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britischer Schriftsteller Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Eric Frank Russell (geboren am 6. Januar 1905 in Sandhurst, Surrey; gestorben am 28. Februar 1978 in Liverpool) war ein britischer Science-Fiction-Autor, bekannt vor allem für seine humoristisch-satirischen Kurzgeschichten.
Als Russell geboren wurde, war sein Vater Ausbilder in der Royal Military Academy Sandhurst. Wie bei Berufssoldaten häufig, zog die Familie oft um und so wuchs Russell in Chatham, Croydon, Bradford, Aldershot, Longmoor, Portsmouth, Weymouth, Pembroke Dock, Brighton und Southport auf. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er in Ägypten in Alexandria, Kairo und Port Taufiq am Sueskanal und in Khartum im Sudan. Er lernte Arabisch, vergaß es dann aber wieder. Er besuchte Schulen für die Kinder britischer Offiziere an den jeweiligen Standorten und erhielt dort eine breit gefächerte Ausbildung zu der auch Vermessung, Technisches Zeichnen und Baukonstruktion gehörten. Von 1922 bis 1926 diente Russell im King’s Regiment, einem traditionsreichen Liverpooler Infanterieregiment. 1930 heiratete er eine Krankenschwester, am 6. Januar 1934 wurde eine Tochter geboren. Es war sein Geburtstag, weshalb sie den Namen Erica erhielt. In den 1930er Jahren arbeitete Russell in verschiedenen Berufen, unter anderem als Telefonist, Baukostenkalkulator, Zeichner und als Techniker in der Kundenbetreuung für eine Stahlfirma in Liverpool.[1]
Russells Kontakt zur britischen Science-Fiction ergab sich über die British Interplanetary Society (BIS), deren Mitglied er 1935 wurde. Er hatte zu dieser Zeit schon Artikel in Zeitschriften und einige Gedichte in Liverpooler Zeitungen veröffentlicht. Nun lernte er über die BIS den fast 10 Jahre jüngeren Liverpooler angehenden Science-Fiction-Autor Leslie J. Johnson kennen. Eine erste Kollaboration mit Johnson war nicht erfolgreich[2], aber Russell schrieb weiter und seine nächste Story The Saga of Pelican West wurde von F. Orlin Tremaine für die Februarausgabe 1937 von Astounding Stories angenommen. Es folgte gleich in der Aprilnummer The Great Radio Peril. Es war die Zeit, in der sich die Zahl der Radiosender in kurzer Zeit vervielfachte und in der Story bricht eine weltweite Hungersnot aus, da die Stärke der Radiowellen die Ernten dahinwelken lässt, weshalb man durch ein internationales Abkommen Stärke und Zahl der Sender zu begrenzen sucht. In der Julinummer folgte dann noch die Zeitreisegeschichte Seeker of To-morrow, eine nun erfolgreiche Zusammenarbeit von Russell und Johnson.
Im gleichen Jahr 1937 erschien die erste Ausgabe von Tales of Wonder, des ersten eigentlichen britischen SF-Magazins.[3] Diese enthielt The Prr-r-eet, eine weitere Erzählung Russells, in der Prr-r-eet ein Marsianer ist, der auf die Erde kommt, und den Menschen ein Instrument schenkt, mit dem sich Klänge und Farben zu einer neuen Art von Musik verbinden lassen. Diese Idee stammte von dem sehr jungen Arthur C. Clarke, den Russell mit 10 % der Einnahmen beteiligte, was etwa 3 Dollar entsprach. Es waren die ersten Einkünfte Clarkes aus Science-Fiction.[4] Dass hier das Alien nicht als Bedrohung dargestellt, sondern empathisch und sympathisch geschildert wird, war für die SF der Zeit ungewöhnlich. Das sympathische Alien sollte in Russells Werken immer wieder erscheinen, zum Beispiel in den 1950ern in Dear Devil (1950), The Witness (1951) und Fast Falls the Eventide (1952) mit den Menschen einer fernen Zukunft als intergalaktische Botschaftern der Toleranz.
Dass Russell einer der ersten britischen Autoren war, die in Astounding und anderen US-Pulp-Magazinen veröffentlichten, die häufigen Amerikanismen in seinen Texten und die Ansiedlung seiner Geschichten vorzugsweise in den USA führten dazu, dass man Russell oft für einen Amerikaner hielt. Er selbst machte aus seiner Affinität für die USA kein Geheimnis und unternahm im Mai 1939 mit seiner Frau Ellen eine sechswöchige Reise in die Vereinigten Staaten, wobei er sich hauptsächlich in New York und Umgebung aufhielt, bei einer Versammlung der Queens Science Fiction League den traurigen Zustand der britischen Science-Fiction beklagte und Edmond Hamilton traf, der ihm ein Exemplar von Charles Forts New Lands überließ. Russell war von Forts Sammlungen unerklärlicher Phänomene und Vorfälle fasziniert und ließ sich von ihnen inspirieren. Ein anderer Einfluss auf Russells Science-Fiction war Olaf Stapledon, der 1930 sein Buch Die letzten und die ersten Menschen veröffentlicht hatte. Als Stapledon 1936 Kontakt zur British Interplanetary Society aufnahm, ergab sich der Kontakt, der nahe lag, da Stapledon zu jener Zeit Philosophieprofessor in Liverpool war, wo auch Russell lebte.[5]
Stapledons Konzept symbiotischer Lebensformen wurde von Russell in seinem ersten Roman Sinister Barrier verarbeitet, der 1939 in der ersten Ausgabe von John W. Campbells neuem Magazin Unknown erschien. Außerdem verwendete er einige Ideen Charles Forts, unter anderem die, dass der Planet Erde Eigentum und die Menschen Nutztiere von Aliens sein könnten. Die Fortsche Erklärung von Fermis Paradox ist nämlich die, dass die Erde Privateigentum ist, dass der Planet gewissermaßen eingezäunt ist und dass daher nicht laufend Außerirdische hier zu Besuch erscheinen.[6] In Russells Story sind diese Eigentümer der Erde die Vitonen, eine für das menschliche Auge unsichtbare Rasse blau leuchtender, telepathischer Energiewesen, die sich von den Konflikten und negativen Emotionen der Menschen nähren, also gewissermaßen Hass aus den Menschen melken. Bill Graham, Agent der Finanz- und Kreditabteilung der US-Regierung, kommt den Vitonen auf die Spur, als er eine Reihe unerklärlicher Todesfälle unter Wissenschaftlern untersucht. „Ein baldiger Tod erwartet die erste Kuh, die gegen eine Revolte gegen das Melken zu führen beginnt,“ sagt im ersten Satz der Erzählung ein Wissenschaftler, kurz bevor ihn die Vitonen eliminieren.[7][8] Übrigens nutzte Russell nicht nur den Fundus forteanischer Anomalistik als Ideenbergwerk, sondern lieferte auch selbst zahlreiche Beiträge für The Fortean Society Magazine, den Vorläufer von Doubt.[9] Außerdem war er einige Jahre lang Repräsentant der Fortean Society in Großbritannien.[10]
Ab 1939 sank Russells Produktivität etwas, was damit zusammenhängen mag, dass der Weltkrieg begann und Russell eine Ausbildung als Funker und Radiotechniker am Northern Polytechnic in London und am Marconi College in Chelmsford machte. Von 1941 bis 1945 diente Russell erneut als Soldat, nun in der Royal Air Force als Kommandeur einer Funkereinheit, die der Invasionsarmee Pattons folgte.
Immerhin erschienen 1941 The Mechanical Mice, eine Geschichte über eine Maschine, die kleine mechanische Mäuse baut, die das Material stehlen, das sie braucht, um sich zu vervielfältigen, sowie Jay Score, über einen humanoiden Roboter, der mit einer Mannschaft tentakelbewehrter marsianischer Schachmeister Abenteuer im Weltraum besteht. Weitere Erzählungen Russells mit Jay Score waren Mechanistria (1942), über einen von Maschinen bewohnten und von einem Computer beherrschten Planeten, und Symbiotica (1943), wo er erneut Stapledons Idee der symbiotischen Lebensformen aufgriff. 1955 erschien Mesmerica, die letzte Erzählung in der Reihe, zusammen mit den anderen in der Sammlung Men, Martians and Machines (deutsch als Menschen, Marsianer und Maschinen, 1968).
In den Jahren nach dem Krieg wurden überraschende Wendungen und Schlusspointen zu einem Markenzeichen Russells. Typisch in dieser Hinsicht ist seine Kurzgeschichte Allamagoosa (deutsch als Der Offund). An Bord eines Militärraumschiffs wird ein „Offund“ vermisst, der leider aber inventarisiert ist. Kein Mensch weiß, was ein „Offund“ sein sollte, man trickst und täuscht und baut schließlich ein blinkendes Dingsbums, das als „Offund“ herhalten soll. Bis sich zum Schluss herausstellt, dass es ein Schreibfehler war und es eigentlich „Off. Hund“ für „offizieller Hund“ heißen muss. Da ist allerdings schon der Teufel los, da man um das Fehlen des Offunds zu verschleiern gemeldet hatte, der Offund habe aufgrund einer Schwerkraftanomalie eine Fehlfunktion gehabt und sei zerstört worden. Die Erzählung ist außerdem exemplarisch für ein weiteres Merkmal Russellscher Science-Fiction, nämlich die Satire, die sich vorzugsweise gegen Militär, Militarismus und jede Form von Bürokratie richtet. 1955 gewann Allamagoosa den Hugo Award als beste Kurzgeschichte.
1978 ist Russell in seiner Heimatstadt Liverpool im Alter von 73 Jahren gestorben.
Postum erhielt Russell 1985 den Prometheus Hall of Fame Award für seinen satirischen Roman The Great Explosion von 1962. Hier hat die Menschheit sich nach der Erfindung eines interstellaren Antriebs explosiv ausgebreitet und zahlreiche Planeten besiedelt. Auf manchen wurden Strafkolonien (siehe Australien) eingerichtet, auf anderen gründeten auf der Erde unzufriedene Sektierer Kolonien (siehe die Pilgerväter der Mayflower). 400 Jahre später unternimmt die Erde Anstrengungen, alle diese Planeten zu einem großen Sternenreich zusammenzufassen und sendet zu diesem Zweck ein Schiff auf diplomatischer Mission aus. Auf dem ersten Planeten, einer ehemaligen Strafkolonie, ist die Gesellschaft in isolierte Gruppen zerfallen, die in Festungen sitzen und sich gegenseitig – und außerplanetarische Außenseiter erst recht – mit äußerstem Misstrauen beäugen. Auf dem nächsten Planeten haben sich naturverbundene Nudisten niedergelassen, für welche die irdischen Gesandten nur verklemmte, schmutzige Bazillenträger sind, die man tunlichst auf Abstand hält. Und auf dem dritten besuchten Planeten hat sich eine Gesellschaft maximaler Freiheit etabliert, auf der die Menschen ohne Regierung friedlich und sorgenfrei leben. Dieser idyllische Anarchismus wirkt derart attraktiv, dass die Mannschaft des Erdschiffes nach und nach desertiert, bis selbst die Leiter der Expedition der Verlockung erliegen und die Mission im Fiasko endet.
Als weitere postume Ehrung seines Lebenswerks wurde Russell 2000 in die Science Fiction and Fantasy Hall of Fame aufgenommen.
Das Akronym MYOB für „Mind your own business“ (Kümmer dich um deinen eigenen Kram!) geht vermutlich auf Russell zurück. In seiner Erzählung … And Then There Were None erscheint „myob“ zunächst als fremdes Wort unbekannter Bedeutung, bis das Rätsel schließlich aufgelöst wird. Die Erzählung war die Grundlage für den Roman Die Große Explosion, wo „myob“ auch erscheint.
Deutsche Zusammenstellungen:
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