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Hydroxycarbamid

chemische Verbindung, Zytostatikum Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hydroxycarbamid
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Hydroxycarbamid (INN), auch Hydroxyharnstoff oder Hydroxyurea, ist ein Zytostatikum, das zur Behandlung insbesondere von malignen Bluterkrankungen (Leukämien, Myeloproliferative Neoplasien) eingesetzt wird. Es ist auch für die Behandlung der Sichelzellkrankheit zugelassen.

Schnelle Fakten Strukturformel, Allgemeines ...

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Wirkungsmechanismus

Die Wirkung der Substanz beruht auf der Hemmung des Enzyms Ribonukleotidreduktase, welche die Ribose zur Desoxyribose reduziert. Diese verläuft über einen radikalischen Mechanismus, der die Bildung eines Tyrosinradikals im aktiven Zentrum des Enzyms erfordert. Das stabile Tyrosinradikal entsteht durch ein nahegelegenes Eisenzentrum, welches aus zwei Fe3+ besteht. Hydroxyharnstoff komplexiert das Eisen und bewirkt die Reduktion des Eisens zum Fe2+, wodurch die DNA-Synthesekapazität der jeweiligen Zelle deutlich eingeschränkt wird.[3]

Hydroxyharnstoff ist außerdem ein Ureaseinhibitor.[4]

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Pharmakokinetik

Nach oraler Gabe wird Hydroxycarbamid schnell aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert. Die genaue Bioverfügbarkeit ist nicht bekannt, scheint aber hoch zu sein (kein wesentlicher Unterschied in den Spiegeln bei oraler versus i.v. Gabe). Die maximale Serumkonzentration wird etwa 2 Stunden nach Einnahme erreicht. Da das Molekül relativ klein ist, diffundiert Hydroxycarbamid gut in verschiedene Körperkompartimente. Bei höheren Blutspiegeln wird auch die Blut-Hirn-Schranke überwunden und es erfolgt ein Übertritt in den Liquor. Die Substanz dringt auch in Aszites, Pleuraergüsse und in die Muttermilch ein. Der Mechanismus der Biotransformation bzw. Metabolisierung ist nicht genau bekannt. Eine Metabolisierung über das Cytochrom P450-System erfolgt nicht. Die Substanz wird in unveränderter Form überwiegend über die Nieren ausgeschieden.

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Medizinische Anwendung

Zusammenfassung
Kontext

Bei myeloproliferativen Erkrankungen

Hydroxycarbamid findet Anwendung zur zytoreduktiven Therapie bei myeloproliferativen Erkrankungen (Chronische myeloische Leukämie (CML), Polycythaemia vera, Essentielle Thrombozythämie, Osteomyelofibrose). Die Anwendung bei CML ist nach der Einführung von Imatinib (Glivec) stark zurückgegangen, aber in bestimmten Situationen kann der Einsatz von Hydroxycarbamid weiterhin sinnvoll sein. Bei Polycythaemia vera ist zunächst der regelmäßige Aderlass meist die Behandlungsmethode der Wahl, bei deutlich erhöhten Leukozytenzahlen oder Thrombozytenzahlen kann der Einsatz von Hydroxycarbamid jedoch sinnvoll sein. Auch hier ist die Verwendung von Hydroxycarbamid seit Zulassung von Ruxolitinib (Jakavi) im Jahr 2012 zurückgegangen. Ein klassisches Einsatzgebiet ist auch die essentielle Thrombozythämie, hier konkurriert die Substanz mit dem Medikament Anagrelid (Xagrid). Die Osteomyelofibrose ist ebenfalls ein typisches Einsatzfeld.

Sichelzellkrankheit

Durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA wurde die Substanz auch zur Behandlung der Sichelzellkrankheit zugelassen.[5] Am 29. Juni 2007 erhielt die Firma Addmedica (Paris) die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Hydroxycarbamid (Siklos) für diese Indikation.[6] Bei Patienten mit Sichelzellkrankheit kommt es gelegentlich zu mitunter lebensbedrohlichen und schmerzhaften vaso-okklusiven Krisen, d. h. Gefäßverschlüssen durch Zusammenklumpung von Sichelzellen. Hydroxycarbamid steigert die Synthese des fetalen Hämoglobins (HbF), das bei Erwachsenen üblicherweise nur noch in Spuren produziert wird. Ein prozentual erhöhter intraerythrozytärer Anteil von HbF wirkt einer Aggregation des Sichelzellhämoglobins (HbS) entgegen. In mehreren klinischen Studien konnte die Wirksamkeit im Rahmen vaso-okklusiver Krisen gezeigt werden.[7]

Antiretrovirale Therapie bei HIV-Infektion

Eine Reihe von klinischen Studien hat die Kombination von Hydroxycarbamid mit antiretroviralen Substanzen zur Therapie der HIV-Infektion untersucht. Dabei zeigten sich uneinheitliche Ergebnisse.[8][9][10] Eine Anwendung sollte daher nur innerhalb von kontrollierten klinischen Studien erfolgen. Eine Zulassung für die Behandlung der HIV-Infektion hat die Substanz nicht.

Off-Label-Use

Hinweise zur Anwendung von Hydroxycarbamid bei chronischer myelomonozytärer Leukämie (CMML) gemäß §30 Abs. 2 AM-RL.[11]

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Nebenwirkungen

Mögliche Nebenwirkungen sind zum Beispiel: Benommenheit, Übelkeit, Erbrechen (selten), Diarrhoe, Verstopfung, Mundschleimhautentzündung (selten), Appetitverlust, Haarausfall, Hautausschlag, Leberwerterhöhung (meist vorübergehend). Die medizinisch bedeutsamste Nebenwirkung ist die dämpfende Wirkung nicht nur auf die Bluterkrankung, sondern auch auf die gesunde Blutbildung (Myelosuppression). Diese Wirkung limitiert meist die Dosis, die gegeben werden kann. Eine wichtige Nebenwirkung ist auch die Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut. Bei entsprechend prädisponierten Patienten kann es dadurch zur Verschlechterung der Nierenfunktion oder sogar zum Gichtanfall kommen. Die Frage, ob Hydroxycarbamid ein leukämogenes Potential hat, d. h. ob bei einer Behandlung ein erhöhtes Risiko besteht, später an einer Leukämie zu erkranken, wird kontrovers diskutiert. Wahrscheinlich ist von einem geringen Risiko auszugehen.[12] Es wurde außerdem über vereinzelte Fälle von Patienten mit Spinaliomen (Plattenepithelkarzinomen der Haut) nach Hydroxycarbamid-Therapie berichtet.[13]

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Anwendung in der Schwangerschaft

Hydroxycarbamid ist im Tierversuch eindeutig genotoxisch und embryotoxisch. Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten Hydroxycarbamid nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt absetzen.

Handelsnamen

Monopräparate

Litalir (D, A, CH), Siklos (A), Syrea (D), Hydrea (D, A), Xromi (EU)[14]

Einzelnachweise

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