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Claus Peymann

deutscher Theaterregisseur und Intendant Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Claus Peymann
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Claus Peymann (* 7. Juni 1937 in Bremen als Klaus Eberhard Peymann; † 16. Juli 2025 in Berlin-Köpenick)[1] war ein deutscher Intendant und Theaterregisseur, 1986 bis 1999 war er Direktor des Wiener Burgtheaters und bis zum 2. Juli 2017 künstlerischer Leiter, Geschäftsführer und Alleingesellschafter des Berliner Ensembles.[2] Er galt als „Theaterpapst“ der deutschen und österreichischen[3] Theaterszene.

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Claus Peymann, 2013
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Claus Peymann bei einer Versteigerung auf dem Hof des Berliner Ensembles, Berlin, 2011
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Biografie

Zusammenfassung
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Claus Peymann war der Sohn des 1896 in Bremen[4] geborenen Lehrers Karl Peymann und dessen Ehefrau Käthe, geb. 1897 als Käthe von Hohenböken.[5][6] Seine ältere Schwester Waltraut, geboren 1926, wanderte nach Kanada aus. In Hamburg legte er 1956 das Abitur ab und begann danach an der Universität Hamburg ein Studium der Germanistik, Literatur- und Theaterwissenschaften.[7] Er war Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg.

Peymann hatte ein Kind aus seiner ersten Ehe. Das Paar trennte sich kurz nach der Geburt des Sohnes Anias. Die letzten Jahre verbrachte er mit seiner Lebensgefährtin Jutta Ferbers in Berlin-Köpenick.[8][9]

Erste Regiearbeiten in Hamburg, Berlin und Frankfurt

Peymann begann seine Regiearbeiten am Universitätstheater in Hamburg. 1966/67 war er am Stadttheater Heidelberg mit Otto Sander und Ulrich Wildgruber,[10] danach bis 1969 Oberspielleiter des Frankfurter Theaters am Turm. Mit der Uraufführung von Peter Handkes Publikumsbeschimpfung wurde er 1966 überregional bekannt. Zur Spielzeit 1970/1971 wechselte er zur Berliner Schaubühne. Es kam jedoch dort nur zu wenigen Arbeiten, da Peymann mit dem demokratischen Modell des Mitbestimmungstheaters und dessen Leiter Peter Stein nicht zurechtkam. Nach dem Zerwürfnis mit Stein war er von 1971 bis 1974 als freier Regisseur tätig. Eine Bewerbung als Regieassistent bei Helene Weigel am Berliner Ensemble war gescheitert, nachdem Peymann zu spät zu einem Bewerbungsgespräch gekommen war.[11] 1972 wurde das Theaterstück Der Ignorant und der Wahnsinnige von Thomas Bernhard bei den Salzburger Festspielen mit Bruno Ganz und Ulrich Wildgruber unter der Regie von Claus Peymann uraufgeführt.

Schauspieldirektor in Stuttgart (1974–1979) und Intendant am Bochumer Schauspielhaus (1979–1986)

Förderer zeitgenössischer Autoren und junger Schauspieler

Seine erste große Intendanz übernahm Peymann von 1974 bis 1979 als Schauspieldirektor am Schauspiel Stuttgart. Die Uraufführungen zeitgenössischer Autoren wie Thomas Bernhard, Peter Handke und Peter Turrini bildeten für Peymann einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Die Erfolge der Stücke machten das Haus zu einem Zentrum des deutschen Theaters. Zu den wichtigsten Schauspielern, mit denen er zusammengearbeitet hat, gehören Gert Voss (bis zu dessen Tod im Juli 2014), Ignaz Kirchner und Kirsten Dene.

Die »Zahnspendenaffäre« 

Wegen einer Geldsammlung für Zahnbehandlungen der in Stammheim inhaftierten RAF-Terroristin Gudrun Ensslin geriet er bundesweit in die Schlagzeilen.[12] Peymann hatte zugelassen, dass am schwarzen Brett seines Theaters ein Brief aufgehängt wurde, in dem die Mutter von Ensslin um Spenden für die Zahnbehandlung der Tochter bat. Der Gefängniszahnarzt sei sehr brutal, ein anderer Zahnarzt könnte da hingehen, aber sie, die Eltern, seien nicht in der Lage, das zu bezahlen. Peymans Spende von 350 Mark und die 150 Mark, die von den Schauspielern zusammenkamen waren wochenlang Thema der Bildzeitung. Ministerpräsident Hans Filbinger setzte Peymann unter Druck. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel erreichte, dass er seine Vertragszeit bis zum Ende erfüllen konnte.

Erfolge am Schauspielhaus Bochum

Im Jahr 1979 übernahm Peymann die Intendanz am Schauspielhaus Bochum, das zuvor von Peter Zadek geführt worden war. Dabei kündigte er 44 Schauspielern und Mitarbeitern und zog damit in der deutschen Theaterszene viel Unmut auf sich. In seiner knapp siebenjährigen Amtszeit feierte Peymann große Erfolge bei Kritik und Publikum und begründete seinen Ruf als „Papst“ der deutschen Theaterszene.

Direktion des Burgtheaters in Wien (1986–1999)

1986 übernahm Peymann die Direktion des Burgtheaters in Wien. Die Uraufführung von Thomas Bernhards Heldenplatz brachte 1988 ganz Österreich in Aufruhr und gilt bis heute als einer der größten Theaterskandale der Nachkriegszeit. Aufgrund seiner Betonung moderner, österreichkritischer Theaterstücke kam es mehrfach zu schweren Auseinandersetzungen mit Teilen der Wiener Presse, die sowohl von bürgerlich-konservativen Kreisen wie auch von sozialdemokratischen Persönlichkeiten wie Ex-Kanzler Bruno Kreisky oder Sozialminister Josef Hesoun angefacht wurden. Die kontroverse Wirkung Peymanns an der Burg muss im Zusammenhang mit dem besonderen Status dieser Kulturinstitution in Österreich gesehen werden: Das 1776 begründete Theater mit einem Ensemble von ca. 160 Schauspielern gilt vielen bis heute als Olymp des Schauspieltheaters deutscher Sprache. Unter der Direktion Peymanns wurde die Strahlkraft dieses quasi mythischen Ortes in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß für gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen genutzt.

Auch nach innen war die Ära Peymann am Burgtheater an Konflikten reich. Viele der – nach einem zehnjährigen Engagement, der sogenannten Zehn-Jahres-Klausel – mit einem Vertrag auf Lebenszeit ausgestatteten Burgtheaterschauspieler traten in seiner Ära nicht oder nur in Nebenrollen in Erscheinung. Eine dieser Personen, die sich vehement gegen Peymann stellten, war der spätere Kunststaatssekretär Franz Morak – damals in seiner Eigenschaft als Ensemblevertreter. Aber auch der Sozialdemokratie nahestehende Schauspieler wie vor allem Fritz Muliar oder Erika Pluhar argumentierten öffentlich gegen Peymann und weigerten sich, unter seiner Regie aufzutreten.

Peymann blieb dreizehn Jahre Chef des Burgtheaters. „Ein Sportstück“, von Elfriede Jelinek, 1998 inszeniert von Einar Schleef, gehörte zu den Höhepunkten der Ära Peymann. 1999 verabschiedete er sich in Richtung Berlin. Zuvor hatte er einmal mehr gedroht, seinen Vertrag als Burg-Chef nicht zu verlängern. Überraschenderweise wurde dieses den Berichten zufolge nicht ganz ernst gemeinte Angebot vom damaligen Bundeskanzler Viktor Klima angenommen. Die Ära Peymann wird heute in Wien als eine – trotz mancher Schwächen – geglückte und kreative Direktion des Burgtheaters beurteilt. Dazu trug auch bei, dass Peymann viele namhafte, sehr unterschiedliche Regisseure nach Wien holte, wie z. B. Giorgio Strehler, Peter Zadek, Hans Neuenfels, Einar Schleef oder George Tabori.

Intendant des Berliner Ensembles (1999–2017)

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Claus Peymann fotografiert von Oliver Mark im Garten seines Hauses, Berlin-Köpenick, 2004
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Claus Peymann bei einer Versteigerung auf dem Hof des Berliner Ensembles in Berlin, 2005
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Claus Peymann auf dem Blauen Sofa im Berliner Ensemble, 2006
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Peymann liest Thomas Bernhard, 2017

Auf 13 Jahre am Wiener Burgtheater folgten 18 Jahre in Berlin, wo er seit der Spielzeit 1999/2000 die Geschicke des Berliner Ensembles im Theater am Schiffbauerdamm führte. Hier hatte seit 1954 das von Bertolt Brecht 1949 gegründete und bis zum Ende der DDR für seine Brecht-Aufführungen legendäre Ensemble gespielt. Peymann setzte diese Tradition fort, brachte jedoch auch hier wieder zeitgenössische Autoren wie Thomas Bernhard zur Aufführung. 2002 erhielt er den Nestroy-Theaterpreis für sein Lebenswerk.

Im Februar 2007 geriet Peymann in die Kritik, weil er dem ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar einen Praktikumsplatz als Bühnentechniker beim Berliner Ensemble angeboten und dessen jüngste politische Äußerungen unterstützt hatte. Daraufhin forderte Rolf Hochhuth die Absetzung von Claus Peymann als Intendant des Berliner Ensembles.[13] Es folgten zwei Zivilklagen Hochhuths gegen Peymann in anderer Sache.[14][15]

Im April 2008 wurde bekannt, dass Peymann plane, in seinen bisherigen Leitungsfunktionen mindestens zwei weitere Jahre für das Berliner Ensemble tätig zu sein. Danach verlängerte Peymann seinen Vertrag mehrfach um zwei Jahre,[16] ursprünglich zuletzt bis 2016.[17] Im Dezember 2014 verlängerte er seinen Vertrag ein letztes Mal bis Juli 2017, sein Nachfolger wurde Oliver Reese.[18]

2009 war Peymann Gast-Sidekick bei der Harald Schmidt Show in der ARD.[19] Moderator Harald Schmidt war 1978 Statist in einer Stuttgarter Inszenierung Peymanns gewesen und hatte als junger Schauspieler davon geträumt, in sein Ensemble aufgenommen zu werden. Schmidt hatte 2001 eine Persiflage auf Thomas Bernhards Stück Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen von Benjamin von Stuckrad-Barre mit dem Titel Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen in seiner Show auf Sat.1 aufgeführt und damit am Berliner Ensemble gastiert. 2003 lehnte er eine Einladung Peymanns für eine Rolle am Berliner Ensemble ab.[20]

2010 wurde Peymann im Dokumentarfilm Unter Linken – der Film von Jan Fleischhauer interviewt und gab dort an, als Intendant des Berliner Ensembles etwas mehr als 200.000 Euro brutto im Jahr zu verdienen.[21][22] Später gab er an, zum Ende seiner Intendanz fast 350.000 Euro verdient zu haben.[11]

Die Premiere der Inszenierung von Shakespeares Richard III., die 2010 vom französischen Kritikerverband zur besten fremdsprachigen Theateraufführung des Jahres gewählt wurde, fand bereits 2000 im Berliner Ensemble statt und gastierte seitdem unter anderem in Teheran, Tokyo, Stratford-upon-Avon und Verona sowie zuletzt im Wiener Burgtheater.

Um mehr Druck auf laufende Tarifverhandlungen auszuüben,[23] hielt sich am 3. Januar 2012 eine ver.di-Gruppe von acht jungen Besuchern nicht an die Absprache mit ver.di[24] und störte nach der Pause eine von Peymann inszenierte Premiere von Dantons Tod mit Sprechgesängen und Flugblättern, die sie vom ersten Rang auf die Zuschauer im Parkett warfen. Das Publikum blieb passiv, die Premierenbesprechungen erwähnten den Vorfall nur am Rande[25][26][27] und der zuständige ver.di-Tarifsekretär distanzierte sich von der Aktion: „Wir haben alle Aktivitäten gestoppt, weil es am 23. Januar einen ersten Verhandlungstermin gibt.“[24]

Peymann warf seinem Nachfolger Oliver Reese vor, das Berliner Ensemble zu zerstören, da dieser keine Mitglieder des Ensembles übernehmen wolle. Er könne dies, da das Theater seit Beginn der 1990er Jahre eine GmbH ist.[28] Außerdem solle das BE-Archiv aufgelöst werden.[8] Weiterhin bezeichnete Peymann den Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Müller sowie den Kulturstaatssekretär Tim Renner, der Reese ausgewählt hatte, als eine kulturpolitische Katastrophe für Berlin.[29][28] Er wünsche sich für Berlin einen Kultursenator, der sich für den Schutz der Künstler einsetze, Verantwortung übernehme und die Kunst liebe.[28]

Peymann sprach 2015 bei einer gemeinsamen Flugreise mit Norbert Lammert über seine mögliche Rückkehr zum Bochumer Schauspielhaus mit Leander Haußmann und Matthias Hartmann.[30] Stattdessen kehrte Peymann in der Spielsaison 2017/18 für ein Gastspiel zum Stuttgarter Staatstheater zurück, wo er Shakespeares König Lear inszenierte. Die Premiere war am 23. Februar 2018.[8]

Zum Ausklang seiner Intendanz ließ Peymann am 2. Juli 2017 einen langen Theaterabend, „Der Abschied“, mit Ausschnitten aus seinen Lieblingsstücken Revue passieren. Filmaufnahmen von verstorbenen Regisseuren und Schauspielern, die eng mit Peymann verbunden waren, erschienen noch einmal auf einer Bühnenleinwand. Prominente Künstlerfreunde wie Nina Hagen, Katharina Thalbach, Georgette Dee, Angela Winkler und Herbert Grönemeyer wohnten der letzten Vorstellung bei. Nach fünf Stunden und vielen Ovationen beendete um Mitternacht ein Feuerwerk auf dem Bertolt-Brecht-Platz vor dem Berliner Ensemble Peymanns Intendanz.[31]

2019 erkrankte Peymann an einer schweren Hirnhautentzündung und lag mehrere Monate auf der Intensivstation des Wiener AKH.[32]

In den letzten Jahren seines Lebens arbeitete Claus Peymann mit der Theaterkritikerin Christine Dössel an seiner Autobiografie Theaterwahnsinn.

2020 inszenierte er am Wiener Theater in der Josefstadt Thomas Bernhards Dramolett Der deutsche Mittagstisch.[33]

Im Juli 2025 starb Peymann nach langer Krankheit in Berlin-Köpenick.[34]

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Würdigung

„‚Wer Peymann näher kennt, weiß, dass er eine Art Wohngemeinschaft ist. In ihm sind ein eleganter Herr gemeldet, ein trotziger, wunderbar verspielter Kindskopf, ein Grantscherm mit Tobsuchtsneigung, ein brillanter politischer Analytiker, unfähig zum Opportunismus.‘ Daneben finde sich ein ‚harmoniesüchtiger Zauderer, ein harscher Kolonialist – und ein behutsamer Entwicklungshelfer‘. Jeden Morgen [...] werde per Ziehung entschieden, welcher Peymann Ausgang erhalte.“

André Heller, 1999.[35]
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Selbstbeschreibung

„Ich bin ja nicht 1937 geboren. Da bin ich als Claus Peymann in Bremen geboren. Geboren bin ich 1968. Oder in den 60er, 70er-Jahren hier in Stuttgart. Das ist eigentlich meine wirkliche Geburt. Und mein Wahn, dass ich noch immer glaube, wie ein Mammut, der gar nicht mehr in die Zeit passt, dass das Theater wirklich zuständig ist für Utopien, zuständig ist für die Verbesserung der Welt, für größere Gerechtigkeit.“

Claus Peymann, 2018.[36]

Auszeichnungen und Ehrungen

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Wichtige Inszenierungen

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Literarische Rezeption

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Nachrufe und Würdigungen

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Publikationen

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Filme (Auswahl)

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Commons: Claus Peymann – Sammlung von Bildern

Interviews

Audios

Einzelnachweise

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