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Andreas Silbermann

deutscher Orgelbauer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Andreas Silbermann (* 16. Mai 1678 in Kleinbobritzsch; † 16. März 1734 in Straßburg) war Orgelbauer des Barock-Zeitalters im Elsass. Er ist der ältere Bruder des bekannten sächsischen Orgelbauers Gottfried Silbermann. Die Orgeln, die er, sein Bruder Gottfried sowie sein Sohn Johann Andreas Silbermann bauten, sind als „Silbermann-Orgeln“ bekannt.

Leben

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Wohnhaus (erbaut 1680) der Orgelbauerfamilie Silbermann in Kleinbobritzsch
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Gedenkplatte für Gottfried und Andreas Silbermann am Wohnhaus in Kleinbobritzsch

Andreas Silbermann wurde als Sohn des Zimmermeisters Michael Silbermann und dessen zweiter Frau Anna Maria (geb. Preußler) geboren. Sein Großvater Veit war Bauer in Kleinbobritzsch, wo auch sein Urgroßvater Georg seit 1595 als Häusler nachweisbar ist. Um die Jahreswende 1685/1686 erfolgte ein Umzug der Familie in die benachbarte Stadt Frauenstein. Hier besuchte Andreas Silbermann die Stadtschule. Von 1691 bis 1694 absolvierte er in Freiberg bei Meister Georg Lampertius eine Schreinerlehre.

Häufig wird berichtet, dass Silbermann eine Orgelbauausbildung bei dem Orgelbauer Eugenio Casparini absolviert habe. Johann Andreas Silbermann weiß jedoch nichts über den angeblichen Lehrmeister seines Vaters und verreißt die Görlitzer Sonnenorgel, an der sein Vater als Lehrling mitgearbeitet haben müsste.[1] Marc Schaefer weist dies dem Bereich der Legendenbildung zu.[2][3] Bei wem Andreas Silbermann das Orgelbauerhandwerk erlernt hat, bleibt unklar.[4]

Als Silbermann mit 21 Jahren im Elsass auftauchte, wurde er bereits als Orgelbauer bezeichnet. 1699 wird er im Zusammenhang mit der Renovierung der Orgel der katholischen Kirche in Buchsweiler (Bouxwiller) genannt. Für kurze Zeit arbeitete er als Clavierbauer bei Friedrich Ring.[5][6]

Als Friedrich Ring 1701 starb, ließ Silbermann sich in Straßburg nieder, in der Hoffnung, die neue Orgel der Neuen Kirche, an der Ring gerade gearbeitet hatte, fertigstellen zu dürfen.[7] Der Auftrag erging jedoch an Claude Legros aus Metz. Im März 1702 erhielt Silbermann das Bürgerrecht. Ab Juni 1702 ist die Anwesenheit seines Bruders Gottfried in Straßburg bezeugt,[8] der von ihm den Orgelbau lernte. 1703 baute Silbermann seine erste Orgel für das Kloster St. Margarethen in Straßburg. Dabei wurde er von seinem Bruder unterstützt.[9] Von 1704 bis 1706 studierte Andreas Silbermann den französischen Orgelbau beim Hoforgelbauer (Facteur d’orgues du Roy) François Thierry, einem Mitglied der bekannten französischen Orgelbauerfamilie Thierry, in Paris. Während dieser Zeit leitete Gottfried die Werkstatt.

Während Gottfried Silbermann vermutlich 1708 das Elsass verließ,[10] führte Andreas Silbermann alleine seine Werkstatt in Straßburg weiter. Am 13. Juni 1708 heiratete er Anna Maria Schmidt. Sie hatten zusammen 13 Kinder, darunter die vier ihn überlebenden Söhne Johann Andreas (1712–1783), Johann Daniel (1717–1766), Gottfried (1722–1766) und Johann Heinrich (1727–1799), die alle den väterlichen Beruf wählten. Johann Andreas wurde später sein Nachfolger.

Andreas Silbermann starb im Alter von 56 Jahren in Straßburg.

Nach den Aufzeichnungen seines Sohnes Johann Andreas baute Andreas Silbermann 34 Orgeln, darunter 9 Positive. Davon sind fünf fast unverändert erhalten (Marmoutier, Straßburg/Magdalenenkirche, Niedermorschwihr, Altorf, Ebersmünster) und sechs verändert erhalten oder rekonstruiert (Bischheim, Straßburg/Sainte-Aurélie, Ottrott, Bischweiler, Colmar, Rosheim).

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Bauliche und klangliche Besonderheiten

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Silbermanns Orgeln stehen handwerklich auf höchstem Niveau. Sie zeigen in ihrer klanglichen, technischen und architektonischen Gestalt ein klares und konsequent angewandtes Konzept, das in der Tradition des französischen Orgelbaus steht. Hierbei bildet das Pedal eine Ausnahme, da es in mitteldeutscher Tradition hinterständig aufgestellt ist und Bassfunktion auf 16′-Basis aufweist.

Silbermann lieferte Orgeln sowohl in katholische (16 Instrumente) als auch in evangelische Kirchen (13 Instrumente). Sie unterscheiden sich weder hinsichtlich der Disposition noch der inneren Anlage,[11] allerdings gibt es deutliche klangliche Unterschiede aufgrund der unterschiedlichen Nutzung innerhalb der katholischen bzw. evangelischen Liturgie. Nur in wenigen Ausnahmen übernahm Silbermann Elemente aus den Vorgängerorgeln (z. B. das Gehäuse der Orgel im Straßburger Münster).

Prospekt

Die Prospekte lassen den Werkaufbau nur zum Teil erkennen: Über dem Rückpositiv in der Emporenbrüstung befindet sich zentral das Hauptwerk, das Pedal ist hinterständig und daher nicht zu sehen, ebenso das gelegentlich gebaute Echowerk, das sich im Unterbau direkt hinter dem Notenpult befindet. Die Prospekte sind relativ flach gehalten, gegliedert in Rund- oder Spitztürme und Flachfelder, über den Pfeifen abgeschlossen durch geschnitztes Schleierwerk.[12] In den meisten Fällen waren die Gehäuse nicht farblich gefasst, sondern nur mit Firnis behandelt.

Dispositionsgrundsätze

Die Dispositionen sind der französischen Tradition entsprechend sehr schematisch.[13] Der Prinzipalchor verfügt im Hauptwerk meist über 8′, 4′ und 2′. Dazu kommen zwei meist dreichörige Klangkronen (Mixtur und Cymbel). An Zungenregistern werden Trompette 8′ und Voix humaine 8′ disponiert, in größeren Orgeln auch noch Clairon 4′. An mehrchörigen Aliquotregistern gibt es nur ein immer fünffaches Cornet, das solistisch oder zum Zungenplenum gezogen wird und in einigen wenigen einmanualigen Instrumenten auch als Transmission von einem separaten Manual anspielbar ist. Es steht direkt hinter dem Prospekt und ist etwa 60 cm hochgebänkt. Größere Instrumente verfügen zudem über Bourdon 16′.

Das Rückpositiv besitzt neben Prestant 4′ und Doublette 2′ nur im Straßburger Münster (1716) einen 8′-Principal und in der Regel eine dreifache Mixtur. Als Zungenregister kommt ein kräftiges Cromorne 8′ hinzu. Beide Manualwerke erhalten zusätzlich Bourdon 8′, Nazard und Terz. Larigot 113′ findet sich nur im Rückpositiv des Straßburger Münsters. Nur in seinen beiden ersten Instrumenten baute Silbermann das Register Viola di Gamba. In wenigen Fällen wird Flûte 4′ im Hauptwerk oder Rückpositiv gebaut.[13]

Das Echowerk beginnt bei c1 und verfügt über ein fünffaches Cornet, von dem Bourdon und Prestant meist separat spielbar sind, aber nur in wenigen Fällen weitere Register wie Trompette 8′.

Kleinere Orgeln verfügen im Pedal lediglich über ein 16- und ein 8-Fuß-Register, jedoch nie Pedalkoppeln. Das Rückpositiv kann über eine Manualschiebekoppel vom Hauptwerk aus angespielt werden. An Zungen verfügt das Pedal meist über Trompette 8′ manchmal auch Clairon 4′, selten über eine Bombarde 16′.

Die Klangkronen liegen relativ tief und repetieren einheitlich auf c0, c1 und c2. Die Mixtur (Fourniture) und die Cymbel sind meist dreichörig, sehr selten auch zwei- oder vierchörig und bestehen nur aus Oktav- und Quintchören. Mixtur und Cymbel stehen in der hohen Lage auf gleicher Tonhöhe und unterscheiden sich nur durch die Mensur.[14] Der Spitzenchor der Hauptwerksmixtur liegt bei c1 auf 2′, bei der Cymbel und der Positivmixtur auf 1′, bei c2 generell bei allen Klangkronen auf 2′.[15] Nur in zwei frühen Instrumenten verfügte auch das Pedal über eine Mixtur (1708 in der Neuen Kirche: 6-fach 223[16] und 1709 in Alt-St. Peter: 4-fach 113[17]).

Windladen und Mechanik

Silbermann baute ausschließlich Schleifladen in der Regel aus massiver Eiche mit belederten Schleifen. Die Ventile werden von Lederpulpeten aufgezogen.[18] Der Pedalumfang reicht in der Regel von C bis c1, manchmal ohne Cis, Hauptwerk und Rückpositiv reichen von C bis c3, ebenfalls gelegentlich ohne Cis,[13] das Echowerk besitzt in der Regel einen Umfang von c1 bis c3.

Die Mechanik wird von einem eingebauten Spielschrank aus gesteuert. Das Hauptwerk verfügt immer über eine hängende Traktur. Die Ventile befinden sich fast senkrecht über der Klaviatur nach vorne zum Prospekt hin. Beim Niederdrücken der Tasten werden die Abstrakten nach unten gezogen und die Ventile über ein Wellenbrett geöffnet. Im Echowerk gibt es meist eine direkte Traktur, bei der die Abstrakten fächerförmig zur Windlade gehen und ohne Wellenbrett die Ventile öffnen. Im Rückpositiv wird beim Niederdrücken der Taste ein Stecher nach unten auf eine Wippe gedrückt, die in der Windlade das Ventil nach oben zieht.[18] Die Pedaltraktur ist mit doppelten Wippen ausgestattet und kommt ebenfalls ohne Winkel aus.[19]

Die Registerzüge des Haupt- und Echowerks befinden sich in ein oder zwei Kolonnen senkrecht rechts und links der Klaviaturen, die des Rückpositivs im Rücken des Organisten am Rückpositivgehäuse. Die Züge für das Pedal sind gelegentlich links und rechts außerhalb des Spielschranks waagerecht angebracht. Der Bourdon des Echowerks hat häufig keinen eigenen Registerzug. Es gibt nur eine Manualschiebekoppel I/II, jedoch nie Pedalkoppeln.[18]

Windanlage

Die Windversorgung der Orgeln von Andreas Silbermann wurde meist über drei bis vier, gelegentlich auch mehr Keilbälge mit sechs hölzernen Falten gewährleistet, die zumeist mit Seilen über eine Rolle, gelegentlich auch mit Stangen aufgezogen wurden.[18] Typisch sind die beiden Tremulanten, die auf das ganze Werk wirken: Ein langsamer Tremblant doux und ein schneller Tremblant fort, der mit Windauslass funktioniert und sehr heftige Windstöße verursacht. Er dient zur Kombination mit der Voix humaine und dem Zungeplenum.[20]

Pfeifenbau

In aller Regel baute Silbermann sämtliche Pfeifen neu. Die Prospekt- und Innenpfeifen der Principale sowie die Zungenpfeifen bestehen aus fast reinem Zinn: In Ebersmünster weisen sie einen Zinngehalt von 97 % auf.[21] Die Innenpfeifen sind aus gehämmertem Zinn gefertigt, die Pfeifenfüße und die aufgelöteten Kerne bestehen aus Blei. Die Bourdon-Register besitzen in 16′-Lage zwei Oktaven aus Holz, in 8′-Lage eine Oktave aus Eichenholz, dann eine Oktave mit zugelöteten Hüten, der Rest ist als Rohrflöte mit ebenfalls zugelöteten Hüten gebaut.[18]

Die Zungen wurden in französischer Bauform gefertigt, die Kehlen weisen aber eine sehr enge Mensur auf und verfügen über sehr dünne Zungenblätter.[21] Außer im Register Bombarde 16′ wurden sämtliche Becher in der Regel aus Zinn gebaut.

Stimmtonhöhe und Temperatur

Die meisten erhaltenen Orgeln Silbermanns waren ursprünglich einen Ganzton tiefer gestimmt. Jedoch wurden alle Instrumente im Laufe der Zeit umtemperiert und erhielten eine gleichstufige Stimmung.[22] Silbermann stimmte seine Instrumente mitteltönig.[23] Dies konnte von Peter Vier anhand der zugelöteten Bourdonpfeifen nachgewiesen werden.[24] Ebenso bezeugt es der Orgelbauer Ignaz Bruder (1780–1845) beim Vergleich der beiden damals gebräuchlichen Stimmarten: Die gleichschwebende „nach dem Quintenzirkel“ und „die mitteltönige nach Silbermanns Art“.[25]

Bei der Rekonstruktion der Silbermann-Orgel in St. Aurelien (Straßburg) durch Quentin Blumenroeder (2015) wurde dementsprechend eine mitteltönige Stimmung mit neun um 1/5 pythagoräisches Komma reduzierten Quinten, zwei reinen Quinten und einer Wolfsquinte gelegt.[26] Bei der Restaurierung der 1719 als Chororgel für Marmoutier, aber erst 1730 bei den Grauen Schwestern des Klosters Saint-Joseph in Haguenau aufgestellten Orgel, fand Blumenroeder eine wohltemperierte Stimmung vor, von der er vermutet, dass sie von Johann Andreas Silbermann gelegt wurde.[27]

Intonation

Die beiden Orgeln in Marmoutier (1710) und Ebersmünster (1731) weisen fast die gleiche Disposition auf, aber die Mensuren seines Spätwerkes in Ebersmünster sind deutlich weiter, wodurch das Instrument weicher, flötiger und weniger brillant klingt. Hier zeigt sich die Weiterentwicklung seines Klangideals.[28]

Bei der Vorbereitung der Rekonstruktion der Orgel in St. Aurelien (Straßburg) stellte Orgelbaumeister Quentin Blumenroeder fest, wie unterschiedlich Andreas Silbermanns Instrumente je nach Bestimmungsort sind: In katholischen Kirchen sind sie auf Weichheit ausgerichtet, während sie in evangelischen Kirchen Stärke und Glanz suchen, ähnlich wie dies für Gottfried Silbermans Orgeln typisch ist.[29]

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Werke

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(Kursivschrift zeigt an, dass die Orgel nicht mehr erhalten oder nur der Prospekt erhalten ist.)

Weitere Informationen Jahr, Ort ...
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Literatur

  • Robert Eitner: Silbermann, Andreas. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 310–313.
  • Jürgen Fege: Das Geburtshaus Gottfried Silbermanns in Kleinbobritzsch bei Frauenstein. In: Landkalenderbuch für die Sächsische Schweiz und das Osterzgebirge 2014. Schütze/Weber/Engler Verlags GbR, Dresden 2013, S. 14–16.
  • Ludwig Mooser: Das Brüderpaar die Orgelbaumeister Andreas und Gottfried Silbermann. Historische Skizze nach kirchlichen und amtlichen Urkunden. Straßburg 1861. (Digitalisat)
  • Paul Smets: Orgel-Monographien 10 – Die Orgelwerke der Abteien Maursmünster und Ebersmünster. Rheingold-Verlag, Mainz 1956.
  • Jürgen Weyers: Er heißt Silbermann, und sein Werk seyn gülden... In: Organ. Heft 2/98, S. 10–15.
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Commons: Andreas Silbermann – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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