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Johanne Juliane Schubert

deutsche Weberin und Volksdichterin aus dem heutigen Niederschlesien (1776-1864) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Johanne Juliane Schubert
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Johanne Juliane Schubert, geborene May (* 25. November 1776 in Würgsdorf bei Bolkenhain; † 7. April 1864 in Würgsdorf) war eine Weberin und heute unbekannte[1] deutsche Volksdichterin aus dem heutigen Niederschlesien. Von ihr stammen zahlreiche, recht unbekannte Gedichte, die häufig mit der christlichen Pilgermotivik durchwoben sind und motivisch stark an John Bunyans Pilgerreise erinnern. Johanne Juliane Schubert galt zu Lebzeiten als eine „Naturdichterin“ mit angeborenem Dichtertalent.[2]

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Bildnis der Johanne Juliane Schubert
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Leben

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Johanne Juliane Schubert wurde in Würgsdorf in eine Weberfamilie hineingeboren und wuchs dort auf. Schon als kleines Kind musste sie das Weberhandwerk von ihren Eltern erlernen, um diese bei der Arbeit und beim Broterwerb unterstützen zu können. Mit acht Jahren ging sie auf die Dorfschule in den Unterricht des damaligen Schullehrers, Herrn Knittel. Als dieser 1792 im Alter von 32 Jahren starb, dichtete Schubert das erste Mal ihrer Aussage nach Verse. Diese verließ sie 1789 wieder, also mit 12 oder 13 Jahren. Ihre Kindheit war von Armut und Krankheit geprägt. 1792 starb ihre einzig noch lebende Schwester – alle anderen Geschwister waren schon zuvor verstorben. Im Zuge der Trauerbewältigung wendete sich Schubert der Stille, der Natur und der Literatur zu und begann, die Bunzlauer Monatsschrift und die darin enthaltene Gedichte zu lesen. Im Zuge dessen wendete sie sich auch selbst der Dichtung eigener Gedichte zu. 1799 heiratete sie sieben Jahre später den Mann ihrer verstorbenen Schwester, den Weber Ehrenfried Schubert. Johanne Juliane Schubert schrieb, sie sei Mutter zweier Kinder gewesen, von denen eins allerdings starb. 1796 wurde der Bolkenhainer Pfarrer Ulrich auf ihre Gedichte aufmerksam und machte sie mit der Zeit in der Region bekannt. Der Pfarrer Johann Gottfried Dobermann aus Leutmannsdorf veröffentlichte einige dieser Gedichte in seinen Vierteljahrschriften. Durch die Freundschaft mit Personen aus belesenen und studierten Kreisen las und rezipierte Schubert neben ihrer eigenen Dichtungstätigkeit u. a. Gedichte und Schriften von Hagedorn, Wieland, Tiedges Elegien und dessen Urania, Klopstocks Messias, Goethe und Schiller.[3]

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Werk und Wirken

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Titelblatt des 1810 erschienenen Buches

Schuberts Buch mit der Gedichtsammlung wurde 1810 in der ersten Auflage in Reichenbach vom königlich privilegierten Drucker Ernst Müller gedruckt und herausgegeben. Ein Jahr später folgte bereits eine zweite, verbesserte Auflage.

Beispielsgedicht

Der Sommermorgen auf dem Riesengebirge

Die Sonne schien, der Nebel wich, -
Wie schön! o welche prächtig hohe Scene!
Besinge sie auch so feierlich,
Zu schwach, o Muse, bleiben deine Töne.

Anbeten Kann die Seele nur,
Anbeten nur, und dann voll Ehrfurcht schweigen,
Wenn feierlich vom Schöpfer der Natur
Die Werke seiner Huld und Allmacht zeigen. -

Du sahest sie, o Freund! und schön
Wird dich gewiß der Morgen oft umschweben,
Noch oft der kühlen Sommerwinde Wehn
Dein Herz zu sanftem Hochgefühl erheben.

Wirst oft die Aussicht sehn, die hier
Die schönsten Blumen reiner Luft dir streute;
Oft sagen: Schön, o Morgen! war’st du mir,
Wo ich mich dein im Glück der Freundschaft freute.

So schön, wie dieser Morgen war,
Sei, Edler! stets dein Pilgerpfad durchs Leben!
Es müsse dich zum grauen Silberhaar
Der reinsten Freude Rosenduft umschweben!

Sei dann noch Lehrer, sei noch Freund
Den Guten, die nach deiner Leitung handeln,
Jm Glück und Leiden brüderlich vereint,
Mit dir den Pfad zu höh’rer Wonne wandeln.[4]

Christliche Pilgermotivik

Der Begriff „Pilger“ taucht 16-mal im Œuvre Schuberts auf, die Komposita „Pilgerfahrt“ fünfmal, „Pilgerpfad“ ebenfalls fünfmal und „Pilgerbahn“ viermal. Daneben sind zahlreiche weitere, semantisch verwandte Begriffe wie „Weg“, „Bahn“ und „Ziel“ dort belegt. Die allegorische Übertragung der Pilgerreise als einen vor allem im Mittelalter vorherrschenden Akt, an eine heilige Stätte zu pilgern, wurde im Zuge der Reformation auf das geistliche Leben im irdischen Diesseits übertragen. Der Wittenberger Reformator Martin Luther schrieb beispielsweise:

Eyn Christ, wenn er rechtschaffen glewbt, so hat er alle gütter Gottis und ist Gottis son, wie wyr gehört haben. Aber die zeyt, die er noch lebt, ist nur eyn pylgerfart. Denn der geyst ist schon ym hymel durch den glawben, durch wilchen er uber alle ding eyn herr ist. Darumb lesset yhn aber Got noch ym fleysch leben und den leyb auff erden gehen, das er ander leutten helffe und sie auch gen hymel bringe.[5]

Die Pilgerreise oder Pilgerfahrt wird hier auf das irdische Glaubensleben übertragen – und das ist ein zentrales Leitmotiv, das sich in Schuberts Gedichten wiederfinden lässt. Beispielsweise taucht diese Pilgermotivik in den letzten beiden Strophen des obigen Beispielgedichtes auf. Und auch Johannes Lämmerer vergleicht sie in den letzten drei Strophen im unten angeführten Gedicht mit einem glaubenden Pilger und verwendet die Pilgermetaphorik für das geistliche Leben des Lämmerers im Diesseits. Dort wird die allegorische Pilgerreise in lutherischer Deutung verwendet: Das Glaubensleben steht allegorisch für eine diesseitige Pilgerreise in die jenseitigen Welt und ist zugleich mit dem Auftrag verbunden, anderen Menschen zu helfen und zu unterweisen, um sie ebenfalls zum Glauben zu bewegen.

Johanne Juliane Schubert und Johannes Lämmerer - zwei Weber und Volksdichter

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Johanne Juliane Schubert im Cotta’schen Morgenblatt (1)
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Johanne Juliane Schubert im Cotta’schen Morgenblatt (2)
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Justinus Kerners Sonett „An Johannes Lämmerer“ im Cotta’schen Morgenblatt
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Das Gedicht „Der schnelle Lauf meiner Tage“ von Johannes Lämmerer im Cotta’schen Morgenblatt

Im Cotta’schen Morgenblatt für gebildete Stände erschien 1820 ein Gedicht Schuberts, das an Johannes Lämmerer adressiert ist. Johannes Lämmerer ist ebenfalls ein Weber, der allerdings seinerzeit in Deufstetten bei Crailsheim wohnte, das seit dem bairisch-württembergischen Ausgleichsvertrag 1810 zu Württemberg gehört. Durch das Morgenblatt gelangte Johannes Lämmerer nach Niederschlesien über Pfarrer Scholz aus Buchwald zu Schubert. Dieser schrieb in einem Brief, welcher im Morgenblatt abgedruckt wurde, dass Schubert vor Staunen über die Parallelitäten zwischen ihr und Lämmerer entzückt war und er sie daraufhin aufforderte, diesem ein Gedicht zu widmen. Sie lehnte dies aus Bescheidenheit zunächst ab, ging aber nach mehrmaliger Aufforderung seitens Pfarrer Scholz darauf ein.[6] Daran schließt sich das verfasste Gedicht von Schubert an. Im Folgenden werden das Gedicht von Schubert mit der Sonettwidmung von Justinus Kerner und dem Gedicht Lämmerers gegenübergestellt, die beide im Morgenblatt für gebildete Stände erschienen sind. Mindestens eins von beiden Gedichten muss in Niederschlesien dem Pfarrer Scholz und der Johanne Juliane Schubert vorgelegen haben.

Weitere Informationen Justinus Kerner: An Johannes Lämmerer, Morgenblatt für gebildete Stände, Jahr 1818, Nr. 253., Johannes Lämmerer: Der schnelle Lauf meiner Tage, Morgenblatt für gebildete Stände, Jahr 1819, Nr. 52. ...

Johannes Lämmerer wurde am 22. Juni 1763 auf dem Lämmershof bei Gschwend geboren. Rechnet man die im mittleren Gedicht genannten 50 Jahre dazu, dann kommt man auf das Jahr 1813. Demnach ist höchstwahrscheinlich dieses Gedicht zwischen dem 22. Juni 1813 und dem 21. Juni 1814 entstanden. Durch die gemeinsame Strophenform (Sechszeiler), dasselbe Reimschema (aabccb) und derselben Kadenz (wwmwwm) ist naheliegend, dass sich das Gedicht Schuberts intertextuell auf das von Lämmerer bezieht. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass in Niederschlesien auch Kerners Sonettwidmung gelesen worden ist.

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Veröffentlichungen

Werkausgabe

  • Gedichte der Webers=Frau Johanne Juliane Schubert geb. May, zu Würgsdorf bei Bolkenhain. Nebst dem Bildniß der Dichterin, für welche der Ertrag dieser Sammlung bestimmt ist, Reichenbach, 1810. gedruckt in der Königl. privil. Stadtbuchdruckerei bei Ernst Müller: Google Books

Literatur

  • Karl Goedeke: Art. Johanne Juliane Schubert. In: Ders.: Grundriß zur Geschichte der Deutschen Dichtung aus den Quellen. Dresden 1862, S. 1143 (Google Books).
  • Rudolf Grieger: Die Schubertin im Spiegel ihrer Gedichte und ihrer Leserschaft (Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 74/1995), Sigmaringen 1996, S. 119–147.
  • Margarete Arndt: Die dichtende schlesische Webersfrau, in: Schlesien. Kunst, Wissenschaft, Volkskunde, Jg. 1984, Heft 1, S. 25–35.
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Einzelnachweise

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