Mord (Deutschland)
Tötungsdelikt nach deutschem Strafrecht mit maximaler Strafandrohung Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Beim Mord handelt es sich um einen Straftatbestand des deutschen Strafrechts, der im 16. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (StGB) in § 211 geregelt ist. Hiernach macht sich strafbar, wer einen anderen Menschen vorsätzlich unter Verwirklichung eines Mordmerkmals tötet. Die Mordmerkmale beschreiben bestimmte Umstände, deren Vorliegen dazu führt, dass die Tötung ein im Vergleich zum Totschlag (§ 212 StGB) deutlich größeres Unrecht aufweist. Hierzu zählen zum einen besonders verwerfliche Tatmotive, insbesondere Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier und das Ermöglichen sowie Verdecken einer Straftat. Zum anderen beschreiben die Mordmerkmale mit der Heimtücke, der Grausamkeit und der Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels bestimmte Formen der Tatbegehung.
Der Mord ist mit dem Strafmaß der lebenslangen Freiheitsstrafe bedroht. Es handelt sich um den einzigen Tatbestand des StGB, bei dem diese Strafe zwingend vorgegeben ist. Diese absolute Strafandrohung ist ein Grund dafür, dass sich § 211 StGB erheblicher rechtlicher und rechtspolitischer Kritik ausgesetzt sieht. Weitere Kritik richtet sich gegen die tatbestandliche Struktur des Mordparagrafen, die durch die nationalsozialistische Ideologie geprägt ist und daher mit der modernen Strafrechtsdogmatik kaum vereinbar ist. Seit vielen Jahren wird daher über eine grundlegende Reform des Mordparagraphen diskutiert. Umgesetzt wurden die Reformbestrebungen jedoch bislang nicht.
Morde ereignen sich in Deutschland äußerst selten. Die Zahl der gemeldeten Fälle entwickelt sich laut Polizeilicher Kriminalstatistik zudem stark rückläufig: Inklusive der Versuche wurden im Jahr 1993 1.299 Fälle beziehungsweise 1,6 pro 100.000 Einwohner gemeldet. 2021 waren es noch 643 Fälle beziehungsweise 0,77 pro 100.000. Damit halbierte sich die Häufigkeit in dieser Zeit. Dieser Rückgang übertrifft die übrige Kriminalität, die im selben Zeitraum insgesamt um 27 % sank. Die Aufklärungsquote liegt mit meist über 90 % auf einem äußerst hohen Niveau.
Normierung und Schutzzweck
Zusammenfassung
Kontext
Mord als schwerwiegendste Form der Tötung eines Menschen
§ 211 StGB lautet seit Abschaffung der Zuchthausstrafe zum 1. April 1970 wie folgt:
§ 211 Mord
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
- aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
- heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
- um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
§ 211 StGB dient wie der benachbarte § 212 StGB dem Schutz des menschlichen Lebens.[1] Dieses entsteht aus strafrechtlicher Sicht mit dem Beginn der Geburt, also im Regelfall durch das Einsetzen der Eröffnungswehen,[2] und endet mit dem Eintritt des Hirntods.[3] Dementsprechend kann ein Mord weder an ungeborenen Kindern verübt werden (in Betracht kommt hier allenfalls ein strafbarer Schwangerschaftsabbruch) noch an bereits hirntoten Menschen.
Umstritten ist, wodurch sich die gegenüber dem Totschlag deutlich höhere Strafandrohung des Mordes rechtfertigt. Eine verbreitete Auffassung, die Verwerflichkeitskonzeption, sieht deren Rechtfertigung darin, dass der Mord eine gegenüber dem Totschlag deutlich größere sozialethische Verwerflichkeit aufweise.[4] Diese Verwerflichkeit liege zum einen darin, dass zwischen Tatanlass und Tötung ein extremes Zweck-Mittel-Missverhältnis besteht. So gründe sich der Verwerflichkeitsvorwurf bei einer Tötung aus Habgier beispielsweise darauf, dass der Täter sein Gewinnstreben auf Kosten eines Menschenlebens verfolgt.[5] Zum anderen folge sie daraus, dass die Gesinnung des Täters gegen ein Minimum sittlicher Anforderungen verstoße.[6]
Eine andere Auffassung führt die lebenslange Freiheitsstrafe auf die besondere Gefährlichkeit des Mordes zurück, vor der die Allgemeinheit zu schützen sei. Dies beruht auf der Annahme, dass die Mordmerkmale auf eine besonders große kriminelle Energie des Täters hindeuten, die das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit erschüttern und dadurch desintegrativ wirken können. Die absolute Strafandrohung des § 211 StGB solle potenzielle Täter abschrecken und das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit stärken.[7]
Systematisches Verhältnis von Mord und Totschlag
Umstritten ist ferner, in welchem systematischen Verhältnis Mord und Totschlag zueinander stehen. Nach Auffassung der Rechtsprechung handelt es sich um zwei eigenständige Tatbestände,[8] während das juristische Schrifttum den Mord nahezu geschlossen als strafschärfende Qualifikation des Totschlags ansieht.[9] Praktische Relevanz besitzt dieser Streit insbesondere für Personen, die zu einem Mord anstiften oder Hilfe leisten, weil er darüber entscheidet, ob deren Strafbarkeit an § 28 Abs. 1 oder § 28 Abs. 2 StGB zu messen ist.[10] Diese Vorschriften bilden Ausnahmen vom Grundsatz der Akzessorietät, wonach sich die Strafbarkeit von Anstiftung und Beihilfe nach der Strafbarkeit der Haupttat richtet.[11] Stiftet also beispielsweise jemand einen anderen zu einem Totschlag an, ist er aus dem Strafrahmen des § 212 StGB zu bestrafen, während der Anstifter eines Betrügers nach § 263 StGB zu bestrafen ist. § 28 Abs. 1 StGB modifiziert dieses Prinzip für Delikte, deren Verwirklichung das Vorliegen eines besonderen persönlichen Merkmals voraussetzt. Hiernach ist der Teilnehmer auch dann aus der Haupttat zu bestrafen, wenn ihm das persönliche Merkmal fehlt, das die Strafbarkeit des Täters begründet. Allerdings ist seine Strafe gemäß § 49 StGB zu mildern.[12]
Weil die Rechtsprechung Mord und Totschlag als selbstständige Delikte begreift, sieht sie die Mordmerkmale als strafbegründend an. Daher wendet sie auf den Mord § 28 Abs. 1 StGB an. Handelt also der Täter etwa aus Habgier, ist der Teilnehmer aus dem gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB zu bestrafen, sofern dieser nicht ebenfalls durch Habgier motiviert ist. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass die Milderungsregel des § 28 Abs. 1 StGB beim Mord zu sachwidrigen Ergebnissen führen kann. Die Rechtsprechung begegnet dem, indem sie der Norm ungeschriebene Grenzen setzt. So geht sie davon aus, dass die Milderung zu versagen ist, wenn sie dazu führte, dass der Täter milder bestraft wird als er es für eine Teilnahme am Totschlag würde. Dies droht insbesondere, wenn zugunsten des Teilnehmers neben § 28 Abs. 1 StGB eine zweite Milderungsmöglichkeit eingreift, etwa aus § 27 StGB (Beihilfe) oder aus § 23 Abs. 2 StGB (Versuch). So würde beispielsweise der versuchte Mord mit mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe sanktioniert werden, der versuchte Totschlag hingegen mit mindestens zwei Jahren.[13] Eine weitere Eingrenzung nimmt die Rechtsprechung in der Konstellation der gekreuzten Mordmerkmale an. Dort verwirklichen Täter und Teilnehmer unterschiedliche Mordmerkmale. Nach § 28 Abs. 1 StGB müsste in diesem Fall die Strafe des Teilnehmers gemildert werden, weil es hiernach einzig darauf ankommt, ob der Teilnehmer das Mordmerkmal des Täters aufweist. In diesem Fall versagt die Rechtsprechung die Milderung, weil diese dem Umstand nicht gerecht würde, dass der Teilnehmer ein eigenes Mordmerkmal verwirklicht.[14]
Das Schrifttum übt starke Kritik an der These der Rechtsprechung, wonach es sich bei Mord und Totschlag um selbstständige Delikte handelt. Dies sei dogmatisch kaum begründbar, weil der Mord strukturell eine schwere Form des Totschlags darstelle. Zudem ließen sich die von der Rechtsprechung konstruierten und methodisch nur schwer zu rechtfertigenden Einschränkungen der Milderungsmöglichkeit vermeiden, wenn man den Mord als Qualifikation des Totschlags begreift. Auf diesem Weg käme nämlich § 28 Abs. 2 StGB zur Anwendung, wonach der Teilnehmer bei Verwirklichung von Mordmerkmalen wegen Teilnahme am Mord, ansonsten wegen Teilnahme am Totschlag zu bestrafen ist.[15]
Entstehungsgeschichte
Zusammenfassung
Kontext
Mord als Tötung aus Überlegung

Auf dem Gebiet Deutschlands hat die Idee eines eigenständigen Mordtatbestands eine lange Tradition. Schon für die Germanen lässt sich eine Differenzierung zwischen Tötungen in böser Absicht und Tötungen aus Versehen nachweisen.[16] Das damals als Indiz für eine böse Absicht geltende Verheimlichen der Tat wurde im Hochmittelalter zum festen Bestandteil des Mordes.[17] Mit der Rezeption des römischen Rechts im ausgehenden Mittelalter kam es jedoch zum Bruch mit der Tradition des germanischen Rechtskreises. So knüpfte etwa die wegweisende Constitutio Criminalis Carolina von 1532 an Vorbilder des römischen Rechts an. Schon ab republikanischer Zeit unterschieden die Römer zwischen einer Tötung mit Vorbedacht (propositum) und einer Tötung im Affekt (impetus).[18]
Später übernahmen das Preußische Allgemeine Landrecht, das preußische Strafgesetzbuch und das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes diese als Überlegungsprinzip[19] bezeichnete Unterscheidung, wobei die Tötung im Affekt als Totschlag und die Tötung mit Vorbedacht als Mord galt. Das StGB des Norddeutschen Bundes wurde nach der Reichsgründung redaktionell überarbeitet und 1872 als Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) erlassen. Der Mord wurde in § 211, der Totschlag in § 212 geregelt. Die beiden Delikte lauteten wie folgt:
§ 211
Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.
§ 212
Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung nicht mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Todtschlages mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.
Neukonzeption des Mordparagrafen durch die Nationalsozialisten
Das Überlegungsprinzip ist bis in die Gegenwart hinein in zahlreichen Staaten anzutreffen, so etwa in Belgien, Luxemburg, Frankreich, Finnland, den Niederlanden, Israel und den Vereinigten Staaten. In Deutschland geriet es jedoch in der Zeit des Nationalsozialismus zunehmend in Kritik. Weil es auf römisch-rechtlichen Vorstellungen fußte, wurde es als „undeutsch“ empfunden. Daher wollte man zu einer an „ethischen Kriterien“ orientierten Abgrenzung von Mord und Totschlag „zurückkehren“.[20] Darüber hinaus stand das Überlegungsprinzip in einem offensichtlichen Gegensatz zu den sich im Jahr 1941 radikalisierenden vorsätzlichen Massentötungen der Nationalsozialisten. So protestierte der Limburger Bischof Antonius Hilfrich am 13. August 1941 in einem Brief an den Reichsjustizminister gegen die Euthanasie-Tötungen in der Tötungsanstalt Hadamar mit den Worten: „Es ist der Bevölkerung unfaßlich, daß planmäßig Handlungen vollzogen werden, die nach § 211 StGB mit dem Tode zu bestrafen sind!“[21] Wenige Wochen später wurden Mord und Totschlag auf Betreiben Roland Freislers, des Präsidenten des Volksgerichtshofes mit dem Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941[22] neu gefasst:
§ 211
(1) Der Mörder wird mit dem Tode bestraft.
(2) Mörder ist, wer
- – aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
- – heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
- – um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
- einen Menschen tötet.
§ 212
Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit lebenslangem Zuchthaus oder mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.
Im Kern dieser Gesetzesnovelle stand der Übergang von einer tatstrafrechtlichen („wegen Mordes“, „wegen Todtschlages“) zu einer täterstrafrechtlichen („Der Mörder …“, „als Todtschläger …“) Konzeption. Damit war nicht mehr die Tat Anknüpfungspunkt der Strafe, sondern die Gesinnung des Täters.[23] Das Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Tätergruppen lag nach Ansicht des Reichsgerichts „in der Gesamtpersönlichkeit des Täters, wie sie aus der Tat und aus sonstigen Umständen erkennbar“ sei. Die Tat selbst diene als Spiegelbild der inneren Gesinnung des Täters.[24] Grundlage hierfür wurde die ursprünglich von Franz von Liszt vertretene und dann vor allem von der Kieler Schule um Georg Dahm und Friedrich Schaffstein entwickelte Tätertypenlehre.[25] Sie wurde von Roland Freisler aufgegriffen und so modifiziert, dass der Tätertyp normativ zu bestimmen war: In der Praxis sollte die jeweilige Einzeltat mit der Verhaltenserwartung an einen tatbestandstypischen Täter verglichen werden. Dementsprechend dienten die in Absatz 2 genannten Mordmerkmale nur als Veranschaulichungen des Tätertyps „Mörder“, der von gänzlich anderer Wesensart als ein Totschläger sei.[26] Der eigentliche Tatbestand der Norm sollte jedoch mit dem Begriff des „Mörders“ in Absatz 1 umfassend umschrieben sein. Da von diesem Tätertyp in der Volksvorstellung eine intuitive Idee existiere, habe der Gesetzgeber ihn …
„nicht durch Zusammensetzung von Tatbestandsmerkmalen konstruiert. Er hat ihn ganz einfach hingestellt. Damit der Richter ihn ansehen und sagen kann: Das Subjekt verdient den Strang.“
– Freisler, Deutsche Justiz 1939, S. 1451.
Den Richtern wurde damit die Aufgabe zugewiesen, im Urteil den Tätertyp des Angeklagten festzustellen. Hierzu sollte zunächst geklärt werden, ob es sich um einen „Mördertyp“ handelt. Nur wenn dies verneint wurde, griff der in § 212 RStGB geregelte „Totschläger“ als Auffangtatbestand ein.[27] Somit besaßen die Richter einen weiten Beurteilungsspielraum. Als Kriterium zur Feststellung des Tätertyps zogen sie die Verwerflichkeit der Tat heran, die sie einzelfallbezogen beurteilten. Die Mordmerkmale fungierten hierbei als Orientierungshilfe.[28]

Von den Mordmerkmalen sollte vor allem das Merkmal der Heimtücke an eine „germanische Rechtstradition“ anknüpfen, das in Form einer „heimlichen“ Art der Begehung auf das germanische Vorbild der verheimlichten Tötung rekurrierte. Gleichwohl sind die Mordmerkmale allenfalls schwach durch den Nationalsozialismus geprägt. Die Idee der Mordmerkmale geht auf den Schweizer Juristen Carl Stooss zurück, der bereits 1894 einen Formulierungsvorschlag für das schweizerische StGB mit den meisten der später auch in Deutschland verwendeten Merkmalen erarbeitete. Strafgesetze anderer Staaten – wie das StGB der Russischen Föderation (Art. 105) oder der französische code pénal (Art. 221-1ff.) – enthalten ebenfalls Merkmale, die denen des § 211 RStGB ähneln.[29]
Neuinterpretation des Mordtatbestands in der Bundesrepublik Deutschland
Weiterentwicklung durch Gesetzgeber und Rechtsprechung
In der Bundesrepublik Deutschland wurde das RStGB im Jahr 1953 unter der Bezeichnung als Strafgesetzbuch (StGB) neu bekanntgemacht.[30] Im Zuge dessen ersetzte der Gesetzgeber die im Mordparagrafen angeordnete Todesstrafe durch die lebenslange Zuchthausstrafe. Dies hatte einen verfassungsrechtlichen Hintergrund: 1949 hatte das Grundgesetz (GG) die Todesstrafe abgeschafft (Art. 102 GG). Im Dritten Reich war die Höchststrafe noch mit dem im Mord liegenden „Angriff auf die Volksgemeinschaft“ begründet worden.[31] Insbesondere seine Begründung, dass „Volksschädlinge“ auszurotten seien,[32] und die Verwurzelung des Gedankens zur Rechtfertigung der Todesstrafe, „dass Blut Blut erfordert […] tief im Volksbewusstsein“[33], waren jedoch nach 1945 nicht mehr tragfähig. Im Zuge der Streichung der Todesstrafe entfiel auch § 211 Abs. 3 RStGB, der die Todesstrafe in minder schweren Fällen durch eine lebenslange Zuchthausstrafe ersetzt hatte.
Seitdem gilt der Mordparagraf, abgesehen von redaktionellen Überarbeitungen wie der Ablösung der Zuchthausstrafe durch die Freiheitsstrafe,[34] in der Bundesrepublik unverändert fort. Aufgrund dessen wurde die weitere Entwicklung der Vorschrift maßgeblich durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft voran getrieben. Wegweisend hierfür wurde ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. September 1956, in dem das Gericht damit begann, den Mordparagrafen im Wege der Auslegung und der Rechtsfortbildung von seinen nationalsozialistischen Elementen zu befreien. Dies betraf zuvörderst das täterschaftliche Konzept des § 211 StGB, das mit dem Rechtsstaats- und Schuldprinzip kaum vereinbar war. Anders als von Freisler geplant nahm der BGH den Standpunkt ein, dass § 211 StGB in Absatz 2 mit „klaren und fest umrissenen Tatbeständen“[35] ausgestattet worden sei. Damit wurden die bislang unverbindlichen Regelbeispiele des Absatz 2 zu feststehenden Tatbeständen aufgewertet.[36] Zugleich wurde das täterschaftliche Konzept des Mordparagrafen zugunsten eines Tatstrafrechts aufgegeben. Nunmehr hatten Gerichte nicht mehr das Vorliegen des Typus Mörder zu prüfen, sondern die Verwirklichung eines Mordmerkmals. Diese Uminterpretation des Mordparagrafen hat sich in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft durchgesetzt.
Zunehmende Kritik am Mordparagrafen
Zu pauschale Strafandrohung
Ungeachtet dessen sieht sich § 211 StGB seit geraumer Zeit erheblicher Kritik aus Lehre und Praxis ausgesetzt. Diese richtet sich zunächst gegen die absolute Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Diese stehe in Konflikt zum Gebot der schuldangemessenen Bestrafung. Hiernach muss die verhängte Strafe der individuellen Schuld des Täters entsprechen.[37] Aus diesem Grund bieten die meisten Strafnormen dem Richter einen großen Spielraum bei der Strafzumessung. Anders verhält es sich indes bei § 211 StGB, der pauschal die lebenslange Freiheitsstrafe anordnet. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hielt § 211 StGB gleichwohl für verfassungskonform, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Gerichte einen Weg finden, um im Einzelfall zu einer dem Prinzip schuldangemessener Bestrafung entsprechenden Strafe zu gelangen.[38]
Lehre und Praxis entwickelten mehrere Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen: Die von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfolgenlösung modifiziert § 211 StGB im Wege der Rechtsfortbildung[39] dahingehend, dass er im Einzelfall analog § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verhängung einer zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe gestatte. Voraussetzung hierfür sei, dass die lebenslange Freiheitsstrafe im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Dies komme beispielsweise in Fällen in Betracht, in denen der Täter vom Opfer erheblich provoziert worden ist, sich in einer notstandsähnlichen Lage befindet oder aus tiefem Mitleid handelt.[40] Im juristischen Schrifttum stieß die Rechtsfolgenlösung aus mehreren Gründen überwiegend auf Ablehnung. So sei die Heranziehung von § 49 StGB in methodischer Hinsicht verfehlt, weil sie sich darüber hinwegsetze, dass sich der Gesetzgeber durch die Streichung der Milderungsmöglichkeit des § 211 Abs. 3 StGB bewusst für die zwingende Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe entschieden habe.[41] Als problematisch wird weiterhin empfunden, dass die Rechtsfolgenlösung nichts daran ändere, dass der Täter wegen Mordes verurteilt werde, was eine stigmatisierende Wirkung habe.[42] Schließlich sei es der Rechtsprechung nicht gelungen, präzise Kriterien für die ungeschriebene Strafmilderung zu formulieren, was zu großer Rechtsunsicherheit führe.[43] Diese Kritikpunkte gaben der Lehre Anlass zur Entwicklung der Tatbestandslösung, die dem Schuldprinzip durch eine restriktive Auslegung der Mordmerkmale gerecht werden soll. In der Praxis haben sich beide Ansätze behauptet, da sie von der Rechtsprechung miteinander kombiniert wurden. So bemüht sich die Rechtsprechung inzwischen primär um eine restriktive Auslegung der Mordmerkmale, greift aber subsidiär auf die Rechtsfolgenlösung zurück.[44]
Nicht durchgesetzt hat sich demgegenüber die im Schrifttum entwickelte Lehre von der Typenkorrektur. Hiernach sollten die Folgen der Tätertypenlehre korrigiert werden, indem der Richter bei Verwirklichung eines Mordmerkmals in einer Gesamtschau prüfte, ob die Tat die besondere Verwerflichkeit eines Mords aufwies. Einige Stimmen wollten dies erreichen, indem sie den Mordtatbestand um ein ungeschriebenes Verwerflichkeitserfordernis ergänzten, das voraussetzte, dass neben die Verwirklichung eines Mordmerkmals weitere Umstände traten, welche die Tötung als besonders verwerflich erscheinen ließen.[45] Andere gingen davon aus, dass Tötungen auch bei Vorliegen eines Mordmerkmals lediglich als Totschlag zu bestrafen waren, wenn im Einzelfall Umstände vorlagen, welche die Tötung ausnahmsweise als weniger verwerflich darstellten.[46] Beide Ansätze stießen jedoch in Lehre und Praxis überwiegend auf Ablehnung, weil sie als zu vage angesehen wurden.[47]
Tatbestandliche Schwächen
Neben der Rechtsfolgenanordnung sieht sich die tatbestandliche Ausgestaltung des § 211 StGB der Kritik ausgesetzt. So wird insbesondere beklagt, dass die Mordmerkmale zu unbestimmt und zu weit gefasst seien. Dies betreffe zunächst die äußerst wertungsoffene Generalklausel des niedrigen Beweggrunds, die schwer mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot in Einklang zu bringen sei.[48] Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass der BGH die Bewertung eines Motivs als niedrig in der Revision nur eingeschränkt für überprüfbar hält.[49]
Auch das Heimtückemerkmal wird für seine große tatbestandliche Weite krisitiert.[50] Dieses Merkmal war ursprünglich vom Gedanken getragen, dass ein aufrechter Germane seinem Gegner im offenen und ehrlichen Zweikampf gegenübertritt. Deshalb sollte es ein verschlagenes, hinterlistiges Vorgehen, das man vor allem Juden zusprach, besonders hart bestrafen. Das Mordmerkmal führte jedoch vor allem bei Haustyrannenmorden zu wenig schlüssigen Ergebnissen. Ein körperlich überlegener Ehepartner könnte so den anderen Partner zu Tode prügeln und wäre dennoch nur wegen Totschlags strafbar. Wenn der unterlegene Partner sich jedoch nicht anders zu helfen weiß, als den überlegenen Partner im Schlaf zu töten, verwirklicht er das größere Unrecht des Mordes. Die opferorientierte Definition der Heimtücke führt dazu, dass die Motivation des Täters sowie das Maß seiner Schuld für die Frage einer Bestrafung nach § 211 StGB unerheblich bleiben. Die Rechtsprechung bewältigt das Problem, indem sie im Sinne der Tatbestandslösung zwei zusätzliche Tatbestandsmerkmale in das Heimtückemerkmal hineinliest: der Täter muss aus einer feindseligen Willensrichtung heraus handeln und eine besondere Hemmschwelle überschreiten.[51]
Gescheiterte Reformvorschläge
Aufgrund der genannten Probleme besteht im juristischen Schrifttum nahezu Einigkeit darüber, dass der Mordparagraf einer Reform bedarf.[52] Für den Deutschen Juristentag 1980 erarbeitete Albin Eser einen umfangreichen Reformentwurf. Hiernach wäre der Mord klar als Grundtatbestand der Tötungsdelikte ausgestaltet worden, der durch die vorsätzliche Tötung eines Menschen verwirklicht worden wäre. Auf Rechtsfolgenseite hätte er einen breiten Spielraum für das Strafmaß besessen, der eine lebenslange Freiheitsstrafe ermöglicht, ohne sie jedoch zu erzwingen. Den Totschlag gestaltete Eser als Privilegierung für Tötungen mit geringem Schuldgehalt um. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht umgesetzt, ebenso wenig weitere Vorschläge aus Schrifttum und Politik.[53] Als das 6. Strafrechtsänderungsgesetz von 1998 kleinere Änderungen an den Tötungsdelikten vornahm, blieb der Mordparagraph unverändert.[54] Die zunächst von der Bundesregierung geplante grundlegende Reform der Deliktsgruppe wurde nicht verwirklicht.[55]
2008 veröffentlichte ein Arbeitskreis deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer einen weiteren Entwurf mit einem einheitlichen Tötungstatbestand. Ausgehend davon ließ das Justizministerium ab 2014 eine Reform der Tötungsdelikte ausarbeiten.[56] Die Reform schlug insbesondere vor, im Mordtatbestand einen Katalog von Privilegierungstatbeständen zu ergänzen, die eine Absenkung der Freiheitsstrafe auf bis zu fünf Jahre gestatteten.[57] Im weiteren Verlauf der Legislaturperiode wurde jedoch kein Beschluss über den Entwurf gefasst, sodass er letztlich der Diskontinuität anheim fiel.
Rechtslage in der DDR
In der DDR galten die Vorschriften des RStGB zunächst fort. Am 1. Juli 1968 wurde das RStGB durch das Strafgesetzbuch der DDR abgelöst.[58] Dieses systematisierte die Tötungsdelikte anders als das RStGB. So lauteten die zentralen Vorschriften über Mord und Totschlag zunächst wie folgt:
§ 112. Mord
- (1) Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft.
- (2) Auf Todesstrafe kann erkannt werden, wenn die Tat
- 1. ein Verbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte oder ein Kriegsverbrechen ist oder aus Feindschaft gegen die Deutsche Demokratische Republik begangen wird;
- 2. mit gemeingefährlichen Mitteln oder Methoden begangen wird oder Furcht und Schrecken unter der Bevölkerung auslösen soll;
- 3. heimtückisch oder in besonders brutaler Weise begangen wird;
- 4. mehrfach begangen wird oder der Täter bereits wegen vorsätzlicher Tötung bestraft ist;
- 5. nach mehrfacher Bestrafung wegen Gewaltverbrechen (§§ 116, 117, 121, 122, 126, 216) begangen wird.
- (3) Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
§ 113. Totschlag
- (1) Die vorsätzliche Tötung eines Menschen wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft, wenn
- 1. der Täter ohne eigene Schuld durch eine ihm oder seinen Angehörigen von dem Getöteten zugefügte Mißhandlung, schwere Bedrohung oder schwere Kränkung in einen Zustand hochgradiger Erregung (Affekt) versetzt und dadurch zur Tötung hingerissen oder bestimmt worden ist;
- 2. eine Frau ihr Kind in oder gleich nach der Geburt tötet;
- 3. besondere Tatumstände vorliegen, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit mindern.
- (2) Der Versuch ist strafbar.
Ein wesentlicher Unterschied zur westdeutschen Rechtslage bestand darin, dass nicht der Totschlag als Grundtatbestand der Tötung konzipiert war, sondern der Mord. Für dessen Verwirklichung genügte die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen. Der Totschlag war demgegenüber als Ausnahmevorschrift ausgestaltet, die dem westdeutschen minder schweren Fall des Totschlags (§ 213 RStGB) ähnelte und den Strafrahmen für vorsätzliche Tötungen reduzierte, die eine verminderte Verwerflichkeit enthielten; so etwa wenn eine Mutter ihr Kind tötete.
Ein weiterer Unterschied zur westdeutschen Rechtslage bestand im Rechtsfolgensystem. Der Strafrahmen des DDR-Mordparagrafen war in beide Richtungen flexibler, weil Gerichte einerseits sich auf eine zeitlich begrenzte Strafe beschränken konnten, andererseits bei Vorliegen bestimmter schwerwiegender Tatumstände die Todesstrafe verhängen durften. Im Rahmen der Entspannungspolitik und des KSZE-Prozesses nahm indes der Druck auf die DDR zur Abschaffung der Todesstrafe zu. Nach dem Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik Deutschland wurde durch Gesetz vom 18. Dezember 1987[59] auch in der DDR die Todesstrafe abgeschafft. Nunmehr konnte bei § 112 Absatz 2 "insbesondere" auf lebenslängliche Freiheitsstrafe erkannt werden. Diese blieb jedoch auch § 112 Absatz 1 möglich.
Tatbestand
Zusammenfassung
Kontext
Tötung eines Menschen unter Verwirklichung eines Mordmerkmals
Drei Gruppen von Mordmerkmalen
§ 211 StGB setzt zunächst wie der Totschlag voraus, dass der Täter vorsätzlich den Tod eines anderen Menschen herbeiführt. Vorsätzlich handelt, wer in Kenntnis der objektiven Tatumstände die Herbeiführung des Taterfolgs billigend in Kauf nimmt.[60]
Damit die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen als Mord zu qualifizieren ist, muss die Tat zudem zumindest eines der in Absatz 2 genannten Mordmerkmale verwirklichen. Die Mordmerkmale lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
Die erste Fallgruppe knüpft das Vorliegen eines Mordes an ein Handeln „aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen“ und damit an ein besonders niederes Tatmotiv. Vor allem Vertreter der Verwerflichkeitskonzeption verweisen darauf, dass diese Formulierung „Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs und Habgier“ zu Beispielen für niedrige Beweggründe macht. Sie schlagen daher vor, das Vorliegen eines Mordes von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Tatumstände abhängig zu machen.[61] Durchsetzen konnte sich diese Auffassung jedoch nicht.
Die zweite Fallgruppe knüpft demgegenüber an die heimtückische, grausame oder gemeingefährliche Begehung der Tötung an, mithin an das äußere Erscheinungsbild der Tötung. Weil die Beweggründe des Täters hier unerheblich sind, werden die Merkmale dieser Fallgruppe bisweilen auch als objektive Mordmerkmale bezeichnet. Sie klassifizieren eine Tötung als Mord, wenn der Täter sie „heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln“ ausgeführt hat.
Die dritte Fallgruppe stellt schließlich einen Finalzusammenhang zwischen der Tötung und einer weiteren Straftat her. Um einen Mord handelt es sich demnach immer dann, wenn der Täter einen anderen Menschen tötet, „um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“. Geht das Urteil davon aus, der Angeklagte habe eine andere Straftat verdecken wollen als noch in der Anklage angenommen, erfordert dieser Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord einen gerichtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO.[62]
Handelt der Täter aus einem Bündel an Motiven, hat das Tatgericht sämtliche wirkmächtigen Elemente in seine Würdigung einzubeziehen und das bewusstseinsdominante Motiv zu ermitteln.[63]
Fallgruppe 1 – Niedrige Beweggründe
Mordlust
Das Mordmerkmal der Mordlust verwirklicht, wer einzig aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens tötet.[64] So verhält es sich etwa, wenn es dem Täter allein darum geht, einen Menschen sterben zu sehen[65] oder wenn er die Tötung eines Menschen als sportliches Vergnügen betrachtet.[66] Weil die Tötung das dominante Ziel der Tat sein muss, erfordert es direkten Vorsatz, sodass Tötungen mit Eventualvorsatz nicht tatbestandsmäßig sind.[67]
Die besondere Verwerflichkeit bzw. Gefährlichkeit der Mordlust besteht darin, dass der Täter eine prinzipielle Missachtung fremden Lebens zeigt, die sich in einer beliebigen Austauschbarkeit seines Opfers äußert.[68]
Befriedigung des Geschlechtstriebs
Das Mordmerkmal der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs erfasst vor allem drei Fallkonstellationen:
- Befriedigung des Geschlechtstriebs im engeren Sinne, bei welchen sich ein „Triebtäter“ durch die Tötung selbst Befriedigung verschaffen will
- Fälle der Nekrophilie, bei welchen der Täter das Objekt seiner Begierde erst tötet, um sich danach sexuell an ihm zu vergehen
- Fälle der Vergewaltigung, bei welchen der Täter billigend in Kauf nimmt, dass sein Opfer infolge der Gewaltanwendung stirbt
Die Tötungshandlung muss mit der Befriedigung des Geschlechtstriebs demnach in unmittelbarem Zusammenhang stehen und sich gegen das Sexualopfer richten. Ob ein Geschlechtsakt stattfindet, ist unerheblich. Eifersuchtstaten sind daher aber ebenso wenig erfasst wie die Tötung Dritter, etwa Zeugen, um den Geschlechtsverkehr zu ermöglichen. Vor allem im Fall Armin Meiwes war umstritten, ob ein solcher unmittelbarer Zusammenhang auch dann anzunehmen ist, wenn der Täter sich erst bei der späteren Betrachtung von Videoaufnahmen des Tötungsakts sexuelle Befriedigung verschaffen will. Obgleich vom BGH und der überwiegenden Lehre so vertreten,[69] regte sich dagegen dennoch vereinzelt Kritik.[70] Die Verwerflichkeit bzw. Gefährlichkeit der Tat wird bei diesem Mordmerkmal darin gesehen, dass der Täter das Leben zum Zweck seiner sexuellen Interessen mache und sich so in sozialschädlicher Weise als besonders rücksichtslos offenbare.[71]
Die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst Mord im Zusammenhang mit Sexualdelikten unter einem eigenständigen Schlüssel. Darin zeigt sich, dass es sich hier um ein seltenes Delikt mit stark rückläufiger Tendenz handelt. Seit 1987 war die höchste Zahl 58 Fälle im Jahr 1988. Seither fielen die Fallzahlen in den einstelligen Bereich. 2019 waren es vier. Zum Vergleich gab es in diesem Zeitraum zwischen drei- und fünftausend Straftaten gegen das Leben.[72] Das Muster eines Rückgangs der Häufigkeit von Tötungsdelikten – in der Regel seit Anfang der 1990er Jahre – findet sich in allen westlichen Ländern. Es ist Teil eines allgemeinen Kriminalitätsrückgangs.[73]
Habgier
Typische Fälle der Tötung aus Habgier sind der Raubmord, der entgeltliche Auftragsmord sowie die Tötung zur Erlangung einer Lebensversicherung oder Erbschaft. Sie verbindet, dass der Täter ausschließlich oder vorwiegend zur Mehrung seines Vermögens tötet. Erhebliche Abweichungen im Verständnis der Norm ergeben sich jedoch in Abhängigkeit davon, worin ihr Strafgrund gesehen wird. Der Bundesgerichtshof sieht im Habgiermord eine verwerfliche Instrumentalisierung des Lebens zu wirtschaftlichen Zwecken. Soweit die Verwerflichkeit in einem Mittel-Zweck-Missverhältnis gesehen wird, nehmen einige Vertreter das Merkmal der Habgier gerade dann als gegeben an, wenn die Tötung um eines geringwertigen Gewinns willen begangen wird.[74] Die meisten Rechtswissenschaftler lehnen eine solche Aufrechnung von Menschenleben gegen wirtschaftliche Werte jedoch ab. Sie sehen die Verwerflichkeit des Gewinnstrebens darin begründet, dass der Täter zur Erlangung ökonomischer Vorteile bereit ist, Menschenleben zu vernichten.[75] Vor allem die Rechtsprechung kennzeichnet es deshalb in Urteilen häufig mit moralisierenden Adjektiven, z. B. „abstoßende[s] Gewinnstreben“[76] oder „Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen, das in seiner Hemmungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit das erträgliche Maß weit übersteigt“.[77] Vertreter der Gefährlichkeitskonzeption verweisen dagegen vor allem auf eine gefährliche charakterliche Disposition des Täters, die in der Tötung zum Ausdruck kommen soll. Demnach liegt ein Habgiermord dann vor, wenn die Tötung aus rücksichts- und hemmungslosem Streben nach Vermögensmehrung erfolgte und sich nicht in der Behebung einer einmaligen Konfliktlage erschöpft.[78] Kein Habgiermord soll dagegen insbesondere dann vorliegen, wenn der Täter die Tötung aus einer Notlage heraus vornahm.[79]
Da das Mordmerkmal der Habgier in erster Linie ökonomisch ausgerichtet ist, ergeben sich einige Grenzfälle, deren Einordnung im juristischen Schrifttum diskutiert wird: Nicht jedes vom Täter begehrte Objekt hat (objektiv oder subjektiv für den Täter) einen ökonomischen Wert. Ökonomisch wertlos in diesem Sinne sind insbesondere Objekte von reinem Liebhaberwert, aber etwa auch Rauschmittel, die der Täter sofort konsumieren, oder belastende Beweismittel, die er vernichten will. Da Habgier jedoch die Tötung wegen eines Vermögensinteresses voraussetzt, sehen hier die meisten Juristen das Merkmal der Habgier als nicht erfüllt an.[80]
Denkbar ist außerdem auch eine Tötung, die weniger der Mehrung als vielmehr der Erhaltung des Vermögens dient. Das ist etwa der Fall, wenn der Täter einen Gläubiger (z. B. eines Unterhaltsanspruchs) tötet, um sich seiner Inanspruchnahme zu entziehen. Rechtsprechung und überwiegende Lehre, die „Habenwollen“ und „Behaltenwollen“ als Vermögensinteressen gleichstellen, gehen auch hier von Habgiermorden aus.[81] Vor allem Vertreter der Gefährlichkeitskonzeption lehnen die Anwendung des Mordparagrafen auf diese Fälle zumindest dann ab, wenn das konkrete Geltendmachen eines entsprechenden Anspruchs als einmalige Konfliktsituation anzusehen ist.[82] Vereinzelt werden solche „defensiven“ Taten überhaupt nicht als habgierig eingestuft.[83]
Schließlich kann der Täter einen Vermögensgegenstand begehren, der ihm tatsächlich zusteht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn er gegen ein zahlungsunwilliges Opfer einen fälligen Leistungsanspruch hat. Da sich das Interesse des Täters in diesen Fällen auf die Herstellung eines rechtskonformen Zustandes der Güterordnung richtet, wird von Vertretern der Verwerflichkeitskonzeption dessen Verwerflichkeit verneint und daher kein Habgiermord angenommen.[84] Dafür wird insbesondere angeführt, dass das Strafrecht die Gewaltanwendung zur Durchsetzung berechtigter Ansprüche generell milder bewerte.[85] Dies gilt jedoch nicht für diejenige Ansicht, die die Verwerflichkeit auf ein Zweck-Mittel-Missverhältnis stützt. Denn gerade bei berechtigten Ansprüchen kann der Täter auf staatliche Hilfen zurückgreifen, um seinen Anspruch zu realisieren. Insofern erscheint das Missverhältnis gerade in diesen Fällen besonders krass.[86] Vertreter der Gefährlichkeitskonzeption stufen die Frage der Rechtmäßigkeit eines Anspruchs als für die Sozialgefährlichkeit des Täterhandelns unbeachtlich ein.[87]
Sonstige niedrige Beweggründe
Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich dabei um ein Tatmotiv, „das nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht, durch hemmungslose, triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verwerflich, ja verächtlich ist.“[88] Nach vorherrschender Auffassung soll es durch eine Gesamtbewertung der Tat und des Täters festgestellt werden. Regelmäßig werden Ausländer- und Rassenhass sowie Hass allgemein als Beispiele solcher besonders niedrigen Beweggründe genannt. Weitere typische Beispiele, die in jedem Fall aber eine Gesamtwertung des Einzelfalls erfordern, sind reaktive Motive wie Wut, Neid, Rache oder Eifersucht. Auch Ehrenmorde werden hier eingeordnet. Ihnen stehen Fälle gegenüber, in welchen der Täter die Tötung berechnend zur Erreichung seiner Ziele einsetzt, etwa um eine neue Ehe eingehen zu können oder um die Identität seines Opfers anzunehmen.
Welche Fallkonstellationen weiter unter die sonstigen niedrigen Beweggründe zu subsumieren sind, ist deren unbestimmter Definition entsprechend sehr umstritten. Vor allem die Rechtsprechung rechnet regelmäßig auch die Verhinderung einer Festnahme oder die Flucht aus einem Gefängnis zu den niederen Tatmotiven.[89] Umstritten ist die Frage, ob politische Motive einer Tötung als niedere Beweggründe einzuordnen sind.[90]
Fallgruppe 2 – Verwerfliche Begehungsweise
Heimtücke
Das Verständnis des Mordmerkmals der Heimtücke hängt in zentraler Weise davon ab, ob der Strafgrund des Mordes in der besonderen Verwerflichkeit des Täterhandelns oder der besonderen Gefährlichkeit für das Opfer gesehen wird. Dementsprechend lassen sich zwei Grundverständnisse dieses Mordmerkmals unterscheiden, deren Grenzen vor allem in der Rechtsanwendung häufig jedoch ineinander verschwimmen:
Von der Rechtsprechung wird die Heimtücke als Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zu dessen Tötung definiert.[91] Als arglos in diesem Sinne gilt, wer in der Tatsituation keinen Angriff auf Leib oder Leben erwartet.[92] Im Detail sind hier jedoch zwei Fragen ausgesprochen umstritten. Einerseits wird diskutiert, ob Arglosigkeit ein tatsächliches Sicherheitsgefühl voraussetzt oder ob vielmehr ein fehlendes Gefahrbewusstsein bereits genügt. Andererseits ist umstritten, ob Arglosigkeit zumindest die Fähigkeit zu einem tatsächlichen Sicherheitsgefühl voraussetzt. Während erstere Frage weitgehend verneint wird, fallen die Ansichten zur zweiten Frage differenziert aus. Dem Erfordernis einer restriktiven Anwendung entsprechend wird Heimtücke nur darin erkannt, dass der Täter sich eine konkrete Situation zunutze macht, die zur Arglosigkeit des Opfers führt. Dementsprechend wird Kleinkindern, Bewusstlosen und Schwerstkranken die Fähigkeit zur Arglosigkeit im Sinne des Mordparagrafen nahezu einhellig abgesprochen, da sie aufgrund ihres Zustandes ständig arglos sind.[93] Stattdessen sei in diesen Fällen darauf abzustellen, ob ein schutzbereiter Dritter (z. B. die Eltern) existierte und arglos war. Im Falle Bewusstloser und Schlafender wird zum Teil jedoch danach differenziert, ob das Opfer sich in der Erwartung, dass ihm nichts geschehe, niedergelegt hat.[94] Die Arglosigkeit muss in der Tatsituation zur Wehrlosigkeit des Opfers geführt haben. Das Opfer muss in seiner Abwehrbereitschaft also erheblich eingeschränkt worden sein. Schließlich muss der Täter ebendiese Situation für seine Tötungshandlung bewusst ausgenutzt haben. Vor allem seitens der herrschenden Lehre wurde vorgeschlagen, an dieses Ausnutzungsbewusstsein erhöhte Anforderungen zu stellen. Demnach erfordere ein Heimtückemord ein besonders hinterhältiges und verschlagenes Vorgehen.[95] In der Rechtspraxis fand dies bisher wenig Beachtung.
Dem wird seitens Vertretern der Verwerflichkeitskonzeption die Definition der Heimtücke als besonders verwerflicher Vertrauensbruch entgegengesetzt oder bisweilen auch beide Ansätze miteinander kombiniert.[96] Entscheidend sei demnach, dass der Täter gerade ein besonderes Vertrauen des Opfers zur Tötung ausnutzt. Da diese Definition insbesondere die Tötung eines sogenannten Haustyrannen zwingend als Mord einstuft, konnte sie sich kaum durchsetzen.
Grausamkeit
Das Mordmerkmal der Grausamkeit kennzeichnet eine Tötungshandlung, bei der dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen bereitet werden. Um das Unrecht der Tötung als solcher zu erhöhen, müssen die zugefügten Qualen über das dafür nötige Maß hinausgehen. Das ist etwa der Fall, wenn der Täter das Sterben des Opfers gezielt verlangsamt (z. B. Tötung durch Flüssigkeits-/Nahrungsentzug) oder die Leiden intensiviert (z. B. Kreuzigung des Opfers, Folter). Die Rechtsprechung fordert darüber hinaus eine gefühllose, unbarmherzige Gesinnung des Täters.[93] Dagegen wird seitens der Gefährlichkeitskonzeption betont, dass bereits die gesteigerte Leidenszufügung als solche sozialgefährlich sei und das erhöhte Strafmaß rechtfertige. Vertreter dieser Position halten die zusätzliche Gesinnungsanforderung daher für überflüssig.[97]
Gemeingefährliche Mittel
Als Mord gilt auch die Tötung unter Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass es in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die von ihm ausgehende Gefahr nicht beherrschen kann.[98] Typische Fälle hierfür sind die Zündung einer Bombe an einem belebten Ort, Steinwürfe von einer Autobahnbrücke oder Brandstiftung in einem von mehreren Personen bewohnten Haus. Art und Intensität der hervorzurufenden Gefahr ist umstritten. Insoweit hat sich auch noch keine einheitliche Richtung in der Rechtsprechung herausgebildet.
Fallgruppe 3 – Deliktische Zielsetzung
Ermöglichungsabsicht
Die Ermöglichungsabsicht ist ein unumstrittenes Mordmerkmal. Ihre Legitimität wird sowohl von der Verwerflichkeits-, als auch von der Gefährlichkeitskonzeption darauf gestützt, dass der Täter ein Menschenleben vernichtet, um weiteres Unrecht zu begehen. Erforderlich ist insoweit, dass es dem Täter bei der Tötung darum geht, die Verwirklichung einer anderen Straftat zu fördern. Da es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal handelt, ist hierbei jedoch nur die Vorstellung des Täters maßgeblich. Tötet er einen Menschen, um eine Tat, die er irrig für strafbar hält, zu ermöglichen, handelt es sich um einen Mord (vgl. umgekehrter Tatbestandsirrtum). Im Gegensatz dazu handelt es sich dann um keinen Mord, wenn der Täter einen Menschen wegen einer geplanten Tat tötet, die er für nicht strafbar hält, obwohl sie tatsächlich strafbar ist (vgl. Tatbestandsirrtum).[99]
Verdeckungsabsicht
Zur Verwirklichung dieses Mordmerkmals muss der Täter gezielt die Aufdeckung seiner Tat oder seine Identifizierung verhindern wollen. Wie bei der Ermöglichungsabsicht ist hierfür allein die Sichtweise des Täters maßgeblich. Ausgesprochen umstritten ist jedoch, ob ein Mord wegen Verdeckungsabsicht durch Unterlassen begangen werden kann, wenn der Täter keine Hilfe herbeiholt, um nicht von Dritten als Täter erkannt zu werden und so den Tod seines Opfers verursacht. Während der Bundesgerichtshof früher betonte, dass das Nichtaufdecken einer Tat kein Verdecken sei,[100] hat er diese Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegeben.[101] Unklar ist weiterhin, ob der Täter gerade seine strafrechtliche Verfolgung verhindern wollen muss. Die Rechtsprechung verneint diese Frage und sieht einen Mord in Verdeckungsabsicht etwa auch dann als gegeben an, wenn der Täter durch die Tötung etwa Racheakte des Opfers verhindern will.[102] Dem wird vor allem seitens der Literatur entgegen gehalten, dass diese Ansicht das Mordmerkmal ausufere und unbestimmt sei.
Mord durch Unterlassen
Nach vorherrschender Auffassung kann der Mord im Grundsatz gemäß § 13 StGB auch durch ein pflichtwidriges Nichtverhindern der Tötung verwirklicht werden.[103] Hieraus folgt indes nicht zwangsläufig, dass sich alle Mordmerkmale durch ein Unterlassen verwirklichen lassen. Manche Mordmerkmale lassen sich nur schwer unter § 13 StGB subsumieren. Dies betrifft zunächst die Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln. Dort besteht Einigkeit darüber, dass eine Unterlassensstrafbarkeit nicht möglich ist, weil dieses Mordmerkmal begrifflich ein Verwenden des Mittels durch den Täter erfordert.[104]
Beim Verdeckungsmord ist umstritten, ob sich dieser durch ein Unterlassen verwirklichen lässt. Die Rechtsprechung verneinte dies in einer älteren Entscheidung, die einen Autofahrer zum Gegenstand hatte, der jemanden bei einer Trunkenheitsfahrt mit dem Auto lebensgefährlich verletzt hatte und in Kenntnis dessen vom Tatort geflohen war, um seine Trunkenheitsfahrt zu verheimlichen. Die Verneinung des versuchten Verdeckungsmords begründete der BGH damit, dass das Verdecken einer Straftat mehr erfordere als das Nichtaufdecken der eigenen Täterschaft. Vielmehr müsse die Tötung als Mittel zur Verdeckung der Tat genutzt werden.[105] Später änderte der BGH allerdings seine Auffassung, weil sie den Gesetzeswortlaut zu eng verstand: § 211 StGB fordert lediglich, dass der Täter die Tötungshandlung zu Verdeckungszwecken ausführt; darauf, ob der Täter die Verdeckung speziell durch den Todeserfolg herbeiführen will, kommt es nach dem Normtext nicht an.[106]
Versuch, Vollendung und Beendigung
Da Mord mit seiner Strafandrohung gemäß § 22 StGB ein Verbrechen darstellt, ist auch sein Versuch strafbar. Insoweit kommen zwei Möglichkeiten in Betracht:[107]
- Die Tat kann insgesamt fehlgehen, sodass das Opfer überlebt oder aus einem völlig anderen Grund stirbt. Für einen Mordversuch ist erforderlich, dass der Täter mindestens Tatentschluss bezüglich des Todes eines Menschen hat, zur Tötung dieses Menschen ansetzt und dabei ein Mordmerkmal verwirklicht.
- Die Tat kann objektiv als Totschlag einzustufen sein, während der Täter selbst irrig davon ausgeht, ein Mordmerkmal zu verwirklichen.
Auch ein Mordversuch unterliegt keiner Verjährung (vgl. unten) und kann mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden. Das Gericht kann die Strafe jedoch gemäß § 23 Absatz 2 StGB mildern. In diesem Fall beträgt die Strafe nach § 49 Absatz 1 Nummer 1 StGB drei bis fünfzehn Jahre.
Prozessuales und Strafzumessung
Zusammenfassung
Kontext
Strafrahmen
Sobald der Täter den Tatbestand des Mordes verwirklicht hat, knüpft das Gesetz daran eine Reihe von Rechtsfolgen. Diese beschränken sich jedoch nicht allein auf die Strafandrohung, sondern erstrecken sich insbesondere auch in den prozessualen Bereich hinein:
Das Gesetz ordnet für Mord ausdrücklich und zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe an. Im Hinblick auf eine spätere Strafaussetzung zur Bewährung muss das Gericht deshalb gem. § 57a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StGB bereits im Urteil feststellen, ob den Täter eine besondere Schwere der Schuld trifft.[108] Abweichungen sind nach dem Gesetz nur möglich, wenn andere Gesetze der lebenslangen Freiheitsstrafe entgegenstehen. Strafmildernd kann sich eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB auswirkend. Eine weitere wichtige Strafmilderungsmöglichkeit besteht in der Kronzeugenregelung des § 46b StGB. Im Jugendstrafrecht legt § 18 Jugendgerichtsgesetz (JGG), fest, dass die Jugendstrafe eine Höchstdauer von 10 Jahren hat (gegen Heranwachsende können seit 2012 nach § 105 JGG bei besonders schwerer Schuld bis zu 15 Jahre verhängt werden).
Da die absolute Strafandrohung des § 211 StGB mit dem Grundgesetz kollidieren kann, wird entsprechend der Rechtsfolgenlösung, die Strafe gem. § 49 StGB auch dann auf drei bis fünfzehn Jahre herabgesetzt, wenn sie gänzlich unangemessen erscheint. In der Praxis wird hiervon jedoch nur selten und meist nur bei Heimtückemorden Gebrauch gemacht.[109]
Verjährung
Grundsatz nach Völkerrecht und Verjährungsdebatte
Mord und Völkermord sowie (völkerrechtlich relevante) Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterliegen weder der Verfolgungs- noch der Vollstreckungsverjährung („Mord verjährt nie“). Stirbt der Täter, werden laufende Verfahren lediglich strafrechtlich dauerhaft gehemmt, sodass gegen Dritte als Mittäter weiter ermittelt werden kann.
Bis 1969 betrug die Frist für die Verfolgungsverjährung für Mord 20 Jahre. Da die während der NS-Zeit begangenen Morde somit spätestens 1965 verjährt wären, wurde 1965 das Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen erlassen, dessen § 1 den Zeitraum von Kriegsende bis Ende 1949 von der Berechnung ausnahm.[110] Nach breiter öffentlicher Diskussion beschloss die Große Koalition, die Verjährung für Völkermord abzuschaffen und für Mord auf 30 Jahre anzuheben. 1979 wurde der Bestimmung des § 78 Absatz 2 StGB, die bisher nur den Völkermord von der Verjährung ausnahm, auch der Mord hinzugefügt.
Besondere Bedeutung kommt dieser Verjährungsregelung in der Aufarbeitung des NS-Unrechts zu. Vor allem seit im Urteil gegen John Demjanjuk festgestellt wurde, dass für eine Verurteilung kein Nachweis einer unmittelbaren Beteiligung an einem Tötungsdelikt in einer Vernichtungsstätte zu erbringen ist, gewinnt die Vorschrift an Bedeutung. Auch das Verfahren gegen Oskar Gröning wurde auf sie gestützt. Da jedoch nur noch wenige Täter aus der NS-Zeit leben, wird immer wieder gefordert, die besondere Verjährungsregelung aus Gründen des Rechtsfriedens abzuschaffen.
Mit dem Gesetz zur „Herstellung materieller Gerechtigkeit“ vom 21. Dezember 2021[111] wurde auch die Verjährung von privatrechtlichen Schadenersatzansprüchen in Bezug auf Mord abgeschafft.
Verjährung in der DDR und Regelungen nach der Wiedervereinigung
In der DDR verjährte Mord (strafbar gem. §112 StGB-DDR) nach 25 Jahren, wie dazu im § 82 Abs. 1 Ziff. 5 StGB-DDR[112] festgelegt:
; § 82 (1) Die Verfolgung einer Straftat verjährt,
- …
- 5. wenn eine schwerere Strafe als zehn Jahre Freiheitsstrafe angedroht ist, in fünfundzwanzig Jahren.
Mit der Wiedervereinigung begann die Verjährungsfrist für in der DDR begangene Taten erneut (Art. 315a Abs. 1 EGStGB i. V. m. § 78c Abs. 3 StGB).
Die Verjährungsfrist bei Mord, für welchen sich die Strafe noch nach dem StGB-DDR bestimmt, wurde mit Art. 315a Abs. 3 EGStGB aufgehoben:
; Art 315a Vollstreckungs- und Verfolgungsverjährung für in der Deutschen Demokratischen Republik verfolgte und abgeurteilte Taten;
Verjährung für während der Herrschaft des SED-Unrechtsregimes nicht geahndete Taten
Verjährung für während der Herrschaft des SED-Unrechtsregimes nicht geahndete Taten
- …
- (3) Verbrechen, die den Tatbestand des Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches) erfüllen, für welche sich die Strafe jedoch nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik bestimmt, verjähren nicht.
- (4) Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Taten, deren Verfolgung am 30. September 1993 bereits verjährt war.
Im Abs. 4 wurde zur Wahrung des Rückwirkungsverbots (Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB) darüber hinaus geregelt: Bei betreffenden Taten, die am 30. September 1993 als verjährt galten, bleibt die Verjährung bestehen. Damit werden alle bei der Wiedervereinigung nicht verjährten Morde, die dem StGB-DDR unterliegen, weiter verfolgt.
Gerichtszuständigkeit
Für die Aburteilung eines Mordes ist gem. § 74 Absatz 2 Nummer 4 in Verbindung mit § 74e Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) das Schwurgericht zuständig. Während es sich hierbei bis 1924 noch um ein echtes Geschworenengericht handelte, bezeichnet dieser Begriff heute nur noch eine Große Strafkammer des Landgerichtes, die mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt ist. Gegen ihr Urteil ist keine Berufung möglich, allerdings kann Revision eingelegt werden. Über diese entscheidet gemäß § 135 GVG der örtlich zuständige Strafsenat des Bundesgerichtshofes, den fünf Bundesrichter bilden.
Gesetzeskonkurrenzen
Zusammenfassung
Kontext
Verwirklicht der Täter mehrere Mordmerkmale durch dieselbe Handlung, so handelt es sich nur um verschiedene Begehungsformen desselben Delikts.[113]
Mord und Totschlag können tateinheitlich begangen werden. So begeht der Täter einen versuchten Mord, wenn er in der irrigen Vorstellung handelt, ein Opfer heimtückisch zu töten, und verwirklicht tateinheitlich einen vollendeten Totschlag, wenn das Opfer tatsächlich stirbt.[114] Sofern der Täter auf Verlangen tötet, geht § 216 StGB allen anderen Tötungsdelikten vor.[115]
Besondere Probleme bereitet das Verhältnis zu Körperverletzungsdelikten. Heute gilt als allgemein anerkannt, dass die Körperverletzung notwendiges Durchgangsstadium für einen Mord ist. Deshalb wird das Unrecht der Körperverletzung vom Mordparagrafen vollständig erfasst, sodass die §§ 223 ff. StGB als subsidiäre Strafvorschriften verdrängt werden. Stirbt das Opfer nicht, ist jedoch versuchter Mord/Totschlag in Tateinheit mit einem Körperverletzungsdelikt möglich.[116]
Beim Raubmord ist in der Regel auch der Tatbestand des Raubes mit Todesfolge gem. § 251 StGB mitverwirklicht. Insoweit handelt es sich auch hier um einen Fall der Tateinheit.[117] Dasselbe gilt für Verstöße gegen das Waffengesetz.
Polizeiliche Kriminalstatistik
Zusammenfassung
Kontext
In der Kriminalstatistik werden seit Anfang der 1990er Jahre immer weniger Tötungsdelikte registriert. Bei Mord waren es inklusive Versuche im Jahr 1993 noch 1.299 Fälle, was 1,6 Fällen pro 100.000 Einwohner entspricht. 2008 waren es 694 Fälle (0,8). 2016 bis 2018 gab es wieder einen leichten Anstieg auf 901 Fälle (1,1), um 2024 wieder auf 730 (0,86) zu sinken. Damit fiel die Häufigkeit seit 1993 um die Hälfte. Dieser Rückgang ist somit wesentlich größer als der der Straftaten insgesamt, die im selben Zeitraum um 17 % sanken.[72] Das Muster eines Rückgangs der Häufigkeit von Tötungsdelikten seit Anfang der 1990er Jahre findet sich in allen westlichen Ländern. Es ist Teil eines allgemeinen Kriminalitätsrückgangs.[73]
Bei den Häufigkeitszahlen der Fälle ist allerdings zu berücksichtigen, dass Mordversuche eingeschlossen sind, welche die Mehrzahl ausmachen. Beispielsweise waren von den 643 Fällen im Jahr 2021 nur 220 vollendet, was rund 0,3 Mordfälle pro 100.000 Einwohner entspricht.[72]
Die Opferzahl vollendeter Morde für Gesamtdeutschland ist seit 1994 verfügbar. Der Höhepunkt wurde 1996 mit 720 erreicht. Ihre Anzahl hat sich seit den 1990er Jahren mehr als halbiert. 2024 waren es 285 Opfer.[118] Die Zahl der Anzeigen wegen Mordversuch ist jedoch gestiegen.[119] Ein Rückgang tatsächlicher Fälle bei einer Verringerung des gesellschaftlichen Toleranzlevels für Gewalt, verbunden mit einer erhöhten Anzeigebereitschaft ist in der Kriminologie seit vielen Jahren bekannt.[73]
Im Vergleich mit anderen Eurostat-Ländern liegt Deutschland mit jährlich weniger als einem halben Fall pro 100.000 Einwohnern deutlich unter dem Durchschnitt.[120] Damit gehört Westeuropa zu den sichereren Regionen der Erde. Auch wenn es in anderen Teilen der Welt ebenfalls Rückgänge der Häufigkeit von Morden gibt, liegen diese dort bei teilweise deutlich höheren Werten, wie beispielsweise Nordamerika mit 5,1, Südamerika 24,2 und Mittelamerika mit 25,9 Fällen pro 100.000 Einwohner. Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung veröffentlichte 2019 eine Studie, nach der Spitzenreiter die Region Ostasien mit nur 0,6 pro 100.000 ist.[121]
Die Aufklärungsquote von Morden in Deutschland liegt bei über 90 %. Der Ausländeranteil der Tatverdächtigen lag 2021 bei 38,8 %. Wurde bis Anfang der 2000er Jahre noch in ca. 20 % der Fälle mit Schusswaffen gedroht oder geschossen, lag dieser Anteil seit einigen Jahren nur noch im einstelligen Prozentbereich.[72]
Bei vollendetem Mord und Totschlag waren 2015 bei 68 % Verwandte oder nähere Bekannte tatverdächtig.[122] Werden bei einer Tat mehrere Personen getötet, wird in der Statistik trotzdem nur ein Fall gezählt.[123]
| Jahr | Fälle insgesamt |
davon Versuche | Schusswaffe involviert [124] |
Aufklärungs- quote |
Anzahl Opfer insgesamt [125] |
Anzahl Opfer, vollendete Morde [118] |
Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger |
Verurteilte vollendeter Mord[126] |
Verurteilte versuchter Mord[126] | ||
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| 1993 | 1.299 | 633 | 48,7 % | 213 | 16,4 % | 84,5 % | 30,6 % | ||||
| 1994 | 1.146 | 547 | 47,7 % | 220 | 19,2 % | 88,5 % | 1.396 | 662 | 31,6 % | ||
| 1995 | 1.207 | 602 | 49,9 % | 226 | 18,7 % | 89,7 % | 1.394 | 655 | 33,6 % | ||
| 1996 | 1.184 | 563 | 47,6 % | 237 | 20,0 % | 88,2 % | 1.441 | 720 | 34,7 % | ||
| 1997 | 1.036 | 500 | 48,3 % | 229 | 22,1 % | 92,8 % | 1.148 | 583 | 34,8 % | ||
| 1998 | 903 | 451 | 49,9 % | 196 | 21,7 % | 93,2 % | 1.023 | 498 | 36,6 % | ||
| 1999 | 962 | 480 | 49,9 % | 206 | 21,4 % | 93,0 % | 1.085 | 521 | 30,9 % | ||
| 2000 | 930 | 476 | 51,2 % | 170 | 18,3 % | 94,7 % | 1.108 | 497 | 29,8 % | ||
| 2001 | 860 | 436 | 50,7 % | 181 | 21,1 % | 94,1 % | 996 | 464 | 31,4 % | ||
| 2002 | 873 | 452 | 51,8 % | 138 | 15,8 % | 96,7 % | 989 | 449 | 30,4 % | ||
| 2003 | 829 | 435 | 52,5 % | 140 | 16,9 % | 95,2 % | 921 | 422 | 30,9 % | ||
| 2004 | 792 | 432 | 54,5 % | 104 | 13,1 % | 96,5 % | 907 | 399 | 29,5 % | ||
| 2005 | 794 | 407 | 51,3 % | 119 | 15,0 % | 95,8 % | 891 | 413 | 29,2 % | ||
| 2006 | 818 | 484 | 59,2 % | 101 | 12,4 % | 95,2 % | 983 | 375 | 25,2 % | 116 | 88 |
| 2007 | 734 | 420 | 57,2 % | 91 | 12,4 % | 97,3 % | 884 | 339 | 28,3 % | 188 | 92 |
| 2008 | 694 | 376 | 54,2 % | 98 | 14,1 % | 97,6 % | 926 | 370 | 28,3 % | 165 | 90 |
| 2009 | 703 | 404 | 57,5 % | 86 | 12,2 % | 94,6 % | 914 | 365 | 27,8 % | 161 | 87 |
| 2010 | 692 | 399 | 57,7 % | 79 | 11,4 % | 96,1 % | 814 | 324 | 30,5 % | 190 | 96 |
| 2011 | 723 | 400 | 55,3 % | 78 | 10,8 % | 95,6 % | 889 | 357 | 28,9 % | 132 | 93 |
| 2012 | 630 | 375 | 59,5 % | 80 | 12,7 % | 96,0 % | 801 | 281 | 29,8 % | 142 | 85 |
| 2013 | 647 | 406 | 62,8 % | 75 | 11,6 % | 96,3 % | 814 | 282 | 30,7 % | 127 | 81 |
| 2014 | 664 | 415 | 62,5 % | 61 | 9,2 % | 95,3 % | 859 | 298 | 29,8 % | 142 | 64 |
| 2015 | 649 | 368 | 56,7 % | 60 | 9,2 % | 94,8 % | 777 | 296 | 28,3 % | 135 | 74 |
| 2016 | 761 | 443 | 58,2 % | 85 | 11,2 % | 93,2 % | 993 | 373 | 37,1 % | 136 | 55 |
| 2017 | 785 | 443 | 56,4 % | 62 | 7,9 % | 95,5 % | 1.030 | 405 | 37,3 % | 123 | 77 |
| 2018 | 901 | 649 | 72,0 % | 45 | 5 % | 95,3 % | 1.267 | 386 | 38,6 % | 123 | 119 |
| 2019 | 720 | 502 | 69,7 % | 45 | 6,8 % | 91,4 % | 962 | 245 | 36,1 % | 173 | 96 |
| 2020 | 719 | 474 | 65,9 % | 69 | 9,6 % | 93,5 % | 1.117 | 280 | 36,2 % | 150 | 96 |
| 2021 | 643 | 423 | 65,8 % | 52 | 8,4 % | 94,2 % | 925 | 257 | 38,8 % | 124 | |
| 2022 | 662 | 451 | 68,1 % | 59 | 9,4 % | 91,2 % | 967 | 264 | 38,4 % | ||
| 2023 | 704 | 490 | 69,6 % | 53 | 7,7 % | 92,3 % | 1.016 | 299 | 43,1 % | ||
In den 15 Jahren von 2006 bis 2020 wurden 2203 Personen wegen vollendetem Mord und 1293 wegen versuchten Mordes verurteilt, im gleichen Zeitraum wurden 4305 vollendete Mordfälle mit 4876 Opfern und 6558 Fälle versuchten Mordes begangen. Auf zwei Fälle vollendeten Mordes kommt ein Verurteilter, auf fünf Fälle versuchten Mordes ein Verurteilter.[126]
Im Tatjahr selbst verurteilt werden immer nur eine Handvoll, für eine Tat im Vorjahr werden um die 50 wegen vollendeten und 50 wegen versuchten Mordes verurteilt, alle anderen Taten werden erst im übernächsten Kalenderjahr nach der Tat verurteilt.[126]
2019 wurden 197 Personen wegen vollendeten und 119 wegen versuchten Mordes abgeurteilt, davon 173 bzw. 96 verurteilt.[126][127] Die 2019 nach allgemeinem Strafrecht ausgesprochenen 157 Verurteilungen wegen vollendeten Mordes verteilen sich auf 111 Verurteilungen zu lebenslänglich, 23 zu 10–15 Jahren, 22 zu 5–10 Jahren und 1 zu 3–5 Jahren, die 84 des versuchten Mordes auf 53 Mal 5–10 Jahre, 11 Mal 3–5 Jahre, 10 Mal 10–15 Jahre, 5 Mal lebenslang, 2 Mal 2–3 Jahre und 3 Mal zu einer Bewährungsstrafe.[128]
Anzahl der Verurteilten wegen Mordes und Totschlags
Die Anzahl der Verurteilten in Deutschland, wegen der Straftatbestände Mord oder Totschlag (StGB 211–213), ging einer Statistik des Statistischen Bundesamtes zufolge von 2007 bis 2013 zurück:[129]
| 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2017 | |
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| Verurteilte wegen Mordes oder Totschlags gesamt | 697 | 648 | 602 | 617 | 570 | 558 | 506 | 535 | 528 |
| Anteile nach Geschlecht: | |||||||||
| Männer | 617 | 572 | 540 | 566 | 507 | 508 | 466 | 489 | |
| Frauen | 80 | 76 | 62 | 51 | 63 | 50 | 40 | 46 | |
| Anteile nach Staatsangehörigkeit: | |||||||||
| Deutsche | 473 | 445 | 424 | 437 | 383 | 399 | 345 | 353 | |
| Ausländer | 224 | 203 | 178 | 180 | 187 | 159 | 161 | 182 |
Anzahl der Opfer von Mord und Totschlag in Partnerschaften
In Deutschland listet die Kriminalstatistik für 2015 insgesamt 415 Opfer von Mord und Totschlag (versucht oder vollendet) in Partnerschaften auf.[130] Lange gab es hierzu keine aussagekräftigen Statistiken in Deutschland. Dies wurde von Nichtregierungsorganisationen beklagt. Erst 2011 wurden in der polizeilichen Kriminalstatistik entsprechende Voraussetzungen in der Datenerhebung geschaffen.[131]
| Insgesamt | Frauen | Männer | |
|---|---|---|---|
| Opfer Mord und Totschlag in DE gesamt[134] | 2.457 | 781 | 1.676 |
| davon in Partnerschaften gesamt | 415 | 331 | 84 |
| in % | 16,9 % | 42,4 % | 5 % |
| nach Beziehungsstatus | |||
| Ehepartner | 210 | 170 | 40 |
| Eingetragene Lebenspartnerschaft | 0 | 0 | 0 |
| Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaft | 112 | 87 | 25 |
| Ehemalige Partnerschaften | 93 | 74 | 19 |
| Opfer Mord und Totschlag in DE gesamt | davon in Partnerschaft | in % | |
|---|---|---|---|
| insgesamt | 2.457 | 415 | 16,9 % |
| Deutschland | 1.712 | 316 | 18,5 % |
| Türkei | 135 | 22 | 16,3 % |
| Polen | 62 | 12 | 19,4 % |
| Afghanistan | 38 | 7 | 18,4 % |
| Russische Föderation | 21 | 4 | 19,0 % |
| Ukraine | 10 | 3 | 30,0 % |
| Rumänien | 34 | 2 | 5,9 % |
| Bulgarien | 18 | 2 | 11,1 % |
| Kosovo | 23 | 2 | 8,7 % |
| Syrien | 18 | 2 | 11,1 % |
| Bosnien und Herzegowina | 10 | 2 | 20 % |
| Marokko | 14 | 2 | 14,3 % |
| Griechenland | 12 | 1 | 8,3 % |
| Iran | 11 | 1 | 9,1 % |
Verwandte Tatbestände
Zusammenfassung
Kontext
Abgesehen vom Verhältnis zum Totschlag, ist der Mord von mehreren anderen Delikten abzugrenzen und kann mit ihnen gleichzeitig verwirklicht sein:
Da ein Mord nur an einem bereits geborenen Menschen begangen werden kann, ist ein Schwangerschaftsabbruch, der von §§ 218 ff. StGB erfasst wird, kein Mord im juristischen Sinne. Dies macht es erforderlich, eine klare Grenze zwischen beiden Delikten zu ziehen, als welche sich das Einsetzen der Eröffnungswehen etabliert hat.[136] Im Fall eines Kaiserschnitts gilt die Öffnung der Gebärmutter als relevanter Zeitpunkt. Der strafrechtliche Schutz setzt damit etwas früher als die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit ein, die gemäß § 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit Vollendung der Geburt beginnt.
Die Anwendbarkeit des Mordes endet mit Eintritt des Hirntodes. Ab diesem Zeitpunkt kann unter anderem eine Verletzungshandlung am Leichnam wegen Störung der Totenruhe gem. § 168 StGB bestraft werden.[137]
Ferner erfordert der Mord mindestens Eventualvorsatz hinsichtlich der Tötung eines Menschen und der Verwirklichung der Mordmerkmale. Handelt der Täter zwar mit Tötungsvorsatz, ohne sich jedoch der Verwirklichung eines Mordmerkmals bewusst zu sein und ohne dies zu wollen, macht er sich nur wegen Totschlags strafbar. Verursacht ein Täter ohne jeglichen Schädigungsvorsatz den Tod eines Menschen, so kann er nur wegen Fahrlässiger Tötung gem. § 222 belangt werden. Eine Reihe von so genannten erfolgsqualifizierten Delikten erfasst schließlich den Fall, dass der Täter ein anderes Delikt vorsätzlich begeht und dabei fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Kein Mord liegt vor in der Tötung auf Verlangen, die von § 216 StGB erfasst wird.[115]
Kein Mord liegt außerdem vor in der rechtmäßigen Dienstausübung, die als Rechtfertigungsgrund eingreift und eine so vorgenommene Tötung bereits nicht als Unrecht erscheinen lässt. Dementsprechend wird insbesondere auch die Tötung gegnerischer Soldaten im Rahmen militärischer Auseinandersetzungen – auch vom Kriegsvölkerrecht – nicht als Mord angesehen. Der plakative Ausspruch „Soldaten sind Mörder“ ist aus juristischer Betrachtungsweise daher sachlich falsch, allerdings hielt das Bundesverfassungsgericht fest, dass es neben der juristischen Definition von „Mord“ auch eine umgangssprachliche gebe, sodass die Aussage ggf. als Werturteil vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Literatur
- Werner Baumeister: Ehrenmorde, Blutrache und ähnliche Delinquenz in der Praxis bundesdeutscher Strafjustiz. Waxmann, Berlin 2007, ISBN 978-3-8309-1742-7.
- Karl Engisch: Zum Begriff des Mordes, in: GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 1955, S. 161 ff.
- Diana Gasper: Die Rückwirkung von unrechts- und schuldmindernden Umständen auf Mordmerkmale. Duncker & Humblot, Berlin 2022, ISBN 978-3-428-18470-5.
- Anette Grünewald: Das vorsätzliche Tötungsdelikt. Mohr Siebeck, Tübingen 2010, ISBN 978-3-16-150012-1.
- Günter Heine: Tötung aus „niedrigen Beweggründen“. Duncker & Humblot, Berlin 1988, ISBN 3-428-06559-X.
- Burkhardt Jähnke: Über die gerechte Ahndung vorsätzlicher Tötung und über das Mordmerkmal der Überlegung, in: MDR 1980, S. 705 ff.
- Walter Kargl: Gesetz, Dogmatik und Reform des Mordes (§ 211 StGB), in: StraFO 2001, S. 365 ff.
- Walter Kargl: Zum Grundtatbestand der Tötungsdelikte, in: JZ 2003, S. 1141 ff.
- Katharina Linka: Mord und Totschlag (§§ 211–213 StGB): Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-8305-1513-5.
- Wolfgang Mitsch: Die Verfassungswidrigkeit des § 211 StGB, in: JZ 2008, S. 226 ff.
- Oisín Morris: Die normative Restriktion des Heimtückebegriffes auf Basis der Teilverwirklichung von Rechtfertigungsgründen. Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-13237-9.
- Bernd Müssig: Normativierung der Mordmerkmale durch den Bundesgerichtshof? Kriterien der Tatverantwortung bzw. Tatveranlassung als Interpretationsmuster für die Mordmerkmale, in: Gunter Widmaier u. a. (Hrsg.): Festschrift für Hans Dahs, Schmidt, Köln 2005, ISBN 978-3-504-06032-9, S. 117 ff.
- Bernd Müssig: Mord und Totschlag. Carl Heymanns, Köln 2005, ISBN 3-452-25956-0.
- Martina Plüss: Der Mordparagraf in der NS-Zeit. Mohr Siebeck, Tübingen 2018, ISBN 978-3-16-155898-6.
- Kirsten Rauber: Mord durch Unterlassen? Nomos, Baden-Baden 2008, ISBN 978-3-8329-3660-0.
- Sven Thomas: Die Geschichte des Mordparagraphen. Studienverlag Brockmeyer, Bochum 1985, ISBN 3-88339-448-3.
- Steffen Stern: Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren. Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8114-4911-4.
- Benjamin Steinhilber: Mord und Lebenslang. Nomos, Baden-Baden 2012, ISBN 978-3-8329-7200-4.
- Herbert Veh: Mordtatbestand und verfassungskonforme Rechtsanwendung. Duncker & Humblot, Berlin 1986, ISBN 3-428-06041-5.
- Alexandra Zorn: Die Heimtücke im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB – ein das vortatliche Opferverhalten berücksichtigendes Tatbestandsmerkmal? Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-14054-1.
Weblinks
Wiktionary: Mord – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Mord – Zitate
- § 211 StGB auf dejure.org – Gesetzestext mit Hinweisen zu Rechtsprechung und Querverweisen
- § 211 StGB auf lexetius.com – Gesetzestext und Änderungen des § 316a (R)StGB seit seiner Einführung
- Thomas Fischer: Mord-Paragraph – Völkisches Recht. In: Die Zeit, Nr. 51/2013, 12. Dezember 2013.
- Thorsten Jungholt: „Braune Spur“ entfernen – Anwälte wollen Mordreform. In: Die Welt, 14. Januar 2014.
- „Wir müssen den Mordparagrafen ändern“ (Interview mit Bundesjustizminister Heiko Maas zur Strafrechtsreform bei Tötungsdelikten). In: Süddeutsche Zeitung, 8. Februar 2014.
- Michael Stempfle: Reform des Mordparagrafen – Entnazifizierung im Strafgesetzbuch. ( vom 22. Mai 2014 im Internet Archive) Tagesschau.de, 20. Mai 2014.
- Michael Höhne: Die Reform der vorsätzlichen Tötungsdelikte: Warum ist sie bisher gescheitert und wie könnte sie aussehen? Kritische Justiz 2014, S. 283–297
Einzelnachweise
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