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Die Schiedsgerichtsbarkeit ist ein juristisches Mittel zur Streitbeilegung im Rahmen von Schiedsverfahren. Bei Schiedsgerichten handelt es sich um nicht-staatliche Gerichte, die allein aufgrund einer Abrede der jeweiligen Streitparteien zusammentreten und als Schiedssprüche bezeichnete Urteile aussprechen. Die Abrede erfolgt im Allgemeinen in Form eines Vertrags zwischen den Parteien, der Schiedsvereinbarung. Der Schiedsspruch ist für die Parteien in der Regel rechtlich bindend und kann vor staatlichen Gerichten für vollstreckbar erklärt werden.
In Deutschland existierten private Schiedsgerichte bereits im Mittelalter. Die juristischen Strukturen beruhten dabei auf dem römischen sowie dem kanonischen Recht. Ein Beispiel für institutionalisierte Schiedsgerichte findet sich bereits im 17. Jahrhundert. Im Jahr 1697 wurde in Nürnberg im Umfeld des Banco Publico das Mercantil- und Bancogericht gegründet. Dieses Handelsgericht war für die Rechtsprechung in Nürnberg verantwortlich und fertigte Gutachten für auswärtige Rechtsangelegenheiten.[1][2] Auch bei Streitigkeiten zwischen Staaten gab es schon immer Schiedsgerichtsverfahren. Im Rahmen des Jay-Vertrags zwischen Großbritannien und den USA kam beispielsweise ebenfalls ein Schiedsgericht zum Einsatz. Dieses sollte Fragen zum Grenzverlauf zum britischen Kanada regeln. Als Meilenstein der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Staaten gilt die Lösung der Alabamafrage durch ein Schiedsverfahren im Jahr 1872.
In der frühen Sozialgerichtsbarkeit Deutschlands existierten bis 1911 in der Unfall- und der Rentenversicherung Schiedsgerichte (ab 1900: „Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung“), die jedoch als ständige Spezialgerichtshöfe der Verwaltungsgerichtsbarkeit fungierten.[3]
Ein weiteres Beispiel für Schiedsgerichte sind die „gesellschaftlichen Gerichte“ (Schiedskommissionen und Konfliktkommissionen) der DDR, die nach sowjetischem Vorbild errichtet und 1990 durch gemeindliche Schiedsstellen ersetzt wurden.
Investitionsschutzabkommen enthalten häufig Klauseln, die es ausländischen Investoren erlauben, Staaten, in denen sie investiert haben, vor Schiedsgerichten in Anspruch zu nehmen (Investor-state dispute settlement).
Die inzwischen größte Bedeutung haben Schiedsgerichte aufgrund vertraglicher Abrede. Häufig wird dieser Bereich zusammengefasst unter dem Begriff Handelsschiedsgerichtsbarkeit (englisch: commercial arbitration), wobei die Streiterledigung unter Privaten auch in anderen Wirtschaftszweigen als dem Handel üblich ist.
Die Anrufung privater Schiedsgerichte ist regelmäßig eine Alternative zur Suche von Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten. Dementsprechend verstehen sich die im Folgenden aufgezählten Aspekte im Vergleich zum normalen Rechtsweg.
Bei Streitigkeiten zwischen Parteien aus verschiedenen Ländern kommen weitere Vorteile hinzu:
Aus der Informalität und dem Ziel schneller Streitentscheidung folgen allerdings auch Nachteile:
Im Folgenden wird der typische Ablauf eines Schiedsverfahrens nach der deutschen ZPO beschrieben. Die Schiedsordnungen von Schiedsinstitutionen sehen teilweise ein etwas anderes Verfahren vor, außerdem können die Parteien das Verfahren an vielen Stellen an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen.
Das Schiedsverfahren beginnt regelmäßig mit dem Empfang eines Einleitungsschriftsatzes beim Beklagten (§ 1044 ZPO). Dieser Schriftsatz muss die Parteien bezeichnen, den Streitgegenstand angeben und auf die Schiedsvereinbarung hinweisen. Der Kläger muss aber weder die den Anspruch begründenden Tatsachen darlegen, noch einen bestimmten Antrag stellen.[15] Ab dem Empfang des Einleitungsschriftsatzes ist auch die Verjährung nach § 204 Nr. 11 BGB gehemmt.[16]
Die Zahl der Schiedsrichter kann von den Parteien selbst bestimmt werden, § 1034 ZPO. Treffen die Parteien keine Entscheidung, sind drei Schiedsrichter zu bestellen. Neben der Zahl der Schiedsrichter ist auch der Mechanismus zur Ernennung derselben meist Bestandteil des Vertrages zwischen den Parteien. Fehlt eine solche Vereinbarung, benennt bei einem Dreierschiedsgericht jede Partei einen Schiedsrichter, die beiden so Ernannten verständigen sich dann ihrerseits auf einen Vorsitzenden, § 1035 ZPO; dieser wird Schiedsobmann oder einfach Obmann genannt. Kommt eine Einigung nicht zustande, so wird der Obmann häufig von einer Ernennungsstelle ernannt, nach § 1062 ZPO regelmäßig vom Oberlandesgericht am Ort des Schiedsverfahrens.
Auch die parteiernannten Schiedsrichter müssen unparteiisch und unabhängig sein.[17] Um das sicherzustellen, haben die Parteien das Recht, Schiedsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, § 1036 ZPO. Tritt der Schiedsrichter daraufhin nicht freiwillig zurück, entscheidet das Schiedsgericht über den Antrag. Entscheidet es gegen die Ablehnung, kann die Partei, die den Antrag gestellt hat, diese Entscheidung innerhalb eines Monats vor einem staatlichen Gericht prüfen lassen, § 1037 ZPO.
Anders als vor staatlichen Gerichten (vgl. § 128 ZPO) ist eine mündliche Verhandlung im Schiedsverfahren nach § 1047 ZPO optional, in der Praxis aber allgemein üblich.[18]
Die Beweisaufnahme durch ein Schiedsgericht ist dadurch erschwert, dass es keine Zwangsbefugnisse hat, also zum Beispiel keine Zeugen zwangsweise vorführen lassen kann.[19] Es besteht aber nach § 1050 ZPO die Möglichkeit, Unterstützung bei einem staatlichen Gericht einzuholen.
Der Schiedsspruch ist nach § 1054 ZPO schriftlich zu erlassen und muss in der Regel begründet werden. Er hat zwischen den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (§ 1055 ZPO).
Vergleichen sich die Parteien, können sie den Vergleich nach § 1053 ZPO als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut festhalten lassen, der die gleiche Wirkung wie ein Schiedsspruch zur Sache hat und damit wie ein normaler Schiedsspruch vollstreckt werden kann.
Einziges Rechtsmittel gegen einen wirksamen Schiedsspruch ist der Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO. Zuständig ist nach § 1062 ZPO das Oberlandesgericht. Es prüft den Schiedsspruch nicht wie eine Berufungsinstanz vollständig, sondern nur auf besonders schwerwiegende Verstöße gegen das rechtliche Gehör oder gegen den ordre public. Einfache Fehlentscheidungen des Schiedsgerichts genügen nicht zur Aufhebung des Schiedsspruchs. Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Aufhebung ist nach § 1065 ZPO die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof.
Im Inland ergangene Schiedssprüche müssen nach § 1060 ZPO von einem staatlichen Gericht für vollstreckbar erklärt werden, bevor aus ihnen die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Ausländische Schiedssprüche werden nach dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche anerkannt und vollstreckt, § 1061 ZPO.
Die Parteien einigen sich durch eine Schiedsklausel im Hauptvertrag oder in einer separaten Schiedsvereinbarung darüber, zukünftige Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis nicht vor staatlichen Gerichten, sondern vor einem Schiedsgericht beizulegen. Die Schiedsvereinbarung benennt häufig auch das anzuwendende Verfahrensrecht und den Schiedsort. Treffen die Parteien keine Einigung über das anwendbare Verfahrensrecht, ist regelmäßig das Recht des Schiedsortes (lex loci arbitri) anwendbar (Deutschland: §§ 1025 ff. ZPO; Österreich: §§ 577 ff. ZPO; Schweiz: Art. 353 ff. ZPO bzw. Art. 176 ff. IPRG).
In der Schiedsklausel wird ferner bereits bestimmt, ob die Parteien ein Ad-hoc-Schiedsgericht einsetzen, oder sich einer Schiedsinstitution bedienen wollen. Treffen die Parteien eine Wahl zugunsten einer Schiedsinstitution, stellen diese in der Regel ihre eigenen Verfahrensregeln bereit. Im Rahmen von Ad-hoc-Schiedsgerichten kann neben nationalen oder selbst erstellten Verfahrensregeln auch die Anwendung eines (abgewandelten) institutionellen Verfahrensregelwerks gewählt werden. Zudem stellt die UNCITRAL mit den UNCITRAL Arbitration Rules ein eigenes Regelwerk für Ad-hoc-Verfahren zur Verfügung.
Wie das anzuwendende Sachrecht zu bestimmen ist, folgt aus dem anwendbaren Verfahrensrecht. Die deutsche ZPO stellt in § 1051 ZPO vorrangig auf eine Parteivereinbarung ab. Subsidiär verweist sie als Kollisionsregel auf das Recht mit der engsten Verbindung zur jeweiligen Streitigkeit. Die Rom I-Verordnung ist in Schiedsverfahren nicht anwendbar (Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom I-VO).
Schiedsgerichte können ad hoc ohne Hilfe einer externen Stelle eingerichtet werden. Die Organisation der Schiedsrichterbenennung und des Verfahrens ist dann Sache der Parteien. Sie müssen sich auch auf die anwendbaren Verfahrensregeln, die Bezahlung der Schiedsrichter und den Ort des Verfahrens einigen. Sie können so das Verfahren flexibel an ihre Bedürfnisse anpassen, haben aber gegebenenfalls einen erhöhten Verwaltungs- und Verhandlungsaufwand.
Daneben existieren auch Schiedsinstitutionen. Diese stellen zum einen ihre eigenen Verfahrensregeln bereit, zum anderen unterstützen sie die Parteien gegen Gebühr bei der Auswahl der Schiedsrichter (z. B. über die Pflege entsprechender Listen von erfahrenen Praktikern) und bei der Organisation des Verfahrens. Häufig legen die Parteien bereits in der Schiedsvereinbarung eine administrierende Institution fest.
Die wohl größte Schiedsinstitution in Deutschland ist die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) mit Sitz in Bonn und Berlin, in Österreich ist dies das Vienna International Arbitral Centre (VIAC) der Wirtschaftskammer Österreich mit Sitz in Wien, in der Schweiz die Swiss Chamber's Arbitration Institution (SCAI) mit Sitz in Genf. Die wichtigsten internationalen Organisationen auf dem Gebiet der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit sind der Court of International Arbitration der International Chamber of Commerce (ICC) in Paris, die American Arbitration Association (AAA) in New York City und der London Court of International Arbitration (LCIA).
Daneben existieren auch „dauerhafte“ Schiedsgerichte. Diese werden z. B. von den Industrie- und Handelskammern, wie der Handelskammer Hamburg[20], von den Rechtsanwaltskammern, von Unternehmen oder auch innerhalb politischer Parteien eingerichtet (Parteischiedsgerichtsbarkeit).
Auch im Sport werden häufig Schiedsgerichte wie der Internationale Sportgerichtshof oder das Deutsche Sportschiedsgericht[21] angerufen. Für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis von Bühnenkünstlern bestehen Bühnenschiedsgerichte.
Auch öffentlich-rechtliche Streitigkeiten können vor Schiedsgerichten verhandelt werden.[22] Statt der ordentlichen Gerichte sind dann nach § 173 VwGO die Verwaltungsgerichte für die Unterstützung des Schiedsgerichts zuständig, ansonsten ist auch auf öffentlich-rechtliche Schiedsverfahren das Zehnte Buch der ZPO anwendbar. Öffentlich-private Partnerschaftsverträge enthalten typischerweise Schiedsklauseln.[23]
Streitigkeiten zwischen ausländischen Investoren und dem Gaststaat, in dem sie investiert haben, werden häufig auf Basis von Investitionsschutzabkommen oder Verträgen zwischen Investor und Gaststaat vor internationalen Schiedsgerichten ausgetragen. Wichtigste Institution für diesen Bereich ist das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) der Weltbank in Washington D.C.
Ebenso wie auf der privatwirtschaftlichen Ebene existieren Schiedsgerichte auch auf zwischenstaatlicher Ebene und bieten damit eine Alternative zu den institutionalisierten Gerichtshöfen wie z. B. dem IGH. Die Streitparteien, hier also regelmäßig Staaten, können sowohl durch die Auswahl der Richter als auch durch die Bestimmung des anzuwendenden Rechts direkten Einfluss auf die Schiedsverfahren nehmen. Der mit dem Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1899 errichtete Ständige Schiedsgerichtshof stellt die prominenteste Einrichtung zur Bereitstellung der für die Durchführung von Schiedsverfahren erforderlichen Infrastruktur (Richterpool, Räume, Sekretariatspersonal und so weiter) dar. Es gab jedoch bereits in der Antike, zum Beispiel im antiken Griechenland, zwischenstaatliche Schiedsgerichte[24].
Das Europäische Parlament hat in einer Studie vom November 2014[25] zu Gesetzgebung und Praxis von Schiedsgerichten festgestellt, dass in der Europäischen Union und der Schweiz grenzüberschreitende Schiedsgerichtsverfahren eher die Ausnahme sind.[26] Dieses Ergebnis ist insoweit überraschend, als hinsichtlich der gesetzlichen Grundlagen und Verfahrensordnungen für Schiedsgerichtsverfahren gemäß dieser Studie in der EU sehr weitgehende Übereinstimmungen bestehen. Somit sind die formellen Voraussetzungen auch für grenzüberschreitende Schiedsgerichtsverfahren vorhanden, werden aber nicht genutzt.
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