Streitkräfte Russlands
Streitkräfte der Russischen Föderation / aus Wikipedia, der freien encyclopedia
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Die Streitkräfte Russlands (russisch Вооружённые силы России Wooruschjonnyje sily Rossii), mitunter semantisch ungenau als russische[5] Streitkräfte bezeichnet, sind offiziell als Streitkräfte der Russischen Föderation benannt (Вооружённые силы Российской Федерации, inoffizielle Abkürzung ВС РФ oder WSRF) und bestehen aus den drei Teilstreitkräften
- Landstreitkräfte (Heer) – ru. Сухопутные войска (СВ),
- Luft- und Weltraumkräfte – ru. Воздушно-космические силы (ВКС),
- Seestreitkräfte / Seekriegsflotte (Marine) – ru. Военно-морской флот (ВМФ)
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Führung | |||
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Oberbefehlshaber: | Präsident Wladimir Putin | ||
Verteidigungsminister: | Armeegeneral Sergei Schoigu | ||
Militärischer Befehlshaber: | Chef des Generalstabs Armeegeneral Waleri Gerassimow | ||
Militärische Führung: | Generalstab | ||
Sitz des Hauptquartiers: | Moskau | ||
Militärische Stärke | |||
Aktive Soldaten: | 850.000[1] | ||
Reservisten: | 2.000.000[1] | ||
Wehrpflicht: | ja | ||
Wehrtaugliche Bevölkerung: | 46.681.219[2] | ||
Wehrtauglichkeitsalter: | vollendetes 18. Lebensjahr | ||
Anteil Soldaten an Gesamtbevölkerung: | 0,60 %[2] | ||
Paramilitärische Kräfte: | 554.000[1] | ||
Haushalt | |||
Militärbudget: | 86,37 Milliarden US-Dollar (2022)[3] | ||
Anteil am Bruttoinlandsprodukt: | 4,06 % (2022)[4] | ||
Geschichte | |||
Gründung: | 1992 |
sowie den selbstständigen (strategischen) Truppengattungen (ru. Рода войск)
- Strategische Raketentruppen – ru. Ракетные войска стратегического назначения (РВСН) und
- Luftlandetruppen – ru. Воздушно-десантные войска (ВДВ).[6]
Die Streitkräfte der Russischen Föderation stehen in direkter Nachfolge zu den Streitkräften der Sowjetunion (UdSSR).[7] Sie übernahmen den zahlenmäßig größten Anteil an Personal, Waffensystemen, Ausrüstung und Institutionen und die Tradition der Sowjetarmee und der Seekriegsflotte.
Der Präsident der Russischen Föderation ist der Oberste Befehlshaber der Streitkräfte Russlands (ru. Верховный Главнокомандующий Вооружёнными силами Российской Федерации).
In Russland herrscht seit 2008 eine zwölfmonatige Wehrpflicht, das Land unterhält zudem Militärbasen im Ausland und das derzeit weltweit größte Kernwaffenarsenal. Russland belegte 2020 den achten Rang unter 151 Ländern im Globalen Militarisierungsindex (GMI).[8] Laut Global-Firepower-Index besitzt Russland die zweitstärksten Streitkräfte und das stärkste Heer weltweit.[9] Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und dem dortigen militärischen Scheitern hat der Ruf der russischen Streitkräfte weltweit massiv gelitten.[10]
Herkunft der Streitkräfte Russlands – 1991/92
Infolge der Unabhängigkeitserklärungen verschiedener Sowjetrepubliken im Laufe des Jahres 1991 wurde vom 21. bis zum 25. Dezember 1991 die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR, russisch СССР) offiziell aufgelöst.
Die gesamte Struktur der sowjetischen Streitkräfte bis hin zur Zusammensetzung der einzelnen Truppen wurde zunächst nicht nach den neuen nationalen Kriterien getrennt. So unterstanden die Streitkräfte der ehemaligen UdSSR mit ihrem Militärpotenzial anfangs der Kontrolle durch die Militärbefehlshaber der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).
Nach diesem Zerfall der Sowjetunion unterzeichnete am 7. Mai 1992 der Präsident Russlands, Boris Jelzin, ein Dekret über die Schaffung des Verteidigungsministeriums Russlands und stellte zugleich alle ehemaligen sowjetischen Streitkräfte auf dem Territorium der RSFSR unter die Kontrolle der Russischen Föderation.
Im Mai 1992 schuf Russland jedoch seine eigene Militärstruktur. Dies geschah als Antwort auf die Bildung eigener Streitkräfte in verschiedenen GUS-Staaten, im Besonderen in der Ukraine.
Das militärische Kommando der GUS blieb noch für ein weiteres Jahr aktiv, obwohl seine Macht schon stark eingeschränkt war. Im Juni 1993 wurde das Kommando abgeschafft; die meisten seiner Funktionen wurden auf die Streitkräfte Russlands übertragen. Bemerkenswert ist, dass nicht nur die Tradition der Sowjetarmee und Seekriegsflotte, sondern auch das militärische Zeremoniell aus den vorsowjetischen Perioden (z. B. Namensgebung, Gedenktage, Paradeuniformen), die dementsprechende Erziehung an den militärischen Lehranstalten und der Einfluss der orthodoxen Kirche Russlands wiederbelebt wurden. So besitzen selbst die drei Arme der Nuklearstreitkräfte je einen eigenen Schutzheiligen.[12]
Streitkräfte Russlands in der Verfassungskrise – 1993
Während der Jelzin-Ära (1992 bis 1999) erlebten die russischen Streitkräfte ihre bislang schwierigste Phase. Im Oktober 1993 wurden im Zuge der Verfassungskrise Teile der Streitkräfte in den Konflikt zwischen Präsident Jelzin und dem Obersten Sowjet hineingezogen. Russland befand sich am Rande eines Bürgerkrieges. Die höheren Kommandoebenen der Sicherheitsdienste und des Militärs unterstützten Jelzin. Soldaten beendeten die Krise gewaltsam, indem sie das Parlamentsgebäude belagerten und beschossen. Für den Preis von fast 200 Toten und mehreren hundert Verletzten brach der bewaffnete Widerstand gegen Jelzin zusammen. Es handelte sich um die schwersten Unruhen in Moskau seit dem Revolutionsjahr 1917.
Aufgrund „bilateraler Vereinbarungen“ verblieben seit dem Jahr 1992 Truppenkontingente der Russischen Föderation in Transnistrien und in Südossetien. In beiden Fällen stützt deren Anwesenheit die dortigen „stabilisierten De-facto-Regime“.
Konzeptionen zur Außen- und Militärpolitik
In den ersten 22 Monaten nach der Auflösung der Sowjetunion verfügte Russland über keine eigenständige sicherheitspolitische Konzeption oder nationale Militärdoktrin. Stattdessen wurde nahezu dieselbe Doktrin wie zur Zeit des Kalten Krieges aufrechterhalten. In den 1990er-Jahren wurde jedoch eine Vielzahl solcher Konzeptionen ausgearbeitet und öffentlich diskutiert. Die beschlossenen Konzeptionen zur Außen- und Militärpolitik wie auch zur nationalen Sicherheit geben einen Einblick in das strategische Denken der russischen Führung.
Nach dem russischen Verfassungskonflikt von 1993 wurden auf dem Gebiet der Militärpolitik die Grundsätze der Militärdoktrin (vom 2. November 1993) vom Präsidenten erlassen.[13][14]
Diese Grundsätze bekannten, dass die Gefahr eines weltweiten Konfliktes nicht aufgehoben sei und dass innere und lokale Konflikte die größte Gefahr für die Aufrechterhaltung des Friedens darstellen. Die Doktrin stand dabei noch in der Tradition des Kalten Krieges[15] und enthielt Gründe, die den russischen Staat legitimierten, in benachbarten Ländern und Republiken militärisch zu intervenieren. Das Fehlen einer klaren Vision und Linie führte in den Folgejahren zu verschiedenen Fehlannahmen. So gingen die Ersteller dieser Doktrin von den Verhältnissen vor 1987 aus, in denen die Streitkräfte der UdSSR nahezu unbegrenzt über Ressourcen verfügen konnten.
Die Militärdoktrin der Russischen Föderation durchlief in den Folgejahren weitere Fassungen:[16] den Entwurf vom Oktober 1999, die Erlasse vom April 2000 und vom Februar 2010 sowie zuletzt im Dezember 2014.
Die militärpolitischen Richtlinien auf dem Gebiet der militärisch-maritimen Tätigkeit Russlands wurden, kurz nach der jeweiligen Militärdoktrin, in die Form einer separaten Marinedoktrin gefasst mit den Grundlagen der Politik der RF auf dem Gebiet der militärisch-maritimen Tätigkeit in der Periode bis zum Jahre 2010 als Vorläufer (März 2000)[17] sowie der Marinedoktrin der RF (Juli 2001)[18] und der Marinedoktrin der RF (Juli 2015).[19]
Daneben wurden mehrere Dokumente Konzeption der Außenpolitik der Russischen Föderation veröffentlicht, erstmals 1993 (Präsident B. Jelzin), danach im Juni 2000 (Präsident W. Putin),[20] und im Juli 2008 (Präsident D. Medwedjew)[21] sowie im Dezember 2016 (Präsident W. Putin).[22] Die Konzeption der Außenpolitik der Russischen Föderation (März 2023)[23] hat, wie schon die Reihe der Vorgängerdokumente, die Funktion eines strategischen Planungsdokumentes. Sie erhielt die staatsrechtlich bedeutsame Zuordnung zur Verfassung der RF und zur Nationalen Sicherheitsstrategie der RF (2021)[24] durch ihre Bestätigung mit Erlass № 229 des Präsidenten Russlands W. Putin am 31. März 2023.[25]
Ein durchgängiges Problem der russischen Streitkräfte der 1990er Jahre war das vom Vorgängerstaat übernommene Mobilisierungskonzept, das eine volle Kampfbereitschaft von Verbänden erst nach einem Mobilisierungsbefehl vorsah, durch den Reservisten eingezogen und eingelagertes Material einsatzbereit gemacht wurde. Dieses schwerfällige System war bereits in der späten Sowjetunion als Problem erkannt worden. Reformversuche scheiterten aber bis weit in die 1990er Jahre hinein. So war eine schnelle Schaffung von Verbänden für den Ersten Tschetschenienkrieg 1994 nur dadurch möglich, dass die stehenden Komponenten mehrerer teilmobilisierter Einheiten zusammengewürfelt wurden. Nach dem Ende des Krieges wurde daher das Konzept der kampfbereiten Formationen umgesetzt: Diese setzten sich ebenfalls durch Material- und Personalabgaben anderer Einheiten zusammen, blieben aber dauerhaft in dieser Aufstellung und mit hohem Bereitschaftsgrad zusammen. Kampfbereite Formationen waren zu diesem Zeitpunkt alle Luftlandedivisionen und alle strategischen Raketenregimenter sowie Flugabwehr- und Luftwaffenregimenter. Die Mannstärke dieser Einheiten war etwas kleiner als zuvor. Bei den Teilen der Streitkräfte, die nicht diesen Status besaßen, löste die Zusammenziehung jedoch teils erhebliche Mängel an Personal und Material aus. Im Zweiten Tschetschenienkrieg von 1999 an experimentierte Russland mit taktischen Bataillonsgruppen: Größere kampfbereite Formationen gingen nicht mehr in voller Stärke in den Einsatz, sondern entsendeten jeweils ein Panzer- oder mot. Schützenbataillon nebst unterstützenden Einheiten.[26]
Konzeptionen zur nationalen Sicherheit (1997–2008)
Ein überwölbendes, staatliches strategisches Konzept, das im Interesse der nationalen Sicherheit die innen-, außen- und militärpolitischen Bereiche zusammenführt, ist in Russland wohl erst im Jahr 1996/97 entstanden. Die Konzeption der nationalen Sicherheit der Russischen Föderation war im Mai 1997 vom Sicherheitsrat der RF, ohne vorherige Veröffentlichung, verabschiedet und anders als bisher „Nur für den Dienstgebrauch“ klassifiziert worden.
Der Präsident der Russischen Föderation, Boris Jelzin (im Amt von 1991 bis 1999), bestätigte am 17. Dezember 1997 die überarbeitete Konzeption,[27] also nach Unterzeichnung der Grundsatzdokumente zwischen Russland und der NATO sowie des 1997 mit der Ukraine abgeschlossenen Vertrages über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft.
Angepasst an veränderte Lagebedingungen wurde im Sicherheitsrat der RF eine weitere, gleichnamige Konzeption der nationalen Sicherheit (Oktober 1999) bestätigt.[28]
Nach der Amtsübernahme und während Wladimir Putins erster Amtszeit als Präsident Russlands (ab dem 31. Dezember 1999) wurden daraus ein nochmals verändertes Sicherheitskonzept und eine neue Militärdoktrin abgeleitet. Hintergrund war die Absicht Putins, die Fähigkeiten der Landesverteidigung angesichts des immer größer gewordenen Abstands zur Waffentechnik und -technologie der US-Streitkräfte wiederherzustellen und das Militär zu modernisieren. Damit wollte er wohl auch die frühere militärische Reputation wiederherstellen, die in den 1990er Jahren verloren gegangen war.[29]
Konkrete Umstrukturierungen dieser Zeit betrafen die Unterstellung der Flugabwehrtruppe (1998) und der Heeresflieger (2003) unter die Luftstreitkräfte.[30]
Putin setzte per Erlass die Konzeption der nationalen Sicherheit der Russischen Föderation (Januar 2000) in Kraft.[31]
Danach folgte die Militärdoktrin der Russischen Föderation (April 2000).[32]
Strategie der nationalen Sicherheit (2009–2020)
Noch unter der Präsidentschaft von Dmitrij Medwedjew wurde eine Konzeption der Außenpolitik der Russischen Föderation (Juli 2008)[33] veröffentlicht.
Im Folgejahr 2009 erschien das unter Putin inhaltlich völlig umgestaltete nationale Sicherheitskonzept, nun betitelt als Strategie der nationalen Sicherheit der Russischen Föderation bis zum Jahr 2020 (vom Mai 2009).[34]
Dieser Neufassung der Sicherheitsstrategie folgte eine veränderte Militärdoktrin der Russischen Föderation (vom Februar 2010). Seit dem Jahreswechsel 2014/15 wurden auch diese Militärdoktrin und ab Ende Dezember 2015 die nationale Sicherheitsstrategie durch Folgedokumente ersetzt.
Nach öffentlichen Debatten und Beratungen in den politischen Gremien wurde die Strategie der nationalen Sicherheit der Russischen Föderation (2015)[35] in Kraft gesetzt. Verglichen mit dem Vorgängerdokument von 2009 ist die Strategie-2015 zwar analog gegliedert, wurde jedoch inhaltlich erweitert und schlüssiger geordnet. Sie definiert die langfristigen nationalen Interessen und strategischen Prioritäten hinsichtlich der Außen-, Sicherheits- und Innenpolitik. Das Dokument lässt erkennen, dass das aktuelle strategische Denken der herrschenden politischen Elite Russlands von einem erweiterten Sicherheitsbegriff bestimmt wird. Er umfasst neun „strategische nationale Prioritäten“. Die Landesverteidigung wird zuerst genannt.[36]
Militärreform unter Serdjukow (ab 2008)
Die Serdjukow Reform (Russisch: Реформа Сердюкова), benannt nach dem seinerzeitigen Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow, stellt eine größere strukturelle Reorganisation der russischen Streitkräfte dar und wurde ab 2009 umgesetzt.[37]
Ziele waren die Reorganisation von Struktur und Befehlskette sowie die Verkleinerung der Streitkräfte.
- Kernelemente
- Reduzierung der Gesamt-Mannschaftsstärke auf 1 Million bis 2012
- Reduzierung der Zahl der Offiziere
- Zentralisierung der Offiziers-Ausbildung von 65 auf 10 'systemische' Trainingszentren
- Schrumpfung des Zentralkommandos
- Einführung zusätzlicher ziviler Stellen für Logistik und Unterstützung
- Reorganisation der Reserve-Verbände sowie des Brigade-Systems
- Umstellung der Luftwaffe auf eine Basis-Struktur anstatt der bisherigen Regimenter
In diese Zeit fielen erhebliche Strukturreformen, die vor allem die undurchsichtigen und oft widersprüchlichen, vielschichtigen Kommandostrukturen bereinigen sollten. Diese organisatorische Schwachstelle war bereits seit Jahren bekannt und Anatoli Eduardowitsch Serdjukow hatte kurz nach seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister Reformvorschläge vorgelegt. Den nötigen Schwung und eine ausreichende Finanzierung erhielt die Reform nach den schwachen Leistungen der russischen Streitkräfte im Kaukasuskrieg 2008. Das Reformprogramm, das Serdjukow am 14. Oktober 2008 vorstellte, umfasste eine Verkürzung der Wehrpflicht von 24 auf 12 Monate in zwei Schritten, Verbesserungen der Lebensbedingungen in den Kasernen und eine verstärkte Rekrutierung von Berufs- und Zeitsoldaten.
Ziel war es, kleinere, dafür aber professionellere Streitkräfte mit schneller Einsatzbereitschaft zu entwickeln. Die Kommandostrukturen wurden insofern verschlankt, dass die Befehlshaber der Militärbezirke die Befehlsgewalt über alle Truppen in ihrem geografischen Zuständigkeitsbereich erhielten, ausgenommen waren dabei Luftlandetruppen und die Strategische Raketentruppe. Zudem sollte das Heer bis 2015 von einer Divisions- auf eine Brigadestruktur umgestellt werden, was aber nie in Gänze stattfand.
Auch bei den Luftstreitkräften sollten die Kommandostrukturen verschlankt werden. Dabei sollte die „Luftwaffenbasis“ zur grundlegenden Organisationseinheit werden. Allerdings wurden die Strukturen in den folgenden Jahren immer wieder überarbeitet, die Zahl der landesweiten Basen wurde gesenkt, so dass schließlich eine Basis aus geografisch weit verstreuten Einheiten und Stützpunkten entstand, die sich nicht effizient führen ließen. Seestreitkräfte, Luftlandetruppe und die immer vergleichsweise gut ausgestattete und finanzierte Strategische Raketentruppe waren von den Reformen Serdjukows kaum betroffen.[38]
2009 erschien das inhaltlich völlig umgestaltete nationale Sicherheitskonzept, nun betitelt als Strategie der nationalen Sicherheit der Russischen Föderation bis zum Jahr 2020.[39]
- Personalstärken
Die Schrumpfung der Personalstärken auf den verschiedenen Ebenen der militärischen Hierarchie war ein Kernelement der Reformen – von 1,13 Millionen zu Beginn auf 1 Million, überwiegend beim Offizierskorps.[40]
Dienstgrad | September 2008 | Dezember 2009 | Geplant 2012 | Differenz |
---|---|---|---|---|
General | 1.107 | 780 | 866 | −22 % |
Oberst | 15.365 | 3.114 | −80 % | |
Oberstleutnant | 19.300 | 7.500 | −61 % | |
Major | 99.550 | 30.000 | −70 % | |
Hauptmann | 90.000 | 40.000 | −56 % | |
Oberleutnant | 30.000 | 35.000 | +17 % | |
Leutnant | 20.000 | 26.000 | +30 % | |
Offiziere gesamt | 365.000 | 142.000 | −61 % | |
Modernisierungen unter Schoigu (ab 2010)
Dieser Neufassung der Sicherheitsstrategie folgte im Februar 2010 eine veränderte Militärdoktrin der Russischen Föderation.[41] Seit dem Jahreswechsel 2014/15 sind auch diese Militärdoktrin und ab Ende Dezember 2015 die nationale Sicherheitsstrategie durch Folgedokumente ersetzt.
Unter Serdjukows Nachfolger Sergei Schoigu rückte neben der in den Vorjahren verbesserten Professionalität und Gefechtsbereitschaft auch ein höheres Tempo bei der technischen Modernisierung von Waffensystemen in den Blickpunkt. Andere Elemente der vorherigen Reform wurden aufgegeben. So gaben die Luftstreitkräfte von 2013 an das Basenkonzept auf und formierten sich wieder als Luft- und Luftverteidigungsarmeen und -divisionen. 2015 legte man die Luftstreitkräfte und die Weltraumstreitkräfte zusammen.[42] Dem britischen Verteidigungsministerium zufolge wurden von 2005 bis 2018 die Verteidigungsausgaben der russischen Föderation verdoppelt.[43]
Bedrohungswahrnehmungen in Russland (ab 2014)
Bedrohungen für die nationale Sicherheit werden in Putins Russland an Faktoren und Bedingungen gemessen, „die direkt oder indirekt eine Möglichkeit bieten, den nationalen Interessen Schaden zuzufügen.“[44]
Am 25. Dezember 2014 trat mit Erlass Nr. 805 eine veränderte Militärdoktrin der Russischen Föderation (Präzisierte Redaktion 12/2014)[45] in Kraft, die Putins Bedrohungsverständnis widerspiegelt.
Auf den Widerstand der ukrainischen Bevölkerung gegen den offen von Russland unterstützten Präsidenten Wiktor Janukowytsch und dessen Sturz im Februar 2014, reagierte Putin mit der Annexion der Krim sowie der Besetzung der Ostukraine. Hatten russische Militärplaner zuvor kurze, räumlich begrenzte Kriege im postsowjetischen Raum als wahrscheinlichstes Szenario angesehen, rückte mit den von ihm selbst ausgelösten Kämpfen in der Ukraine, für Putin die Nato als potenzieller Kriegsgegner erneut in den Blickpunkt und er entschied sich für eine Verschiebung der strategischen Planung. Das beinhaltete eine Wiedereingliederung von zuvor in die Zivilwirtschaft ausgelagerten Aufgaben in die Truppe, beispielsweise die Instandsetzung von Material. Auch wurde von 2013 an die fünf Jahre zuvor angelaufene Umstellung auf eine Brigadestruktur der Landstreitkräfte abgebrochen. Seitdem sind wieder verstärkt Divisionen in den Dienst gestellt worden, auch wenn weiterhin Brigaden existieren. Von 2015 an bot zudem der Syrienkrieg eine Gelegenheit, Waffensysteme zu erproben und vor allem das fliegende Personal der Luftwaffe im Realeinsatz zu schulen.[46]
Die Strategie-2015[47] benennt ausführlich die langfristigen nationalen Interessen und strategischen nationalen Prioritäten für die russische Außen-, Sicherheits- wie auch Innenpolitik zum Schutz vor inneren und äußeren Bedrohungen. Im Westen verstand man, dass Putin angesichts des Umsturzes in Kiew nicht als Verlierer in die Geschichte eingehen wollte und sich unter Bruch des Völkerrechts (Charta von Paris)[48] für eine Demonstration der militärischen Stärke seiner Streitkräfte entschieden hatte.[49][50]
Die Militärdoktrin (12/2014) wie auch die Strategie (2015) unterscheiden zwischen militärischen Gefahren und Bedrohungen. Sie benennen keine Staaten an sich als Feind oder Bedrohung Russlands. Jedoch werden aus dem Handeln nichtstaatlicher und staatlicher Akteure neue Bedrohungen für die nationale Sicherheit abgeleitet.[51]
Eingeschätzt wird darin, dass die USA und deren Bündnispartner die globale Dominanz anstrebten und mittels politischen, ökonomischen, militärischen und informationellen Drucks eine Politik der Eindämmung Russlands betrieben. Das fände seinen Ausdruck in der Zuweisung globaler Funktionen an die NATO, in dem Anwachsen des Kräftepotenzials und in einer befürchteten Ausdehnung der Allianz sowie in der Annäherung ihrer militärischen Infrastruktur an die russischen Grenzen. Die Stationierung von Komponenten der Raketenabwehr der USA in Europa, im Nahen Osten und in der asiatisch-pazifischen Region minderten aus russischer Sicht wesentlich die Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung der globalen und regionalen Stabilität.[52]
Der russischen Militärdoktrin (12/2014) und dem von beiden Vertragspartnern betriebenen und unterschiedlich verstärkten Zerbrechen der Rüstungskontrollarchitektur folgte – international wie auch in russischen Medien und Zentren der strategischen Forschung – eine heftige Debatte von Experten und Politikwissenschaftlern über Veränderungen in der globalen und regionalen sicherheitspolitischen Stabilität.[53]
Zum Beginn der 2020er Jahre äußerten sowohl der russische Präsident Putin als auch der amerikanische Präsident ihre ernste Besorgnis über die Auszehrung des Rüstungskontrollsystems.[54] Der Vertrag über die Abschaffung von Mittel- und Kurzstreckenraketen INF-Vertrag fiel dem begründeten gegenseitigen Misstrauen zum Opfer. Auch die im November 2019 von den USA geäußerten Zweifel am Vertrag über den Offenen Himmel offenbarten eine zunehmende Unsicherheit. Ende Januar 2021 vereinbarten der russische Präsident und der amerikanische Präsident Joe Biden die Verlängerung des Vertrags über die Reduzierung strategischer Offensivwaffen (Strategic Arms Reduction Treaty New-START), dem letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag der beiden Staaten, um fünf weitere Jahre.[55]
Verteidigungsminister Schoigu verwies auf der Kollegiumstagung am 24. Dezember 2019 auf die von der NATO als Reaktion auf die russische Expansionspolitik begonnene Umsetzung der „Bereitschaftsinitiative 4X30“ (Nato Readiness Initiative, NRI),[56] die klar gegen Russland ausgerichtet sei.[57]
Russlands Politik zur nuklearen Abschreckung (ab 2020)
Mit Erlass № 355[58] der Präsidialverwaltung vom 2. Juni 2020 hat Präsident Putin das offizielle Dokument „Grundlagen der staatlichen Politik der Russischen Föderation auf dem Gebiet der nuklearen Abschreckung“ bestätigt. Es ergänzt die geltende Militärdoktrin der Russischen Föderation.[59][60]
Russland verfolge damit eine Politik der Minimalabschreckung, die auf ausgewählte qualitative Bereiche fokussiert sei und vor allem auf den Erhalt der nuklearen Zweitschlagfähigkeit abziele. Russland lehne einen frühen Einsatz von Kernwaffen ab und sei entschlossen, einen Kernwaffenkrieg zu verhindern und alle potenziellen Gegner davor abzuschrecken. Russland hält die Begrenzung eines Nuklearkriegs – zumal auf seinem eigenen Territorium – für eine sehr gefährliche Illusion und plädiert für den politischen Dialog. Mit Beginn seines Krieges gegen die Ukraine rückte Putin von der Doktrin einer Schutzrolle seines Atomarsenals ab. Er drohte offen mit dem Einsatz nuklearer Waffen mit dem Ziel, nicht nur die westlichen Regierungen davor abzuschrecken, die Ukraine noch substantieller zu unterstützen, sondern auch die Öffentlichkeit des Westens einzuschüchtern.[61] Putin drohte denjenigen mit „nie dagewesenen Konsequenzen“, die versucht sein könnten, Russland in diesem Krieg zu „behindern.“[62][63]
Schon vor Veröffentlichung des Grundlagendokuments 2020 warnten Experten immer wieder davor, dass mit militärtechnologischen Entwicklungen die Unterscheidbarkeit von konventionellen (nichtnuklearen) und nuklearen Waffen aufgehoben würde.[64]
Militärisch-politischer Streitkräfteauftrag
Die Russische Föderation hält laut Militärdoktrin (12/2014) den Einsatz der Streitkräfte zur Abwehr einer gegen sie und (oder) ihre Verbündeten gerichteten Aggression sowie formal zur Erhaltung anderer Strukturen der kollektiven Sicherheit für rechtmäßig. Ebenso rechtmäßig sei der Einsatz der Streitkräfte für die Gewährleistung des Schutzes ihrer Bürger, die sich außerhalb der Grenzen der RF aufhalten. Der Einsatz der Streitkräfte erfolge in Friedenszeiten auf Entschluss des Präsidenten der Russischen Föderation. Dabei soll sich der Streitkräfteeinsatz entschlossen, zielgerichtet und komplex auf der Grundlage der rechtzeitigen und ständigen Analyse der sich entwickelnden militärpolitischen und militärstrategischen Lage vollziehen.[65] Im Dezember 2023 wurde im Verteidigungsministerium mit Putin der Stand der Umsetzung des Streitkräfteauftrags und die Streitkräfteentwicklung für das Folgejahr erörtert.[66] Details zu den globalen militärisch-politischen Aktivitäten der Streitkräfte Russlands 2023/2024 ergänzte der Chef des Generalstabes beim darauffolgenden Briefing für ausländische Militärattachés am 21. Dezember 2023 in Moskau.[67]
Missionen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion (ab 1993)
Russland beteiligt sich an der Bekämpfung von Bürgerrechtsbewegungen in Tadschikistan (1993 zusammen mit kasachischen Einheiten) und in Südossetien und Abchasien (als einzige Beteiligte).
Bewaffnete Konflikte im Kaukasus
Erster Tschetschenienkrieg (1994–1996)
Die russischen Streitkräfte waren führend im Ersten Tschetschenienkrieg (1994–1996) an dem größten inneren Konflikt seit dem Russischen Bürgerkrieg (1918–1920) beteiligt. Die Streitkräfte waren für diesen Krieg nicht vorbereitet, aufgrund der schwierigen Transformationsphase zwischen dem Ende des Kalten Krieges und der Errichtung der nationalen Streitkräfte.
Die Situation der Streitkräfte um 1994 stellte sich so dar, dass 37 Divisionen aus Mitteleuropa und dem Baltikum abgezogen wurden und 57 Divisionen an Belarus und die Ukraine abgegeben wurden. Weiterhin garantierten neue Bestimmungen tausenden Studenten die Befreiung vom Wehrdienst. Eine Anzahl von Divisionen wurden zu dem Zeitpunkt in unabhängige Brigaden umorganisiert oder aufgelöst. Gemäß dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa von 1990 wurden zudem tausende Panzer, Schützenpanzer und Artilleriewaffen abgerüstet. So waren die Einheiten der Streitkräfte weit von ihrer Sollstärke entfernt. Die Lebensbedingungen waren ebenfalls sehr schwierig und die Moral sehr niedrig.
Nach eineinhalb Jahren Krieg verhandelten die russische Zentralregierung und die tschetschenischen Rebellen einen Waffenstillstand, der den Rückzug der russischen Streitkräfte vom Territorium der Tschetschenischen Republik vorsah. Verbunden mit diesem Debakel verloren die Streitkräfte erheblich an Reputation und Rückhalt in der eigenen Bevölkerung. Die Probleme lagen vor allem in der unzureichenden Personalausstattung und dem schlechten Ausbildungsstand der Wehrpflichtigen.[68] Der Krieg wirkte negativ auf die Reformbemühungen der Streitkräfte. Erstens wurden alle Anstrengungen auf den Konflikt gelenkt, zweitens zog der Krieg in Tschetschenien zusätzliche finanzielle Aufwendungen auf eine bereits unterfinanzierte Armee nach sich, womit teure Reformvorhaben nicht möglich waren, was sich auch moralisch auf die Angehörigen der Streitkräfte auswirkte.
Zweiter Tschetschenienkrieg (1999–2002)
Nach dem Dagestankrieg und den Sprengstoffanschlägen auf Wohnhäuser in Russland, bei denen 228 Zivilisten starben, erhöhte sich die Bereitschaft in der russischen Bevölkerung für einen neuen Waffengang in der abtrünnigen Republik. Nach Artillerie- und Luftschlägen auf tschetschenische Stellungen marschierte eine etwa 100.000 Mann starke russische Streitkraft im Oktober 1999 nach Tschetschenien ein. Der zweite Krieg unterschied sich erheblich vom Ersten Tschetschenienkrieg. Dieses Mal verwendeten die russischen Streitkräfte eine andere Taktik. Anstatt schlecht ausgebildete, leicht motorisierte Einheiten in den Häuserkampf zu schicken, wendeten die russischen Streitkräfte starke Artillerieschläge und Bombardements aus der Luft an, bevor die Infanterie die zerstörten Dörfer und Städte einnahmen.[69] Bis März 2000 wurden alle größeren Besiedlungen eingenommen; die Hauptstadt Grosny wurde durch brutale Bombardierungen, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung größtenteils zerstört. Die Rebellen wurden in den gebirgigen Süden zurückgetrieben, aber blieben dennoch zur Guerillakriegsführung fähig, so dass sich jahrelange Attacken auf die russischen Streitkräfte anschlossen. Im Frühjahr 2001 kamen groß angelegte russische Militäroperationen zu einem Ende. Der Krieg trat damit in eine neue Phase ein, in denen die russischen Streitkräfte sich auf das Bekämpfen von Guerillaaktivitäten konzentrierten.
Der Zweite Tschetschenienkrieg ab 1999 erhöhte die Moral innerhalb der Armee. Durch den erfolgreichen Feldzug sicherte sich Präsident Wladimir Putin die russischen Streitkräfte als verlässliches Machtinstrument und in der sich anschließenden Präsidentenwahl seine eigene Machtposition. Die Streitkräfte beklagten in der Zeit vom September 1999 bis Dezember 2002, als die groß angelegten Operationen endeten, nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums 4572 gefallene und 15.549 verletzte Soldaten.[70]
Krieg um das georgische Südossetien (2008)
Ausgangspunkt des Konflikts war der Wille Putins, eine privilegierte Interessenzone entlang der russischen Grenzen zu erhalten. Das Erwachen von Unabhängigkeitsbestrebungen innerhalb der georgischen Bevölkerung wurde von der russischen Regierung als Bedrohung eigener Interessen interpretiert.[71] In Südossetien waren deshalb russische Truppen stationiert. Die Unabhängigkeit Georgiens von der früheren Sowjetunion in 1991 war die Konsequenz brutaler Übergriffe sowjetischer Truppen auf georgische Demonstranten am 9. April 1989. Diese demonstrierten gegen jahrzehntelange Unterdrückung und Terror durch das russisch dominierte sowjetische System. Als Erbe der sowjetischen Unterdrückung war Georgien auf drei Gebiete verteilt, neben dem Kerngebiet um die Hauptstadt Tiflis waren das Abchasien und Südossetien. Der mit, nach heutigen Kriterien, ungerechtfertigtem diplomatischem Blick auf die russische Regierung verfasste Bericht der EU zum Beginn des Krieges 2008 sprach von Kampfhandlungen „im großen Maßstab“ in der Nacht vom 7. zum 8. August durch georgische Streitkräfte, was jedoch nur die Kulmination eines längeren Zeitraums von zunehmenden Spannungen, Provokationen und Zwischenfällen gewesen sei.[71] Zusätzlich seien außer den russischen Streitkräften auch russische Freischärler am 8. August vor 14:30 Uhr in dem Gebiet anwesend gewesen. Der Angriff Georgiens auf Südossetien und dort stationierte russische Truppen wurde als Verstoß gegen internationales Recht[72] eingestuft. Auch der Einmarsch russischer Truppen in das georgische Kerngebiet verstieß gegen das Völkerrecht und wurde als sehr unverhältnismäßig bezeichnet.[73] Der Konflikt wurde darüber hinaus durch die Besetzung Ober-Abchasiens durch russische und abchasische Truppen weiter aufgeheizt.[74]
Der militärische Erfolg der russischen Streitkräfte war auf die große zahlenmäßige Überlegenheit von mindestens 3:1 zurückzuführen. Das Vorgehen der russischen Streitkräfte entsprach der Einsatzdoktrin aus der Sowjetzeit: Ein rascher und tiefer Vorstoß mit mechanisierten Verbänden um möglichst schnell eine übermächtige Konzentration aufzubauen. Der tiefe Vorstoß erfolgte sehr rasch und ohne große Feuerunterstützung oder Flankenschutz.[75] Die angewandte Taktik der russischen Truppen und das verwendete Material brachte aber erhebliche Mängel zum Vorschein. Laut dem russischen Generalstabschef Nikolai Jegorowitsch Makarow waren zu Beginn der Feindseligkeiten nur rund 17 % der Bodentruppen, 5 der 150 Regimenter der Luftstreitkräfte und rund die Hälfte der Kriegsschiffe kampfbereit.[75]
Während des Krieges gab es eklatante Mängel im Bereich der Führung und der Verbindungen zu den eingesetzten Armeeeinheiten. So war es aus verschiedensten Gründen dem Generalstab in Moskau nicht möglich, mit den in Georgien eingesetzten Verbänden eine sichere Verbindung aufzubauen. Daher wurden die Verbände z. T. mittels Mobiltelefonen über Netze georgischer Telefongesellschaften befehligt. Weiter standen weder das Satellitennavigationssystem GLONASS, Unbemannte Luftfahrzeuge oder Präzisionswaffen zur Verfügung. Ebenso standen keine Satellitenbilder zur Verfügung, so dass die Russen einen Tu-22M3 Backfire zur Aufklärung über Georgien einsetzten, welcher von einer georgischen 9K37 Buk abgeschossen wurde. Da die russischen Kampfhubschrauber über kein aktuelles Freund-Feind-Erkennungssystem verfügten und weil ihr Bordfunksystem nicht interoperabel mit dem der Bodentruppen war, konnten keine Kampfhubschrauber zur Luftnahunterstützung eingesetzt werden. Außerdem konnten die russischen Kampfflugzeuge keine Nachteinsätze fliegen und verfügten nur über limitierte Fähigkeiten zur Elektronischen Kampfführung. Von den sechs während der Kriegshandlungen verlorenen russischen Kampfflugzeuge wurden vier von den eigenen Truppen abgeschossen. Bei knapp 75 % der eingesetzten Kampfpanzer handelte es sich um ältere Modelle wie T-62M, T-72M und T-72BM. Diese Kampfpanzer verfügten über keine moderne Reaktivpanzerung, keine Nachtsichtgeräte und waren ohne moderne Feuerkontroll- und Funksysteme ausgerüstet.[75] Die nach sowjetischer Einsatzdoktrin operierenden russischen Verbände erlitten bei Gefechten mit gut trainierten und mit modernen Waffen ausgerüsteten georgischen Verbänden z. T. schwere Verluste. So wurden bei einem Gefecht nahezu alle 30 Fahrzeuge der Kommandogruppe der 58. Armee vernichtet und dabei viele der Stabsoffiziere getötet oder verwundet.[75]
Annexion der Krim durch Russland 2014
Das russische Verteidigungsministerium nannte als Operationsbeginn zur Annexion der Krim den 20. Februar 2014. Das war während der von der autokratischen, prorussischen Regierung blutig bekämpften Demonstrationen der ukrainischen Opposition (Euromaidan) und zwei Tage vor der Absetzung des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch durch die Werchowna Rada.[76]
Am 27. Februar 2014, als angebliche „Selbstverteidiger der russischsprachigen Bevölkerung der Krim“ das Parlament besetzten, wurden zusätzliche russische Soldaten auf die Krim geflogen. Am 28. Februar bat das ukrainische Parlament angesichts unmarkierter Soldaten auf der Krim den UN-Sicherheitsrat um Hilfe, um die „Aggression der Russischen Föderation“ zu stoppen.[77]
Noch am 4. März 2014 behauptete Präsident Putin in einem TV-Interview, nicht russische Truppen, sondern „örtliche Selbstverteidigungskräfte“ hätten die Kontrolle auf der Krim übernommen.[78] Verteidigungsminister Sergei Schoigu sprach auch noch am 5. März von einer ‚Provokation‘, als ihm Bilder russischen Kriegsgerätes der „unbekannten“ Soldaten vorgehalten wurden. Auf ein Video angesprochen, auf dem sich Uniformierte als Russen bezeichnen, äußerte er „Das ist reiner Quatsch“, und auf die Frage, woher die Panzerwagen „Tiger“ und „Luchs“ kämen, entgegnete er: „Ich habe keine Ahnung“.[79][80]
Am 16. April 2014 räumte Russlands Präsident Putin in einer Fernsehfragestunde ein, dass es sich um russische Truppen gehandelt hatte.[81] Damit beging Putins Russland einen klaren Bruch des Völkerrechts (KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975, Charta von Paris 1990 und Budapester Memorandum vom 5. Dezember 1994). Erstmals seit 1945 hatte ein europäischer Staat seine Grenzen auf Kosten eines anderen europäischen Staates gewaltsam ausgedehnt.[50]
Russisch-Ukrainischer Krieg ab 2014
Neben russischen Truppenkonzentrationen und Manövern nahe der ukrainischen Grenze als Drohkulisse waren im August Angehörige regulärer russischer Truppen, trotz Einsatz von Kampfpanzern in der Ukraine getötet worden.[82][83][84][85][86] Nach dem zuvor erfolgten Eingreifen der Streitkräfte Russlands in der Schlacht um Ilowajsk fuhr am 3. September ein großer Konvoi der russischen Truppen wieder zurück über die Grenze nach Russland.[87][88] Ein erneuter Einsatz russischer Kampftruppen fand während des Kampfes um Debalzewe im Januar und Februar 2015 statt.
Den Komitees der Soldatenmütter Russlands wurde bekannt, dass Einsätze hierbei möglicherweise gegen den Willen von Soldaten durchgesetzt wurden und nicht auf freiwilliger Basis stattfanden.[89][90] Auch zwei Soldaten, welche im Mai 2015 in der Ukraine gefangen genommen worden waren, bestätigten, auf Befehl ihrer Einheit dort gewesen zu sein.[91]
Militärtechnik wie Panzir-Systeme oder neue IAI-Searcher-Feuerleit-Drohnen wiesen auch 2015 auf die Anwesenheit der Streitkräfte Russlands hin.[92][93] Bis 2015 hatten laut RUSI 117 Einheiten der Streitkräfte Russlands mit insgesamt 42.000 Soldaten Rotationen in der Ukraine absolviert oder die Ukraine beschossen.[94] Dabei waren laut dem während der Erstellung seines Reports in Russland getöteten Boris Nemzow rund 220 russische Soldaten ums Leben gekommen. Zum Erhalt einer Entschädigung durch den Staat mussten die Familien der getöteten Soldaten eine Stillhalteklausel unterschreiben.[95]
Russischer Überfall auf die Ukraine ab 2022
Am 24. Februar begann entlang der gesamten ukrainischen Grenze aus Russland sowie aus Belarus der großangelegte Angriff auf die Ukraine. Die russische Bodenoffensive wurde von Beginn an und sich steigernd bis ins Jahr 2024 von Luft- und Raketenschlägen gegen die zivile Infrastruktur begleitet, was international als Kriegsverbrechen gewertet wird. Das bisher in der Hauptsache verfehlte Ziel dieser Bombardierungen ist die terroristische Einschüchterung der Menschen in der Ukraine. Zahlreiche brutale Übergriffe der russischen Soldaten auf die zivile Bevölkerung wurden zudem dokumentiert. Der russische Angriff war offensichtlich als kurze „Spezialoperation“ geplant gewesen, deren prioritäres Kriegsziel die Einnahme Kiews innerhalb einiger Tage und der Sturz der ukrainischen Regierung war. Nach wochenlanger Umklammerung der Stadt von Norden, Westen und Osten mussten die russischen Streitkräfte das Vorhaben wegen des unerwartet heftigen Widerstands der ukrainischen Armee, begleitet von mutigen öffentlichen Stellungnahmen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Ende März aufgeben und sich zurückziehen.
Nach einer Beurteilung des britischen Verteidigungsministeriums haben neben dem tapferen Widerstand des ukrainischen Militärs strategische Fehler und Mängel innerhalb der russischen Invasionstruppen zu erheblichen Einbußen ihrer Kampfkraft geführt.[43] So habe Russland zu Kriegsbeginn mit 120 Gefechtsverbänden etwa zwei Drittel seiner gesamten Landstreitkräfte eingesetzt. Stand Mai 2022 sei ein Viertel der eingesetzten Verbände kampfunfähig, wobei Spezialkräfte wie die Luftlandetruppen die höchsten Verluste erlitten hätten. Es würde Jahre dauern, diese Verbände wieder aufzubauen.[96] Bereits Anfang Mai 2022 hatte die Militärverwaltung der russischen Streitkräfte Schwierigkeiten, neue Zeit- und Berufssoldaten zu gewinnen und bestehende Verträge zu verlängern.[97] Bis Mai 2022 hatte das russische Militär durch den Krieg 15 bis 20 Prozent seiner Panzer und schweren gepanzerten Kampffahrzeuge verloren.[98]
Beim Abzug der russischen Truppen aus allen zuvor eroberten Gebieten westlich von Charkiw offenbarten sich nach Kriegsrecht verbotene Plünderungen und ein Muster von Tötungen von Zivilisten, das auf Kriegsverbrechen hindeutet. Zu den von russischen Truppen verübten Kriegsverbrechen zählen unter anderem massenhafte systematische und als Kriegswaffe eingesetzte Vergewaltigungen von ukrainischen Frauen und Kindern, gezielte Bombardierungen von Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, Altersheimen, Wohnhäusern, Zivilschutzbunkern und Flüchtlingskonvois, massenhafte Folterung und Hinrichtung ukrainischer Zivilisten mit dem Ziel, den Durchhaltewillen der ukrainischen Bevölkerung zu brechen, Einsatz verbotener Waffen wie Streubomben, Phosphorbomben und thermobaren Waffen gegen zivile Ziele sowie Deportationen Zehntausender ukrainischer Zivilisten in den Fernen Osten Russlands.[99][100][101] Der Ort Butscha erlangte weltweite Bekanntheit durch die dort von russischen Soldaten begangenen Gräueltaten. Ein Angriff auf die ukrainischen Gebiete am Schwarzen Meer um die größte Hafenstadt der Ukraine, Odessa, war noch gegen Ende März befürchtet worden.[102]
Die Leistungen der Streitkräfte Russlands beim Krieg wurden als dilettantisch und blamabel beurteilt. Der Einsatz wurde durch gravierende Logistikfehler, Korruption und Führungschaos behindert. Erst ab dem 9. April 2022 stand der Angriff unter dem einheitlichen zentralen Kommando von Alexander Dwornikow. Vorher gab es Generäle, die ihr Vorgehen nicht abstimmten und keine gemeinsame Operationsführung hatten. In Massen schossen die Ukrainer russische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge ab. Die Rasputiza, die Schlammperiode, führte dazu, dass die Bodentruppen ihren Vormarsch ausschließlich auf den Straßen durchführten. Wegen leerer Treibstofftanks oder Ersatzteilmangel blieben viele Fahrzeuge liegen, die dadurch andere Fahrzeuge blockierten und schließlich von den Ukrainern erbeutet oder zerstört wurden.[103]
Die militärpolitischen Analysten Michael Kofman & Rob Lee kommentierten im US-amerikanischen Online-Portal ‘War on The Rocks’ die Streitkräftestruktur und Personalfragen der in der Ukraine eingesetzten Streitkräfte Russlands. Sie kommen zur Aussage, dass „in vielen der Situationen, mit denen das russländische Militär in der Ukraine konfrontiert war, … diesen Truppen insbesondere ausreichende leichte Infanteriekräfte [fehlten].“[104] Das hätte schließlich die Fähigkeit der russischen Landstreitkräfte bei der Anpassung an Kampfhandlungen und bei deren Fortsetzung eingeschränkt.
Nach einem Bericht vom britischen Verteidigungsministerium am 20. Juni wurde vom konsequenten Versagen der russischen Luftwaffe berichtet, was erheblich zum begrenzten Erfolg Russlands in der Ukraine beigetragen habe. Die russische Luftwaffe agiere unterdurchschnittlich und sei weitgehend risikoscheu gewesen. Sie habe versäumt die Luftüberlegenheit herzustellen und so den russischen Streitkräften einen entscheidenden Vorteil in der Ukraine zu verschaffen. Der Bericht unterstellte außerdem, dass die Ausbildungsverfahren für das Personal so gestaltet und konzipiert sind, dass sie hochrangige Beamte beeindrucke, aber nicht angemessen auf die Herausforderungen des aktiven Luftkampfes vorbereite.[105] Das Institute for the Study of War veröffentlichte am 20. Juni eine Lagekarte zum Gefechtsverlauf in der Ukraine.[105]
Nach Angaben russischer Kriegsgefangener sind mehrere verletzte russische Soldaten von eigenen Vorgesetzten erschossen worden.[106] Andererseits ist ein russischer Kommandeur laut einem Bericht im Zuge eines Putsches von Soldaten schwer verletzt worden und in der Folge seinen Verletzungen erlegen.
Der Geheimdienst des ukrainischen Verteidigungsministeriums (HUR) meldete, dass es zwischen Einheiten der russischen Streitkräfte zu Schusswechseln mit Beteiligung von mehr als 100 Soldaten kam. Dem HUR zufolge habe es sich dabei zum einen um Verteilungskämpfe um geplünderte Kriegsbeute zwischen Kadyrowzy und burjatischen Soldaten gehandelt. Ein weiterer Grund für die Schusswechsel zwischen den zwei ethnisch verschiedenen Einheiten sei eine empfundene Ungleichbehandlung gewesen. So seien Kadyrowzy im Gegensatz zu burjatischen Soldaten nicht an der Front eingesetzt worden und außerdem dafür verantwortlich, die Frontsoldaten (notfalls mit Waffengewalt) von einem Rückzug bzw. von einer Frontflucht abzuhalten.[107][108][109]
Das zweite Kriegsziel war die Erweiterung der Vasallenstaaten im Osten der Ukraine; vor Donezk konnten die ukrainischen Truppen ihre Stellungen den ganzen März hindurch halten, ebenso die nahe der russischen Grenze liegende Großstadt Charkiw, welche in der um sie geführten Schlacht um Charkiw erheblich beschädigt wurde. Die zwischen Donezk/Luhansk und Charkiw an der russischen Grenze liegenden Gebiete wurden hingegen von Russland besetzt. Im Süden der Ukraine, wo die ukrainischen Streitkräfte seit 2014 die Einnahme einer Landbrücke von Russland zur Krim verhindert hatten, wurde die Stadt Mariupol nach langer Bombardierung von Russland besetzt. In Cherson errichteten russischen Streitkräfte eine Blockade um die Stadt, während die Russische Nationalgarde die Stadt besetzen konnte.[110]
Die russische Armee setzt bevorzugt und überproportional Soldaten aus den nichtrussischen Ethnien der Russischen Föderation ein. Deshalb sind die Verluste unter den nichtrussischen Soldaten (aus Nordossetien, Dagestan, Burjatien, aus der Jüdischen Autonomen Oblast und aus anderen Föderationssubjekten mit einem hohen nichtrussischen Bevölkerungsanteil) besonders hoch.[111]
Aufgrund der personellen Einschränkungen der Armee wurden für den Krieg nicht nur Söldner oder in diesen Söldnereinheiten sogar Gefängnisinsassen rekrutiert, sondern auch mehr oder weniger erfolgreich Bataillone in Regionen der Russischen Föderation aufgestellt, wozu die Gouverneure aufgefordert worden waren – zum Beispiel begann im Juli die Bildung des „Sobyaninsky-Regiments“ in Moskau.[112] Solche Bataillone auf teilweise ethnischer Basis wurden aber auch als problematisch angesehen.[113] Am 21. September 2022 verfügte Präsident Putin die Teilmobilmachung Russlands.
Nach Ansicht des militärischen Beraters Christian Freuding von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sind die russischen Verluste an Mensch und Material enorm. Bis einschließlich Ende 2023 vermutet er 300000 getötete oder verwundete russische Soldaten und Verluste im hohen vierstelligen Bereich an Kampf- und Schützenpanzern.[114]
UN-Friedensmissionen
Mission | S | MB | P |
---|---|---|---|
MINURSO (Westsahara) | – | 18 | – |
MINUSTAH (Haiti) | – | – | 7 |
MONUC (Dem. Rep. Kongo) | – | 29 | 4 |
UNIOSIL (Sierra Leone) | – | 1 | – |
UNMEE (Äthiopien, Eritrea) | – | 3 | – |
UNMIK (Kosovo) | – | 1 | 39 |
UNMIL (Liberia) | – | 3 | 8 |
UNMIN (Nepal) | – | 8 | – |
UNMIS (Sudan) | 122 | 13 | 11 |
UNMIT (Osttimor) | – | – | 5 |
UNOCI (Elfenbeinküste) | – | 11 | – |
UNOMIG (Georgien) | – | 4 | 2 |
UNTSO (Israel, Palästina) | – | 4 | – |
P=Polizisten MB=Militärbeobachter S=Soldaten |
Russland beteiligte sich mehrfach in kleinerem Rahmen an UN-Friedensmissionen. So an der von der NATO geführten und durch UN-Mandat legitimierten Implementation Force (IFOR) und Stabilization Force (SFOR) in Bosnien-Herzegowina und an der Kosovo Force (KFOR) im Kosovo. Einen weiteren Einsatz bildete die im Dezember 2005 beendete United Nations Mission in Sierra Leone (UNAMSIL), an der sich Russland mit 113 Soldaten beteiligte.
Russische Kampfeinsätze gegen die syrische Befreiungsbewegung (2015–2017)
Am 30. September 2015 gab der Sprecher des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation bekannt, dass Russland der Bitte der Regierung von Syrien um militärische Unterstützung entsprochen habe. Die USA wurden vorab über den Angriffsbeginn informiert.[115]
Am 30. September 2015 hatte der Föderationsrat, das Oberhaus Russlands, Präsident Putin ermächtigt, eine Streitkräftegruppierung Russlands in Syrien einzusetzen.[116] Das Ziel des Militäreinsatzes war die Unterstützung der syrischen Regierungstruppen gegen die syrischen Freiheitskämpfer, ein Einsatz von Bodentruppen wurde ausgeschlossen.[117]
Kampfflugzeuge bombardierten Stellungen der syrischen Freiheitskämpfer und des Islamischen Staates im Irak und des ISIS in Syrien.[118] Nach einer Auswertung der Nachrichtenagentur Reuters lagen allerdings 80 Prozent der Ziele von russischen Luftangriffen in Nicht-IS-Gebieten.[119]
Vorausgegangen war eine Verlegung von Flugzeugen, Personal und anderer Militärtechnik aus Russland auf die Luftwaffenbasis Ḫumaymīm bei Latakia und die russische Marinebasis Tartus in Syrien.[120]
Am 10. Oktober 2015 wurden als Reaktion auf die russischen Luftangriffe die „Demokratischen Kräfte Syriens“ gegründet. Zu diesem Zusammenschluss der separaten oppositionellen Kampfgruppen der YPG/YPJ, MFS und „Armee der Revolutionäre“ wurde ein Gründungsmanifest über seine politische Position und die politischen Ziele erstellt und am selben Tag bei einer Pressekonferenz öffentlich kommuniziert.[121] Die „Demokratischen Kräfte Syriens“ waren somit eine Partei im Sinne der syrischen Verfassung von 2012.
Die Verluste von russischen Soldaten wurden im August 2016 offiziell mit 20 angegeben, die Hauptverluste trugen private Söldnerfirmen, wie die Gruppe Wagner; Russia Beyond the Headlines übersetzte einen Artikel von RBK mit: „Russia’s main losses in Syria were sustained by PMCs“ (Private Military Company).[122]
Im Dezember 2016 wurde die russische Beteiligung an der Bombardierung und Zerstörung Aleppos von der internationalen Öffentlichkeit kritisiert.[123] Da die massiven russischen Bombardements vor allem die Zivilbevölkerung trafen, handelt es sich um Kriegsverbrechen.[124][125]
Der Syrienkonflikt ermöglichte den russischen Streitkräften auf mehreren Ebenen auch die Erprobung und Verbesserung ihrer Einsatzmöglichkeiten, insbesondere für Marine und Luftwaffe. So ließ sich, auch mangels wesentlicher Gegenwehr und Bewaffnung der demokratischen Befreiungskräfte, in organisatorischer und logistischer Hinsicht eine lang anhaltende militärische Kraftprojektion über weite Entfernungen aufrechterhalten. Verschiedene Waffensysteme wurden unter Realbedingungen gegen einen schlecht ausgerüsteten Gegner und die Zivilbevölkerung erprobt. Besonderen Wert legte die russische Militärführung auf die Personalrotation von Piloten, die nach ihrem Syrieneinsatz ihre Kriegserfahrung in möglichst weiten Teilen der Luftstreitkräfte einbringen sollen. Ähnlich wurden hohe Befehlshaber aller Truppenteile rotierend in den Syrieneinsatz geschickt. Die Marine erprobte insbesondere den Einsatz von Marschflugkörpern über weite Strecken vom Kaspischen Meer bis nach Syrien.[126]
Libyen
Im Februar und März 2017 nutzten russische Spezialkräfte ägyptische Flughäfen, was mit der Unterstützung Russlands für Chalifa Haftar in Zusammenhang gebracht wurde.[127] Russland setzt sich für eine Machtbeteiligung Haftars ein.[128]
Zentralafrikanische Republik
Nach Angaben der russischen Botschaft in Bangui wurde die Anzahl der russischen Militärausbilder in Zentralafrika am 10. Mai 2021 auf 1200 Mann verstärkt, sie sollen sich dort aktiv im Verbund mit Wagner-Einheiten Kämpfe mit den dortigen Rebellen liefern.[129]