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Patrick Stirling
britischer Lokomotivkonstrukteur und Eisenbahningenieur Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Patrick Stirling (geboren am 29. Juni 1820 in Kilmarnock; gestorben am 11. November 1895 in Doncaster) war ein schottischer Eisenbahningenieur und Lokomotivkonstrukteur. Er entstammte einer schottischen Familie, die mehrere bekannte Maschinenbauer und Ingenieure hervorbrachte. Sein Vater war Robert Stirling. Von 1853 bis 1866 war er Locomotive Superintendent der Glasgow and South Western Railway (G&SWR), zwischen 1866 und 1895 hatte er die gleiche Position bei der Great Northern Railway (GNR) inne. Er ist vor allem für die von ihm bei der GNR entwickelten Single-Lokomotiven bekannt, die für ihre Zeit sehr hohe Geschwindigkeiten erreichten.


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Leben
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Patrick Stirling entstammte einer in den Scottish Lowlands seit langem ansässigen Familie, deren Mitglieder sich vielfach als Ingenieure und Erfinder hervorgetan hatten. Bereits sein Urgroßvater Michael Stirling hatte Mitte des 18. Jahrhunderts eine Dreschmaschine entwickelt. Für das 18./19. Jahrhundert erstaunlich war, dass auch weibliche Mitglieder der Familie sich in diesem Feld betätigten.[1] Sein Vater Robert Stirling war Geistlicher der Church of Scotland, betätigte sich aber nebenher als Ingenieur und Erfinder. 1816 meldete er als seine bekannteste Entwicklung den Stirlingmotor zum Patent an. Von seinen fünf Söhnen wurden vier Ingenieure und betätigten sich als Lokomotivkonstrukteure, nur Patricks Bruder David wurde wie sein Vater Geistlicher.[2]
Nach der Schulzeit trat Patrick Stirling im Jahr 1837 eine Lehre bei der Dundee Foundry an, die von seinem Onkel James Stirling geleitet wurde. Das im Familienbesitz befindliche Unternehmen war ursprünglich als Eisengießerei gegründet worden. Es hatte sich zu einem Maschinenbauunternehmen, vor allem für Textilmaschinen, entwickelt, und nahm 1834 den Bau von Dampflokomotiven aufgenommen. Nach Abschluss seiner Ausbildung ging Stirling 1843 zunächst nach Glasgow zu Robert Napier & Sons, wo vor allem Dampfmaschinen für die Schifffahrt gebaut wurden. Drei Jahre später wechselte er zurück in den Lokomotivbau zu dem ebenfalls in Glasgow ansässigen Neilson and Company, wo er bald Leiter der Konstruktionsabteilung wurde.[3] 1851 wurde Stirling Locomotive Superintendent der Caledonian and Dumbartonshire Junction Railway, die die kurze, aber wichtige Strecke zwischen Balloch am Südende von Loch Lomond und Bowling am Nordufer des Firth of Clyde betrieb. Nach einem Jahr wechselte er erneut, zunächst kurze Zeit zu einem Schiffbauunternehmen und dann zur Lokomotivfabrik R. and W. Hawthorn in Newcastle upon Tyne.
Schließlich kehrte er 1853 nach Schottland zurück und übernahm die Position als Locomotive Superintendent bei der Glasgow and South Western Railway (G&SWR), womit er für deren gesamte Lokomotiventwicklung und -beschaffung verantwortlich wurde. Seine erste wesentliche Aufgabe war jedoch der Aufbau der neuen Hauptwerkstatt der G&SWR in seinem Geburtsort Kilmarnock. Nach 13 Jahren wechselte Stirling in gleicher Position zur deutlich größeren Great Northern Railway (GNR) und übernahm die in Doncaster angesiedelte Lokomotivabteilung, trotz eines finanziellen Angebots der G&SWR, das ihn zum Bleiben bewegen sollte. Er folgte in dieser Position seinem 1816 geborenen Cousin Archibald Sturrock,[4] der in die Lokomotivindustrie zur Yorkshire Engine Company wechselte. In Kilmarnock wurde sein 15 Jahre jüngerer Bruder James Stirling sein Nachfolger, der dort 1855 seine Ausbildung begonnen hatte und inzwischen zum Leiter der Hauptwerkstatt aufgestiegen war. In Doncaster blieb Stirling nun die nächsten 29 Jahre bis zu seinem Tod. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Modernisierung der 1853 in Doncaster eingerichteten Hauptwerkstatt der GNR.[5] Im Herbst 1895 verstarb Stirling an den Folgen einer Lungenentzündung, sein Nachfolger wurde Henry Ivatt.
Mit seiner Frau Margaret hatte Stirling fünf Kinder. Von seinen vier Söhnen folgte ihm Matthew beruflich, der schließlich ab 1885 Locomotive Superintendent der Hull and Barnsley Railway (H&BR) wurde. Ab 1867 war Stirling Mitglied der Institution of Mechanical Engineers, weiterhin war er Mitglied der Institution of Civil Engineers.[3]
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Lokomotiven
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Patrick Stirling ist vor allem für die von ihm bei der GNR entwickelten Single-Lokomotiven bekannt, die vor allem während der beiden Races to the North 1888 und 1895 für Geschwindigkeitsrekorde auf den GNR-Abschnitten der East Coast Main Line (ECML) sorgten. Die ab 1870 beschafften Stirling Singles der späteren GNR-Klasse A2 (die GNR führte erst im Jahr 1900 Klassenbezeichnungen ein) konnten normale Schnellzüge mit einer Reisegeschwindigkeit von rund 50 mph (80 km/h) befördern, mit leichten Zügen erreichten sie bis zu 85 mph (137 km/h). Der Betrieb solcher Züge war vor allem bremstechnisch eine Herausforderung, da es zu dieser Zeit noch keine durchgehenden Bremsen gab. Die GNR führte erst 20 Jahre später die Vakuumbremse ein.[6]
Die von Stirling entwickelten Lokomotiven waren überwiegend erfolgreich, wenn auch einzelne Fehlkonstruktionen darunter waren. Einige ihrer Konstruktionsmerkmale waren typisch für Stirling, so etwa die Verwendung von Kesseln ohne Dampfdom, die stattdessen ein Dampfsammelrohr im Kesselscheitel erhielten. Er führte hierfür sowohl ästhetische wie konstruktionstechnische Gründe an – die Lokomotiven sollten nicht durch einen „umgedrehten Nachttopf“ verunstaltet werden, Dampfdome waren aufwändig in der Herstellung und der für sie erforderliche Ausschnitt im Kesselscheitel war eine Schwachstelle der Kesselkonstruktion.[7][4] Bei Expresslokomotiven sprach sich Stirling klar gegen gekuppelte Radsätze aus, alle von ihm für diesen Einsatzzweck entworfenen Lokomotiven – sowohl für die G&SWR wie die GNR – waren Single-Lokomotiven. Vehement abgelehnt wurden von ihm zudem Verbundlokomotiven. Ebenfalls typisch für Stirling war die Konstruktion des Führerhauses mit seitlich abgerundeten Dächern. Diese, wie auch die Verwendung von Kesseln ohne Dom, waren auch für die Entwürfe seines Bruders James typisch. Das Führerhaus ging auf einen Vorschlag von Jane Stirling zurück, eine der drei Schwestern der Stirling-Brüder. Sie soll den Entwurf nach einer wetterbedingt ungemütlichen Führerstandsmitfahrt mit einer der Lokomotiven von Patrick Stirling anhand eines Modells aus Pappkarton erstellt haben.[2]
Zu Stirlings Konstruktionen für die G&SWR zählten unter anderem die ab 1857 als erste Maschinen in der neuen G&SWR-Werkstatt in Kilmarnock gebauten 13 Lokomotiven der G&SWR-Klasse 2, Single-Lokomotive mit der Achsfolge 1A1, die zum Teil bereits Kessel ohne Dampfdom erhielten. Zu nennen sind auch die 1866 entstandene G&SWR-Klasse 141 mit der Achsfolge B1 und die ab dem gleichen Jahr gebauten C-Kuppler der G&SWR-Klasse 58; die letzten Maschinen beider Klassen blieben noch bis 1923 im Dienst und kamen kurzzeitig noch zur London, Midland and Scottish Railway (LMS). Bei der GNR kümmerte Stirling sich vor allem um eine gewisse Standardisierung, wie er sie bereits bei der G&SWR umgesetzt hatte. Für den Güterverkehr stellte Doncaster von 1867 bis 1896 mehrere Serien an C-Kupplern her, die ab 1900 als GNR-Klasse J6 und J7 bezeichnet wurden und deren letzte in von Henry Ivatt umgebauter Form noch den Übergang von der London and North Eastern Railway (LNER) zu British Railways (BR) erlebten.[8] Für den Vorortverkehr der GNR nördlich von King’s Cross entwarf Stirling die B2’-Tenderlokomotiven der späteren GNR-Klasse G1, deren letzte noch zur LNER kamen.[9] Jeweils über 100 Stück entstanden von den späteren Klassen E2 und F2 mit den Achsfolgen 1B bzw. B1, die jedoch noch vor dem Übergang der GNR auf die LNER im Jahr 1922 ausgemustert wurden. Für den Rangierdienst führte Stirling Satteltanklokomotiven bei der GNR ein, die letzten Maschinen der späteren Klassen J15, J16 und J17 blieben in umgebauter Form bis 1950 im Dienst.[10]
Am bekanntesten ist Stirling jedoch für die zwischen 1870 und 1985 mit insgesamt 53 Exemplaren in mehreren, leicht abweichenden Serien in Doncaster gebauten Stirling Singles der Achsfolge 2’A1 für den Einsatz vor Expresszügen auf der ECML. Hinzu kamen im gleichen Zeitraum insgesamt 36 Singles der Achsfolge 1A1. Stirling nannte für den Verzicht auf gekuppelte Treibräder bei Expresslokomotiven auch ästhetische Gründe, er erreichte jedoch mit einer vergleichsweise hohen Achslast, geeigneten Sandstreueinrichtungen und gut unterhaltenen Gleisen auch eine ausreichende Zugkraft. Zwar litten die Maschinen zunächst unter einigen Mängeln wie etwa unzureichendem Saugzug, sie konnten jedoch bald ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen und erbrachten über Jahre fast alle Expresszugleistungen auf dem ECML-Abschnitt der GNR. Die Ausführung mit Außenzylindern und vorlaufenden Drehgestellen sorgte für eine hohe Laufruhe und ermöglichte so höhere Geschwindigkeiten als bei vielen anderen britischen Bahngesellschaften dieser Zeit. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts zeigte sich unter Stirlings Nachfolger Ivatt jedoch, dass die immer weiter steigenden Zuggewichte mit Single-Lokomotiven nicht mehr zu bewältigen waren. Ivatt beschaffte daher ab 1898 mit der Klasse C1 die ersten britischen Atlantic-Lokomotiven und alle Stirling Singles, auch die letzten, 1895 gebauten Exemplare, wurden bereits 1916 ausgemustert. Die erste, 1870 gebaute Stirling Single mit der Nr. 1 blieb erhalten und steht als statisches Ausstellungsstück im National Railway Museum in York.[6]
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Literatur
- L. A. Summers: Men of Steam. Britain’s Locomotive Engineers, Amberley Publishing, Stroud 2016, ISBN 978-1-4456-5605-2
Weblinks
Einzelnachweise
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