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Ingo Schulze (Autor)

deutscher Schriftsteller Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ingo Schulze (Autor)
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Ingo Schulze (* 15. Dezember 1962 in Dresden) ist ein deutscher Schriftsteller und seit dem 3. November 2023 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

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Ingo Schulze (2017)

Leben

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Schulze, Sohn eines Physikers und einer Ärztin, wuchs nach der Scheidung der Eltern bei seiner Mutter auf. Nach seinem 1981 an der Dresdner Kreuzschule bestandenen Abitur absolvierte er den Grundwehrdienst in der NVA; bis 1988 studierte er Klassische Philologie und Germanistik an der Universität Jena.[1] Anschließend war Schulze für zwei Jahre als Dramaturg am Landestheater Altenburg, das er verließ, um als Journalist zu arbeiten: 1990 war er Mitbegründer der „unabhängigen Zeitung“ Altenburger Wochenblatt, die bis Herbst 1991 erschien, sowie eines Offertenblatts namens Anzeiger; beide wurden im Altenburger Verlag publiziert, dessen Geschäfte Schulze bis Ende 1992 leitete. Anfang 1993 ging er im Auftrag eines Geschäftsmannes nach Russland, wo er in Sankt Petersburg die Annoncenzeitung Привет Петербург (Privet Petersburg) lancierte. Seit Mitte der 1990er-Jahre lebt Schulze als freier Schriftsteller in Berlin. Aus seiner ersten Ehe hat er zwei Töchter. In zweiter Ehe ist Schulze mit der Literaturwissenschaftlerin Jutta Müller-Tamm verheiratet.[1]

Seit 2006 ist er Mitglied der Akademie der Künste Berlin und seit 2007 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Außerdem ist er Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste sowie des PEN-Zentrums Deutschland.

Im Herbst 2019 kuratierte Ingo Schulze das forum:autoren auf dem Literaturfest München. Sein Motto lautet „Einübungen ins Paradies. Fragen an die Welt nach 1989“.[2]

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Werk

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Ingo Schulze 2004

Seine Erfahrungen aus der Zeit in Sankt Petersburg flossen in Schulzes erste Buchveröffentlichung ein. Die Erzählungen in 33 Augenblicke des Glücks (1995) sind im Umfeld der russischen Großstadt angesiedelt. Schulze greift hierbei auf eine Herausgeberfiktion zurück, die seine Texte einem literarisch gebildeten Journalisten aus Deutschland zuschreibt, der in Sankt Petersburg verschwunden sei. Der Erzählband wurde von der Kritik überwiegend positiv aufgenommen. Seine 1998 veröffentlichten Simple Storys spielen im thüringischen Altenburg, wo Schulze gelebt und gearbeitet hatte; im Mittelpunkt stehen die Folgen der Wende auf das Leben seiner Figuren, deren Darstellung das Fehlen jeglicher „Nachwendeweinerlichkeit“[3] attestiert wurde. Geprägt war der Text durch einen Stil, den Rezensenten als mitleidslos und genau bezeichneten, der Autor selbst als „diesen Short-Story-Ton, [der] die Sache einfacher“[4] gemacht habe. Günter Grass würdigte Schulze nach Erscheinen des Werkes als einen der „großartigen Erzähler“[5] der neuen Bundesländer.

Nach der Veröffentlichung mehrerer Erzählungen folgte erst 2005 der nächste Roman Neue Leben. Erzählt wird darin die Geschichte des Autors und Zeitungsredakteurs Enrico Türmer, der im Jahr der deutschen Wiedervereinigung einem Freund, seiner Schwester und einer Geliebten schreibt. Schulze zieht sich erneut in die Position eines Herausgebers zurück, der die Briefe, aus denen der Roman besteht, lediglich aufbereitet habe; er bedient sich damit eines für den Briefroman des 18. Jahrhunderts typischen Kunstgriffs, dessen Reaktivierung von der Kritik nicht einhellig begrüßt wurde. Während FAZ-Kritiker Richard Kämmerlings fragte: „Geht es nicht noch ein bißchen altbackener?“,[6] sah Jörg Magenau von der tageszeitung in dieser Verknüpfung den „eigentliche[n] Clou des Romans“.[7] Das Werk ordneten einige Rezensenten, nicht immer ohne Ironie, als den lange erwarteten „ultimativen Wenderoman“[8] ein.

Aus Anlass des 800-jährigen Bestehens seiner Geburtsstadt Dresden verfasste Ingo Schulze für den MDR figaro einen am 3. Mai 2006 ausgestrahlten Essay zum Thema „Mythos Dresden“ mit dem Titel Nachtgedanken.[9] Schulze beteiligte sich auch an der Ausstellung „Mythos Dresden“ im Deutschen Hygienemuseum Dresden.

Schulzes Erzählsammlung Handy. 13 Geschichten in alter Manier, die 2007 in die Läden kam, rief fast einhelliges Lob hervor. So beurteilte sie etwa Volker Weidermann in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, verglichen mit Neue Leben, als „lässiger, einfacher, ruhiger und einfach sehr, sehr schön geschrieben“.[10]

Für breite Aufmerksamkeit auch in überregionalen Medien sorgte Schulzes Dankesrede zur Verleihung des Thüringer Literaturpreises 2007, in der er die steigende Bedeutung des Sponsorings im Kulturbereich bei gleichzeitigem Rückzug des Staates aus diesem thematisierte.[11]

Schulzes Roman Adam und Evelyn, dessen Protagonisten die DDR im Spätherbst 1989 über Ungarn verlassen, erhielt neben fünf weiteren Finalisten eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis 2008.[12] 2018 wurde der Roman von Andreas Goldstein unter gleichem Titel verfilmt.[13]

Schulzes 2010 erschienener Erzählband Orangen und Engel. Italienische Skizzen ist entstanden im Zusammenhang mit einem Stipendien-Aufenthalt des Autors in der Villa Massimo in Rom. Es handelt sich dabei um Erzählungen, in denen zumeist einfache Leute aus dem großstädtischen römischen Umfeld im Mittelpunkt stehen; die Geschichten geben sich als tatsächliche Erlebnisse des Autors, sind auch in der Ich-Form erzählt; allerdings verlassen sie dieses autobiographische Muster dann fast unmerklich, werden hintergründig, haben meist auch einen uneindeutigen Schluss.

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Politische Äußerungen

Anfang 2012 wurden Ingo Schulzes in der Süddeutschen Zeitung publizierten Thesen gegen die Ausplünderung der Gesellschaft[14] und seine Dresdner Rede Wider die marktkonforme Demokratie[15][16] sehr beachtet.

Nach der Bundestagswahl 2013 war er Initiator und einer der Erstunterzeichner des Aufrufs „Wider die Große Koalition“, mit welchem an die SPD appelliert wurde, nicht erneut in eine Koalitionsregierung mit der CDU/CSU einzutreten, sondern mit Grünen und Linken eine Mehrheitsregierung unter Führung der SPD zu bilden. Er ist Mitglied der Gruppe „Neubeginn“.[17]

Veröffentlichungen

Romane

Weitere Einzelveröffentlichungen

Aufsätze, Reden, Essays

  • Das Herakles-Motiv in der „Ästhetik des Widerstands“. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe) 36. Jg., 1987, Heft 3, S. 417–422.
  • Der Brief meiner Wirtin. Laudatio auf Josua Reichert. In: Sinn und Form 52, 2000, H. 3, S. 435–442.
  • Lesen und Schreiben oder „Ist es nicht idiotisch, sieben oder gar acht Monate an einem Roman zu schreiben, wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann?“. In: Ute-Christine Krupp, Ulrike Janssen (Hrsg.): Zuerst bin ich immer Leser. Prosa schreiben heute. Frankfurt am Main, Suhrkamp 2000, ISBN 3-518-12201-0, S. 80–101.
  • Würde ich nicht lesen, würde ich auch nicht schreiben. Meranier-Gymnasium, Lichtenfels 2002.
  • Nachtgedanken. Am 3. Mai 2006 von MDR figaro gesendeter Essay
  • Meine kopernikanische Wende. In: Renatus Deckert (Hrsg.): Das erste Buch. Schriftsteller über ihr literarisches Debüt. Frankfurt, Suhrkamp 2007, ISBN 978-3-518-45864-8.
  • Signor Candy Man. In: Süddeutsche Zeitung. 5. Januar 2008
  • Eine, zwei, noch eine Geschichte/n. Mit Imre Kertész und Péter Esterházy. Berlin, Berlin Verlag 2008, ISBN 978-3-8270-0787-2.
  • Popikone. In: Thomas Kraft (Hrsg.): Beat Stories. München, Blumenbar 2008, ISBN 978-3-936738-36-0.
  • Fast ein Märchen. In: Sinn und Form. 60, 2008, H. 4, S. 453–457.
  • Eine Nacht bei Boris erschienen in der Reihe: Books to Go, Berlin, Deutscher Taschenbuch Verlag, April 2009, ISBN 978-3-423-08222-8.
  • Nach der Flut. Laudatio zur Verleihung des Anna-Seghers-Preises an Lukas Bärfuss. In: Sinn und Form. 61, 2009, H. 3, S. 413–419.
  • Nützliche Idioten. Für die regierenden Parteien sind die Pegida-Demonstranten eine bequeme Opposition – denn die eigentlichen Fragen werden von ihnen gerade nicht gestellt, in: SZ Nr. 21, 27. Januar 2015, S. 9.
  • Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte …: Essays. Frankfurt, S. Fischer 2022, ISBN 978-3-10-397043-2.
Dokumentarfilm als Stadtschreiber
  • Rettung aus dem Regenwald? ZDF / 3sat 2011, zusammen mit Christine Traber. (Dokumentation über Terra preta bei Burnout – Der erschöpfte Planet. Erstausstrahlung 12. November 2011, 45 Minuten).
Hörspiel
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Literatur

  • Peter Michalzik: Wie komme ich zur Nordsee? Ingo Schulze erzählt einfache Geschichten, die ziemlich vertrackt sind und die alle lieben. In: Thomas Kraft (Hrsg.): Aufgerissen. Zur Literatur der 90er. Piper, München 2000, ISBN 3-492-04224-4, S. 27–38.
  • Fabian Thomas: Neue Leben, neues Schreiben? Die „Wende“ 1989/90 bei Jana Hensel, Ingo Schulze und Christoph Hein. Martin Meidenbauer Verlag, München 2009, ISBN 978-3-89975-948-8.
  • Harry Lehmann: Geschichten aus dem blinden Fleck. Zur Erzählphilosophie von Ingo Schulze. In: Sinn und Form. 61, 2009, H. 3, S. 390–410. (PDF)
  • Harry Lehmann: Ingo Schulze. Simple Stories. In: Harry Lehmann: Die flüchtige Wahrheit der Kunst. Ästhetik nach Luhmann. Fink, München 2006, ISBN 3-7705-4193-6, S. 85–99.
  • Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Ingo Schulze. edition text + kritik im Richard-Boorberg-Verlag, München 2012, ISBN 978-3-86916-145-7. (text + kritik. Heft 193).
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Auszeichnungen

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Commons: Ingo Schulze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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Einzelnachweise

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