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Otto Hutter

Britischer Physiologe und Hochschullehrer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Otto Hutter
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Otto Fred Hutter (* 29. Februar 1924 in Wien; † 22. November 2020 in Bournemouth) war ein österreichisch-britischer Physiologe und Hochschullehrer.[1][2][3][4] In der Nachfolge zu Robert Campbell Garry war Hutter von 1971 bis 1990 sechster Regius Professor of Physiology an der University of Glasgow.[1][2]

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Otto Hutter an seinem 90. Geburtstag

Leben

Zusammenfassung
Kontext

Hutter wurde als Sohn von Elisabeth Grünberg aus Wien und Isaac Hutter aus Lwiw in Wien geboren.[2][3][5] Isaac war bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs Student der Rechtswissenschaften in Wien.[3][6] Er trat 1914 ins Militär ein und war bei seiner Entlassung zum Offizier aufgestiegen.[3][5][6] Seine Frau lernte er nach einer Thypus-Infektion im Feldlazarett kennen, wo sie als Krankenschwester arbeitete.[3][6] Das Paar heiratete 1919 und Otto wurde als zweites Kind geboren.[3] Isaak fand Arbeit als Immobilienmakler und kehrte nicht mehr zur Jura zurück.[6]

Otto besuchte die Grundschule und dann das Chajes Gymnasium, einer jüdischen Schule, in der die Kinder vor antisemitischen Ausschreitungen geschützt waren.[3] Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 fühlte der Junge auf dem täglichen Schulweg in Begleitung der reißerischen Werbung des Stürmers, dass eine neue, schlechtere Zeit angebrochen war.[3] Eines Tages auf dem Nachhauseweg traf er einen Bekannten, der ihm mitteilte, dass er sich im Hotel Metropol für einen Transport aus Wien angemeldet habe.[3][5] Ohne sich mit seinen Eltern abzustimmen, stellte sich Otto in die Schlange und wurde als 359stes von 360 Kindern erfasst.[3][4][5] Er erhielt eine Liste von Dingen, die er zu packen habe.[3] Seine Eltern stimmten zu und so verließ Hutter mit dem ersten Kindertransport seine Heimat in Richtung Großbritannien.[3]

Seine ältere Schwester Rita würde ihm sechs Monate später nach England folgen.[2][6] Anders als Hutter kam sie nicht in einem Kindertransport, für den sie zu alt war, und fand in ihrem Leben in England keine Erfüllung.[3] Seine Eltern konnten trotz der Verhaftung des Vaters in den Novemberpogromen der ersten Welle entkommen.[2] Hutter konnte ihre Flucht später bis in die Region von Lwiw nachvollziehen und vermutet, dass sie in den dortigen Pogromen am 15. Januar 1943 ums Leben kamen.[2][3]

In England nahm ihn die Familie Blaxill aus Colchester als Pflegekind auf.[5] Der Vierzehnjährige besuchte als einer von zwei Jungs der Gruppe ab 1939 das prestigeträchtige Bishop’s Stortford College, einem großen Internat im Hertfordshire.[2][3][4][6] Er hatte alle Angebote abgelehnt, ein Handwerk zu erlernen, da er sich die väterlichen Ratschläge bezüglich einer guten Bildung zu Herzen nahm.[3] Der Junge zeigte gute Leistungen, besonders in Biologie und Chemie und erhielt im Anschluss an die Schule eine Stelle als Laborassistent in den Wellcome Physiological Research Laboratories in Beckenham.[2][3][5] Berufsbegleitend reiste er zweimal wöchentlich nach London, wo er am Chelsea Polytechnic Physiologie lernte.[6] Einer Seiner Lehrer dort war Roderic Alfred Gregory.[6] Zudem hörte er an den Wochenenden am Birkbeck College Chemievorlesungen.[2][6] 1946 (oder 1947[6]) nahm er die britische Staatsangehörigkeit an.[4] Nach dem Zweiten Weltkrieg schloss Hutter sein Studium 1953 zum B.Sc. und zum Ph.D am University College London ab.[2][5] Sein Doktorvater war Charles Lovatt Evans.[4][6]

Mit einem Stipendium der Rockefeller-Stiftung arbeitete er mit Stephen W. Kuffler am Johns Hopkins Hospital in Baltimore.[2][3][6] In seinem zweiten Jahr in Baltimore wurde Hutter mit dem Deutschen Wolfgang Trautwein für Messungen an der motorischen Endplatte gepaart.[6] Trautwein wollte am Herzen arbeiten und so untersuchten sie zwei Muskelgruppen, darunter auch das Herz.[4][5][6] Die von Hutter und Trautwein produzierten Fotos der Vorgänge wurden übliche Abbildungen in der medizinischen Fachliteratur.[5] Dabei arbeiteten die beiden mit völlig unzulänglichen Mitteln; beispielsweise musste Hutter seine Mikroelektroden aus Glas über einem Bunsenbrenner selbst ziehen und die Kamera war kaum in der Lage, die schwachen und schnellen Wellen aufzuzeichnen.[5] Denis Noble, ein späterer Doktorand Hutters,[6] beschrieb, dass in Hutters Fall eine unglaubliche Handfertigkeit gepaart mit unendlicher Geduld eine Rolle spielten.[5]

Nach seiner Rückkehr, 1955, nahm er seine Tätigkeit als Dozent der physiologischen Abteilung am University College London auf.[2] Ab 1961 war er beim National Institute for Medical Research beschäftigt, bevor er 1971 nach Glasgow wechselte.[2] In Glasgow wurde er auf die Regius Professur berufen, die er bis zu seiner Emeritierung 1990 beibehielt.[4] Hutters Nachfolger in der Professur wurde Ian McGrath.[1] Nach seinem Rückzug von der Professur schrieb er weiter und vertiefte seine Holocaust-Forschungen.[4] Er zog mit seiner Frau nach Bournemouth, in Wohnortnähe einer seiner Töchter.[3][5]

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Forschung

Hutters Forschungsinteressen konzentrierten sich auf das Gebiet der neuromuskulären und synaptischen Informationsübertragung zur Herz- und Skelettmuskulatur.[2] Gemeinsam mit Trautwein beschrieb Hutter als erster das elektrische Verhalten der Zellen im Herzen.[4] Ihre Arbeiten zu den Zusammenhängen zwischen dem Nervensystem und den elektrischen Funktionen des Herzens legten Grundlagen für die Entwicklung moderner Herzschrittmacher.[2] Dabei entschlüsselten sie, wie verschiedene Nervenstränge die Herzfrequenz erhöhen und senken.[4] Die von ihnen entschlüsselten biochemischen und elektrischen Muster wurden zu Kernstücken der modernen Herzmedizin.[4] Hutter interessierte sich in der Folge vermehrt für die Rolle von Kaliumionen und der Ionendiffusion durch Membranen, wo er bald zu einem der weltweit führenden Spezialisten wurde.[2][4] Seine Forschungen weiteten die Grenzen der Physiologie aus und ermöglichten viele moderne Medikamente, insbesondere für die Behandlung von Herzerkrankungen.[4]

2001 initiierten Hutter und Bernard Wasserstein die Holocaust Memorial Lecture Series, die seither ein fester Termin im Kalender der Universität Glasgow geworden ist.[2][4][5]

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Privates

1948, nach Abschluss seines Studiums, heiratete Hutter Yvonne Brown, eine Krankenschwester, die er in den Wellcome Research Laboratories kennengelernt hatte.[2][3] Das Paar hatte vier Kinder.[2] Yvonne verstarb 2017, nur eine Woche nach ihrem siebzigsten Hochzeitstag.[4] Da einige seiner Enkel in Israel lebten, nahm Hutter im Alter von 95 Jahren die israelische Staatsangehörigkeit an.[5] Otto Hutter verstarb am 22. November 2020 in Bournemouth.[2]

Ehrungen

1991 berief die Physiological Society Hutter zum Ehrenmitglied und stiftete 2009 den Otto-Hutter-Preis für Verdienste um die physiologische Lehre.[4]

Einzelnachweise

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