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Gerichtskampf zwischen Mann und Frau (Hans Talhoffer)

mittelalterliche Abbildungen mit Erklärungstexten zu einem Zweikampf, 1459/1467 Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Gerichtskampf zwischen Mann und Frau (Hans Talhoffer)
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Der Gerichtskampf zwischen Mann und Frau ist die Darstellung eines gerichtlichen Zweikampfs von Hans Talhoffer in den Exemplaren seines Fechtbuchs von 1459 und von 1467. Diese spätmittelalterlichen Abbildungen sind die frühesten eines solchen Kampfes in einem Fechtbuch. Damit und in den beigegebenen Erläuterungen ist in diesen Kodizes dokumentiert, dass Gerichtsfälle im ausgehenden Mittelalter auch von Frauen durch Zweikampf entschieden werden konnten bzw. durften.

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Anfangsstellung für den Gerichtskampf zwischen Mann (rechts in der Grube) und Frau (links), 1467, 122v
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Das Halsbrechen, 1459, 82r
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Mit dem steinbeschwerten Schleier betäuben – zu Fall bringen, 1459, 83r
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Mit dem Kolben vor die Brust schlagen – mit dem Schleier würgen, 1467, 126r
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Aus der Grube ziehen, 1467, 126v
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Hintergrund

Zusammenfassung
Kontext

In Talhoffers Fechtbuch werden die Gattungen des gerichtlichen Zweikampfs beschrieben. Es ist in sechs Handschriften überliefert. Das ursprüngliche Exemplar mit Besitzeintrag Talhoffers stammt von 1443.[1]

Lediglich zwei Exemplare befassen sich mit dem Gerichtskampf zwischen Mann und Frau. Das von 1459 befand sich zunächst im Eigentum Talhoffers und gelangte später in die Privatsammlung des dänischen Grafen Otto Thott, der es 1785 der Dänischen Königlichen Bibliothek vermachte, dort wird es unter der Signatur Thott 290 2° geführt. Die Datumsangabe sowie der Eigentumseintrag Talhoffers finden sich auf Folio 103v.[2][3]

Die Abschrift von 1467 gehört zur dritten Redaktionsstufe. Sie wurde von Talhoffers Schüler Graf Eberhard im Bart bei einem für ihn arbeitenden Skriptorium in Auftrag gegeben. Nach anschließender Aufbewahrung in der Alten Hofbibliothek in München kam sie im Dreißigjährigen Krieg als Beutekunst nach Gotha und wurde 1951 von der Bayerischen Staatsbibliothek (zurück)gekauft und unter der Signatur Cod. Icon. 394a geführt.[1]

Letztere ordnet das Werk ausdrücklich dem Signaturfach Codices iconographiciBildhandschriften mit wenig oder nur erläuterndem Text zu.[1] Das Kopenhagener Exemplar enthält im Gegensatz zum Münchener einen einleitenden „Vorbericht“. Die Erklärungstexte zu den Abbildungen selbst fallen wiederum kürzer aus und weichen teilweise inhaltlich vom Münchener Exemplar ab.

Die Texte sind in frühneuhochdeutscher Sprache abgefasst. Im Vorbericht von 1459 werden die Zulässigkeit eines Kampfes und die beim Kampf geltenden Verhaltensregeln behandelt.

Sieben besonders schwerwiegende „Straftaten“, die im Sinne eines Gottesurteils einen Zweikampf auf Leben und Tod rechtfertigen können, werden aufgeführt. Die letztgenannte ist die Vergewaltigung einer Jungfrau oder Frau („ainer junckfrowen oder frowen benotzogt“).[4] Gerichtskämpfe waren nur zwischen Fremden erlaubt. Durch einen entsprechenden Schwur von sieben Männern aus der männlichen oder weiblichen Verwandtschaftslinie der Kläger/Beklagten sollten Kämpfe zwischen Personen bis zum fünften Verwandtschaftsgrad ausgeschlossen werden („wenn zween mann gesinnt sind biß uff die| fünffte sipp oder näher die mügent durch| recht nit mit ein ander kempfen“).[5] Zur Vorbereitung auf den Kampf waren den Streitenden vom Gericht sechs Wochen zu gewähren. In dieser Zeit durften sie auch Unterricht bei Fechtmeistern nehmen („So werdent im sechß wochen ertailt| zu sinem lertag“).[6] Talhoffer weist – nicht uneigennützig – darauf hin, dass es notwendig sei, hinsichtlich der Auswahl seines Lehrmeisters zu verstehen („notturfftlich zu uerstend“), dass man einen Meister daran erkenne, dass er die echte Kunst beherrsche, fromm sei, den Schützling nicht ausnutze und ihm nicht Teile der Lehre vorenthalte („dz sin kunst recht und gewer sy und dz er frum sy und dich nit| veruntruwe und dich nit verkürtz in der lerr“).[7]

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Abbildungen mit Erklärungstexten

Zusammenfassung
Kontext

Im Lichte der im Vorbericht geforderten fairen Kampfbedingungen für körperlich benachteiligte Personen, die bis zu einer Stellvertretung im Kampf durch Dritte gehen konnte („Es mag auch der lam oder mit den| bosen ougen wol einen an ir statt gewinnen der für| iro ainen kempfe“),[5] erscheint der Kampf des Mannes gegen die Frau aus einer hüfttiefen Grube heraus als Maßnahme des Chancenausgleichs.[5] Die Waffen für Mann und Frau waren geschlechtsspezifisch vorgegeben (vgl. Erläuterungen und Abbildung zur Anfangsstellung 1467, 122v).[8]

Lediglich im Kopenhagener Exemplar wird neben dem Kampfgeschehen auch der abgesteckte Kampfplatz dargestellt.

Weitere Informationen Thott 290 2°, Kopenhagen, 1459, BSB Cod. Icon. 394a, München, 1467 ...
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Kampfgewand
In den der Kampfausrüstung gewidmeten Ausführungen stellt Talhoffer das empfohlene, enganliegende Kampfgewand gesondert dar, dessen Kapuze, Jacke und Hose Nestellöcher aufweisen, an denen sie mit Nestelbändern miteinander verschnürt werden.[9]
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Rezeption

Im Auftrag eines geschichtskundlich ausgerichteten Internetkanals wurde in Anlehnung an experimentalarchäologische Methoden ein Versuch nach den Vorgaben im Kopenhagener Kodex durchgeführt, der dazu dienen sollte, die Chancen für Frau und Mann in einem solchen Kampf abzuschätzen. Beide Probanden gelangten zu der Ansicht, dass die Siegchancen durch die geforderten Waffen und die tiefere Position des Mannes weitgehend gerecht verteilt seien.[10]

Ausgaben

  • Hans Thalhofer: Alte Armatur und Ringkunst, Sign. Thott 290 2°, København, Kongelige Bibliotek, 1459 (www5.kb.dk)(dänisch), (archive.org), (web.archive.org).
  • Fechtbuch von 1467 - BSB Cod. Icon. 394a (ehem. Gotha, Memb. I 114). München, Bayerische Staatsbibliothek, 1467 (digitale-sammlungen.de).

Literatur

  • Gustav Hergsell (Hrsg.): Talhoffers Fechthandbuch aus dem Jahre 1467. J. G. Calve’sche Hof- und Universitätsbuchhandlung, Prag 1887 (Gothaer Handschrift), S. 43 f. (archive.org).
  • Walther Kabel: Zweikämpfe zwischen Mann und Weib. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens. Band 3. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1911, S. 208–210 (wikisource.org [abgerufen am 19. Dezember 2021]).
  • Rainer Leng: 38.3.43 København, Kongelige Bibliotek, Thott 290 2°. In: Hella Frühmorgen-Voss†, Norbert H. Ott, Ulrike Bodemann, Christine Stöllinger-Löser: Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters. Band 4/2, Lfg. 1/2, 38. Fecht- und Ringbücher. Bayerische Akademie der Wissenschaften 2009, C. H. Beck, München, ISBN 978-3-7696-0937-0, S. 47–51 (www5.kb.dk).
  • Hermann Nottarp: Gottesurteilstudien (= Bamberger Abhandlungen und Forschungen, Bd. 2). München 1956, S. 294–305.
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Einzelnachweise

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