erfasst.[11] Die Normenhierarchie war so gestaltet, dass die Kaiserkonstitutionen gegenüber den klassischen Juristenschriften Vorrang genossen, sie galten als höherrangiges Recht. Die im Codex Gregorianus aufgenommenen Juristenschriften entstammten der hoch- und spätklassischen Epoche. Deren Vertreter waren Gaius und Ulpius Marcellus, Rechtsgelehrte der späten Hochklassik, daneben Papinian und Ulpian, je Repräsentanten der Spätklassik. Diokletian war daran gelegen, dass die beiden Rechtsmassen allgemein zugänglich gemacht würden. Da der Kodex nach seiner Fertigstellung rasche Anerkennung fand, gab Diokletian wenig später noch den in der Zeit um 293/294 entstandenen Codex Hermogenianus in Auftrag. Verfasst wurde dieser Codex vom namengebenden Hermogenian (selbiger bekannt auch für die Abfassung der iuris epitomae). Hermogenian war Kanzleileiter (magister libellorum) in der Spitzenbehörde des Kaisers in den Jahren von 293 bis 295.

Nach seiner Fertigstellung gliederte sich das Werk in 15 oder 16 Bücher (libri) mit je 20 bis 40 Sachtiteln. Detlef Liebs bezweifelt dabei eine korrekte Überlieferung durch die Collatio,[12] wonach 19 Bücher beinhaltet gewesen sein sollen.[13] Es handelte sich nicht mehr um Buchrollen, das Nachschlagewerk war vergleichbar einem heutigen Buch, gebunden. Über den Kompilator selbst ist nichts bekannt, außer dass er über herausragende juristische Fähigkeiten verfügt haben muss. Seine – wohl häufig belehrend wirkende – didaktische Methode war der römischen Tradition verpflichtet.[14] Bezüglich der Gestaltung des Werkes stellt Liebs fest, dass Gregorianus (oder Gregorius) den Stoff sehr tief durchgegliedert hatte und dabei neue Rechtsgattungen entstanden seien. Sich der Auffassung von Fritz Schulz entgegenstellend,[15] geht Liebs zudem davon aus, dass bis dahin keine vergleichbaren Kompilationen geschaffen worden waren. Seinem Inhalt nach stelle das Werk insoweit etwas Neues dar, als der Verfasser auch fremde Substanz in das Werk aufgenommen hatte, etwa die libri XX aus der Rechtsschule von Beirut, Abhandlungen zum Werk De constitutionibus. Geordnet seien die Materien nach einem „modifizierten Digestensystem“ (heute „Codexsystem“), das sich methodisch bereits weit von den hochklassischen Digestenwerken entfernt habe.[13] Aufgrund des Fehlens ursprünglicher Skriptfassungen und in Ermangelung sekundärer Überlieferungsliteratur, gestaltet sich für die Quellenforschung die Klärung der Frage schwierig, ob der Autor in die Inhalte eingegriffen hatte. Gleichwohl kommt sie zu dem Ergebnis, dass prägregorianische Texte, die später in den Codex Iustinianus eingeflossen sind, für den Codex noch gekürzt und teils gestrichen worden waren. Diverse Texte seien zudem auf Inhaltsangaben reduziert worden und bezüglich präpertinakischer Konstitutionen in weiten Teilen gar nicht mehr wiedergegeben worden; stattdessen seien Wiedergaben der klassischen Juristenliteratur entnommen worden.[16][13]

Das zusammengeführte Material, das wohl vornehmlich aus römischen Zentralarchiven, von syrischen und Beiruter Adressen und aus sonstigen Provinzen[17] stammte, blieb nicht erhalten, war aber vor seinem Untergang noch in den 534 geschaffenen Codex Iustinianus aufgenommen worden, der Bestandteil des später so bezeichneten Corpus iuris civilis wurde. Bereits im 4. und 5. Jahrhundert fanden Auszüge daraus Einlass in die anonymen Werke der eingangs bereits erwähnten Mosaicarum et Romanarum legum collatio, die Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti und auch in die Fragmenta Vaticana.[18] Eine Wiederaufnahme der Leitgedanken des Codex Gregorianus kann in der offiziellen Konstitutionensammlung des Kaisers Theodosius II. erblickt werden, der im 5. Jahrhundert den Codex Theodosianus (438) publizieren ließ, versehen mit mehr als 3000 Konstitutionen seit der Regierungszeit des Kaisers Konstantin.[10] Dieser Kodex enthielt vornehmlich Verwaltungsrecht, weshalb er für die Forschung zu den spätantiken Verwaltungszuständen eine hervorragende Quelle darstellt.[19] Weiterhin ist ausgetragen,[20] dass der Text des Codex Gregorianus maßgebenden Einfluss auf den Inhalt der Sententiae Syriacae hatte.

Die Fragmenta Londiniensia Anteiustiniana, siebzehn Pergamentfragmente, wurden in den Jahren 2009/10 als vermutliche Überreste des Codex Gregorianus identifiziert.[21][22]

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Rechtshistorische Einbettung

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Die beiden ersten nachchristlichen Jahrhunderte waren für Rom von Wirtschaftswachstum und Wohlstand geprägt, wenngleich die Alleinherrschaft des Kaisers aus der von Augustus eingerichteten Mischverfassung auf angreifbaren Füßen jedenfalls dann gestanden hätte, wäre seine Akzeptanz (gewaltsamem) Widerstand begegnet.[23] Der Zeitabschnitt der spätantiken Regentschaften von Diokletian zu Konstantin, brachte einschneidende Staatsreformen mit sich. Insbesondere wurde die Bürokratie stark zentralisiert, was den Regimen gelegentlich das Etikett des Betriebs eines „Zwangsstaates“ einbrachte.[24] Der Entwicklung des römischen Privatrechts kam dies zugute, denn viele Eigenschaften des hergebrachten Rechts, des ius vetus, wurden beibehalten. Gerichtswesen und Rechtspflege oblagen weiterhin dem Prätor, Urteile fällte der private Richter (iudex). Staatliche Gesetzgebung spielte eine untergeordnete Rolle. Die bereits während des Prinzipats eingesetzten Respondierjuristen entwickelten das Privatrecht in sachlicher Hinsicht weiter, der Juristenstand war noch leistungsfähig. Mit Beginn des 3. Jahrhunderts waren die wesentlichen juristischen Leistungen allerdings erbracht, denn den großen Ediktskommentaren und der dazu angefertigten Problemliteratur (disputationes und quaestiones), wurde in folgenden Auflagen nicht mehr viel (Neues) hinzugefügt.[25]

Die Aktivitäten der Reskriptskanzleien Diokletians und die Rechtssammlungen der Codizes Gregorianus und Hermogenianus gelten gemeinhin als Abschluss der klassischen Rechtskultur. Einem Ulpian, Paulus oder Modestin vergleichbare Juristen traten fortan nicht mehr in Erscheinung. Stattdessen setze im römischen Rechtsdenken eine gewisse Orientalisierung[26] und sukzessive Vulgarisierung ein. Gründe dafür lassen sich im überreichen Angebot an juristischer Literatur einerseits finden, andererseits destabilisierte sich das Reich politisch und wirtschaftlich ab dem 3. Jahrhundert zunehmend.[25] Das Streben nach Anschaulichkeit, Volksnähe und effizienter Rechtsordnung führte zur Kassation überholter Gerichtsstrukturen. Der Formularprozess wurde durch die kaiserliche Gerichtsbarkeit ersetzt. Die Beamten des neu eingerichteten Kognitionsverfahrens entschieden nicht mehr auf Grundlage eines Edikts, sondern auf verwaltungsrechtliche Weisung hin. Auf diese nahm die wissenschaftliche Jurisprudenz kaum mehr Einfluss. Bedeutende Rechtsgeschäfte wie die mancipatio oder die in iure cessio erlagen den einfacheren Regeln einer traditio, das Spektrum der Lehrmeinungen wurde deutlich verkürzt und auf wenige Autoritäten begrenzt. Außerdem wurden die rechtlichen Bindungswirkungen der unterschiedlichen Rechtsschichten aufgegeben; das betraf das Nebeneinander von ius civile, honorarium und gentium. Die verschiedenen Rechtsebenen wurden schlichtweg als unzeitgemäß erachtet.[10][27]

Fortschreibungen und Weiterverarbeitungen der im Codex enthaltenen Auszüge der Bücher 35 bis 38 der ulpianischen libri ad Sabinus – sie richteten sich an den Rechtsschulbegründer der Sabinianer und Prokulianer, Masurius Sabinus (1. Jahrhundert) – finden sich in den der Rechtsschule von Beirut zugeordneten Scholia Sinaitica.[28] Neben zweien aus dem Codex Hermogenianus, fanden dreiundzwanzig gregorianische Reskripte Einlass in die Lex Romana Visigothorum des tolosanischen Königs Alarich. Zehn der gregorianischen und beide hermogenianischen Reskripte wurden dabei mit Auslegungsanleitungen (interpretationes) versehen. Ursprünglich dienten sie der Erläuterung klassischer Rechtstexte, heute geben sie Aufschluss über Bedeutung und Inhalt des spätantiken römischen Rechts.[29]

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Verbreitung

Die Nutzung des Codex war eine bedeutende Rechtsvorgabe und ist mehrfach bezeugt. Allein zehn Meldungen kamen im 5. und 6. Jahrhundert aus Gallien.[30] Vier weitere kamen bis 500 n. Chr. aus dem italischen Raum,[31] um 300 und 420 n. Chr. kamen zwei aus Africa,[32] und in der Zeit des 5. und frühen 6. Jahrhunderts[33] acht aus den östlichen Reichsgebieten.[34]

Siehe auch

Ausgaben

  • Gustav Friedrich Hänel: Codicis Gregoriani et codicis Hermogeniani fragmenta (Corpus iuris Romani anteiustiniani consilio professorum Bonnensium) (sog. Bonner Corpus iuris). Band II, Marcus 1837, S. 3 ff.
  • Paul Krüger: Collectio librorum juris antejustiniani in usum scholarum. Weidmann, Berlin 1878, Titel Band III: Fragmenta Vaticana Mosaicarum et Romanarum legum collatio; Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti codices Gregorianus et Hermogenianus alia minora, S. 230 ff. (archive.org).
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Literatur

  • Max Conrat (Cohn): Zur Kultur des Römischen Rechts im Westen des Römischen Reiches im vierten und fünften Jahrhundert nach Christi, Mélanges Fitting I, Montpellier 1907, S. 289–320.
  • Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n.Chr.), Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 134–137.
  • Ulrich Manthe: Geschichte des römischen Rechts (= Beck’sche Reihe. 2132). Beck, München 2000, ISBN 3-406-44732-5, S. 106–110.
  • Fritz Schulz: Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, (erschienen zuerst in englischer Übersetzung unter dem Titel: History of Roman legal science, 1946), Weimar, Boehlau, 1961, S. 208 f.
  • Paul Jörs: Codex Gregorianus. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV,1, Stuttgart 1900, Sp. 161–164.
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Anmerkungen

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