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Kastell Hainhaus
archäologische Stätte in Deutschland Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Das römische Kastell Hainhaus,[A 1] in der Literatur auch als Kastell Vielbrunn beschrieben, war ein Numeruskastell der älteren Odenwaldlinie des Neckar-Odenwald-Limes. Das heutige Bodendenkmal befindet sich in einem Waldstück rund zweieinhalb Kilometer nordnordöstlich vom Zentrum Vielbrunns, eines Stadtteils von Michelstadt in Südhessen.
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Lage


Die knapp 5700 m² des Kastellgeländes erstrecken sich auf dem Plateau eines Höhenrückens zwischen dem Kimbachtal im Westen und dem Ohrenbachtal im Osten. Das Gelände fällt von Osten nach Westen hin schwach, von Süden nach Norden hin etwas stärker ab. In antiker Zeit hatte die Fortifikation an dieser Stelle vermutlich die Aufgabe, den Übergang zwischen den beiden Tälern zu überwachen. Heute befinden sich in den Tälern die Ortschaften Vielbrunn und Kimbach, ein Ortsteil von Bad König, deren moderne Verbindungsstraße etwa zwei Kilometer südlich des Kastells verläuft.
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Forschungsgeschichte
Der Kastellplatz war auch in nachrömischer Zeit bekannt und als Ruine sichtbar. In einer Urkunde aus dem Jahre 1432 wird er als Bentzenburg bezeichnet, was so viel wie „Geisterburg“ bedeutet.[3] Im 18. Jahrhundert errichteten die Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg ein Jagdschloss inmitten des Kastellgeländes. Bei den von Johann Friedrich Knapp im Auftrag des Grafen Franz I. zu Erbach-Erbach 1806 durchgeführten Untersuchungen vernachlässigte man die eigentliche Fortifikation, da man der Meinung war, diese habe durch die Errichtung des Jagdschlosses bereits starken Schaden genommen, und widmete sich stattdessen primär den Kastellthermen.[4] Die bislang einzigen wissenschaftlichen archäologischen Ausgrabungen des Kastells selber wurden dann erst im Jahre 1895 durch die Reichs-Limeskommission (RLK) unter der örtlichen Grabungsleitung des Streckenkommissars Friedrich Kofler vorgenommen, der auch das Kastellbad noch einmal einer Nachuntersuchung unterzog.
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Befunde
Zusammenfassung
Kontext
Kastell

Über die rezenten gemörtelten Steinmauern hinaus konnten dabei zumindest noch Trockenmauerreste festgestellt werden, was dafür spricht, dass auch dieses Militärlager – wie bei den nahe gelegenen Kastellen Würzberg und Hesselbach nachgewiesen – alle drei Bauphasen des älteren Odenwaldlimes durchlaufen hat. Demnach wäre
- das Kastell Hainhaus in trajanischer Zeit[1] in Holz-Erde-Bauweise errichtet worden,
- in hadrianischer Zeit, also zwischen 117 und 138, an die Stelle der hölzernen Umwehrung eine im Zwischenraum mit Erde verfüllte Doppel-Trockenmauer getreten,
- zwischen 140 und 150 das Trockenmauerwerk durch eine gemörtelte Steinmauer ersetzt worden.[5]
Mit der Vorverlegung des Limes um etwa 30 km in östliche Richtung wäre das Kastell schließlich – wie der gesamte Odenwaldlimes – bis spätestens 159/160 aufgegeben worden.[5]
Die Fortifikation von Vielbrunn bedeckte in Form eines leicht unregelmäßigen Vierecks eine Fläche von knapp 0,6 Hektar. Mit seiner Prätorialfront war es nach Osten, zum Limes hin ausgerichtet, der das Lager in etwa 80 Meter Entfernung passierte. Die Länge der Vorderfront betrug 70,95 m, die der Rückfront 72,52 m. Die nördliche Seitenmauer war 78,47 m, die südliche 79,20 m lang. Die Ecken der ungefähr 80 cm starken Mauer waren gerundet und nicht mit Wehrtürmen versehen. Als Annäherungshindernis diente, nach einer 0,75 m bis 1,20 m breiten Berme, ein einfacher, zwischen 6,40 m und 7,70 m breiter und zwischen 1,40 m und 1,90 m tiefer Spitzgraben in Form einer so genannten Fossa Punica, deren dem Kastell abgewandte Böschung deutlich steiler abfiel als die der Wehrmauer zugewandte.
Das Lager verfügte über drei von je zwei Türmen flankierte Tore und – zumindest in einer Bauphase – über eine kleine, rückwärtige Schlupfpforte. An der Innenseite der Mauer war ein vier bis fünf Meter breiter Erdwall angeschüttet, an den sich wiederum der 2,80 m bis 3,50 m breite Wallweg anschloss. Spuren der eigentlichen Innenbauten des Lagers waren zur Zeit der Ausgrabungen durch die neuzeitliche Baumaßnahmen bereits völlig zerstört, lediglich die Wegachsen konnten durch einige Grabungsschnitte festgestellt werden.
Die Besatzung des Lagers bildete ein etwa 150 Mann starker, namentlich nicht bekannter Numerus.[6]
- Dekumatseite der Umwehrung
- Praetorialseite der Umwehrung
- Neuzeitlicher Eiskeller (links) und römerzeitliche Umwehrung (rechts)
- Hauptgebäude des Neuzeitlichen Jagdschlosses
Kastellbad
180 m nordwestlich des Lagers befanden sich die Kastellthermen, die bereits durch Knapp untersucht worden waren. Es handelt sich um ein Bad vom Reihentyp. Die Längsachse des Gebäudes belief sich – inklusive Praefurnium (Heizraum) – auf 18,5 m, die maximale Breite des Gebäudekomplexes betrug 11,13 m. Von der Südostseite her betrat man einen Raum, der von Kofler als Apodyterium (Umkleideraum) interpretiert worden ist. Analog zu anderen Militärbädern muss aber davon ausgegangen werden, dass der Raum als Frigidarium fungierte.[7] Das eigentliche Apodyterium, vermutlich in Form einer Vorhalle in Holzbauweise, konnte wahrscheinlich mit den grabungstechnischen Methoden der Zeit nicht wahrgenommen werden.[8] Zur linken Seite dieses Raums befand sich in einem Annexbau ein Kaltwasserbassin, zur rechten ein weiterer, hypokaustierter Annexbau mit separatem Praefurnium, der als Sudatorium angesprochen werden muss. Im mittleren Bereich des Gebäudes lag das Tepidarium (Laubad). Mit einem dreiräumigen Caldarium (Warmbad), das vollständig mit Hypokausten versehen war, und dem dazugehörenden Heizraum schloss der Gebäudekomplex im Nordwesten ab.[9]
- Thermen um 1806
- Grundriss der Kastellthermen
(Grabung 1895) - Schnitte durch die Kastellthermen
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Erhaltungszustand und Fundmaterial
Die Kastellumwehrung hebt sich im Gelände noch heute deutlich ab, vom Badegebäude hingegen sind kaum noch Spuren wahrnehmbar. Die in Höhe der Porta praetoria befindlichen sechs steinernen Sessel gehören dem 18. Jahrhundert und somit dem Jagdschloss an. Dies gilt ebenfalls für eine hügelförmige Erhebung im Bereich der südwestlichen Kastellecke, bei der es sich um einen neuzeitlichen Eiskeller handelt.[3] Eine Besichtigung des Areals ist jederzeit möglich. In Michelstadt wird die römische Vergangenheit der Region durch eine kleine Abteilung des Odenwaldmuseums präsentiert.[10]
- Fundmaterial der 1895er Ausgrabungen im Kastell Hainhaus
- Eck-, Gesims- und Deckelsteine
- Oben: Wandziegel mit runder Aussparung für den Befestigungsnagel
Unten: Tontrichter zur Befestigung von Heizziegeln - Oben: Randstück eines Terra-Nigra-Gefäßes
Mitte: Ziegelstempel
Unten: Ziegelplatte
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Limesverlauf zwischen den Kastellen Hainhaus und Eulbach
Zusammenfassung
Kontext
Vom Kastell Hainhaus aus zieht der Limes – ausschließlich durch Wald- und Waldrandgebiet – weiter in südliche Richtung auf das Kastell Eulbach zu. Hierbei steigt er allmählich von 457 auf 510 Höhenmeter an.
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Denkmalschutz
Das Kastell Hainhaus und die anschließenden Limesbauwerke sind Bodendenkmale nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.
Siehe auch
Literatur
- Dietwulf Baatz: Michelstadt-Vielbrunn. In: Die Römer in Hessen. Lizenzausgabe der Auflage von 1982. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-58-9, S. 436ff.
- Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0, S. 184f.
- Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches, Abteilung A, Band 5: Strecke 10 (Der Odenwaldlimes von Wörth am Main bis Wimpfen am Neckar), 1926, 1935.
- Margot Klee: Der römische Limes in Hessen. Geschichte und Schauplätze des UNESCO-Welterbes. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7917-2232-0, S. 188f.
- Friedrich Kofler in: Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches (Hrsg. Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey): Abteilung B, Band 5, Kastell Nr. 47 (1897).
- Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Entlang der römischen Grenze zwischen Main und Neckar. Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2309-5, S. 85–90.
- Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Neueste Forschungsergebnisse. Beiträge zum wissenschaftlichen Kolloquium am 19. März 2010 in Michelstadt. Saalburgmuseum, Bad Homburg 2012, ISBN 978-3-931267-07-0 (Saalburg-Schriften, 8)
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Weblinks
Commons: Kastell Hainhaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Limeswachturm Wp 10/14 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Limeswachturm Wp 10/15 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Limeswachturm Wp 10/17 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Limeswachturm Wp 10/18 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Sehenswürdigkeiten im Odenwald ( vom 12. Oktober 2007 im Internet Archive) auf der alten Webseite der Odenwald-Regional-Gesellschaft (OREG) – seit 19. September 2012.
- Kastell Hainhaus auf der privaten Limesprojektseite von Claus te Vehne
Einzelnachweise
Anmerkungen
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