Federsee
See in Baden-Württemberg Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Der Federsee bei Bad Buchau im oberschwäbischen Landkreis Biberach ist mit einer Fläche von 1,4 km² der zweitgrößte See in Baden-Württemberg.[2] Er liegt inmitten des mit 33 km² größten zusammenhängenden Moorgebietes Südwestdeutschlands und ist mit ihm der Rest eines einst sehr viel größeren, etwa 50 km² bedeckenden nacheiszeitlichen Sees. Dieser Komplex aus See und Moor stellt heute den Kern des geologischen Federseebeckens dar, das nach Renaturierungsmaßnahmen inzwischen mit seinen früheren Ufern und Inseln eine überragende natur- und kulturhistorische Bedeutung besitzt.
Federsee | ||
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Federseegebiet bei Bad Buchau, mit 33 km² das größte Moor in Südwestdeutschland | ||
Geographische Lage | Deutschland, Baden-Württemberg, Landkreis Biberach | |
Zuflüsse | Seekircher Ach | |
Abfluss | Federseekanal → Kanzach → Donau → Schwarzes Meer | |
Orte am Ufer | Bad Buchau, Oggelshausen, Seekirch und Tiefenbach | |
Daten | ||
Koordinaten | 48° 5′ 2″ N, 9° 37′ 49″ O | |
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Höhe über Meeresspiegel | 578,3 m | |
Fläche | 1,39 km²[1] | |
Länge | 2,25 km[1] | |
Breite | 1,03 km[1] | |
Volumen | 1.100.000 m³ [1] | |
Maximale Tiefe | 3,2 m[1] | |
Mittlere Tiefe | 0,8 m[1] | |
pH-Wert | 8,81 | |
Einzugsgebiet | 35,4 km²[1] |
Die heutige Beckenlandschaft ist inzwischen vor allem auch ein Modell für die ökologische Wiederherstellung einer bereits weitgehend zerstörten Naturlandschaft samt ihren botanischen und zoologischen Habitaten und der damit einhergehenden Sicherung und Erforschung uralter Kulturzeugnisse, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts nach der Senkung des Seespiegels und der Entwässerung der Moore zutage traten. Die sich dort befindlichen Reste der Pfahlbauten gehören teilweise zum UNESCO-Weltkulturerbe.[3]
Der Federsee und das ihn im zentralen Becken umgebende Moor sind jetzt in einer Fläche von 23,76 km², also zu mehr als zwei Dritteln, geschützt, das Gebiet trägt zudem als Natur- und Europäisches Vogelschutzgebiet Federseeried das Prädikat „Europareservat“ und wurde von der Europäischen Union als Bestandteil des FFH-Gebiets Federsee und Blinder See bei Kanzach in ihr Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ aufgenommen.[4]
Das Federseer Ried als Teil des Federseebeckens in Oberschwaben ist ein Naturraum der Haupteinheit 040 Donau-Ablach-Platten im Nördlichen Alpenvorland. Vom Landschaftstyp her handelt es sich um eine Moorlandschaft (moorreiche Kulturlandschaft). Im Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands von Meynen/Schmithüsen (1953–1962) wird das Gebiet als naturräumliche Untereinheit 040.25 Federseebecken bezeichnet.
Ausgehend von der einstigen, von Karlhans Göttlich 1970/1972 festgestellten Grenzen der Moorfläche,[5] weist das Becken nordöstlich einen (von der Seekante gemessenen) sechs Kilometer langen, zu Beginn drei Kilometer breiten, am Ende sehr schmalen (300 m) trichterförmigen Ausläufer auf, nordwestlich einen etwa fünf Kilometer langen, durchgehend schmalen (ca. 300 m) Ausläufer, möglicherweise alte Gletscherzuflusszonen. Nach Westen weitet sich das Becken zu einer etwa einen Kilometer tiefen und nord-südlich drei Kilometer langen Bucht, durch die auch die Kanzach fließt, die 1808/09 zu einem west-östlichen Abflusskanal mit Wehr zur Wasserstandregulierung des Moores ausgebaut wurde und nach knapp 20 km in die Donau mündet. Das weit umfangreichere südliche Federseebecken, mit der einstigen etwa zwei Kilometer langen und maximal ca. 700 m breiten rübenförmigen Insel Buchau an der Westseite, ist sehr viel breiter und topographisch wesentlich geringer gegliedert, zeigt zudem heute auch am wenigsten einen Moorcharakter. Bei einer anfänglichen Breite von vier Kilometer läuft es nach etwa sieben Kilometer in einem Zipfel aus, von dem ein kleiner westlich abzweigender, etwa zwei Kilometer langer Ausläufer zur Schussenquelle führt. Das östliche Ufer war einst relativ steil, so dass sich die meisten frühen Siedlungen am flachen, reich durch Buchten und Halbinseln gegliederten westlichen Ufer konzentrierten.
Am Federsee liegen Bad Buchau, Moosburg mit Brackenhofen, Alleshausen, Seekirch, Tiefenbach und Oggelshausen. Auch Kanzach, Allmannsweiler, Betzenweiler und Dürnau werden zum Federseegebiet gezählt (sie sind Teilgemeinden von Bad Buchau). Die nebenstehende Abbildung des Federseebeckens aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigt – damals war die Seefläche mit 1,52 km² (1911) noch um ca. 15–20 % größer als heute – mit Ausnahme des südlichen Endes alle Anliegergemeinden und Orte der näheren Umgebung. Die den Federsee umgebenden hellgrünen Gebiete sind durchweg bestehendes oder ehemaliges Moor/Ried (der Begriff „Ried“ bezeichnet in Süddeutschland vor allem den oberirdischen Bewuchs eines Moores,[6] vgl. niederdeutsch Reet). Die Ortschaften und Gehöfte (in Klammer dahinter jeweils wichtige urgeschichtliche Fundstätten) liegen entweder
Im Uhrzeigersinn sind dies beginnend rechts oben:
Der Charakter einer Kulturlandschaft wird im Gegensatz zu dem einer Naturlandschaft in allerdings unterschiedlichen Anteilen von den dort lebenden Menschen bestimmt. Im Federseegebiet, wo die archäologischen Funde besonders aussagekräftig sind und reichlich anfallen, lässt sich das Wechselspiel zwischen Kultur und Natur deutlich und detailliert verfolgen.
Der Mensch prägte allerdings auch am Federsee bereits seit seiner Zeit als Jäger und Sammler, vor allem aber seit der neolithischen Revolution und der Erfindung der Metallverarbeitung auch ohne solche Denkstrukturen die dortige Landschaft immer stärker. Auf die fast vollständige Landschaftszerstörung im 19. und 20. Jahrhundert folgte die „Landschaftsrettung“ im modernen ökologischen Sinne. Doch unvermeidlich wurde er auch von der Landschaft geprägt, zunächst durch die Überschwemmungen, als der See immer wieder massiv über die Ufer trat und trotz der ausgeklügelten Pfahlbausysteme und Feuchtbodenbauten ganze Kulturen vernichtete.
Der Name bzw. der „Federsee“ selbst, der vermutlich nicht anderes als „Moor-, Sumpf-See“ bedeutet, fand in früheren wissenschaftlichen Veröffentlichungen von zahlreichen Wissenschaftlern wie Leo Frobenius (Kulturgeschichte Afrikas, S. 158–189) und Oswald Spengler (Untergang des Abendlandes, S. 131 f., 579 ff.) eine Würdigung. Sie untersuchten die komplexen vor allem in ur- und frühgeschichtlichen Zeit stattfindenden Zusammenhänge. Bei Tomáš Sedláček findet sich dies vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten, etwa in der Ökonomie von Gut und Böse (S. 40 f., 47, 51 f., 56.). Heute beschäftigen sich vor allem Paläoanthropologen und Evolutionsbiologen wie Jonathan Kingdon mit dem Thema der Landschaftsbildung durch den Menschen (Und der Mensch schuf sich selbst. S. 86 ff.).
Gegen Ende der Steinzeit, zu Beginn der Bronzezeit, kam eine andere Angst hinzu und führte zu immer wehrhafteren Bauten: die Angst vor anderen, fremden Menschen und deren Raubgier. Denn die von den Seebewohnern nach und nach gebildeten Gesellschaften hatten sich nun nachweislich schon zu Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. in den endneolithischen Straßendörfern vom Typ Seekirch immer stärker sozial differenziert und dabei Schichten mit immer wohlhabenderen Eliten entwickelt, wie man an der Ausstattung und Anordnung der Bauwerke erkennt.[8] Auf deren Reichtümer richteten sich nun Begehrlichkeiten von außen. Der Angst vor Raub und Überfall und der Angst vor dem Moor und See versuchte man denn auch schon in der frühen Bronzezeit nicht nur durch massive, teils wie in der „Wasserburg Buchau“ aus 15.000 Kieferstangen gefügten Palisaden plus zusätzlicher Holzmauer bestehenden Wehranlagen,[9] sondern auch durch Opfergaben zu begegnen, wie sie in Depotfunden bezeugt sind,[10] selbst durch Menschenopfer, wie sie ausweislich des Schädelfundes an der Wasserburg Buchau (sechs Schädel insgesamt in einem Depot) auch am Federsee praktiziert worden sein dürften, so wie anderswo auch.[11] Und hier nun, in einer der Sagen schlägt der See auch zurück, verteidigt oder rächt die Menschen in seinem Einflussbereich und richtet seine Naturgewalt gegen die Angreifer.
Oberschwaben und das Federseegebiet lagen bereits im Neolithikum im Spannungsfeld nord-südlicher und ost-westlicher Einflüsse, und in seinem Gebiet überkreuzten sich auch die wesentlichen Wander- und Handelswege, die diese Zonen miteinander verbanden. Es ist daher nicht überraschend, dass auch am Federsee im Laufe der Jahrtausende zahlreiche Kulturgruppen und Ethnien gelebt und ihre Spuren hinterlassen haben: von den verschiedenen ur- und frühgeschichtlichen Neolithiker-Kulturen und bronzezeitliche Gruppen über Kelten, Germanen – insbesondere Alamannen – und Römern bis hin zu den fränkischen Merowingern und den Karolingern, mit denen hier die eigentliche Geschichte einsetzt. (Eine genauere tabellarisch-chronologische Aufschlüsselung der einzelnen Kulturgruppen siehe weiter unten.)
Auch die spätere mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte Oberschwabens, in die das Federseegebiet eingebettet ist, zeigt wegen der hier besonders ausgeprägten kulturellen und machtpolitischen Überlappungen (Württemberg, Baden, Hohenzollern, Thurn und Taxis, Österreich-Habsburg, Lothringen, Bayern, Salier, Staufer, Welfen, Alte Eidgenossenschaft, Heiliges Römisches Reich) eine große Vielfalt, teils als geistliche Herrschaftsbereiche von Klöstern, teils als Reichsstadt wie Bad Buchau und andere kleinräumige weltliche Herrschaften (Vogteien usw.), teils als Teil des Herzogtums Schwaben und späterer, daraus hervorgegangener politischer Einheiten. All diese haben ihre Spuren nicht nur in der Formung von Natur und Landschaft oder in den von der Archäologie zutage geförderten Zeugnissen und Bauwerken hinterlassen oder in den von der Volkskunde untersuchten regionalen Brauchtümern, sondern hie und da auch in Sprache und Volksgedächtnis.[12]
Die erste dieser Spuren bilden die verschiedenen Orts- und Landschaftsnamen, hier vor allem der des Federsees selbst; die zweite, noch weit nebulösere verbirgt sich in den jahrhunderte-, teils auch jahrtausendealten Sagen. Denn vor allem die Sage ist, so Gero von Wilpert[13] „nicht nur bedeutsames kulturhistorisches Dokument (uralte Gemeinschaftsvorstellungen, Naturgefühl), sondern als Auseinandersetzung mit der erlebten Umwelt ebenfalls Dichtung.“
Ortsnamen im weitesten Sinne, also auch Flurnamen, Gewässernamen usw., konservieren alte historische und natürliche Gegebenheiten, die heute meist nicht mehr bestehen und daher für die Vergangenheit einer Gegend und der darin lebenden Menschen von oft hoher lokalgeschichtlicher Aussagekraft sind, da sie zusätzliche Informationsquellen jenseits von Archäologie und Naturwissenschaften liefern können.
Vorbemerkung: Wie bei allen Etymologien muss auch hier beachtet werden, dass es mitunter mehrere plausibel scheinende Möglichkeiten gibt, ein Wort sprachgeschichtlich abzuleiten und dass die ersten Belege meist aus dem Mittelhochdeutschen stammen, mitunter auch aus dem Althochdeutschen, dass in ihnen jedoch häufig ältere Sprachzustände, vor allem keltische bewahrt sein können. Auch eine direkte Ableitung der Bedeutung aus dem gegenwärtigen Sprachzustand ist heikel und führt oft zur sog. Volksetymologie. Häufig ist es zudem sinnvoll, ähnliche oder gleiche Ortsnamen aus anderen Gebieten bei aller Vorsicht im Einzelnen, vor allem was die Dialektgeographie betrifft, vergleichend heranzuziehen.
Zur Herkunft des Namens „Federsee“, der in lateinischen Texten auch als Lacus plumarius auftaucht – wohl eine gelehrte latinisierende Neubildung aus einem bereits von der Wortherkunft her unverstandenen „Feder-See“ – gibt es mehrere Theorien, vier eher volksetymologische (Nr. 1–4) und eine sprachwissenschaftlich-etymologische (Nr. 5):
Auch die verschiedenen Orts- und Flurnamen (solche, wo wichtige urgeschichtliche Funde gemacht wurden oder Siedlungen bestanden) weisen oft deutlich auf die „feuchte“ Natur des Ortes hin:[17]
Man kann hier nach der Thematik grob vier Gruppen unterscheiden:
Die erste Gruppe ist hier die bei weitem interessanteste, denn wie an vielen derartig geheimnisvoll scheinenden Orten gibt es auch am Federsee Sagen, bei denen hie und da noch alte Überlieferungen hervorschimmern, die auf die ehemaligen Pfahlbaubewohner hinweisen könnten, auch wenn sie christlich eingefärbt sind.
Repräsentativ hierfür ist die Sage von der Stadt im See. Sie erzählt in mehreren Versionen, wie einst dort, wo jetzt der Federsee liegt, vor alten Zeiten eine Stadt war. In der einen Version führten die Einwohner einen gottlosen Lebenswandel, und die Stadt ging deshalb unter. Bei hellem Wetter und niederem Wasserstand sieht man heute noch die Spitze der Kirche aus dem Wasser ragen. Andere wollten auch läuten gehört haben. In diesem See liegt auch eine Insel, mit der man die Leute aufzieht; man sagt dann: „das und das ist auf der Insel Bibbî im Federasai geschehen, und die sieht der zehnte Mann nicht!“ Darauf soll’s lustig hergehen, wie vordem in der untergegangenen Stadt.[41] Diese Sage ist möglicherweise eine alte Erinnerung an die sogenannte „Wasserburg Buchau“, die vor allem durch den NS-Urgeschichtler Hans Reinerth in der NS-Zeit auf der Grundlage dieser Sage zu einer Art „Atlantis“, gar zum „schwäbischen Troja“ hochstilisiert wurde.[42] Interpretiert man den Mythos allerdings nicht im ideologisch motivierten Reinerthschen Sinne, sondern als archetypisches menschliches Erinnerungsmuster etwa nach Carl Gustav Jung, Joseph Campbell und Claude Lévi-Strauss, so findet sich hier vielleicht doch eine Erinnerung an von See-Transgressionen verschlungene Siedlungen, und zwar am ehesten an die letzte bronzezeitliche Siedlung, eben die Wasserburg Buchau, die nach Befunden der reichhaltigen Spülsäume möglicherweise Mitte des 9. vorchristlichen Jahrhunderts im Verlauf der besonders dramatischen Transgression T9 aufgegeben wurde, wonach sich die Bewohner in die bereits bestehende Inselsiedlung zurückzogen, gleichzeitig das Ende aller prähistorischen Feuchtbodensiedlungen überhaupt und damit ein so bedeutendes Ereignis, dass es tiefe Spuren im Gedächtnis der lokalen Bevölkerung hinterlassen haben dürfte.
In einer anderen Version erzählt die Sage ebenfalls, wie vorzeiten im Federsee eine feste Stadt stand. Sie hatte sieben Türme und hohe Mauern, und ihre Einwohner waren nicht sündig, wie in der ersten Fassung, sondern gute Christen, die Gott zu Ehren ein Kirchlein auf ihrer Insel errichtet hatten. Im Laufe der Jahre mehrte sich ihr Wohlstand, und da sie niemandem Böses taten, hatten sie auch keine Feinde. Da erschienen eines Tages viele Kähne auf dem Federsee, und die Inselbewohner erkannten mit Schrecken, dass eine feindliche Kriegsschar sich ihrer Insel näherte. Es waren Heiden, von deren Bluttaten man schon oft mit Grauen gehört hatte. Der Kampf war heftig. Die friedlichen Inselbewohner erlagen den heidnischen Fremden, die zwischen den brennenden Trümmern der eroberten Stadt bis in die Nacht hinein schwelgten und tranken. Allein die Sieger müssen ihre Bluttat mit dem Leben bezahlen. Als die trunkenen Heiden in tiefem Schlaf lagen, begann die Insel zu sinken, und am anderen Morgen sahen die wenigen geretteten Flüchtlinge vom Ufer nur noch die Spitze des Kirchturms aus dem Wasser ragen. Seither schläft die versunkene Stadt im Moore, und nur Auserlesene können zu gewissen Stunden tief unten die Hähne krähen und die Hunde bellen hören.[43]
In beiden Fällen mögen kollektive Erinnerungen an die am Federsee nicht seltenen katastrophalen Überflutungen wie auch an feindliche Überfälle auf die beiden großen Siedlungen der Bronzezeit, die „Siedlung Forschner“ und die „Wasserburg Buchau“, eine Rolle gespielt haben, zumal die Gegend auch nach deren Ende nie völlig menschenleer gewesen, sondern, wie Streufunde und Kleinstsiedlungen ausweisen, regelmäßig besucht worden ist und kontinuierlich ein relativ gut besiedeltes weiteres Umfeld besaß bis hin zur nur zehn Kilometer vom Federsee entfernten keltischen Heuneburg und späteren Keltendörfern, römischen Gutshöfen und alamannischen sowie merowingischen Herrensitzen, so dass eine Kontinuität der lokalen Erinnerung bestanden haben dürfte.
Die zweite Gruppe wird hier von der Federsee-Version der Sage vom Nebelmännle vertreten, einer in ganz Süddeutschland und vor allem am Bodensee verbreiteten Sage. Sie hat eher das geisterhaft Gefährliche, Nebeldurchwaberte, Magische der Gegend in ihrem erzählerischen Zentrum, vor allem den grundlegenden Konflikt, in dem die reale Welt mit der irrealen, magischen steht.
An eher christlich motivierten Sagen und Legenden der dritten Gruppe seien hier beispielhaft die genannt, die sich um Adelindis von Buchau, die Stifterin des Klosters Buchau und ihren Gatten spinnen und die bis heute im Brauchtum von Bad Buchau lebendig sind. (weitere Beispiele siehe unter[44])
Die vierte Gruppe schließlich, die sich vor allem um lokale und meist bäuerliche Bräuche rankt, ist oft schwankhaft, gleicht in der Erzählstruktur denen in anderen Landesteilen und ist am geringsten Federsee-spezifisch, allenfalls durch die typischen Umgebungsmerkmale.
Das Federseebecken ist ein typisches grundwassergespeistes Moorgebiet, dessen Wasserspiegel relativ konstant bleibt, sofern nicht natürliche oder künstliche Abflüsse für eine Entwässerung sorgen. Der See hat nur ein kleines, einschließlich des Moores etwa 70 km² umfassendes Wassereinzugsgebiet. Die Zuflüsse sind unbedeutend. Die Seekircher Aach ist der Hauptzufluss, dazu kommt ein kleiner, von den nordöstlichen Hügeln fließender Bach, der Tiefenbach, der beim gleichnamigen, dem See insgesamt am nächsten gelegenen Ort in den See mündet, und der Mühlbach bei Bad Buchau. Alle diese Bäche waren allerdings bisher in Entwässerungsmaßnahmen einbezogen und werden nun nach und nach renaturiert.
Der Wasserspiegel des heute regulierten und zwischen 60 cm und 2,80 m tiefen Sees (ursprünglich über 6 m) dürfte früher wohl vor allem von Niederschlägen und vom Moorwachstum in der flachen Ausflussschwelle abhängig gewesen sein, durch die die Kanzach heute am westlichen Ende das Seebecken durch einen künstlich angelegten und durch ein Stauwehr regulierten Abfluss verlässt, so dass der Federsee ursprünglich bis auf den damals beim Vollochhof über eine niedrige Abflussschwelle das Becken verlassenden Kanzachbach nur noch den Federbach als Abfluss hatte. Die Kanzach wurde in ihrem heutigen, schnurgeraden Lauf erst 1808/1809 hierher verlegt und kanalisiert, indem sie zu einem west-östlichen Abflusskanal mit Wehr zur Wasserstandregulierung des Moores ausgebaut wurde und nach Aufnahme mehrerer anderer Bäche nach knapp 20 km als kleiner Fluss in die Donau mündet.
Der Federsee befindet sich auf der europäischen Hauptwasserscheide und entwässert sowohl nach Nordwesten in die Kanzach, deren schmales, die Hügel durchziehendes Tälchen eine Verbindung zur Oberen Donau herstellt, als auch nach Südosten über den kanalisierten Federbach in Richtung Rißtal. Ein unterirdischer Abfluss besteht über die am südlichen Rand etwas außerhalb des Federseebeckens liegende Schussenquelle zum Bodensee und damit in das Rheinsystem.
Geologie des mineralischen Beckens: Siehe unten „Seegeschichte“.
Moorgeologie des Beckens:[45] Das große glaziale Becken ist mit Ton ausgekleidet, der in den jüngeren Schichten allmählich in Tonmudden übergeht und von Kalk-Lebermudde überlagert wird. Ab dem späten Glazial wurde Lebermudde abgelagert, ein in hohem Maße gallertartiges und damit elastisches Feinsediment, das die Unebenheit des glazialen Grundes einebnete und große Mächtigkeiten erreichte. Auf dieser Grundlage bildeten sich in den flachen Buchten des nördlichen, westlichen und südlichen Rieds ausgedehnte Niedermoore, die sich schnell in Übergangsmoore verwandelten. Im südlichen Ried entstand ab dem mittleren Subboreal ein Hochmoorschild. Die von zahlreichen Überflutungen gestörten Verlandungsvorgänge führten zu einer kleinräumig differenzierten, vielfach von geologischen Schichtlücken unterbrochenen Schichtung, so dass an keiner Stelle des Moores, auch nicht im Zentrum, eine vollständige Abfolge anzutreffen ist.
Geologie des Umlandes: Die umgebenden Randhöhen der Donau-Ablach-Platten werden von einer leicht gewellten Altmoränen-Flachhügellandschaft gebildet, die aus einem ausgeglichenen Mosaik aus Grundmoräne, Endmoränenzügen und Schotterflächen in ehemaligen Schmelzwasserrinnen besteht. Im Süden schiebt sich im vorderen Bereich der Jungmoräne der zu ihr gehörende Sander bis zum See vor und bildet hier eine flache Schotterebene, die in östlicher Richtung zum Rißtal verläuft. Südlich des gewaltigen Endmoränenzuges erstreckt sich eine typische, noch wenig eingeebnete Jungmoränenlandschaft, die ein kleinteiliges Mosaik aus Hügeln, Kleinseen und Feuchtgebieten bildet.[46] (Zur Paläogeologie und Paläolimnologie s. unten „Geschichte des Sees“.)
Landschaftsformen des Beckens:[47] Neben Moränenböden und Schotterbereiche am Rand (s. Geologie) finden sich mehrere für alte und bestehende Moorbereiche typische Formen (es handelt sich hier nicht um Sumpfgebiete, die keinen Torf entwickeln):
An Vögeln finden hier vor allem Rotkehlchen, Grasmücken und andere Singvögel Nahrung, Versteck und Brutplätze. In morschen Stämmen leben unzählige Holz fressende Insektenlarven, die Bunt- und Kleinspecht als Nahrung dienen. In verlassenen Spechthöhlen leben Meisen, Kleiber, Eulen, Hohltauben, Siebenschläfer, Wildbienen und Fledermäuse. Der Moorurwald bildet demnach ein außerordentlich eng verzahntes Biotop, das sich so nur wieder entwickeln konnte, weil menschliche Einflussnahme strikt unterbunden ist.
Als typischer Flachsee ist der Federsee Lebensraum für viele an warme, nährstoffreiche Gewässer angepasste Arten. Aufgrund seiner geringen Tiefe gelangt das Sonnenlicht bis auf den Boden, so dass sich eine üppige Wasservegetation entwickeln kann. Die Ufer sind durch Buchten reich gegliedert und daher begehrte Brutreviere für Vögel und Fische. Durch das Mosaik an verschiedensten, eng verzahnten Lebensräumen findet so eine Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten geeignete Bedingungen am Federsee. (Genannt sind hier vor allem am oder im Wasser bzw. in Mooren oder entsprechenden Feuchtgebieten lebende Arten.)
Die lokale Flora ist nach der Renaturierung des Gebietes mit Extensivierung der Landwirtschaft im späten 20. Jahrhundert wieder so vielfältig und typisch wie in anderen Moor- und Riedgebieten auch und zeigt einmal abgesehen von den land- und waldwirtschaftlich genutzten Flächen vor allem an den Beckenrändern und im südlichen Becken ein außerordentlich breites und differenziertes Artenspektrum von an diesen Landschaftstyp angepassten Pflanzen.
Im Einzelnen finden sich:
Die hier großflächig auftretenden Flach- und Übergangsmoore mit großen Röhrichtbeständen, Au- und Uferwäldern sowie Nass- und Feuchtwiesen sind wichtige Lebensräume für bundesweit schutzbedürftige Arten. Typisch sind naturgemäß Tierarten, die im oder am Wasser oder Ried leben und/oder sich von ihm und seiner Tier- und Pflanzenwelt ernähren. Vor allem im südlichen Becken, das nur noch geringe Ried-Merkmale zeigt, gibt es jedoch auch die „klassischen“ Wald- und Landschaftstiere (Rehe, Füchse, Hasen, Wildschweine usw.), allerdings mit Ausnahme des naturbelassenen Egelsee-Hochmoores und anderer Naturschutzgebiete wie den sog. Wackelwald bei Bad Buchau.
Im Einzelnen finden sich folgende Bestände:
Der heutige Federsee ist das Ergebnis eines nacheiszeitlichen Verlandungsprozesses, der ohne menschliche Eingriffe zum vollständigen Verschwinden des Sees führen würde. Die Entstehung des Federsees geht auf die Ausschürfung durch eine rißeiszeitliche Gletscherzunge zurück, die ein großes übertieftes Becken hinterließ, das im Westen, Norden und Osten von Grund- und Endmoränen begrenzt wird. Durch die Endmoränen wurde der Abfluss nach Süden abgeschnitten, so dass sich ein Eisstausee mit ca. 30 km² und bis zu 40 Meter Tiefe bildete und der Abfluss sich nach Norden zur Donau orientierte. Nach Bohrkernbefunden liegt der ursprüngliche Beckenboden rund 144 m unter der heutigen Mooroberfläche. Die damalige Seefläche ist in etwa identisch mit der maximalen Ausdehnung des Moores, von dem heute gut 23 km² unter Naturschutz stehen.
Bis zur Würm-Eiszeit war das Becken schon weitgehend mit Schmelzwassersedimenten (Kiesen, Sand und Ton) angefüllt, als es durch eine Jung-Endmoräne im Südosten zwischen Bad Buchau und Bad Schussenried abgeriegelt wurde. Der so entstandene Eisrandstausee war ursprünglich wohl 30-mal größer als die heutige verbliebene Wasserfläche. Durch starke Westwinde entstand am Ostufer ein bis zu zehn Meter hohes Brandungskliff in den Moränenwällen, das heute als markante Geländestufe zwischen Oggelshausen und Seekirch in Erscheinung tritt.
Nach dem Abschmelzen des Eises versiegte im Holozän der Zufluss aus dem Süden, und der Verlandungsprozess begann dadurch, dass die abgestorbenen Pflanzen und Algen auf den Seegrund sanken und langsam den Seeboden erhöhten. Die Verlandung in dem bereits stark aufgefüllten Becken verlief nach der Ablagerung von Bändertonen, Sand und Seekreide über ein nährstoffreiches Flach- oder Niedermoor bis zu einem nährstoffarmen Hochmoorschild, das bis zu 2,5 m Mächtigkeit über Bodenniveau erreichte und an der Ostseite in den nach den Seefällungen heute nicht mehr in seinem natürlichen Lauf vorhandenen, in die Beckenmitte abfließenden Federbach entwässerte.
Verlandungsprozesse: Von diesem alten Hochmoor ist heute allerdings im Südteil des Beckens nur noch wenig erhalten, obwohl es ursprünglich in der Bronzezeit eine Ebene bildete, die nun jedoch mit Ausnahme letzter Reste abgetorft ist.[54][55] Die Verlandung der flachen Buchten im Süden setzte bereits im Spätglazial ein und reichte im Subboreal bis in die Zone des zentralen südlichen Rieds. (Später entstand dort die früh- bis mittelbronzezeitliche Feuchtbodensiedlung Forschner.)[56] Klimatische Veränderungen im Verlauf des Holozän mit sich abwechselnden Trocken- und Feuchtphasen sowie Kälteeinbrüchen brachten jedoch immer wieder periodische Überflutungen (Transgressionen: T) des zentralen Wasserkörpers mit sich, so dass die Verlandungsvorgänge keinesfalls kontinuierlich verliefen, sondern mit mehreren Überflutungen, bei denen sich der See immer wieder große Torfflächern zurückerobern konnte. Solche Transgressionen gab es insbesondere im Neolithikum, und hier vor allem im Jungneolithikum. Von den insgesamt zehn gezählten See-Transgressionen im Holozän gab es bis zur eisenzeitlichen Hallstattzeit mehrere mit teils katastrophalen Folgen für die damaligen Siedler und ihre Dörfer, wie die dort aufgrund der exzellenten Erhaltungsbedingungen für biologische Materialien (vor allem Bauhölzer, die dendrochronologisch manchmal auch genau datierbar sind) im Moor reichlich vorhandenen archäologischen Funde ausweisen. Insgesamt wurden sechs größere Überflutungen gezählt, die erhebliche Auswirkungen auf die neolithische Siedlungsaktivität hatten (Zirkaangaben v. Chr., jeweils Beginn der Transgression, gerundet): T4 4300, T5 3900, T6 3700, T7 2500, T8 1500 und T9 800. T1–T3 (7000, 6500 und 6300) ereigneten sich noch vor der Siedlungsphase am Federsee; T10 fand um die Zeitenwende statt, als das Becken nur sehr spärlich besiedelt war, wenn überhaupt. Dazwischen gab es aber noch mehrere kleinere Überflutungen, die letzte kurz nach 500 n. Chr.[57]
In der Neuzeit hatte der See ab der Spätbronzezeit bis vor etwa 200 Jahren noch eine Fläche von etwa zehn Quadratkilometer und reichte an die umliegenden Ortschaften heran, und diese – Kappel, Brackenhofen, Alleshausen, Seekirch, Tiefenbach. Oggelshausen und die Freie Reichsstadt Bad Buchau samt Stift – umgaben den See, in dessen Süden sich eine geheimnisvoll unwirtliche, von Menschen gemiedene Moorlandschaft bis nach Sattenbeuren und Steinhausen erstreckte. Es war dies eine Urlandschaft, die den See in großen Teilen vom festen Ufer trennte, wild und unwegsam und lange Zeit sich selbst überlassen. Erst vor zwei Jahrhunderten entdeckte der Mensch den Wert des Moores als Wirtschaftsfaktor und griff mit dem Ziel der Land- und Torfgewinnung ein.
Jahrhundertelang hatte es immer wieder Streit gegeben zwischen dem reichen Damenstift Buchau und der zwar unabhängigen, aber eingeengten Stadt Buchau. Es ging meist um die Nutzung der feuchten Wiesen, um Weiderechte und Torfstich. Um neues Land zu gewinnen, entschied das deshalb angerufene Reichskammergericht daher schließlich, den Federsee abzusenken.
Die erste Seefällung begann schrittweise durch die Schussenrieder Prämonstratenser-Mönche, denn das wassergesättigte Hochmoor des „Wilden Rieds“ stellte für die Anwohner eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Besonders im Frühjahr entlud sich die in den Torfen gefangene Nässe oft sturzbachartig über die Felder und richtete erheblichen Schaden an. Ab 1765 begann man daher mit der Regulierung, indem man Abflussgräben zog und so zudem neue Flächen zur Kultivierung gewann. Die Seefläche wurde dann ab 1787/88 weiter von Norden her durch eine Vertiefung und Kanalisierung des westlichen Abflusses Kanzach auf sieben Quadratkilometer verringert, was einer Absenkung des Wasserspiegels um 85 cm entsprach. Diese Fällung erbrachte 415 ha Neuland.
Da das Ergebnis nicht befriedigte, wurde 1808/1809 auf Befehl von König Friedrich von Württemberg, der nach der Säkularisation von 1802 nun zuständig war, eine zweite Seefällung durchgeführt, die die Seefläche bei einer Absenkung um 114 cm auf nur noch 2,5 km² und die Tiefe auf 5,4 Meter reduzierte (heute 1,3). Dass der See nicht wie geplant um drei Meter gesenkt werden konnte, lag am immer wieder nachdrängenden Fließsand am Durchstich zum Kanzachkanal. Die gewonnenen Flächen, hier ca. 400 ha, waren allerdings wenig fruchtbar, feucht und konnten meist nur zur Gewinnung von Einstreu genutzt werden (sog. Streuwiesen), so dass man sie bald wieder sich selbst überließ, worauf sich ausgedehnte Röhrichte, Riede und Nasswälder entwickelten.[58][59]
Der Verlandungsprozess mit starker Absenkung des Grundwasserspiegels führte dann bis 1911 zu einer weiteren Reduzierung der Fläche auf 1,5 km². Seither konnte dieser Prozess durch Verbesserungen im landwirtschaftlichen Düngereinsatz, durch Extensivierung des Anbaus sowie Vermeidung schweren Geräts, um eine weitere Bodenverpressung zu vermeiden und in der Abwasserklärtechnik stark verlangsamt werden. Gegenwärtig wird sogar über die Regulierung des Kanzachwehres versucht, den Wasserspiegel leicht anzuheben.[47]
Schon vor 1765 gab es einen durch das Kloster betriebenen Abbau von Torf zu Brennzwecken, allerdings in kleinem Umfang und nur im Steinhauser Ried, wo man ihn mit dem sog. Wäsen-Stechen (also das manuelle Stechen einzelner Torfstücke, der sog. „Wäsen“) zu Heizzwecken gewann. 1764 wurde dort das erste Grabensystem angelegt, um den Abbau zu erleichtern. Aber erst im Zuge der neuen bäuerlichen Freiheiten kam es 1854 zur Gründung einer Riedgenossenschaft, die die systematische Brenntorfgewinnung im „Wilden Ried“ einleitete. Bereits 1850 war die Bahnstation Schussenried gebaut worden, damit der Torf besser abtransportiert werden konnte, und die planvolle Entwässerung begann.
Zum endgültigen Verlust des seit Jahrtausenden gewachsenen Hochmoores führte dann der immense Torfbedarf der Bahnstrecke Ulm–Friedrichshafen (Südbahn), der vor allem im südlich des „Wilden Rieds“ liegenden „Steinhauser Ried“ gedeckt wurde. Die dazu nötigen Hauptgräben wurden 1859/1860 im Vorfeld der großräumigen Torfausbeutung zusammen mit der „Staatlichen Torfmeisterei“ ausgehoben. Das Ried wurde planvoll entwässert. 1874 wurde die Staatliche Torfverwaltung gegründet, 1879 mit dem maschinellen Torfabbau begonnen, 1885 eine Torffabrik gebaut, und die Torfausbeutung wurde auf ein industrielles Niveau gebracht. Dabei kam es zu weiteren großräumigen Entwässerungsmaßnahmen durch Hauptgräben.
1910 wurde vom Staatlichen Torfwerk abermals ein neuer Hauptgraben angelegt, der geradlinig aus dem „Inneren Ried“ gegen Steinhausen führte und 1925 auf sein heutiges Niveau von 2,5 m vertieft wurde. Dadurch wurde die Abtorfung des Steinhauser Rieds bis zu den untersten Torflagen vorangetrieben, ein Vorgang, der zusammen mit zahlreichen neuen Zwischengräben zur flächendeckenden Absenkung des Grundwasserspiegels, zum Verfall der bisher in der Nässe geschützten archäologischen Fundareale in ihrer biologischen Materialsubstanz (Hölzer usw.) führte, und auch zur Zerstörung potentiell zukünftiger Funde. (Inzwischen sind Maßnahmen zur Erhöhung des Grundwasserspiegels eingeleitet.)
Alle diese Maßnahmen zur Entwässerung und Torfgewinnung hatten zwei Folgen, eine negative und eine positive:
Bis 1950 waren die ehemals reichen Torfvorkommen bis auf einen 22 ha großen Rest im Wilden Ried abgebaut. Noch bis in die 1960er wurde Federseetorf abgebaut. Die Verwendung als Badetorf, für den es keinen medizinischen Ersatz gibt, spielte hierbei eine eher geringe Rolle. Wesentlich gravierender war die Ausbeutung als Brenntorf. Torf wächst nur sehr langsam nach: im Jahr etwa 1 mm.
Nachdem 1951 die Abwassereinleitung in den See begonnen hatte, wurde die Wasserqualität des Federsees zu einem immer drängenderen Problem, vor allem auch durch den zersetzungsbedingten Verlust an Sauerstoff und die faulige Verwesung unter anaeroben Bedingungen. Bis 1981 gelangten so die ungereinigten Abwässer der Seegemeinden über die Entwässerungsgräben in den Federsee. Die Gülledüngung der Wiesen führte dem See über die Gräben weitere Nährstoffe zu. Daneben wurden auch bei der entwässerungsbedingten Zersetzung von Torf die darin gebundenen Nährstoffe frei. In dem sehr nährstoffreichen Wasser konnten sich Blau- und Grünalgen besonders stark vermehren. Sie verdrängten die anderen Wasserpflanzen, und mit diesen verschwanden auch viele Tiere, die von den Pflanzen lebten, die Wasservogelpopulation etwa brach völlig zusammen. Der See verarmte stark und drohte umzukippen.
Der erste Schritt zur Sanierung und Renaturierung des Federsees war 1971 der Einbau eines Wehrs im Kanzach-Auslauf, mit dem der Wasserstand reguliert werden konnte. 1982 wurde eine Kläranlage mit einer 24 km langen Ringleitung rund um den See in Betrieb genommen. Seither gelangte kein ungereinigtes Abwasser mehr in den See. Er erholte sich zusehends. (Weitere Details zu den Schutzmaßnahmen siehe unter[61].) Die ehemals heimischen Arten kehrten mehr und mehr zurück, denn seit 2006 verbesserte sich die Wasserqualität rapide. Seit 2008 ist der See auch im Sommer klar bis auf den Grund und nun wieder ein gesundes, sich selbst regulierendes Biotop mit zahlreichen, für Jungfische so wichtigen Wasserpflanzenarten und sogar die auf Gewässerverschmutzung besonders empfindlich reagierenden Süßwassermuscheln. Die vielen Fische zogen nun wiederum die Wasservögel in großen Scharen an, deren Nahrung sie neben den ebenfalls vielfältig zurückgekehrten Insekten bilden.[62] Zum aktuellen Stand der Maßnahmen siehe ausführlich den Bericht der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg.[63]
Die moderne Nutzung des Federseebeckens ist bemerkenswert vielfältig, vor allem wenn man „Nutzung“ nicht nur unter rein wirtschaftlichen, produktionsorientierten Aspekten betrachtet, sondern auch den Nutzen für die Gesamtbevölkerung im Gebiet und vor allem auch außerhalb davon betrachtet. In diesem Sinne ergeben sich fünf verschiedene Nutzungsbereiche:
Eine direkte wirtschaftliche Nutzung des Beckens im Sinne von Landwirtschaft ist trotz der verschiedenen Trockenlegungsmaßnahmen des Moores vor allem des 19. Jahrhunderts, die allerdings vor allem dem Torfabbau und der Begrenzung der ständigen Überflutungen dienten, wegen der ungenügenden Bodenqualität nur in geringem Maße möglich, und die Verlandungsgebiete des Federsees waren, von einigen missglückten Anbauversuchen der Gegenwart abgesehen, zu keiner Zeit ackerbaufähig, so dass hier vor allem Viehwirtschaft betrieben wird. Das südliche Becken ist hingegen teilweise bewaldet und wird mit Fichtenwäldern forstwirtschaftlich genutzt. Dort ist in bodentrockenen Bereichen auch Ackerbau möglich.
Die Umrahmung des Federseebeckens bietet hingegen tief- bis mittelgründige Böden mäßiger bis guter ackerbaulicher Tauglichkeit, die heute gleichermaßen für Grünlandwirtschaft wie für Feldwirtschaft genutzt werden. Rund um den Federsee werden ca. 220 landwirtschaftliche Betriebe bewirtschaftet. Es werden ca. 1800 ha Ackerland und ca. 1400 ha Grünland bearbeitet. In den Betrieben werden ca. 1500 Milchkühe, 3100 Rinder und 5000 Mast- und Mutterschweine gehalten.[47] Wie fast das gesamte oberschwäbische Hügelland eignet sich das Federseegebiet ganz im Gegensatz zum klimabegünstigten Bodenseebecken nur mittelmäßig bis ausreichend für den Obstanbau, denn es liegt 578 bis 650 m über dem Meeresspiegel und hat ein mäßig kühles Klima in zudem kaltluftgefährdeter Beckenlage. Der ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirtschaftlich bedeutende Torfabbau ist wie oben beschrieben seit Mitte des 20. Jahrhunderts eingestellt.[64]
Im Federseemoor finden sich auf fast 3000 Hektar europaweit schutzwürdige Lebensräume wie ausgedehnte Niedermoore, kalkreiche Sümpfe, regenerierungsfähige Hochmoore, Übergangsmoore und Moorwälder. Daneben ist es Heimat bedeutsamer Populationen besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten (FFH-Arten). Vom Aussterben bedrohte Fischarten wie Schlammpeitzger und Steinbeißer gehören dazu, daneben der Goldene Scheckenfalter, die Gelbbauchunke oder die Orchidee Torfglanzkraut. Eine Käferart hat hier sogar ihr einziges deutsches Vorkommen.[65]
Die Schutzgebiete gliedern sich im Einzelnen wie folgt:
Schutzgebietsanteile | % Gesamtlandschaftsfläche |
FFH-Gebiete | 61,41 |
Europäisches Vogelschutzgebiet Federseeried | 64,14 |
Naturschutzgebiete | 51,84 |
Effektiver Schutzgebietsanteil | 64,47 |
Quelle: Bundesamt für Naturschutz, Stand: 2010
Aufgrund des vom Regierungspräsidium Tübingen vorgelegten Antrags ReHa Federseemoor zur Renaturierung weiterer Teile des Federseemoors stehen ab 2009 circa 1,3 Millionen Euro zur Verfügung. Die Kosten trägt zur Hälfte die Europäische Union, die andere Hälfte kommt vom Land Baden-Württemberg, dem NABU Baden-Württemberg, dem Landkreis Biberach, der Vermögen und Bau Baden-Württemberg (VBBW) sowie der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg (SNBW).
Das Federseebecken ist bekannt als eine der bedeutendsten archäologischen Fundlandschaften Deutschlands. In der Urgeschichtsforschung hat das Federseemoor sogar internationale Bedeutung. Das Federseeried mit dem Restfedersee in der Mitte bildet heute nämlich nicht nur eine der größten zusammenhängenden Moorflächen des südwestdeutschen Alpenvorlandes, sondern er gilt seit seiner ersten archäologischen Erkundung 1875 bis heute als fundreichste Moorregion der prähistorischen Feuchtbodensiedlungs- und Pfahlbauforschung nördlich der Alpen. Man hat dort inzwischen mehr als 19 prähistorische Siedlungsplätze gefunden. Die große Funddichte am Federsee hat dazu geführt, dass der Gang der regionalen Besiedlungsgeschichte vom Spätpaläolithikum bis in die Eisenzeit hier exemplarisch nachvollzogen werden kann. Die urgeschichtliche Archäologie des Federseebeckens fördert denn auch Jahr für Jahr während der regelmäßigen Grabungskampagnen des Landesdenkmalamtes in Stuttgart neue Erkenntnisse über die hier wohl einmalig dichte Besiedelung des Gebietes und die dortige Kultur vor allem während der spätneolithischen und bronzezeitlichen Phase zutage, insgesamt über einen Zeitraum von etwa 3800 Jahren. In dieser Periode waren die Feuchtgebiete des Federsees als Siedlungsgelände aufgesucht worden. Dieser Vorgang ist allerdings kein kontinuierlicher gewesen, sondern war ein von teils massiven Seespiegelanstiegen, aber auch von schweren Kälteeinbrüchen immer wieder massiv unterbrochener Prozess. Im archäologischen Fundmaterial aller Epochen nachweisbare, weit reichende Kulturkontakte sowohl in der ost-westlichen wie der nord-südlichen Richtung (vgl. die Karten oben) zeigen dabei, dass die darin erkennbaren Stadien der Kulturentwicklung nicht bloß als Sonderfall einer peripheren Kleinlandschaft eingeordnet werden können. Der unweit der Oberen Donau und an einer nach Süden zum Bodensee und weiter über die Alpen führenden Verkehrsachse gelegene Federsee war vielmehr in das weiträumige kulturhistorische Geschehen Mitteleuropas eingebunden, nahm dabei sowohl Einflüsse auf, die entlang der Donau eindrangen wie wohl auch solche über die Alpen aus dem Mittelmeerraum.
Seit 2011 stehen daher wegen ihrer exzellenten Erhaltungsbedingungen, vor allem aber wegen ihrer „zentralen Bedeutung für das universelle Kulturerbe der Menschheit“ drei der inzwischen entdeckten und erforschten Federsee-Siedlungsfundstätten auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO (Siedlung Forschner, Alleshausen-Grundwiesen, Alleshausen/Seekirch-Ödenahlen). Über das gesamte archäologische Spektrum informiert das bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründete Federseemuseum in Bad Buchau mit seinen zwölf im Außenbereich zwischen 1998 und 2000 nach modernsten archäologischen Befunden rekonstruierten Moordorf-Häusern.
(Stand nach Schlichtherle, 2009 und 2011/12)
Die Zeitangaben sind alle v. Chr. und beziehen sich lokal auf den Federsee, wenn Kulturen dort nicht nachweisbar sind auf Süddeutschland oder Mitteleuropa. Sie basieren lokal auf Pollenbefunden, C14 (Radiocarbondatierung: bei Angabe von Dat. als kalibrierte RC-Einzelmessungen), Thermolumineszenzdatierung und vor allem Dendrochronologie („Dendro“ oder „Dendrodat.“).
An Fundorten werden nur die wichtigsten erwähnt. Die römischen Ziffern an deren Ende bezeichnen verschiedene Grabungsstationen in derselben Gemarkung oder Flur bzw. einem Gewann. Zur genaueren Lokalisierung siehe die Ortsangaben im folgenden Kapitel samt Abbildung.
Abkürzungen:
WKE = Weltkulturerbe der UNESCO[69]
>T = Transgression (Haupt-Überflutungsphase, jeweils Ca.-Beginn)
Steinzeit
Paläolithikum
Spät-/Endpaläolithikum
Mesolithikum (Mittelsteinzeit)
Frühes bis mittleres Mesolithikum (Holozän): 8000 bis ca. 5700 v. Chr.
>T1 ca. 6950 v. Chr. Endmesolithikum (bis 5400) mit Übergang zum Altneolithikum (5400–5000)
Neolithikum
Frühneolithikum 5400 bis 4400
A. Altneolithikum 5400 bis 5000
B. Mittelneolithikum 5000 bis 4400
Spätneolithikum 4400 bis 2300
A. Jungneolithikum 4400 bis 3500
>T4 ca. 4300 v. Chr.
>T5 ca. 3900 v. Chr.
>T6 ca. 3700 v. Chr.
>T7 ca. 2700 v. Chr.
Erste große Siedlungslücke: Endneolithikum bis Frühbronzezeit Metallzeit
Bronzezeit
Ab ca. 2300 bis 800 v. Chr. bei regional starken Schwankungen
>T8 ca. 1500 v. Chr.
>T9 ca. 800 v. Chr. Ende der eigentlichen Moorbesiedelung (Feuchtbodensiedlungen). Siedlungen auf mineralischen Böden (Inseln, Ufer) bestehen in der Metallzeit weiter. Eisenzeit Ab ca. 800 v. Chr.
Die nachweisbare prähistorische Besiedelung des eigentlichen Federseebeckens (Ried) endet danach; doch war das Beckenrandgebiet offenbar bis um 500/700 n. Chr. weiter sporadisch besiedelt mit Übergang zu kontinuierlichen Siedlungen am Beckenrand. Das Ried selbst im Becken blieb jedoch weiterhin siedlungsfrei.[70] Historische Zeit
Römer, Alamannen, Merowinger. Ab 700 n. Chr. ist im Bereich von Bad Buchau ein alamannischer Adelshof nachweisbar, siebzig Jahre später ein Nonnenkloster. |
Das Federseegebiet profitiert hier vor allem von den beiden oben genannten Bereichen, also Natur- und Vogelschutz (Europareservat Federsee) sowie den teilweise als UNESCO-Welterbe ausgewiesenen vorgeschichtlichen archäologischen Stätten. Als Grundprinzip gilt der sog. Sanfte Tourismus.
Da durch den Schilf- und Moorgürtel fast nirgends ein direkter Zugang zum offenen Wasser möglich ist, gibt es in Bad Buchau den 1,5 Kilometer langen Federseesteg, der vom Parkplatz des Federseemuseums durch das Schilf bis zum offenen Wasser führt, wo sich eine Beobachtungsplattform befindet. Außerdem führt vom Parkplatz des Federseemuseums ein Steg durch das nach Walter Staudacher, einem Pionier der Federsee-Archäologie benannte Banngebiet nach Moosburg. Dem Wasser am nächsten liegt Tiefenbach. Wenn der nur etwa zwei Meter tiefe Federsee im Winter gefroren ist, kann man von Tiefenbach zum Federseesteg nach Bad Buchau laufen. Rund um den Federsee führt ein Rad- und Wanderweg mit einer Länge von ca. 20 km.
Die Federseebahn, das Federseemuseum und das NABU-Naturschutzzentrum in Bad Buchau bieten weitere Möglichkeiten. Seit dem 1. April 2004 gibt es eine neue Anlaufadresse für Archäologie-Interessierte: den neuen ArchäoPark Federsee, wo das Federseemuseum Bad Buchau und die frisch ausgebaute Bachritterburg Kanzach Freilichtszenarien von der Altsteinzeit bis zum späten Mittelalter zeigen, darunter eine komplett und nach neuesten archäologischen Erkenntnissen rekonstruierte Feuchtbodensiedlung.
Weitere Schwerpunkte des Gebiets sind seine heilklimatischen Eigenschaften mit zahlreichen medizinischen Kur- und Reha-Einrichtungen, die auch Moortherapien anbieten. Bad Buchau ist entsprechend zugleich Heilbad.
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