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Elliptische Modulform
Klasse von Funktionen der oberen Halbebene Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Elliptische Modulformen umfassen in der Mathematik eine bestimmte Gattung von Funktionen, die eine überaus starke Form der Symmetrie besitzen, und aufgrund ihrer sehr breiten Anwendungsmöglichkeiten wie zum Beispiel in Zahlentheorie, Topologie, Darstellungstheorie, Gruppentheorie, Geometrie, Kombinatorik, Stringtheorie, Differentialgleichungen und Knotentheorie zu den bedeutendsten Objekten innerhalb der modernen Mathematik gehören. Das Wort „elliptisch“ bedeutet in diesem Kontext, dass die betreffenden Modulformen auf Modulräumen elliptischer Kurven definiert sind. Hierbei ist „Modul“ ein altmodisches Wort für „Parameter, der für ein geometrisches Objekt steht“. In der Literatur wird jedoch dieser Zusatz häufig weggelassen, wenn aus dem Kontext ersichtlich ist, um welchen Typ Modulform es sich handelt.

Elliptische Modulformen – und ihre Verallgemeinerungen – werden als Kandidaten für eine Zusammenführung einiger Teilbereiche der Mathematik und theoretischen Physik gesehen, weshalb in der Literatur gelegentlich von „web of modularity“ (deutsch: „Netz der Modularität“) und „modular forms are everywhere“ (deutsch: „Modulformen sind überall“) gesprochen wird. Damit ist gemeint, dass sie Brücken zwischen mathematischen aber auch physikalischen Theorien bauen, die längere Zeit als verschieden angesehen wurden und teils eine völlig unterschiedliche mathematische Historie und Tradition haben. In manchen Fällen sind solche Zusammenhänge in der Vergangenheit schon gezeigt worden, in anderen Fällen, besonders im Umfeld der Zahlentheorie und Darstellungstheorie, werden sie im Rahmen des Langlands-Programms bis heute nur vermutet. Sehr kurz beschreiben lassen sich diese Zusammenhänge durch ein „gemeinsames Vorhandensein von Symmetrie“. Vereinheitlichende mathematische Theorien sind von besonderem Interesse, weil sie die verborgene „Architektur der Mathematik“ sichtbar machen und durch diese Einsichten neue Anwendungsfelder eröffnen. In etwa eröffnet sich die Möglichkeit, Probleme einer Theorie äquivalent in eine andere Theorie zu übertragen, und gegebenenfalls mit den dort vorhandenen Methoden zu lösen. Auch in der theoretischen Physik gelten Modulformen als Bestandteil innerhalb mathematischer Theorien, die tiefere Strukturen hinter dem Aufbau des Universums erklären könnten – etwa im Umfeld der Stringtheorie – ähnlich wie die Riemannsche Geometrie aus der Mathematik die Grundlage für Albert Einsteins Relativitätstheorie bildete, die sich später experimentell bestätigen ließ.
Die Theorie der elliptischen Modulformen ist enorm umfangreich und bis heute Gegenstand intensiver Forschung. Zwei der sieben Millennium-Probleme der Mathematik – die Riemannsche Vermutung und die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer – treffen Aussagen über Objekte – sog. L-Funktionen –, die unmittelbar mit elliptischen Modulformen verknüpft sind. Etwa besagt die Riemannsche Vermutung, dass sämtliche nichttriviale Nullstellen der Riemannschen Zetafunktion auf einer gemeinsamen Geraden liegen – und damit die Primzahlen ein „möglichst zufälliges“ Verteilungsmuster aufweisen. Diese Gerade ist eine Spiegelungsgerade für die Werte der Zetafunktion – und diese Symmetrie rührt von einer Modulform her, die mit der Zetafunktion assoziiert ist.
Um das Konzept einer elliptischen Modulform zu verstehen, kann es helfen, die trigonometrischen Funktionen, wie Sinus und Kosinus, als eine „Vorstufe“ zu sehen. Hier äußert sich die Symmetrie durch deren Periodizität und dem Spiegelungsverhalten an den Achsen bei gleichzeitiger Holomorphie (wenn auf komplexe Zahlen fortgesetzt). Im Falle der Modulformen kommen jedoch neben der Periodizität noch eine unendliche Anzahl weiterer Funktionalgleichungen hinzu, was ihnen erheblich mehr Struktur verleiht. Im einfachsten Falle spricht man bei einer holomorphen Funktion
- (als Funktion auf der oberen Halbebene der komplexen Zahlen)
von einer ganzen, elliptischen Modulform des Gewichts zur vollen Modulgruppe, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
- Funktionalgleichungen: für alle ganzen Zahlen mit und alle ,
- Wachstumsbedingung: existiert (mit dem Imaginärteil ).
Durch die Wahl und ergibt sich
- ,
weshalb jede Modulform eine periodische Funktion ist. Als solche kann sie, wegen ihrer Holomorphie, in eine Fourier-Reihe entwickelt werden:
- ,
wobei die Wachstumsbedingung äquivalent zu für alle ist. Die Fourier-Koeffizienten tragen oft wichtige, zahlentheoretische Informationen. Zu den einfachsten Beispielen von Modulformen gehören die Eisensteinreihen.
Etwas allgemeiner handelt es sich bei elliptischen Modulformen um auf der oberen Halbebene meromorphe Funktionen, die oberes Transformationsverhalten bezüglich ihrer Funktionswerte respektieren, und am Rand ihres Definitionsbereichs kein zu starkes Wachstum besitzen. Wichtiger Spezialfall ist der Begriff der Modulfunktion, der zum Gewicht korrespondiert und damit zusätzlich eine Form der absoluten Invarianz fordert, was eine höhere Anforderung als denen einer Modulform darstellt.
Die Entdeckungsgeschichte der Modulformen lässt bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, wo sie besonders mit Namen wie Carl Friedrich Gauß, Gotthold Eisenstein und Carl Gustav Jacobi assoziiert sind. Umfangreiche Forschungsprogramme ab dem 20. Jahrhundert haben jedoch zu sehr weitreichenden Verallgemeinerungen von „klassischen Modulformen“ geführt, und den Begriff der automorphen Formen geprägt, die in der modernen Mathematik primär als Objekte der Darstellungstheorie gesehen werden.
Neben den elliptischen Modulformen wurden viele weitere Arten von Modulformen gefunden, zum Beispiel Jacobiformen, Siegelsche Modulformen, Hilbertsche Modulformen sowie p-adische Modulformen.
Dieser Artikel geht hinsichtlich der mathematischen Details primär auf die Standardsituation der vollen Modulgruppe ein, beleuchtet die Bedeutung der elliptischen Modulformen jedoch im Kontext sämtlicher Kongruenzuntergruppen. Für die mathematischen Details dieser Verallgemeinerung wird auf den Artikel Elliptische Modulformen zu Kongruenzuntergruppen verwiesen.
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Notation
Zusammenfassung
Kontext
Es werden die folgenden üblichen Notationen verwendet:
- für die natürlichen Zahlen.
- für die ganzen Zahlen.
- für die rationalen Zahlen.
- für die reellen Zahlen.
- für die komplexen Zahlen. Es bezeichnen und den Real- bzw. Imaginärteil der komplexen Zahl .
- für die obere Halbebene.
- und bezeichnen das übliche Summenzeichen bzw. Produktzeichen.
- ist die Standardnotation in der Theorie der Modulformen für die Exponentialvariable.
- ist die spezielle lineare Gruppe vom Rang 2 über den ganzen Zahlen.
- ist die von Translationen erzeugte Untergruppe von .
- Es bedeutet , dass ein Element der Menge ist, und dass es kein Element der Menge ist. Zum Beispiel ist und .
- Es bezeichnet die natürliche Exponentialfunktion und den natürlichen Logarithmus.
- Es bezeichnet die Kreiszahl.
- Es bezeichnet die Fakultät von , und die Gammafunktion, die Fakultäten auf komplexe Zahlen erweitert.
- Es bedeutet , dass die Zahl teilt, zum Beispiel . Ist das Symbol durchgestrichen, liegt keine Teilbarkeit vor, etwa .
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Grundbegriffe und Hinführung
Zusammenfassung
Kontext
Komplexe Zahlen und die obere Halbebene


Komplexe Zahlen erweitern den Bereich der reellen Zahlen durch Hinzunehmen sog. imaginärer Zahlen. Diese sollen die Eigenschaft haben, algebraische Gleichungen zu lösen, die im Reellen nicht lösbar sind. Ein Beispiel ist die quadratische Gleichung . Sie hat keine reelle Lösung, da das Quadrat einer reellen Zahl stets nicht-negativ ist.[1] Fügt man jedoch den reellen Zahlen eine imaginäre Zahl mit der Eigenschaft hinzu, so kann die obige Gleichung gelöst werden.[2]
Während die reellen Zahlen eine Zahlengerade aufspannen, breiten die komplexen Zahlen eine Ebene aus.[3] Jede komplexe Zahl ist von der Form mit reellen Zahlen und . Geht man Schritte in „reelle Richtung“ und Schritte in „imaginäre Richtung“, so wird die komplexe Zahl mit dem Punkt in der Euklidischen Ebene identifiziert. Dabei wird als Realteil und als Imaginärteil von bezeichnet.[2]
Eine wichtige Eigenschaft komplexer Zahlen ist, dass man mit ihnen, wie im Falle der reellen Zahlen, rechnen kann. Damit ist gemeint, dass Plus, Minus, Mal und Geteilt auch für komplexe Zahlen definiert ist. Um dies umzusetzen, ist lediglich das Beherrschen der reellen Rechenregeln sowie die Regel vonnöten. Die Addition wird in Real- und Imaginärteil separat ausgeführt, also zum Beispiel , und beim Multiplizieren müssen die Klammern verrechnet werden:
Dabei entsteht der Term beim Ausmultiplizieren aus dem Produkt . Auch die Division ist möglich, etwa dadurch, den Nenner durch passendes Erweitern und die dritte binomische Formel reell zu machen:
Somit bilden auch die komplexen Zahlen eine Zahlenstruktur, in der algebraisch gerechnet werden kann. Man sagt auch, dass die Menge der komplexen Zahlen , genau wie die reellen Zahlen , einen Körper bilden.[4]
Besonders wichtig in der Theorie der Modulformen ist die obere Halbebene der komplexe Zahlen. Dabei handelt es sich um jene komplexe Zahlen, deren Imaginärteil positiv ist. Abgekürzt wird dies in der Literatur häufig mit [5] (aber auch [6] und [7] sind gängige Notationen). In Formeln schreibt man
Beispielsweise ist , aber . Die obere Halbebene ist der Definitionsbereich von Modulformen als Funktionen.
Komplexe Funktionen
Eine mathematische Funktion stellt ganz allgemein eine Beziehung zwischen zwei Mengen und über eine Abbildungsvorschrift her. Funktionen müssen die Regel erfüllen, dass jedem Element aus genau ein Element in zugeordnet wird.
Einige Beispiele reeller Funktionen lassen sich direkt auf die komplexen Zahlen übertragen. Dazu zählt etwa die quadratische Funktion .

Reelle Funktionen induzieren „Tabellendaten“ der Form , wobei die Eingabewerte den Definitionsbereich von durchlaufen. Die Analogie zu einer Tabelle entsteht dadurch, dass Daten und in Zeilen- oder Spaltenform zusammengestellt werden können. Es ist jedoch nicht möglich, alle Werte einer reellen Funktion in eine Tabelle einzutragen, da es zum Beispiel bereits nicht möglich ist, alle Werte aufzulisten. Alle nicht leeren, echten Intervalle der reellen Zahlen sind überabzählbar. Daher ist die Darstellung einer reellen Funktion anhand eines Schaubildes üblich. Dabei macht man sich zunutze, dass der Definitionsbereich ein Teil eines Zahlenstrahles ist, ebenso der Wertebereich. Ergo sammeln sich die Informationen zu Punkten in einer zweidimensionalen Ebene. Hebt man diese in der Ebene hervor, bekommt man einen Überblick über das Verhalten einer reellen Funktion.
Für komplexe Funktionen ist die Situation anders. Hier ist bereits der Eingangsbereich eine Fläche. Von daher müsste ein Schaubild nach Art reeller Funktionen vierdimensional sein, was nicht verständlich darstellbar ist.[8] Ein Weg, komplexe, insbesondere holomorphe, Funktionen darzustellen, bedient sich eines Farbschlüssels. Einer komplexen Zahl wird je nach „Himmelsrichtung“ eine Farbe zugeordnet, wobei der Ursprung, also die Null, den Orientierungspunkt bildet. Zusätzlich wird mit der Helligkeit des Farbtons die Größe im Sinne des Abstands zum Ursprung visualisiert. Dabei bedeutet „dunkel“ nahe bei Null, und „hell“ nahe bei „Unendlich“.
- Der Farbschlüssel, gezeigt durch das Schaubild der Selbstabbildung . In etwa stehen rötliche Farben für komplexe Zahlen, die annähernd positiv reell sind.
- Schaubild der komplexen Quadratfunktion . Im Zentrum ist ihr Wert Null (schwarzer Punkt), denn . Von dort aus nimmt sie links und rechts, also auf der reellen Achse, rote Werte (siehe linken Farbschlüssel) an, denn Quadrate reeller Zahlen sind nie negativ. Von der Mitte startend nach Nord oder Süd ist Türkis präsent: Die Quadrate rein imaginärer Zahlen sind negativ.
- Die komplexe Fortsetzung der Exponentialfunktion . Ihre Beträge werden mit wachsendem Realteil schnell größer (exponentielles Wachstum), das Schaubild also heller, und für fallende Realteile kleiner, das Schaubild also dunkler. Parallel zur imaginären Achse des Eingabebereichs ist sie eine periodische Funktion.
- Auch beim komplexen Sinus ist die Periodizität gut zu erkennen – dieses mal in reeller Ausrichtung, da . Seine Nullstellen an den Vielfachen der Kreiszahl sind durch die schwarzen Punkte zu erkennen.
Nicht alle komplexen Funktionen sind auf der gesamten komplexen Ebene definiert. In etwa sind Modulformen nur auf der oberen Halbebene der komplexen Zahlen erklärt. Dort nehmen sie wieder komplexe Wert an. Ist also eine Modulform, so machen die Auswertungen und Sinn, nicht aber .
Gruppen
Allgemein

Gruppen wurden in der Mathematik eingeführt, um das Rechnen mit Zahlen zu verallgemeinern. Bei einer Gruppe handelt es sich um eine Menge von Objekten, zum Beispiel die ganzen Zahlen
und eine Verknüpfung auf dieser Menge, sodass gewisse Eigenschaften erfüllt sind. Mit Verknüpfung ist gemeint, dass man aus je zwei Elementen der Menge ein neues Element derselben erzeugen kann. Abstrakt handelt es sich also um eine Abbildung
die einem Paar bestehend aus zwei Gruppenelementen ein neues Gruppenelement zuordnet. Im Falle der ganzen Zahlen ist eine solche zum Beispiel die Addition: Die Summe zweier ganzer Zahlen ist wiederum eine ganze Zahl. Also hat man:
Etwa gilt
Um wirklich von einer Gruppe mit Verknüpfung zu sprechen, muss zudem gelten:[9]
- Assoziativgesetz: Die Klammerung bei der Verknüpfung ist egal. Zum Beispiel gilt für alle . Es ist also unerheblich, welche Verknüpfung in einer Kette von solchen zuerst ausgeführt wird, solange die Reihenfolge der Elemente nicht verändert wird. Dies ist offenbar bei der Addition in den ganzen Zahlen erfüllt, etwa gilt .
- Existenz eines neutralen Elements: Es existiert ein Element , das bei Verknüpfung mit einem beliebigen anderen Element dieses unverändert lässt. Es gilt also für alle Elemente . In obigem Beispiel ist das neutrale Element die Null, denn es gilt und allgemein für jede (ganze) Zahl .
- Existenz des Inversen: Zu jedem Element gibt es ein Inverses, allgemein bezeichnet mit , sodass gilt, also unter Verknüpfung das neutrale Element herauskommt. In obigem Beispiel der ganzen Zahlen ist das Inverse zu , da stets gilt.
Es gibt unter den Gruppen auch solche, die mit Zusatzeigenschaften auffallen.
- Gilt zusätzlich zu den Gruppeneigenschaften noch das Kommutativgesetz, also für alle , so spricht man auch von einer abelschen Gruppe (zu Ehren von Niels Henrik Abel). Zum Beispiel ist eine abelsche Gruppe, da die Summe zweier Zahlen nach deren Vertauschung unverändert bleibt.
Die volle Modulgruppe

Es gibt zahlreiche Beispiele für Gruppen, etwa die Menge der rationalen Zahlen ohne die Null, in Zeichen , mit der Multiplikation als Verknüpfung (das neutrale Element ist dann die ). Für die Theorie der Modulformen wichtig ist jedoch eine ganz bestimmte Gruppe, die spezielle lineare Gruppe über den ganzen Zahlen (im Falle ) – kurz . Genannt wird diese auch einfach volle Modulgruppe.[10] Diese besteht aus -Matrizen mit ganzen Einträgen, deren Determinante gleich 1 ist. Einfach gesprochen handelt es sich dabei um Tabellen mit vier ganzen Einträgen, also zum Beispiel
Für eine allgemeine -Matrix
besagt die Bedingung Determinante = 1 aber noch zusätzlich
Obere Beispielmatrix liegt daher in , denn alle Einträge sind ganzzahlig und es gilt
Neben der komponentenweisen Addition für Matrizen, wie
unter derer jedoch nicht zur Gruppe wird, existiert noch die Matrizenmultiplikation, in allgemeinen Symbolen:
und wie üblich bedeutet das gleiche wie . Unter dieser wird wegen der Rechenregel und die Menge zu einer (nicht-abelschen) Gruppe, da jede Matrix mit Determinante 1 auch eine Inverse (über ihrem Ring, in diesem Falle ) besitzt. Das neutrale Element der vollen Modulgruppe ist die Einheitsmatrix
Gruppenoperationen


Das Konzept der Gruppenoperation (manchmal auch Gruppenwirkung) sieht vor, dass die Elemente einer Gruppe auf die Elemente einer Menge „zugreifen“, und diese „untereinander manipulieren“. Kurz gesagt wird jedes Gruppenelement zu einer 1:1-Abbildung , man hat also eine Zuweisung
und dieses Prozedere ist „verträglich“ mit der Gruppenstruktur.
Anschaulich machen lässt sich dies an einem Beispiel. Gewählt wird (die reellen Zahlen) und mit der Addition. Jede ganze Zahl induziert nun eine 1:1-Abbildung via
- .
Damit wird jede ganze Zahl zu einer Funktion . Zum Beispiel gilt
Jede dieser Abbildungen ist 1:1, kann doch sofort mit wieder umgekehrt werden.
Entscheidend ist die Verträglichkeit zwischen Verkettung und Gruppenstruktur: Ist allgemein und das neutrale Element, so soll für alle Elemente in immer gelten:[11]
Es ist also die triviale Abbildung, die jedes Element auf sich selbst schickt, und zudem egal, ob zwei Funktionen verkettet werden, oder stattdessen ihre Verknüpfung in gebildet wird, und die resultierende Funktion auf angewendet. Im Falle des Beispiels liegen diese Bedingungen auf der Hand, für ganze Zahlen und eine reelle Zahl gilt:
Zum Beispiel ist .
Im Falle der Modulformen wird die Gruppenoperation der Gruppe auf der oberen Halbebene der komplexen Zahlen benötigt. Diese ist gegeben durch sog. Möbiustransformation. Eine Matrix
wird zu einer Funktion via[6]
Dabei handelt es sich um eine linear-gebrochene Funktion. Es kann elementar – wenn auch aufwendig – nachgerechnet werden (Bruchrechnung), dass dies eine Gruppenoperation bildet. Wichtig ist dabei auch die Wohldefiniertheit, also dass die Funktionen tatsächlich abbilden. Es gilt allerdings für Matrizen aus [6]
Orbiträume und Fundamentalbereiche der vollen Modulgruppe
Orbiträume einer Gruppenwirkung entstehen dann, wenn man Elemente, die unter der Operation auseinander hervorgehen, als gleich ansieht. Wieder kann als Beispiel und dienen. In diesem Falle wären und „gleich“, da sie durch die Gruppenoperation auseinander hervorgehen:
Man schreibt in diesem Falle auch , wobei die Äquivalenzklassen sind, sog. Bahnen. Ausgeschrieben gilt
Im Alltag ließe sich das Prinzip der Äquivalenzklassen damit vergleichen, dass eine Person, die nur an der Anzahl an Wohnungen in einer Stadt interessiert ist, die Bewohner derselben Wohnung als „gleich“ ansehen würde, um die „Klassen an Menschen“ = Wohnungen zu zählen (wobei hier vereinfachend angenommen wird, jeder Mensch bewohne nur genau eine Wohnung). In diesem Sinne wären und Teil derselben Klasse bzw. „Wohnung“, da sie aus einer Translation um 1 auseinander hervorgehen, also beide in liegen („in der Wohnung leben“).
Die Kollektion der Bahnen definiert nun den Orbitraum („Menge der Wohnungen“) der Operation von auf , bezeichnet als . Zum Beispiel ist
- (Schreibweise für halboffenes Intervall von 0 (abgeschlossen) bis 1 (offen); das Symbol bedeutet, es lassen sich beide Objekte identifizieren),
denn jede reelle Zahl besitzt genau ein eindeutig bestimmtes Element , das durch die Gruppenoperation mit aus hervorgeht. In etwa ist . Geometrisch lässt sich dies dadurch deuten, dass jede reelle Zahl auf dem Zahlenstrahl durch Translation um den Wert 1 nach links oder rechts irgendwann im Intervall landet – aber dies auf eindeutige Weise.
Zu beachten ist, dass lediglich eine (nützliche) Darstellung des Orbitraums ist – und damit keineswegs eindeutig. So wäre ebenfalls eine legitime Darstellung, wenn (ebenfalls immer eindeutig existierende) Klassenvertreter im Intervall gewählt werden, aber zum Beispiel auch . In einigen Anwendungen ist es jedoch zweckmäßig, den Orbiträumen „kleine Mengen“ hinzuzufügen, um sie „mathematisch schöner“ zu machen. In etwa kann es von Vorteil sein, dass abgeschlossene Intervall als „Orbitraum“ zu betrachten, da es eine kompakte Menge in den reellen Zahlen ist. Dies ist für die Theorie der Modulformen ebenfalls wichtig: Auch hier ist es üblich, die Orbiträume geringfügig abzuändern, um sie später leichter behandeln zu können.[12]
Im Falle der oberen Halbebene und der vollen Modulgruppe können ebenfalls Orbiträume angegeben werden. Durch geringfügige Änderungen am Rand (wie oben beim Übergang von zu ) hat sich jedoch hier der Begriff des Fundamentalbereichs etabliert. Der sog. Standardfundametalbereich der Operation von auf hat die Gestalt[13]
Dabei bedeutet:
- , dass außerhalb der komplexen Einheitskreisscheibe liegt,
- , dass im Streifen zwischen Realteil und liegt.
- Der Standardfundamentalbereich in grau schattiert. Manchmal wird dies auch als Modulfigur bezeichnet.[13] Die obere Halbebene lässt sich durch Fundamentalbereiche der vollen Modulgruppe überdecken.
- Die zwei parallelen Linien an der Modulfigur treffen sich mit der „richtigen Perspektive“ im unendlich fernen Punkt. Dieser wird auch noch beachtet, wenn es um die Definition von Modulformen geht. Modulformen dürfen nicht zu schnell wachsen, wenn die Funktionswerte diesem Punkt „näher kommen“.
Automorphe Formen
„Modular forms are functions on the complex plane that are inordinately symmetric. They satisfy so many internal symmetries that their mere existence seem like accidents. But they do exist.“
„Modulformen sind Funktionen auf der komplexen Ebene, die außerordentlich symmetrisch sind.
Sie erfüllen so viele innere Symmetrien, dass ihre bloße Existenz wie ein Zufall erscheint.
Doch sie existieren tatsächlich.“

Sehr kurz und einfach gesprochen motiviert sich der Begriff der automorphen Form aus zwei Ideen:
- Man beginnt mit einer Funktion auf einem Definitionsbereich , auf dem eine Gruppe operiert, mit Werten zum Beispiel in den komplexen Zahlen. Diese Funktion soll (in einem gewissen Sinne) unter der Gruppenwirkung unverändert, also invariant, sein. Dies gibt die Möglichkeit, sie zu einer Funktion auf dem Orbitraum „einzuschränken“.
- Es soll „gute analytische Eigenschaften“ haben, je nach Kontext (und Definitionsbereich) etwa Stetigkeit, Differenzierbarkeit, Glattheit oder sogar Holomorphie.
Dem oberen Beispiel folgend kann , und gewählt werden. Da der Sinus -periodisch ist, gilt
- für alle ,
weshalb unter der Gruppenoperation von auf invariant bleibt:
Also reicht es aus, die Funktion auf dem Intervall (oder auch ) zu betrachten; wegen der Periodizität kennt man dann automatisch ihr gesamtes Abbildungsverhalten . Mathematisch ausgedrückt: induziert auf natürliche Weise eine Abbildung
- , mit
Es besitzt der Sinus aber auch „gute analytische Eigenschaften“: Er ist beliebig oft differenzierbar und kann sogar holomorph nach fortgesetzt werden.
In der Mathematik zeigt sich, dass die Kombination aus einer „Form der Invarianz“ und „guten analytischen Eigenschaften“ immer wieder zu verblüffenden Ergebnissen führt. Das obere Beispiel aufgreifend gilt etwa:
Es ist also jedes solche aus Sinus- und Kosinus-Bausteinen „auf eindeutige Weise zusammengesetzt“, mit weitreichenden Konsequenzen in Analysis, Physik und Signalverarbeitung.
Elliptische Modulformen zur vollen Modulgruppe sind automorphe Formen hinsichtlich und . Als „analytische Bedingung“ wird hierbei meist Meromorphie oder Holomorphie (= ganze Modulform) verlangt, es gibt aber zahlreiche Verallgemeinerungen, die auch schwächere Bedingungen zulassen. Fordert man nun eine Invarianz im strikten Sinne, so ist eine ganze Modulform eine holomorphe Funktion auf der oberen Halbebene, sodass
- für alle ganzen Zahlen mit ,
oder in Termen der Gruppenoperation
- für alle ,
wenn zusätzlich der Wert existiert. Konkrete Beispiele sind etwa
- aber auch
Zu beachten ist,
- dass diese Funktionalgleichungen – und unendlich viele weitere – alle gleichzeitig erfüllt sein müsssen, was dem Abbildungsverhalten von eine „starke Symmetrie“ verleiht, und
- mit der geforderten Holomorphie (die u. a. Glattheit, Differenzierbarkeit und Stetigkeit impliziert) eine ganz besonders starke und damit restriktive analytische Bedingung gestellt wird.
In diesem Fall spricht man auch von einer (ganzen) Modulfunktion.
- Die obere Halbebene, überdeckt von Fundamentalbereichen der Operation der . In etwa sendet die „Involution“ den grau gefärbten Standardfunamentalbereich auf das „gebogene Dreieck“ direkt unter ihm.[17]
- Schaubild der j-Funktion, einer Modulfunktion. Sie ist überall holomorph, aber unbeschränkt für wachsende Imaginärteile. Ihre enorme Symmetrie zeigt sich dadurch, dass sie nicht nur 1-periodisch, sondern zum Beispiel auch invariant unter der „Involutionssymmetrie“ ist. Es lässt sich die Gestalt der Fundamentalbereiche (linkes Bild) erahnen: In jedem solchen taucht jede mögliche Färbung als Einzelpunkt genau einmal auf, da die j-Funktion dort 1:1 in die komplexen Zahlen abbildet.[18] Die Farbspektren werden durch die jeweiligen „Schlieren“ vollständig abgedeckt.
- Im Vergleich (selber Ausschnitt): Auch der komplexe Sinus ist 1-periodisch, aber hat darüber hinaus nicht so viele Symmetrien.
In etwa ist die Kombination aus absoluter invarianz, Holomorphie in jedem Punkt, sowie Beschränktheit für wachsenden Imaginärteil derart restriktiv, dass gilt:
Es gibt also keine nichttrivialen ganzen Modulfunktionen. Daher zeigt sich in der Anwendung, dass entweder die Forderung absoluter Invarianz oder globaler Holomorphie in vielen Fällen zu restriktiv ist, weshalb man diese Abschwächt und damit zum Begriff der Modulform kommt.[20] Diese Abschwächung vollzieht sich durch Einführung eines weiteren Parameters, der im klassischen Fall eine ganze Zahl ist. und meistens mit bezeichnet wird. Genannt wird dieser Parameter auch das Gewicht. Im einfachsten Falle spricht man bei einer holomorphen Funktion von einer ganzen, elliptischen Modulform des Gewichts zur vollen Modulgruppe, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
- Funktionalgleichungen: für alle ganzen Zahlen mit und alle ,
- Wachstumsbedingung: existiert (mit dem Imaginärteil ).
Der Fall entspricht dann dem der ganzen Modulfunktion, da stets . Jedoch tauchen im ganzen Falle hier nur konstante Funktionen auf. Durch die Wahl und ergibt sich ferner
- ,
weshalb jede Modulform eine 1-periodische Funktion ist.
Modulformen sind keine Funktionen mehr, zumindest nicht auf , da der Faktor für im Allgemeinen nicht 1 ist und somit keine absolute Invarianz mehr vorliegt. Dennoch ist ihre Definition aus mathematischer Sicht sehr nützlich, da sich der Begriff der Funktion ausweiten lässt. Zudem ist der Quotient zweier Modulformen ( nicht konstant 0) stets eine Modulfunktion, wenn auch nicht unbedingt eine ganze. Dies erlaubt gewissermaßen eine „Rückführung“ der Theorie der Modulformen auf jene der Modulfunktionen.
Hinführung zu zentralen Konzepten hinter der Arithmetik von Modulformen
Multiplikative Zahlenfolgen


Ein Grundprinzip der Zahlentheorie ist, dass die natürlichen Zahlen sich multiplikativ aus den Primzahlen zusammensetzen. Jede Zahl lässt sich eindeutig als Produkt von Primzahlen schreiben, etwa
- mit den Primzahlen und .
Diese Zerlegung bildet das Fundament fast aller arithmetischen Überlegungen, weshalb der diesbezügliche Satz auch als Fundamentalsatz der Arithmetik bezeichnet wird.
In der Zahlentheorie untersucht man oft Folgen ganzer Zahlen, die zu jeder natürlichen Zahl einen Wert zuordnen. Ein erstes Beispiel ist die Folge der Quadratzahlen:
- usw.
Die Schwierigkeit solcher Untersuchungen hängt sehr stark von der Art der Zahlenfolge, aber auch der Fragestellung ab. Manchmal reicht es für Anwedungen, etwa aus der Komplexitätstheorie, bereits aus, abzuschätzen, wie schnell eine Folge anwächst (polynomiell, exponentiell,…?). In der reinen Mathematik ist man darüber hinaus auch an der „Struktur der Zahlen selbst“ interessiert, weshalb man mitunter nach stärkeren Resultaten sucht, etwa nach exakten Formeln, mit denen man jedes beliebige Folgeglied schnell berechnen kann, oder „Wahrscheinlichkeiten“, dass eine „zufällig gewählte“ Zahl eine bestimmte Eigenschaft erfüllt (in einem asymptotischen Sinne).
Zahlenfolgen werden häufig durch (bei mehreren Folgen usw.) ausgedrückt. Im Falle der Quadratzahlen hat man dann
- usw.
Manche dieser Folgen sind vollständig multiplikativ: Es gilt in diesem Falle für natürliche [21]
- und
Das Produkt der Werte ist also gleich dem Wert am Produkt. Etwa die Quadratzahlen erfüllen diese Eigenschaft. Sehen lässt sich dies anhand des Kommutativgesetzes:
- zum Beispiel gilt
Folgerung: Es genügt, die Quadratzahlen aller Primzahlen zu kennen,
- usw.
denn die restlichen Quadratzahlen setzen sich multiplikativ aus diesen zusammen. Etwa ist nicht in oberer Liste, aber es gilt . Hat man also ganz allgemein eine Primfaktorzerlegung
so folgt im vollständig multiplikativen Falle die Berechnungsformel
- (oder anders ausgedrückt: ist durch die Werte bereits vollständig bestimmt).[21]
In einigen Fällen ist dies jedoch zu restriktiv. Einige für die Zahlentheorie bedeutende Folgen sind nicht vollständig multiplikativ, erfüllen aber immer noch eine etwas schwächere Bedingung. Man nennt eine Folge multiplikativ, wenn für zwei teilerfremde Zahlen und stets[22]
gilt und Es gilt die Berechnungsformel
- (oder anders ausgedrückt: ist durch die Werte an Primzahlpotenzen bereits vollständig bestimmt).[23]
Ein erstes, nichttriviales Beispiel ist die Teilersummenfunktion , die alle positiven Teiler von addiert (aus Konventionsgründen steht das im Gegensatz zum „allgemeinen“ hier nicht im Index). Für ergibt sich
Für hat man
Multipliziert man, so erhält man
Nun betrachtet man das Produkt . Die positiven Teiler von sind und ihre Summe ist
Also stimmt tatsächlich . Hier zeigt sich direkt das multiplikative Prinzip. Über elementare Zahlentheorie kann man für beliebige teilerfremde [24]
beweisen; es werden nicht alle Werte „durchprobiert“ (was bei unendlich vielen Zahlen unmöglich ist), sondern es wird allgemein argumentiert. Jedoch ist nicht vollständig multiplikativ, wie das Gegenbeispiel
sofort zeigt. Beachte, dass und nicht teilerfremd sind.
Sowohl die Folge der Quadratzahlen als auch die der Teilerfunktionen (bedeutet: alle -ten Potenzen der positiven Teiler von werden addiert) spielen in der Theorie der Modulformen eine zentrale Rolle. Sie sind damit auf gewisse Weise „Nutznießer der modularen Symmetrie“.
Das Prinzip erzeugender Funktionen


Bei der Untersuchung beliebiger Zahlenfolgen stößt man schnell auf ein natürliches Hindernis: Die Unendlichkeit der natürlichen Zahlen. Es ist also schlicht nicht möglich, die tieferen Eigenschaften der Folge durch bloße „Berechnung“ oder „Auflistung aller Werte“ zu erfassen, da kein Supercomputer dazu imstande wäre – nicht mal, wenn alle Materie im sichtbaren Universum in reine Energie umgewandelt würde. Ein Hauptbestreben bei der Entwicklung der mathematischen Disziplin der Analysis war es, die Unendlichkeit „beherrschbar“ zu machen. In manchen Fällen kann schon mit elementaren Techniken, wie der vollständigen Induktion, untersucht werden (wobei die Unendlichkeit mit einem cleveren logischen Verfahren „umgangen“ wird). Bei dafür zu komplizierten Folgen kann es wiederum helfen, die zu gehörige erzeugende Funktion zu bilden. Dies ist eine „Datenreduktion“ in dem Sinne:
Mit anderen Worten: Es werden die unendlich vielen Werte in einer Funktion „kodiert“. Im Anschluss ist die Strategie, die Funktion zu analysieren, in der Hoffnung, das „Reduktionsverfahren umkehren zu können“:
Die erzeugende Funktion der Folge ist (im Regelfall[25]) gegeben durch ihre Potenzreihe:
Je nach Kontext beginnt bereits bei . Ein – auch im Kontext der Modulformen – wichtiges, nichttriviales Beispiel ist die erzeugende Funktion der Partitionsfunktion . Diese zählt, wie oft sich eine natürliche Zahl als Summe nicht aufsteigender natürlicher Zahlen schreiben lässt.[26] Etwa ist , denn
Eine einfache, geschlossene Form für – das mit schnell anwächst – zu finden, ist keine einfache Aufgabe. Allerdings ist mit elementaren Mitteln möglich, eine „geschlossene Gestalt“ der erzeugenden Funktion mittels eines unendlichen Produktes anzugeben:[27]
- (Man setzt .)
Reihe und Produkt konvergieren dabei im Falle , da hier die Summenterme für wachsende exponentiell kleiner werden, und das Wachstum der erzeugenden Funktion für (von unten) gibt Aufschluss über das Wachstum von , siehe unten.
Mit der erzeugenden Funktion überträgt sich das Unendlichkeitsproblem auf ein analytisches Konvergenzproblem; wachsen die jedoch nicht zu stark an, wird die Reihe für gewisse Werte konvergieren und dort eine analytische Funktion (für komplexe sogar holomorphe Funktion) darstellen. Dies ist eine starke Struktur und ist bei der Untersuchung von von Nutzen. Man fragt etwa nach dem Wachstum, nach Mittelwerten oder nach Beziehungen von zu anderen Funktionen. So lassen sich aus den scheinbar einfachen Definitionen tiefe Informationen über die Zahlenfolgen und letztlich über die Struktur der natürlichen Zahlen „entschlüsseln“. Beispiele für Techniken in diesem Kontext sind der Identitätssatz für Potenzreihen, Partialbruchzerlegung und Rückführung auf geometrische Reihen (wenn eine rationale Funktion ist, wie etwa im Falle der Fibonacci-Folge[28]), noch allgemeiner die Methode subtrahierter Singularitäten,[29] die Kreismethode,[30] aber auch Taubersätze.[31]
Modulformen sind – in ihrer einfachsten Form – nichts anderes als erzeugende Funktionen zu ganz bestimmten Zahlenfolgen. Dabei wird allerdings in der Literatur nicht die Variable , sondern traditionell verwendet. Hintergrund ist, dass die eigentliche Variable einer Modulform nicht ist, sondern mit[32]
Die erzeugende Reihe ist also eine Potenzreihe in , und eine komplexe Fourier-Reihe in :
- (Hinweis: Dieser Variablenwechsel ist für jede Potenzreihe möglich, nicht nur Modulformen.)
Hierbei ist die natürliche Exponentialfunktion, fortgesetzt auf die komplexen Zahlen. Es gilt mit der Eulerschen Formel mit die Berechnungsformel
Wegen dieser „Zerlegung“ in Sinus und Kosinus spricht man von Fourier-Reihe. Die Reihenterme sind ergo alle 1-periodisch in , also sogar unverändert unter , da 1 eine reelle Zahl ist, also „zu zählt“. Für Werte (also auf der oberen Halbebene!) sind die Werte außerdem „zunehmend klein“, da dann für wachsendes exponentiell gegen 0 strebt. Also hat die Reihe auf der oberen Halbebene gute Konvergenzbedingungen, etwa wenn die Zahlen nur polynomiell wachsen (was bei Modulformen im einfachsten Falle der Fall ist).
- Illustration der Eulerschen Formel. Der Zusammenhang zwischen Trigonometrie und der Exponentialfunktion hat starke Auswirkungen für die gesamte Mathematik – nicht nur die Theorie der Modulformen.
- Auf der oberen Halbebene wird die Funktion für steigende Imaginärteile (vertikale Achse) im Betrag schnell klein, wie man an der zunehmend dunklen Schattierung sieht (schwarz = 0). Entlang der (horizontalen) reellen Achse ist sie wegen der Eulerschen Formel 1-periodisch. Aus diesem Grund haben Reihen der Form hier „gute Konvergenzbedingungen“. Ist etwa subexponentiell ansteigend, gilt stets ( mit exponentieller Geschwindigkeit, und die Reihe konvergiert gegen eine 1-periodische Funktion.
- Veranschaulichung des Variablenwechsels . Die Graphik selbst zeigt allerdings nur den vereinfachten Fall ; es muss noch mit „nachskaliert“ werden.
Reihen in der Form werden auch als -Reihen bezeichnet.
Modulformen und ihre Fourier-Reihen – additive Zahlentheorie


Potenz- bzw. Fourier-Reihen sind klassische Werkzeuge in der additiven Zahlentheorie. Hintergrund ist das Potenzgesetz
- (heißt: Faktoren mal Faktoren ergibt insgesamt Faktoren .)
Ein klassisches Beispiel liefert die sog. Jacobische Thetafunktion (eine Modulform! - siehe unten in diesem Artikel)[34]
Hier tritt in der Potenzreihe zu jeder Quadratzahl ein Koeffizient auf: nämlich für und für jedes positive , da sowohl als auch denselben Exponenten ergeben.
Der eigentliche Bezug zur additiven Zahlentheorie entsteht, wenn man zum Beispiel quadriert, und beim Ausmultiplizieren der Klammern das obere Potenzgesetz ausnutzt:
Die neu entstandenen Koeffizienten lassen sich wie folgt Interpretieren: Sie zählen bei der Potenz genau, wie viele ganzzahlige Darstellungen existieren, unter Beachtung der Reihenfolge.[35] In etwa gilt
weshalb es hier 4 Möglichkeiten gibt, daher . Bezeichet werden diese auch als , also hat man
Da Produkte von Modulformen wieder Modulformen sind (siehe unten), gilt
Somit lässt sich etwa die nichttriviale Zahlenfolge mit Hilfe der Theorie der Modulformen untersuchen. Allerdings ist man wegen der Redundanzen durch Vorzeichen an der „bereinigten“ Funktion mehr interessiert, also
- (Wegen wird die Null nur „halb gewichtet“, es sind damit zum Beispiel und und die „im Wesentlichen“ eindeutigen Darstellungen von 5 bzw. 9; daher und .)
Es wird ignoriert, dass der „triviale Fall“ Null einen Bruch liefert.
Modulformen und ihre L-Reihen – multiplikative Zahlentheorie
Das, was Modulformen unter anderem so wichtig für die Zahlentheorie macht, ist, dass sie neben der additiven auch eine enge Beziehung zur multiplikativen Zahlentheorie haben. Während in der additiven Zahlentheorie „Fragen über Summen ganzer Zahlen“ nachgegangen wird, geht es bei der Multiplikativen um Produkte. Etwa sind die multiplikativen Zahlenfolgen ihr Gegenstand – ebenso wie die Primzahlen.
Als Beispiel wird wieder
herangezogen. Es lässt sich zum Beispiel direkt ablesen:
Diese Beispiele lassen vermuten, dass eine multiplikative Zahlenfolge ist. Dies ist tatsächlich der Fall; allgemein gilt für teilerfremde natürliche Zahlen
Dies zu sehen, ist nicht ganz einfach; dennoch kann es mit elementaren Methoden bewiesen werden. Betrachtet man aber nun
so fällt auf, dass auch hier eine multiplikative Zahlenfolge zugrunde liegt (es wird ignoriert). Die Koeffizienten sind hier die Indikatorfunktion der Quadratzahlen, also sie „zeigt 1“, wenn eine Quadratzahl vorliegt, und ansonsten „zeigt sie 0“. Nun ist aber das Produkt zweier teilerfremder Zahlen genau dann eine Quadratzahl, wenn beide Faktoren schon eine waren (dies sieht man an der Primfaktorzerlegung; Primzahlen müssen bei Quadraten immer in gerader Häufigkeit auftreten). Zum Beispiel:
- und es sind teilerfremd.
Zusammenfassend wurde also auf „additivem Wege“ (im Sinne von Ausmultiplizieren und Nutzen von ) über eine multiplikative Zahlenfolge gewonnen, aber das Ergebnis ist wieder multiplikativ. Dies ist aus mathematischer Sicht äußerst ungewöhnlich, und kann mit Hilfe der Theorie der Modulformen erklärt werden.
Neben den erzeugenden Funktionen in Form von Potezreihen kann man Zahlenfolgen auch andere Reihen zuordnen. Wegen des Potenzgesetzes
- (heißt: Faktoren mal Faktoren ergeben Faktoren )
ist für die multiplikative Zahlentheorie die Zuordnung

sinnvoll. Dieser Typ Reihe heißt Dirichlet-Reihe. Bedeutend ist in diesem Kontext das Euler-Produkt. Dirichlet-Reihen drücken die oben diskutierte Tatsache, dass multiplikative Funktionen durch ihre Werte an Primzahlpotenzen eindeutig bestimmt sind, analytisch aus. Ist also multiplikativ, gilt[36]
In der Tat nutzt die rechte Seite nur noch zur Berechnung – und der Beweis nutzt termweises Ausmultiplizieren der Klammern, mit anschließendem Zusammenfassen mit Hilfe der Regel , wenn .
Bei Modulformen nennt man die Dirichlet-erzeugende Funktion schlicht L-Reihe. Also hat man eine Zuordnung
Bei dieser Zuordnung wird auf der rechten Seite vorerst „ignoriert“, da die Null keine guten Eigenschaften in der multiplikativen Zahlentheorie hat – alles mal Null ist wieder Null.
Bedeutsam ist diese Zuordnung aus zwei zentralen Gründen:
- Modulformen sind „extrem symmetrisch“, aber durch die Daten vollständig bestimmt. Es ist zu erwarten, dass sich diese Symmetrie auf die L-Reihe „überträgt“, da sie sich auch durch die definiert.
- Ist die Zahlenfolge zusätzlich multiplikativ, so hat die L-Reihe ein Euler-Produkt. Im Falle eines solchen „Upgrades“ spricht man von einer L-Funktion (siehe auch Selberg-Klasse).
Hat eine Modulform also multiplikative Koeffizienten, erhält man in Kombination eine „symmetrische Funktion“ , die gleichzeitig „etwas über Primzahlen aussagt“. Dies ist der Schlüssel für die moderne Zahlentheorie.
Die Verstrickung additiver und multiplikativer Elemente der Zahlentheorie ist in der Theorie der Modulformen kein Zufall und findet ihre tiefere Erklärung in der sog. Hecke-Theorie, siehe unten.
Beispiel: Die Riemannsche Zetafunktion

Erster Prototyp eines Beispiels ist die Korrespondenz der Thetafunktion zur Riemannschen Zetafunktion
Hier erhält man (es wird ignoriert)
Alle relevanten Koeffizienten sind 0 oder 1. Bei der letzten Umformung wurde das Potenzgesetz genutzt, um die Funktionsreihe der Zetafunktion besser „sichtbar“ zu machen; es sind insbesondere genau die Quadratzahlen in der Thetareihe, die zudem den Skalar im Funktionsargument verantworten. Die Dirichlet-Reihe wird für Werte mit zu kleinem Realteil nicht konvergieren, etwa macht
- „“ (beachte: )
keinen Sinn; mit Hilfe analytischer Fortsetzung kann die Zetafunktion aber auch in alle Bereiche (außer ) holomorph ausgedehnt werden, in der die Reihe nicht mehr konvergiert. Die Theorie holomorpher Funktionen garantiert, dass eine solche Fortsetzung eindeutig bestimmt ist, also gibt es trotz nur lokaler Konvergenz der Reihe nur „die eine“ Zetafunktion.


Das klassische Euler-Produkt der Zetafunktion besagt nun[37]
- (im Konvergenzbereich der Reihe).
Wie viele andere Funktionen kann die Zetafunktion aber auch durch ein Produkt über ihre Nullstellen konstruiert werden. Vergleichbar ist dies mit dem Polynom . Es hat Nullstellen bei , aber es gilt ; ein Produkt aufgebaut aus Nullstellen. Die Aufstellung dieses Nullstellenproduktes für die analytisch kompliziertere Zetafunktion ist eine deutlich schwierigere Aufgabe als der Beweis des Euler-Produktes, da unter anderem das Problem unendlich vieler Nullstellen gelöst werden muss – dies gelang rigoros erst Ende des 19. Jahrhunderts durch Jacques Hadamard. Man erhält also eine „Identität zwischen Produkten, die dieselbe Funktion ergeben“:
Aus dieser erwächst eine Dualität[38] zwischen Primzahlen und Nullstellen, und eine Folgerung ist, dass die Lage der Nullstellen die Verteilung der Primzahlen bestimmt.[39] Nun ist die Thetafunktion jedoch eine Modulform, und durch ihre Funktionalgleichung[34]
entsteht auf Seite der Zetafunktion eine Funktionalgleichung des Typs[40]
wobei (Riemannsche Xi-Funktion) bis auf elementare Faktoren, die keine Nullstellen beitragen, genau entspricht. Übertragen auf die komplexe Ebene bedeutet dies „im Wesentlichen“ eine Spiegelung der Zetafunktion entlang der Geraden , denn es gilt
Damit sagt die Modularität der Thetafunktion etwas über Primzahlen aus: Diese können nicht beliebig gleichmäßig (im Extremfall etwa im Sinne 1, 2, 3, 4, …) verteilt sein. Dahinter steckt, dass Nullstellen mit einem kleinen Realteil die Primzahlen nur „wenig beeinflussen“, mit einem großen Realteil aber „stark beeinflussen“. Nun erzwingt die Symmetrie aber, dass zu jeder Nullstelle mit „wenig Einfluss“ eine Nullstelle mit „viel Einfluss“ korrespondiert, denn je kleiner der Realteil von , desto größer der von , und umgekehrt (siehe Bild).[41] Die bis heute unbewiesene Riemannsche Vermutung sagt den optimalen Kompromiss voraus: Alle Nullstellen von liegen auf der Geraden
womit das „optimalste Verteilungsmuster“ unter den Primzahlen gelten sollte.[42] Mit anderen Worten: Die „Intensität“ der Nullstellen verändert sich unter der Spiegelung nicht. Wäre etwa Nullstelle, so wegen der Funktionalgleichung auch , und dies ist „schlimmer“ als zum Beispiel . Zusammenfassend: Die Modularität von induziert eine „untere Barriere“ für die Gleichmäßigkeit in der Verteilung der Primzahlen[43] – und die Riemannsche Vermutung besagt, dass diese Barriere gleichzeitig die „obere“ ist.[42]
Es ist dieses Zusammenspiel aus Symmetrie („Modularität“) und Primzahlen, das die Zahlentheorie bis heute maßgeblich beeinflusst.
Die Vektorräume der Modulformen - und eine zahlentheoretische Anwendung


Um die Idee eines Vektorraums zu verstehen, reicht es, an die gewohnte Ebene zu denken. Jeder Punkt kann auch als „Pfeil“ vom Ursprung aus aufgefasst werden. Diese Pfeile kann man zusammenlegen: Setzt man die Spitze des einen an den Fuß des anderen, ergibt sich ein neuer Pfeil – das ist die Vektoraddition. Ebenso kann man Pfeile verlängern oder verkürzen, indem man sie mit einer Zahl multipliziert. Ist die Zahl negativ, zeigt der Pfeil in die entgegengesetzte Richtung.
Alle Pfeile in der Ebene zusammen, mit diesen beiden Operationen, bilden das, was Mathematiker einen Vektorraum nennen. Die Grundidee ist also: Es existiert eine Sammlung von „Richtungen mit Länge“, und man kann sie kombinieren und skalieren. Die genaue algebraische Definition ist nur eine Abstraktion dieses einfachen Bildes.
Ein besonders hilfreiches Prinzip ist das der Basis.[45] In der Ebene genügen schon zwei Pfeile, etwa (nach rechts) und (nach oben), um jeden anderen Pfeil darzustellen – und das sogar eindeutig. Will man z. B. den Pfeil , so kombiniert man drei Schritte nach rechts und zwei Schritte nach oben:
Diese beiden Basisvektoren sind so etwas wie die „Bausteine“ des gesamten Raums.
Die Anzahl der Pfeile, die man minimal benötigt, um alle anderen zu beschreiben, nennt man die Dimension. Für die Ebene sind es zwei, für den Raum drei. Das Konzept funktioniert auch in viel höheren Dimensionen, die man sich nicht mehr geometrisch vorstellen kann, die aber nach denselben Regeln aufgebaut sind. Die Dimension zählt also gewissermaßen die „Anzahl der Freiheitsgrade“ eines Vektorraums: Wie viele Punkte braucht es, um alle anderen zu erzeugen.[46]
Auch ganze Modulformen zu einem festen Gewicht bilden einen Vektorraum, da sich Funktionen ebenso wie Punkte addieren lassen. Für die Zahlentheorie von großer Bedeutung ist, dass die Vektorräume der ganzen Modulformen endlichdimensional sind. Also reichen stets endlich viele Modulformen (eines festen Gewichts) aus, um alle anderen (desselben Gewichts) durch Linearkombinationen zu erzeugen. Interessant daran ist, dass Modulformen (scheinbar) aus unendlich vielen Informationen aufgebaut sind, nämlich ihren Fourier-Koeffizienten
Dies bietet eine aus mathematischer Sicht äußerst ungewöhnliche Möglichkeit, das Problem der Unendlichkeit zu umgehen: Eine Übereinstimmung endlich vieler Koeffizienten reicht aus, damit alle anderen Koeffizienten auch übereinstimmen.
Ausgehend von der Idee, dass Räume von Modulformen endlichdimensional sind, lässt sich der Vier-Quadrate-Satz sehr elegant über einen Vergleich zweier Modulformen vom Gewicht 2 gewinnen. Entscheidend ist, dass beide Mofdulformen ganz verschieden gewonnen werden:
- Einerseits aus einer Thetafunktion (additiv, „zählt Quadrate“),
- andererseits aus der Theorie sog. „Eisensteinreihen“ (multiplikativ, Divisorensummen). Hier wird Modularität über ein Verfahren, Terme symmetrisch zu addieren, erzwungen.
Beginnt man wieder mit der Jacobi’schen Thetafunktion
so gibt ihre vierte Potenz die Informationen über die Anzahl der Darstellungen von als Summe von vier Quadraten:
Dem gegenüber steht eine Eisenstein-artige Modulform vom selben Gewicht, deren -Reihe über Teilersummen gegeben ist:
Beide Funktionen und sind holomorphe Modulformen in ein und demselben endlichdimensionalen Vektorraum, der mit bezeichnet wird. In einem endlichdimensionalen Raum genügt es, endlich viele Fourier-Koeffizienten zu vergleichen (entsprechend der Dimension), um Gleichheit zu folgern. Im Falle von ist der Raum sogar höchstens zweidimensional.[47] Da die ersten beiden (1 und 8, oben in rot markiert) Koeffizienten bereits übereinstimmen, folgt
als Modulformen-Identität. Da also zwei Werte gleich waren, müssen bereits alle gleich sein. Koeffizientenvergleich liefert damit unmittelbar die klassische Formel
- (wobei für alle per Konvention)
und damit den
Da 1 ein positiver Teiler zu jeder natürlichen Zahl ist, hat man , und es ergibt sich damit als Korollar:
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Definition elliptischer Modulformen
Zusammenfassung
Kontext
Vorbereitung
Es sei
die obere Halbebene, d. h. die Menge aller komplexen Zahlen mit positivem Imaginärteil. Es ist aus der klassischen Funktionentheorie bekannt, dass die Gruppe via Möbiustransformation auf operiert. Dabei werden, wie bei einer Gruppenoperation üblich, die Elemente als Abbildungen aufgefasst. Man setzt:
Über Möbiustransformation kann damit eine Aktion auf dem Vektorraum der auf ganz meromorphen bzw. holomorphen Funktionen auf definiert werden. Dafür wird ein fixiert. Man definiert dann den Peterssonschen Strichoperator durch
Offenbar ist dann wieder holomorph bzw. meromorph auf der oberen Halbebene. Es gilt zudem für alle die Rechenregel
womit der Peterssonsche Strichoperator eine Operation auf dem Raum der meromorphen bzw. holomorphen Funktionen auf der oberen Halbebene definiert.[48]
Jede holomorphe und zugleich 1-periodische Funktion auf der oberen Halbebene besitzt eine Fourier-Entwicklung
mit irgendwelchen komplexen Koeffizeinten , die eindeutig bestimmt sind. In diesem Kontext ist es üblich, zu definieren, und abkürzend
zu schreiben. Ist lediglich meromorph in , besitzt in jedoch keine Häufung an Polstellen, ist also holomorph auf einer Halbebene für ein , so kann auf jener eingeschränkten Halbebene wiederum eine Fourier-Reihe oberen Typs angegeben werden.[49]
Die volle Modulgruppe
Die volle Modulgruppe[10][20] oder gelegentlich einfach nur Modulgruppe ist definiert durch[50]
Es handelt sich also um die Kollektion aller -Matrizen mit ganzen Einträgen, deren Determinante gleich 1 ist. Jede Matrix in der vollen Modulgruppe hat also eine ebenfalls ganzzahlige Inverse mit Determinante 1. Offenbar ist sie eine echte Untergruppe von . Sie wird durch die Matrizen
erzeugt.[51] Diese Matrizen beschreiben geometrisch eine Spiegelung an einem Kreis (Inversion) und eine Translation.[52]
Manche Autoren bezeichnen auch die projektive spezielle lineare Gruppe als volle Modulgruppe, in der Matrizen und identifiziert werden. Sie ist der Quotient von nach ihrem Zentrum und der Einheitsmatrix .[52]
Definition
Für eine ganze Zahl heißt eine holomorphe bzw. meromorphe Funktion auf der oberen Halbebene eine ganze (d. h. holomorphe) bzw. meromorphe[53] elliptische[54] Modulform vom Gewicht zur Gruppe , wenn sie folgende Eigenschaften erfüllt:[55]
- 1. Sie ist invariant unter dem Peterssonschen Strichoperator bezüglich , also für alle . Äquivalent gelten simultan die Funktionalgleichungen
- für alle und mit
- Insbesondere gilt mit der Wahl stets .
- 2. Sie ist „holomorph bzw. meromorph im Unendlichen“. Das bedeutet, dass sie für alle mit hinreichend großem Imaginärteil in eine Fourier-Reihe von der Form
- mit einem entwickelbar ist, wobei im holomorphen Fall sogar gewählt werden kann und die betroffene Fourier-Reihe auf der gesamten oberen Halbebene konvergiert. Es ist zweckmäßig, auch im Falle von Referenz auf die Koeffizieten, die Abhängigkeit von hervorzuheben, also .
Eine Modulform von Gewicht nennt man auch Modulfunktion.[56] Modulfunktionen haben ein besonders einfaches Verhalten unter der Modulgruppe, da der Faktor entfällt:
Verschwindet eine ganze Modulform im Unendlichen (in der Spitze, englisch cusp, ), so nennt man sie Spitzenform.[57] Dies ist äquivalent zu .
Aus der Definition folgt, dass eine Modulform für ungerades identisch verschwindet.[58]
Da die Matrizen
die volle Modulgruppe erzeugen, ist Bedingung 1. äquivalent zu
- ,
womit im Grunde nur zwei Transformationsgesetze nachgeprüft werden müssen. Dieses Prozedere überträgt sich jedoch nicht auf beliebige Kongruenzuntergruppen, da diese meist deutlich größere, minimale Erzeugendensysteme haben.
Elliptische Modulformen zu Kongruenzuntergruppen
Statt für werden Modulformen auch für bestimmte Untergruppen dieser Gruppe betrachtet, insbesondere für die sogenannten Kongruenzuntergruppen der vollen Modulgruppe ( ist eine positive ganze Zahl):[59]
Die Zahl heißt die Stufe der zugeordneten Modulformen. heißt auch die Hauptkongruenzgruppe der Stufe . Jede Untergruppe von , die die Hauptkongruenzgruppe für eine Stufe als Untergruppe enthält, wird Kongruenzuntergruppe genannt.[60] Das kleinste , für das , heißt auch Stufe[60] oder Level[59] von .
Bisweilen betrachtet man auch die Kongruenzuntergruppe
die eine Mittelstellung einnimmt zwischen (modulo äquivalent zu oberer Dreiecksmatrix) und (modulo äquivalent zur Einheitsmatrix). Es gilt[59]
und
- .
Der Index der Kongruenzuntergruppen als Untergruppen von ist endlich und lässt sich explizit angeben. So ist:[61]
- ,
- .
Für eine ganze Zahl heißt eine holomorphe bzw. meromorphe Funktion auf der oberen Halbebene eine ganze (d. h. holomorphe) bzw. meromorphe Modulform vom Gewicht zur Kongruenzuntergruppe , wenn sie folgende Eigenschaften erfüllt:[62]
- 1. Sie ist invariant unter der Wirkung von im Gewicht . Das bedeutet:
- für alle und alle
- 2. Sie ist „holomorph bzw. meromorph an den Spitzen[63] “ (cusps) von . Diese Spitzen sind die Äquivalenzklassen von unter der Wirkung von . Um die Bedingung an einer Spitze zu formulieren, wählt man ein Element , das auf abbildet. Dann fordert man, dass im Unendlichen holomorph (bzw. meromorph) ist. Das bedeutet, dass eine Entwicklung der Form
- für ein existiert, wobei im holomorphen Fall gilt.
Eine Modulform vom Gewicht zur Gruppe ist damit eine Funktion, die unter allen Abbildungen aus die vorgegebene Transformationsformel erfüllt und an allen Spitzen eine Fourier-Reihenentwicklung besitzt, die dort keine wesentliche Singularität zulässt. Eine solche Form heißt eine Spitzenform (cusp form), wenn die Fourier-Entwicklungen an allen Spitzen keinen konstanten Term besitzen.
In einigen Fällen wird die obere Definition noch um Multiplikatorsysteme erweitert. Damit sind meist Charaktere gemeint, und man fordert dann
Ein besonders wichtiges Beispiel ist
bei einem Dirichlet-Charakter modulo bezüglich Die Modulformen dieser Art werden auch als bzw. für Spitzenformen, geschrieben.
Die Modulformen zu den Kongruenzuntergruppen und haben Fourierentwicklungen in ; die von für nicht unbedingt, da die Matrix () in der Transformationsmatrix nicht dazugehört (sie haben eine Fourierentwicklung in ). Es lässt sich aber immer zu einer Modulform für eine solche für zuordnen (die eine Fourierentwicklung in hat). Auch gibt es für Kongruenzuntergruppen kein so einfaches Kriterium für Spitzenformen (der konstante Fourierterm muss nicht unbedingt verschwinden wie bei der vollen Modulgruppe). Neben Modulformen mit Transformationsverhalten wie bei der vollen Modulgruppe diskutiert werden auch solche mit erweitertem Transformationsverhalten (Multiplikation mit einem Dirichlet-Charakter) betrachtet.
Modulkurven
Für eine Kongruenzuntergruppe betrachtet man den Quotienten[64]
wobei die obere Halbebene ist. Dieser Quotient trägt auf natürliche Weise die Struktur einer Riemannschen Fläche. Als topologischer Raum ist nicht kompakt: Zum Beispiel entlang der „Richtung nach oben“ () entstehen Enden, die man geometrisch als Spitzen (cusps) auffasst. Fügt man für jede -Äquivalenzklasse einer rationalen Spitze, d. h. einer Klasse in
einen Punkt hinzu, erhält man die Kompaktifizierung[65]
die wiederum eine (diesmal kompakte[66]) Riemannsche Fläche ist. In lokalen Koordinaten wird eine Spitze durch einen q-Parameter beschrieben: Wählt man eine Matrix mit (die gewählte Spitze) und sei ihre Breite, so ist
ein holomorpher Parameter in einer Umgebung der Spitze;[67] der Grenzpunkt ist genau der hinzugefügte Spitzenpunkt. In dieser Sprache entsprechen Modulfunktionen (Gewicht 0) den meromorphen Funktionen auf , und holomorphe Modulformen lassen sich über ihre -Reihen an allen Spitzen kontrollieren.
Im Spezialfall von wird auch , bzw. (für analog) geschrieben.[65]

Ein besonders wichtiges Phänomen zeigt sich bei Gewicht-2-Spitzenformen. Sei eine holomorphe Modulform vom Gewicht 2 zur Gruppe , d. h.
Es transformiert das differentielle Element invers quadratisch:
Setzt man dies in ein Integral ein und nimmt die Substitution (mit ) vor, erhält man für glatte Kurven die grundlegende Invarianz[68]
Die Faktoren heben sich genau im Gewicht 2 weg. Folglich ist die 1-Form
-invariant und definiert eine wohldefinierte holomorphe Differentialform auf dem Quotienten . Es kann ferner gezeigt werden, dass für holomorphe Modulformen, die nicht in alle Spitzen verschwinden, die Differentiale Polstellen in den entsprechenden Spitzen haben.
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Von Gittern zu elliptischen Kurven: der analytische Ursprung von Modulformen
Zusammenfassung
Kontext
Vorbereitendes Beispiel für das Konzept des Modulraums: Kreise in der Ebene


Die Idee eines Modulraumes ist, Objekte aus der Geometrie („Moduln“) als „Punkte in einem Raum“ zu interpretieren, um im Anschluss diesen Raum als Ganzes zu studieren, in der Hoffnung, Informationen über die geometrischen Objekte zu erhalten. Dieses abstrakte Konzept lässt sich an einem elementaren Beispiel verdeutlichen: dem Raum aller Kreise in der Ebene. Jeder Kreis wird durch zwei Daten bestimmt: seinen Mittelpunkt und seinen Radius , obwohl (außer im pathologischen Fall ) ein Kreis aus unendlich vielen Punkten besteht. Hintergrund ist die starke geometrische Struktur eines Kreises. Damit erhält man eine Parametrisierung
- (Mittelpunkte werden mit Radien gepaart)
Dieser Raum ist der Modulraum der Kreise: Jedes Element entspricht genau einem Kreis, und umgekehrt. Man nennt ihn einen Modulraum, weil er die Menge der Objekte (Kreise) nicht nur als lose Sammlung betrachtet, sondern sie in eine geometrische Struktur einbettet, die zusätzliche Operationen wie Abstände oder Deformationen erlaubt. Im Falle der Kreise ist der Modulraum in eine dreidimensionale Struktur eingebettet (siehe Bild).
Modulräume haben nützliche Anwendungen. Ein naheliegender nächster Schritt ist die Einführung einer Metrik auf dem Modulraum der Kreise, also einer Art „Abstandsfunktion“ zwischen zwei Kreisen. Dadurch kann man quantitativ beschreiben, „wie verschieden“ zwei Kreise sind. Ein einfaches Modell wäre, den Abstand zweier Kreise und in durch den euklidischen Abstand dieser Parameter zu definieren:
In diesem Sinn misst die Metrik die Unterschiede in den Mittelpunkten und im Radius. Je kleiner der Abstand, desto ähnlicher sind sich die beiden Kreise. Dies macht deutlich, dass der Modulraum nicht nur die Gesamtheit der Objekte beschreibt, sondern zugleich eine natürliche Geometrie trägt, in der man Variationen und Verformungen präzise fassen kann. Ein besonders wichtiges Prinzip – auch im Kontext von Modulformen – ist, dass die Beschreibung aller Kreise durch einen Modulraum, der in einem dreidimensionalen Gebilde liegt, ermöglicht, differenzierbare Funktionen
zu betrachten, da auf Räumen wie (höherdimensionale) Differentialrechnung betrieben werden kann. Ein solches ist in diesem Sinne bereits eine „Modulfunktion“ (auch wenn der Begriff nicht Kreisen vorbehalten ist!), also eine Funktion, die als Eingabe Moduln entgegennimmt, aber gleichzeitig auch schöne analytische Eigenschaften hat.
Genau dieses Prinzip überträgt die Theorie der Modulräume auf wesentlich kompliziertere Objekte, etwa elliptische Kurven oder Vektorbündel: Man fasst sie alle zusammen in einen Raum, der ihre Parameter (die „Moduln“) organisiert, und stattet diesen Raum mit geometrischen, algebraischen und analytischen Strukturen aus, um die Vielfalt und Unterschiede der Objekte systematisch zu untersuchen.
Der Modulraum elliptischer Kurven
Bei elliptischen Kurven handelt es sich um eine Ansammlung von Punkten , die gemeinsam eine kubische Gleichung erfüllen, die meist in der Form
- mit festen Zahlen
geschrieben wird.[Anm. 1] Die Zahlen und sind rational, und wegen deren Beliebigkeit[Anm. 2] gibt es eine „unendliche Familie“ elliptischer Kurven:
- und eine unbegrenzte Zahl weiterer Beispiele.

Die moderne Definition von Modulformen zur vollen Modulgruppe lässt sich elegant aus der Theorie komplexer Gitter und elliptischer Kurven herleiten. Ein (komplexes) Gitter ist eine diskrete Untergruppe der Form
- mit .
Aus Gründen der Orientierung macht es Sinn, ohne Beschränkung der Allgemeinheit fordern. Über die Weierstraß’sche -Funktion erhält man eine Einbettung in die projektive Ebene, die zeigt, dass jeder solche Torus als glatte kubische Kurve geschrieben werden kann:
Die Koeffizienten sind aus den Gitter-Summen der Weierstraß’schen Invarianten definiert,[69]
und hängen nur von der Homothetieklasse des Gitters ab. Das Diskriminantenkriterium charakterisiert die Glattheit der Kurve.[70]

Wählt man eine geordnete Basis , so ist der zugehörige Modulparameter wohldefiniert bis zur Wirkung der vollen Modulgruppe. Der Trick ist also, dass ein beliebiges Gitter durch Skalierung immer in die Form
mit einem gebracht werden kann. Nun führt ein Basiswechsel
zur Darstellung
- .
Dies kann wiederum durch Skalierung in die Form
gebracht werden. Entsprechen tut dies einem Parameterwechsel durch eine Möbius-Transformation[20]
Dadurch parametrisiert die obere Halbebene die Homothetieklassen von Gittern (und damit komplexe elliptische Kurven), modulo der Wirkung von .
Modulformen als Funktionen auf Gittern bzw. auf der Modulkurve
Aus Gitter-Sicht ist eine (holomorphe) Modulform vom Gewicht eine Funktion auf der Menge der Gitter mit den Homogenitäts- und Invarianzeigenschaften
Analytisch entspricht dies einer holomorphen Funktion mit Transformationsgesetz
Dabei ist die Variable statt bei der Betonung des Gitterkontextes üblich.[71] Die Homhomogenität rührt daher, dass die kanonische holomorphe Differentialform auf durch Skalierung um den Faktor mittransformiert; eine Gewicht--Form ist invariant, wenn man gleichzeitig diese natürliche Skalierung -fach berücksichtigt.
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Beispiele
Zusammenfassung
Kontext
Eisensteinreihen

Erste nichttriviale Beispiele für elliptische Modulformen sind die sog. Eisensteinreihen, benannt nach Gotthold Eisenstein. Bei deren Konstruktion wird die Modularität durch eine Form der symmetrischen Addition erzwungen.
Für eine ganze, gerade Zahl wird die (klassische) Eisensteinreihe vom Gewicht durch die absolut konvergente Reihe[72]
definiert. Für ungerades ist die Reihe antisymmetrisch und liefert , weshalb dieser Fall ausgelassen wird. Jedes definiert eine ganze Modulform des Gewichts zur vollen Modulgruppe. Man hat also .[73]
Es ist oft praktisch, die normierte Eisensteinreihe
zu verwenden; dann hat konstanten Term 1 in der Fourier-Entwicklung (siehe unten). Hier bezeichnet die Riemannsche Zetafunktion. Es wird jene Normierung mit , sodass der Koeffizient zu gleich 1 wird, gelegentlich ebenfalls als bezeichnet.[74]


Es gelten die Fourier-Entwicklungen[75]
und[76]
wobei die -te Bernoulli-Zahl[77] bezeichnet und die Teilerfunktion. Die beiden Formen sind äquivalent über die Relation[78]
Entscheidendes Hilfsmittel für die Herleitung der Fourier-Reihen ist die für gültige Lipschitz-Formel[78]
die mit Hilfe elementarer Methoden der Fourier-Analysis gezeigt werden kann.[79]
Mit und erhält man beispielsweise[80]
und
Thetafunktionen
Eine Thetafunktion ist zunächst eine sehr einfache Potenzreihe, die ganze Zahlen in Quadrate einsetzt und mit einer Exponentialfunktion kombiniert. Das klassische Beispiel ist die Jacobi’sche Thetafunktion
Die Koeffizienten von Potenzen dieser Reihe zählen genau, auf wie viele Arten eine Zahl als Summe von Quadraten dargestellt werden kann. So steckt etwa im Quadrat die Information darüber, wie viele Darstellungen als Summe von zwei Quadraten existieren, im vierten Potenzieren entsprechend die Summen von vier Quadraten. Auf diese Weise verbinden Thetafunktionen die Welt der Analysis mit klassischer Zahlentheorie (Darstellung von Zahlen durch Quadrate).
Eine wesentliche Eigenschaft der Thetafunktion ist ihre Transformation unter der Modulgruppe. Allgemein gilt eine Transformation unter der Kongruenzuntergruppe . Konkret sei . Dann erfüllt die Transformationsformel[81][82][83]
Hierbei gilt:
- ist das Jacobi-Symbol, das die Abhängigkeit von den Paritäten der Koeffizienten kodiert,
- ist ein gewisser 8. Einheitswurzel-Faktor, genauer für und für ,
- und ist die übliche Quadratwurzel-Funktion, deren Verzweigungslage festzulegen ist, aber in der Praxis dem Hauptzweig entspricht.
Dies bedeutet: ist keine „gewöhnliche Modulform“, sondern eine Modulform vom halb-ganzen Gewichts (Gewicht ) zur Gruppe mit einem Multiplikatorsystem. Die gesamte Theorie der Thetafunktionen gehört damit zum Rahmen der Modulformen halbganzen Gewichts.
Diese Idee lässt sich verallgemeinern. Man betrachtet nicht nur die ganzen Zahlen , sondern allgemein Gitter in einem höherdimensionalen Raum , also Mengen aller ganzzahligen Linearkombinationen einer Basis von . Zu einem solchen Gitter definiert man die Thetafunktion[84]
wobei das Quadrat der Länge des Gitterpunkts bedeutet. Anschaulich summiert man also über alle Punkte des Gitters und erhält eine Reihe, deren Exponenten gerade den Abständen zum Ursprung entsprechen.
Im besonders symmetrischen Fall der sog. unimodularen Gitter (d. h. das Gitter hat Volumen 1 und ist selbstdual) ergibt sich ein bemerkenswerter Zusammenhang: Die zugehörigen Thetafunktionen sind Modulformen zur vollen Modulgruppe . Damit können Methoden der Modulformtheorie auf die Untersuchung dieser Gitter angewandt werden – und umgekehrt tragen Eigenschaften der Gitter zur Klassifikation und Konstruktion spezieller Modulformen bei. Ein berühmtes Beispiel liefert das 24-dimensionale Leech-Gitter, dessen Thetafunktion eine gewichtige Rolle in verschiedenen Bereichen der Zahlentheorie und der Theorie der endlichen Gruppen spielt.[85]
Diskriminante

Die beiden wichtigsten klassischen Modulformen zur vollen Modulgruppe – neben den Eisensteinreihen – sind die Diskriminante und die aus ihr gebildete -Funktion. Die Diskriminante ist eine Spitzenform vom Gewicht 12 und wird durch die algebraische Relation[86]
definiert, wobei und die normierten Eisensteinreihen vom Gewicht 4 bzw. 6 sind. Alternativ lässt sich die unendliche Produktentwicklung
zeigen. Gelegentlich wird diese auch als Definition der Diskriminante herangezogen.[87] Sie besitzt die Fourier-Entwicklung mit Leitkoeffizient 1:[88]
wobei die Ramanujansche tau-Funktion bezeichnet.[89]
j-Funktion
Die -Funktion erhält man als Quotient[90]
Dies ist eine meromorphe Funktion auf der Modulkurve , invariant unter der vollen Modulgruppe und holomorph auf der oberen Halbebene. Sie ist also eine in der oberen Halbebene holomorphe Modulfunktion bis auf einen einfachen Pol in der Spitze, also ein Beispiel für eine Modulform, die nicht ganz ist.
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Forschungsgeschichte und bedeutende Anwendungen
Zusammenfassung
Kontext
„There are five fundamental operations in mathematics: addition, subtraction, multiplication, division and modular forms.“
„Es gibt fünf fundamentale Operationen in der Mathematik: Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division und Modulformen.“
Dieses Zitat wird apokryph dem Mathematiker Martin Eichler zugeschrieben. Es spielt darauf an, dass Modulformen in vielen mathematischen Disziplinen eine Rolle spielen. Aus diesem Grund wird auch vom „Web of modularity“[92] (deutsch: „Netz der Modularität“) und „Modular forms are everywhere“[93] (deutsch: „Modulformen sind überall“) gesprochen. Anwendung haben sie unter anderem in algebraischer[94] und analytischer Zahlentheorie,[95] Topologie,[92] Darstellungstheorie,[96] Gruppentheorie,[97] algebraischer bzw. arithmetischer Geometrie,[93] Kombinatorik,[98] Stringtheorie,[93] Differentialgleichungen[99] und Knotentheorie.[100] Trotz sehr zahlreicher Anwendungen stechen einige Entdeckungen und Vermutungen um den Themenkomplex der Modulformen besonders hervor.
Anfänge im 19. Jahrhundert
Modulfunktionen spielten bereits in der Mathematik des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle, zum Beispiel im Umfeld der Theorie elliptischer Funktionen. Der Ausdruck scheint auf Peter Gustav Lejeune Dirichlet zurückzugehen, wobei Modulfunktionen bei Carl Friedrich Gauß, Niels Henrik Abel und Carl Gustav Jacobi nachweislich schon eine Rolle spielten. Auch Mathematiker wie Felix Klein und Robert Fricke nutzten sie im Kontext der Riemannschen Flächen, die bei Verwendung von Kongruenzuntergruppen der vollen Modulgruppe entstehen, systematisch.[91]
Modulformen tauchten in Gestalt von Thetafunktionen in den 1820ern bei Jacobi auf. Die heutzutage als Dedekindsche Etafunktion bezeichnete Modulform halbganzen Gewichts war – bis auf den Faktor – sogar schon bei Leonhard Euler aufgetaucht im Kontext seines Pentagonalzahlensatzes:
Als einer der größten Fortschritte[101] in diesem Feld wird das Tripelprodukt angesehen, das Jacobi 1829 in seiner Arbeit Fundamenta Nova Theoriae Functionum Ellipticarum bewies:[102]
Gotthold Eisenstein untersuchte Modulformen im Kontext elliptischer Funktionen. Der Begriff „Modulform“ wurde jedoch erstmals 1890 von Fricke und Klein[103] im Rahmen einer Vorlesungsreihe verwendet, und durch Wiederverwendung von Erich Hecke im Jahr 1924[104] etabliert.[91]
Große Riemannsche Vermutung
Holomorphen Modulformen, und allgemeiner auch gewissen automorphen Formen bzw. Darstellungen, können sog. L-Funktionen zugeordnet werden. Ist die betroffene Modulform eine sog. normalisierte Hecke-Eigenform, so besitzen diese L-Funktionen ein Euler-Produkt. Gleichzeitig impliziert die modulare Symmetrie eine Spiegelung des Abbildungsverhaltens der L-Funktion an einer vertikalen Geraden, der sog. kritischen Geraden. Die Große Riemannsche Vermutung besagt, dass sämtliche nichttriviale Nullstellen dieser L-Funktionen auf dieser kritischen Geraden liegen.[105] Prototyp ist die Riemannsche Zeta-Funktion, die zur Jacobischen Theta-Funktion, einer Modulform halbganzen Gewichts, korrespondiert. Eine Konsequenz dieser Aussage wäre eine Form der „Zufälligkeit“ in der Verteilung der Primzahlen.[42] Von einem Beweis dieser Vermutung ist man, selbst im Spezialfall der klassischen Riemannschen Vermutung, noch weit entfernt.
Volle Modulgruppe
Für die volle Modulgruppe wird mit
eine normierte Hecke-Eigenform vom Gewicht (Spitzenform, also und normiert, also ) betrachtet. Die zugehörige Hecke-L-Funktion ist die Dirichlet-Reihe
Durch die Multiplikativität der Koeffizienten zerfällt sie in ein Euler-Produkt
Die Reihe besitzt eine analytische Fortsetzung auf die ganze Ebene und erfüllt eine Funktionalgleichung. Setzt man die vollständig normalisierte L-Funktion
so gilt die Symmetrie
Damit ist der kritische Streifen gegeben durch und die kritische Gerade die Mittellinie . Die nichttrivialen Nullstellen von liegen innerhalb dieses Streifens; die sogenannten trivialen Nullstellen außerhalb stammen von den Polstellen der Gammafunktion. Die Große Riemannsche Vermutung (manchmal auch GRH) für behauptet, dass alle nichttrivialen Nullstellen auf der kritischen Geraden liegen. Häufig verschiebt man die Variable zu
- ,
sodass die Funktionalgleichung eine Invarianz unter
ausdrückt und die kritische Gerade zu wird, analog zur klassischen Zetafunktion.[106]
Kongruenzuntergruppen
Im Rahmen einer Kongruenzuntergruppe sei
eine normierte neue Hecke-Eigenform (newform) vom Gewicht mit Nebentyp (primitiver[107] Dirichlet-Charakter) . Ihre Hecke-L-Funktion ist die Dirichlet-Reihe
Durch schwache Multiplikativität der Koeffizienten zerlegt sie sich in ein Euler-Produkt der Form:[108][109][110]
Die vervollständigte normalisierte L-Funktion lautet[111]
und sie setzt sich meromorph (für Spitzenformen sogar holomorph) auf ganz fort. Definiert man[112]
so gilt die Funktionalgleichung[113]
wobei die Gauß-Summe von bezeichnet. Damit liegt der kritische Streifen bei
und die kritische Gerade ist
Äquivalent setzt man und erhält eine Funktionalgleichung mit kritischer Geraden .[114]
Diese Aussage verallgemeinert den Spezialfall der vollen Modulgruppe (Level ) auf beliebiges Level und umfasst auch nichttrivialen Nebentyp . Ein Beweis ist – ebenso wie im Spezialfall der klassischen Riemannschen Vermutung – bislang nicht bekannt.
Die Große Riemannsche Vermutung ist von Bedeutung für die Zahlentheorie, etwa im Umfeld der Theorie der elliptischen Kurven. Im Jahr 2004 konnte Roger Heath-Brown zeigen, dass unter Annahme der Großen Riemannschen Vermutung (für die L-Funktionen elliptischer Kurven) der durchschnittliche analytische Rang der elliptischen Kurven höchstens 2 sein kann.[117] Zev Klagsbrun, Travis Sherman und James Weigandt konnten 2019 (Preprint 2016) zeigen, dass unter Annahme der Großen Riemannschen Vermutung der Rang der von Noam Elkies gefundenen elliptischen Kurve
von Rang mindestens 28 sogar gleich 28 ist.[118]
Theorie der Partitionen


Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nutzten Godfrey Harold Hardy und Srinivasa Ramanujan die Modularität der Dedekindschen Etafunktion, um eine asymptotische Formel für die Partitionsfunktion herzuleiten, nämlich[119]
wobei die Kreiszahl und die Eulersche Zahl bezeichnet.
Die Zahl gibt die Anzahl der Möglichkeiten an, wie man als Summe natürlicher Zahlen darstellen kann, ohne die Reihenfolge der Summanden zu unterscheiden. Beispielsweise gilt , denn
Hardy und Ramanujan entwickelten hierfür 1917 die sogenannte Kreismethode,[119] eine mittlerweile bedeutende Technik der analytischen Zahlentheorie. Im Falle der Partitionsfunktion geht die Modularität der Dedekindschen Etafunktion entschieden mit ein. Ihre asymptotische Formel war ein Durchbruch in der Theorie der Partitionen und gilt bis heute als klassisches Beispiel für die Anwendung von Modulformen in der Kombinatorik.
Im Jahr 1937 konnte Hans Rademacher die Methode verfeinern und, erneut mit Hilfe der Modularität, sogar eine exakte Formel für angeben:[119]
wobei
die sog. Bessel-Funktion erster Art ist und[120]
mit der Dedekind-Summe
- mit der Gauß-Klammer ,
und dem Kronecker-Symbol . Damit wurde die bis dahin rein asymptotische Theorie auf eine präzise geschlossene Form gebracht. Hintergrund der exakten Formel ist die Modularität der Dedekindschen Etafunktion
denn es gilt die Identität
Die rechte Seite ist also im Wesentlichen eine schwach holomorphe Modulform von Gewicht , und mit dieser Eigenschaft kann das Abbildungsverhalten von am Rand der reellen Achse sehr präzise beschrieben werden. Die Kreismethode nutzt dies für eine Approximation von , deren Fehler gegen 0 läuft.[121]
Das Konzept unendlicher Reihendarstellungen für Koeffizienten zu schwach holomorphen Modulformen negativen Gewichts wurde 1939 – zwei Jahre nach Rademachers Arbeit – von Zuckerman ausgebaut und verallgemeinert.[122]
Klassenkörpertheorie
Modulformen, besonders die j-Funktion, haben bedeutende Anwendung in der Klassenkörpertheorie.
Über Körper und Zahlkörper

In der Mathematik bezeichnet ein Körper eine Menge, innerhalb der, einfach gesprochen, mit den vier Grundrechenarten gerechnet werden kann. Dabei sollen die aus der Schulmathematik bekannten Regeln des Kommutativgesetzes (Vertauschbarkeit bei „Plus“ und „Mal“), Assoziativgesetzes (Vertauschbarkeit von Klammern bei „nur Plus“ oder „nur Mal“) und Distributivgesetzes („Ausklammern“ und „Ausmultiplizieren“) gelten. Außerdem muss stets das Element (neutrales Element der Addition) und (neutrales Element der Multiplikation) Teil eines Körpers sein. Insbesondere soll durch jede Zahl ungleich der dividiert werden können. Wichtige Beispiele sind der Körper der reellen Zahlen (Bezeichnung: ) oder der Körper der rationalen Zahlen (Bezeichnung: ).[123]
Ganz kurz gesprochen: Ein Körper enthält die Zahlen 0 und 1, und die Mengen und bilden simultan abelsche Gruppen bezüglich der Addition bzw. Multiplikation, wobei diese über das Distributivgesetz miteinander „interagieren“.
Eine wichtige Forderung ist, dass keine der erlaubten Rechenoperationen dazu führt, dass man die den Körper definierende Zahlenmenge verlässt. So ist es etwa in Körpern im Allgemeinen nicht erlaubt, Quadratwurzeln zu ziehen. Es ist ein Element von , kurz , aber ist eine irrationale Zahl, also . Ähnlich besitzt keine Quadratwurzel in den reellen Zahlen. Grundsätzlich ist das Konzept einer Quadratwurzel in einem Körper aber indirekt erklärt, da die umgekehrte Operation, nämlich die Multiplikation einer Zahl mit sich selbst, in Körpern definiert ist, wobei die Existenz eine andere Frage ist.
Eine Fragestellung aus der Algebra ist, wie Körper aussehen können, also in welchen Typen von Mengen ein „abgeschlossenes Rechnen“ möglich ist. So kann man weitere nichtrationale Zahlen zu hinzunehmen, um größere Körper zu konstruieren. Ein Beispiel ist der Körper , der aus allen Zahlen mit besteht (Quadratischer Zahlkörper). Rechnungen wie
sind Prototypen für die Abgeschlossenheit der vier Grundrechenarten in . Es ist , zusammen mit und , ein weiteres Beispiel für einen Körper mit unendlich vielen Elementen.
Ein Zahlkörper ist ein spezieller Körper, der durch Erweiterung der rationalen Zahlen entsteht. Formal bedeutet das: Jeder Zahlkörper ist eine endliche Körpererweiterung von . Anders gesagt: Man fügt zu den rationalen Zahlen neue Zahlen hinzu (wie oder ), und zwar nur so viele, dass das Resultat noch ein Körper bleibt und zudem ein endlichdimensionaler Vektorraum über ist.
Beispiele sind
- selbst,
- der quadratische Zahlkörper ,
- oder der imaginär-quadratische Zahlkörper , der alle Gaußschen Zahlen mit rationalen enthält.
Zahlkörper sind damit eine natürliche Verallgemeinerung der rationalen Zahlen. Sie spielen in der modernen Zahlentheorie eine zentrale Rolle: Viele Fragestellungen über Primzahlen oder Gleichungen lassen sich in Zahlkörpern präziser formulieren und verstehen. Speziell die imaginär-quadratischen Zahlkörper bilden den Ausgangspunkt für Kroneckers Jugendtraum, da ihre abelschen Erweiterungen über Werte der j-Funktion an Heegner-Punkten beschrieben werden können, siehe unten.
Motivation: abelsche Erweiterungen und die Exponentialfunktion

Ein Grundproblem der klassischen Zahlentheorie ist die Beschreibung von Körpererweiterungen: Welche neuen Zahlen entstehen, wenn man zu den rationalen Zahlen zusätzliche Lösungen von Gleichungen zulässt? Dieses Konzept führt zum Begriff des Zahlkörpers. Besonders wichtig sind die sogenannten abelschen Erweiterungen – das sind diejenigen Erweiterungen, deren Galoisgruppe kommutativ ist. Der berühmte Satz von Kronecker-Weber beantwortet diese Frage vollständig: Jede abelsche Erweiterung von liegt in einem sogenannten zyklotomischen Körper, also einem Körper der Form , wobei eine primitive -te Einheitswurzel ist.[124]
Der Schlüssel für die „Parametrisierung“ all dieser Körper ist die natürliche Exponentialfunktion. Setzt man , so werden durch die Werte an rationalen Stellen die Einheitswurzeln erzeugt, also die Eckpunkte des Einheitskreises, die regelmäßig verteilt sind. Diese Zahlen genügen einfachen Polynomgleichungen mit ganzzahligen Koeffizienten (es ist Nullstelle von ) und erzeugen genau jene Erweiterungen von , die in der Kronecker–Weber-Theorie beschrieben werden. Die Exponentialfunktion wirkt hier wie eine „Brücke“: Sie verwandelt rationale Vielfache des Vollwinkels in algebraische Zahlen, die die gesamte Klasse der abelschen Erweiterungen von hervorbringen.[125]
Die Motivation für weitergehende Vermutungen – wie Kroneckers Jugendtraum[126] – ist, ob sich ähnliche Beschreibungen auch für andere Zahlkörper gewinnen lassen. Für genügt die Exponentialfunktion und die daraus entstehenden Einheitswurzeln (sie „erfüllt“[126] Kroneckers Jugendtraum im Spezialfall ). Für imaginär-quadratische Zahlkörper treten dagegen elliptische Funktionen und die j-Invariante an die Stelle der Exponentialfunktion. Damit wird der Übergang von der klassischen Exponentialarithmetik hin zur komplexen Multiplikation und der Theorie der Modulformen vorbereitet.
Heegner-Punkte
Für die Klassifikation abelscher Erweiterungen imaginär-quadratischer Zahlkörper ist das Konzept des Heegner-Punktes zentral. Wechselt man nun von zu einem imaginär-quadratischen Zahlkörper , dann treten an die Stelle der Einheitswurzeln die sogenannten Heegner-Punkte: Das sind spezielle Punkte in der oberen Halbebene , die genau imaginär-quadratische Gitter (also elliptische Kurven mit komplexer Multiplikation) repräsentieren. Setzt man diese Punkte in die -Funktion ein, so erhält man algebraische Zahlen , die gerade die abelschen Erweiterungen von „parametrisieren“. So wie die rationalen Brüche über die Exponentialfunktion zu den Einheitswurzeln führen, die abelsche Erweiterungen von erzeugen (Kronecker-Weber), so führen die Heegner-Punkte über die -Funktion zu den „Einheitswurzeln der zweiten Art“, die die abelschen Erweiterungen eines imaginär-quadratischen Körpers erzeugen.
Heegner-Punkte auf der oberen Halbebene können dabei nach Bryan Birch wie folgt definiert werden.[127]
- Der Wert ist ein CM-Punkt (CM = complex multiplication), d. h., er ist Lösung einer quadratischen Gleichung der Form mit ganzen Zahlen , für die gilt.
- Haben den größten gemeinsamen Teiler 1, so definiert eine binäre quadratische Form. Gilt außerdem , so ist die Form positiv definit. Für ist dadurch dann eindeutig bestimmt und man nennt die (ganzzahlige) Diskriminante von .
- heißt nun Heegner-Punkt mit Level (mit einer natürlichen Zahl ), falls .
„Kroneckers Jugendtraum“ für imaginär-quadratische Körper und singuläre Moduln
Es gibt zahlreiche Verbindungen zwischen Heegner-Punkten und Modulformen. So nimmt die j-Invariante an Heegner-Punkten stets algebraische Werte an. Hintergrund dieser Aussage ist, dass es für jede natürliche Zahl ein (bis auf Vorzeichen symmetrisches) Polynom vom Grade gibt, wobei die klassische Teilerfunktion bezeichnet, sodass (also in die konstante Nullfunktion) für jede ganzzahlige Matrix mit Determinante ist. Der Grad wird über die Konstruktionstechnik
klarer, wobei die Menge aller ganzzahligen Matrizen mit Determinante bezeichnet, auf der von links operiert und im Quotienten genau Klassen bildet.[128] Die Gültigkeit einer solchen Identität kann über die Tatsache gezeigt werden, dass die Koeffizienten der linken Seite in holomorphe Modulfunktionen (und daher bereits Polynome in ) sind. Wegen der Fourier-Entwicklung von sind die Koeffizienten von zudem als rationale Zahlen wählbar. Jeder Heegner-Punkt wird von einer Matrix mit ganzzahliger Determinante fixiert. Damit folgt bereits und damit ist Nullstelle eines nicht-trivialen Polynoms mit rationalen Koeffizienten. Also ist algebraisch – das Argument gilt auch, falls , da die Funktionen und niemals identisch sind.[129] Diese Werte werden traditionell auch als singuläre Moduln (englisch singular moduli) bezeichnet.[130]
Klassenpolynome
Die algebraischen Eigenschaften der j-Werte an Heegner-Punkten können weiter präzisiert werden über Einführung des sog. Klassenpolynoms (class polynomial)
Dabei besteht aus allen Heegner-Punkten mit Führer 1 und Diskriminante , auf denen die Gruppe operiert. Übrig bleibt ein Polynom vom Grade . Es kann gezeigt werden, dass sogar und stets irreduzibel ist. Im Jahr 1952 konnte Kurt Heegner durch Anwendung vornehmlich Weberscher Modulfunktionen sämtliche imaginärquadratischen Zahlkörper mit Klassenzahl 1 klassifizieren, also solche, in deren Ganzheitsring eine eindeutige Primfaktorzerlegung existiert. Es gibt genau 9 solche imaginärquadratische Zahlkörper, nämlich
- und ,
womit Heegner eine Vermutung von Carl Friedrich Gauß bestätigte. Damit nimmt insbesondere an der Stelle einen ganzzahligen Wert an, nämlich , da und es daher nur eine Klasse von Heegner-Punkten zu dieser Diskriminante gibt. Daraus entsteht die mit einem Computer leicht zu zeigende Kuriositäten[131]
bzw.[132]
Weitere Werte sind:[133]
Praktische Anwendung: Berechnung vieler Dezimalstellen von Pi
Die Identität kann dazu verwendet werden, die äußerst schnell konvergierende Reihe
mit der Kreiszahl herzuleiten,[134] vergleiche auch Chudnovsky-Algorithmus. Mit diesem ist eine sehr schnelle Berechnung von möglich: Bis heute (Stand August 2025) sind mit dieser Methode 300 Billionen Stellen nach dem Komma berechnet worden.[135]
Verallgemeinerungen
Mit Hilfe einer Formel von Sarvadaman Chowla und Atle Selberg können singuläre Moduli auch auf den Fall von Modulformen mit algebraischen Koeffizienten „übertragen“ werden. Die Aussage ist, dass, falls ein imaginär-quadratischer Zahlkörper ist, eine nur von diesem Körper abhängige „Periode“ existiert, sodass für jede Modulform mit algebraischen Koeffizienten für alle gilt. Ein möglicher Wert von kann explizit berechnet werden als
wobei der Charakter bezüglich der Diskriminante des Zahlkörpers , die Klassenzahl, die Anzahl der Einheiten im Ganzheitsring [131] und die Gammafunktion bezeichnet.[136] Diese Formel wurde 1949 von Chowla und Selberg publiziert, war aber bereits 1897 von Matyáš Lerch entdeckt worden.[136][137]
Die Weil-Vermutungen
Die Weil-Vermutungen wurden von André Weil in den 1940er-Jahren formuliert und betreffen die Gestalt der Zetafunktionen algebraischer Varietäten über endlichen Körpern. Ausgangspunkt ist die Idee, die von der Riemannschen Zetafunktion bekannte Verbindung zwischen Nullstellen, Polstellen und arithmetischer Struktur auf allgemeinere geometrische Objekte zu übertragen.

Ein elementares Beispiel sind elliptische Kurven über endlichen Körpern. Ist eine elliptische Kurve über , dann betrachtet man die endliche Menge der Punkte über allen Erweiterungskörpern und formt daraus die Zetafunktion[138]
Weil[139] zeigte, dass diese Funktion stets die Gestalt[140]
hat, wobei gilt. Die Zahl enthält also die Abweichung der Punktanzahl von der „Erwartung“ . Eine zentrale Aussage der Weil-Vermutungen besagt, dass die Nullstellen des Zählpolynoms den Betrag haben. Dies entspricht einer „Riemannschen Vermutung“ im endlichen Körperfall und liefert die nichttriviale Abschätzung[141]
bekannt als Satz von Hasse für elliptische Kurven.

Weil formulierte diese Vermutungen allgemein für beliebige projektive, nichtsinguläre Varietäten über endlichen Körpern: Rationalität, Funktionalgleichung, Interpretation der Zeta-Funktion über Kohomologie, und die analoge „Riemannsche Vermutung“ für die Lage der Nullstellen. Diese Aussagen wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren schrittweise bewiesen, mit den entscheidenden Beiträgen von Alexander Grothendieck (Étalé-Kohomologie) und Pierre Deligne, der 1974 die schwierigste Komponente – die Riemannsche Vermutung für endliche Körper – vollendete.[142]
Bereits 1969 zeigte Deligne, dass die 1916 von Ramanujan vermutete obere Schranke für die tau-Funktion (später ausgeweitet auf Koeffizienten zu normierten Hecke-Eigenformen durch Petersson) aus der Richtigkeit der Weil-Vermutungen folgt.[143] Diese Schranke spielt eine zentrale Rolle in der Theorie der Modulformen. Ist eine normierte Hecke-Eigenform, so erscheinen die Koeffizienten in den Euler-Produkten der zugehörigen L-Funktion. Die Deligne-Abschätzung garantiert, dass
wobei das Gewicht der Modulform ist. Es wird geschätzt, dass der Beweis in voller Länge um die 2000 Seiten umfasst. Yuri Manin nannte dies den Rekord des Verhältnisses „Beweislänge zu Länge der Aussage“.[144]
Mock-Modulformen und schwarze Löcher

Es ist durch wegweisende Arbeiten von Jacob Bekenstein und Stephen Hawking in den 1970er Jahren bekannt, dass schwarze Löcher eine thermodynamische Entropie besitzen und daher aus einer Sammlung mikroskopischer Quantenzustände bestehen sollten (siehe auch Bekenstein-Hawking-Entropie). Im Rahmen der Superstringtheorie können gewisse Anzahlen mikroskopischer Zustände in Verbindung gebracht werden, die das quantenstatistische System eines schwarzen Lochs bilden – was ihr thermodynamisches Verhalten aus einer fundamentaleren Perspektive erklärt. Der grundlegende Zusammenhang zu Modulformen ergibt sich aus der Beobachtung, dass in der einfachsten superstring-theoretischen Konstruktion die erzeugende Funktion der Anzahl der mikroskopischen Zustände eine Modulform ist. In einer Richtung fungiert die modulare Symmetrie als mächtiger Leitfaden für die Berechnung von quantengravitativen Effekten auf die Entropie des schwarzen Lochs. In der anderen Richtung hat dieser Zusammenhang zur Entdeckung überraschender Beziehungen zwischen den „Mock-Modulformen“ – erste Beispiele wurden von Srinivasa Ramanujan bereits in der 1910ern konstruiert – und einer Klasse stringtheoretischer schwarzer Löcher geführt, was eine unendliche Anzahl neuer Beispiele für Mock-Modulformen liefert.[146]
Die Monstergruppe und „Monstrous Moonshine“
Unter Monstrous Moonshine versteht man ein überraschendes Phänomen, das 1979 von Conway und Norton entdeckt wurde: eine tiefe Verbindung zwischen der Theorie der Modulformen (insbesondere der j-Funktion) und der Darstellungstheorie der größten sporadischen einfachen Gruppe, des sog. Monsters.[147]

Die sporadischen Gruppen bilden eine kleine, „aus der Reihe fallende“ Sammlung von insgesamt 26 endlichen einfachen Gruppen, die nicht zu den unendlichen Familien der klassischen Gruppentheorie gehören. Sie wurden im 19. und 20. Jahrhundert entdeckt und gelten als besonders exotisch.
Die größte sporadische einfache Gruppe, das sogenannte Monster (Bezeichnung: ), besitzt die enorme Ordnung[148]
eine Zahl von ungefähr . Ihre Darstellungstheorie steht in einem bemerkenswerten Zusammenhang mit der Fourier-Entwicklung der j-Funktion
Bezeichnet man die Dimensionen der irreduziblen Darstellungen des Monsters mit , so lassen sich die ersten Koeffizienten der Reihe als Linearkombinationen dieser Zahlen schreiben. Konkret gilt[149]
wobei die triviale und die kleinste nichttriviale Darstellung bezeichnet. Ebenso gilt
mit Für den nächsten Koeffizienten ergibt sich
mit Schließlich gilt
mit

Die direkte Gegenüberstellung ergibt:[149]
Diese auffälligen Übereinstimmungen bilden den Ausgangspunkt des sogenannten „Monstrous Moonshine“, in dem Conway und Norton eine systematische Verbindung zwischen den Koeffizienten von Modulformen und den Darstellungsdimensionen des Monsters formulierten. Der Beweis 1992[150] durch Richard Borcherds (Fields-Medaille 1998) zeigte, dass es ein graduell aufgebauten Modul gibt, auf dem das Monster operiert, so dass die Spurformen dieser Operationen genau die Fourier-Koeffizienten von geeigneten Modulformen (den sog. McKay–Thompson-Reihen) ergeben.[151]
Elliptische Kurven, der Modularitätssatz und der Große Fermatsche Satz
Endliche Körper
Bemerkenswert ist, dass es auch Körper mit nur endlich vielen Elementen gibt. Da man in einem Körper immer wieder die Zahl addieren kann, muss es in einem endlichen Körper irgendwann passieren, dass
(bei endlich vielen Summanden). Die kleinste solche Zahl heißt die Charakteristik des Körpers und ist stets eine Primzahl.[152]
Die einfachsten Beispiele endlicher Körper entstehen, wenn man mit Restklassen ganzer Zahlen modulo einer Primzahl rechnet. So bildet die Menge
mit den gewohnten Rechenregeln für Addition und Multiplikation von Resten (z. B. ) einen Körper. Dass die Division ebenfalls funktioniert, liegt daran, dass prim ist: Jedes von verschiedene Element besitzt ein multiplikatives Inverses.
Allgemein gilt: Für jede Primzahl existiert ein endlicher Körper mit Elementen, bezeichnet als .
Einführendes Beispiel anhand des quadratische Falls
Um zu verstehen, was elliptische Kurven mit Modulformen zu tun haben, ist es hilfreich, sich zunächst das Beispiel quadratischer Gleichungen anzusehen. Fred Diamond und Jerry Shurman weisen darauf hin, dass das quadratische Reziprozitätsgesetz dazu verwendet werden kann, die Anzahlen der Lösungen modulo der Gleichung
als sog. Eigenwerte von linearen Abbildungen
zwischen einem zur Gleichung gehörigen -Vektorraum zu interpretieren. Zunächst hat über die Diskriminante , und die Gleichung insgesamt Lösungen, wenn
mit dem Legendre-Symbol . Es hängt die Größe wegen des quadratischen Reziprozitätsgesetzes ausschließlich von der Restklasse modulo ab. Der Schlüssel ist nun, über die eindeutige Primfaktorzerlegung die auf beliebige natürliche Argumente fortzusetzen mittels der Regel
Damit sind die vollständig multiplikativ, also gilt stets . Als Vektorraum kann man nun die Kollektion aller Abbildungen von der Gruppe der primen Restklassen modulo in die komplexen Zahlen definieren, also
Da die Gruppe endlich ist, ist endlichdimensional. Auf kann nun ein System von linearen Abbildungen (mit Primzahl) betrachtet werden:
Dabei verstehen sich die Reduktionen und modulo . Da man die als simultane Eigenwerte begreifen will, muss nun noch eine geeignete Funktion gefunden werden. Nach dem quadratischen Reziprozitätsgesetz ist die Wahl wohldefiniert. Mit der Multiplikativität der folgt[153]
- also
Also ist ein Eigenvektor von mit Eigenwert .
Der Modularitätssatz weitet dieses Prinzip auf kubische Gleichungen, genau genommen elliptische Kurven, aus. Auch hier treten Lösungsanzahlen als Eigenwerte zu bestimmten linearen Operatoren auf; dieses Mal sind es aber Hecke-Operatoren. Damit werden Charaktere durch Modulformen „ersetzt“, was hinsichtlich der darstellungstheoretischen Interpretation von Modulformen kein Zufall ist.
Der Modularitätssatz
Jeder elliptischen Kurve über mit Level kann eine L-Funktion zugeordnet werden, die als analytisches Objekt alle arithmetischen Eigenschaften kodiert. Diese besitzt eine Darstellung als Euler-Produkt:[154]
wobei die für Primzahlen mit good reduction gegeben sind durch und die Menge der Lösungen modulo bezeichnet. Für Primzahlen mit bad reduction wird eine ähnliche Definition gewählt.[155] Falls die Koeffizienten der Kurve keine ganzen Zahlen sind, muss dafür zunächst eine elementare Umformung über projektive Koordinaten vorgenommen werden.[156] Andrew Wiles und anderen gelang mit dem Beweis des Modularitätssatzes die Bestätigung der Aussage, dass zu einer ganzen Funktion fortgesetzt werden kann und einer Funktionalgleichung genügt: Tatsächlich korrespondiert mit einer Modulform von Gewicht 2, deren Level mit dem Führer der elliptischen Kurve identisch ist. Es gilt:
Formelhaft ergibt sich der Zusammenhang zwischen und via klassischer Mellin-Transformation:[157]
Die Funktionalgleichung lautet dann
wobei das Vorzeichen eine wichtige Rolle für die Arithmetik von (also der rationalen Punkte auf ) spielt. Beispielsweise verschwindet mit gerader/ungerader Ordnung in , falls den Wert bzw. annimmt.[158]
Der Beweis des Großen Fermatschen Satzes
Als eine besonders prominente Anwendung der Theorie der elliptischen Modulformen gilt der Beweis des Großen Fermatschen Satzes aus der Zahlentheorie.
Das bedeutet beispielsweise, dass eine positive Kubikzahl niemals in zwei positive Kubikzahlen zerfällt, weshalb es zum Beispiel niemals eine Gleichheit etwa zwischen
- und
geben kann.
Im Jahr 1993 präsentierte Andrew Wiles in einer Vortragsreihe am Isaac Newton Institute in Cambridge einen Beweis der Taniyama-Shimura-Vermutung (seit dem Beweis einfach Modularitätssatz), der, wenn korrekt, zugleich den großen Fermatschen Satz gelöst hätte. Bei der anschließenden Durchsicht durch Fachkollegen stellte sich jedoch heraus, dass der ursprüngliche Argumentationsgang eine schwerwiegende Lücke enthielt. In intensiver Zusammenarbeit mit seinem ehemaligen Schüler Richard Taylor gelang es Wiles im Jahr 1994, diese Lücke durch neue Ideen zu schließen. Damit war erstmals ein vollständiger und korrekt geprüfter Beweis verfügbar, der die jahrhundertelange offene Vermutung Fermats endgültig bestätigte.[159]
Das Argument von Wiles und Taylor ist hochkomplex und basiert auf tiefen Methoden der Zahlentheorie, insbesondere der Modulformen und der Galois-Darstellungen. Sein Kern lässt sich jedoch in einer vereinfachten Skizze darstellen, die die Grundidee als Beweis durch Widerspruch verdeutlicht:
- Angenommen, es existierten ganze Zahlen mit , die ein Gegenbeispiel zum großen Fermatschen Satz liefern, also . Aus diesen Daten lässt sich die sogenannte Frey-Kurve konstruieren,
Bereits 1986[160] hatte Gerhard Frey vermutet, dass eine solche Kurve nicht modular sein könne. Dies wurde 1990 durch eine präzise Argumentation von Jean-Pierre Serre und den Beweis von Kenneth Alan Ribet bestätigt.[161]
- Die Taniyama–Shimura-Vermutung (benannt nach Yutaka Taniyama und Gorō Shimura, teils auch nach André Weil) behauptet hingegen, dass jede elliptische Kurve über den rationalen Zahlen tatsächlich modular ist. Genau diesen Sachverhalt bewiesen Wiles und Taylor 1994 für eine hinreichend große Klasse elliptischer Kurven – darunter auch die Frey-Kurven – die damit nicht existieren können.
Da die Frey-Kurve zugleich nach Ribets Resultat nicht modular und nach Taniyama–Shimura modular sein müsste, ergibt sich ein Widerspruch. Die einzige Möglichkeit, diesen Widerspruch aufzulösen, ist, dass die Annahme eines Gegenbeispiels zum großen Fermatschen Satz falsch war. Damit ist der Satz bewiesen.
- Gerhard Frey vermutete, dass im Falle von die sog. Frey-Kurve nicht modular ist.
- Ken Ribet zeigte, dass Freys Vermutung zutrifft.
- Andrew Wiles zeigte, dass jede semistabile ellitpsche Kurve, auch alle Frey-Kurven, modular ist. Sein erster Beweis enthielt jedoch eine Lücke.
- Zusammen mit seinem Schüler Richard Taylor konnte Andrew Wiles die Lücke im Beweis schließen. Der Große Fermatsche Satz war damit bewiesen.
Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer
Nach dem Satz von Mordell-Weil ist die Gruppe der rationalen Punkte auf einer elliptischen Kurve endlich erzeugt. Nach der Klassifikation endlich erzeugter abelscher Gruppen gibt es also ein , der algebraische Rang von , sodass
wobei der Torsionsteil ist, also alle Punkte, die sich bei ständiger Addition mit sich selbst „im Kreis bewegen“.[162] Der analytische Rang der elliptischen Kurve definiert sich nun über die Nullstellenordnung von im Punkt .[163] Dieser wird auch als kritischer Punkt von bezeichnet. Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer besagt nun, dass analytischer und algebraischer Rang von identisch sind.[164] Der Modularitätssatz garantiert, dass sich die Funktion zu einer ganzen Funktion fortsetzt. Dies erlaubt die Formulierung der:
Kurz gesprochen besagt die Vermutung also, dass die Anzahl der rationalen Punkte auf durch das Verhalten von im Punkt kodiert ist.
Dichteste Kugelpackungen


Im Jahr 2016 gelang Maryna Viazovska ein spektakulärer Durchbruch: Sie löste unter Verwendung von Modulformen das klassische Problem der dichtesten Kugelpackung im 8-dimensionalen Raum. Dieses Problem, das bis dahin trotz vieler Teilergebnisse jahrzehntelang offen gewesen war, gehört zu den Grundfragen der diskreten Geometrie und Zahlentheorie. Viazovskas Ansatz gilt als Paradebeispiel dafür, wie hochentwickelte analytische Methoden zur Lösung sehr elementar formulierbarer kombinatorischer Probleme eingesetzt werden können. Für diese Leistung wurde sie 2022 mit der Fields-Medaille ausgezeichnet.[166]
Allgemein versteht man unter einer Sphärischen-Packung im -dimensionalen euklidischen Raum (mit Norm und Lebesgue-Maß ) eine Vereinigung von disjunkten Einheitskugeln um die Punkte einer diskreten Menge , d. h.
Ist die Menge ein Gitter, so spricht man von einer Sphärischen-Gitterpackung.
Die fundamentale Frage lautet, wie groß die Dichte einer solchen Packung höchstens sein kann, also welcher Anteil des Raumes asymptotisch von den Kugeln ausgefüllt wird. Für niedrige Dimensionen und waren optimale Lösungen seit Langem bekannt (hexagonale Packung bzw. Kepler-Vermutung), für höhere Dimensionen blieb das Problem jedoch weitgehend unzugänglich.
Viazovska konnte zeigen, dass für das Supremum über alle möglichen Kugelpackungsdichten exakt von der -Gitterpackung erreicht wird. Ihre Arbeit nutzt geschickt konstruierte Hilfsfunktionen, die zugleich analytische und modulare Symmetrien besitzen, und stellt damit eine tiefe Verbindung zwischen Analysis, Zahlentheorie und Geometrie her. Präzise gilt[167]
wobei der Wert auf der rechten Seite genau der Dichte der -Gitterpackung entspricht.
Das Langlands-Programm
Einen Ausgangspunkt für das Verständnis des Langlands-Programms bildet der klassische Satz von Kronecker-Weber. Er besagt, dass jede abelsche Erweiterung des Körpers der rationalen Zahlen in einem zyklotomischen Zahlkörper enthalten ist, wobei eine primitive -te Einheitswurzel bezeichnet. Anders gesagt: Alle abelschen Erweiterungen von lassen sich durch Hinzufügen geeigneter Einheitswurzeln über Unterkörper gewinnen. Damit entsteht eine erste „Brücke“ zwischen Zahlkörpern und speziellen analytischen Funktionen, hier der Exponentialfunktion über den Zusammenhang . Um die „analytische Seite“ dieses Resultates zu sehen, ist folgende Formulierung hinreichend. Für diese wird das Konzept der Dirichletschen L-Funktion[168] und der L-Funktion zu Galois-Charakteren ,
- ,
benötigt, wobei das Produkt über alle Primideale im Ganzheitsring von läuft, die Idealnorm und das Frobenius-Element bezeichnet.[169]

Das von Robert Langlands im Jahr 1967 in einem Brief an Weil[171] vorgeschlagene Programm verallgemeinert diese Beobachtung in umfassender Weise. Es vermutet eine Korrespondenz zwischen zwei auf den ersten Blick sehr verschiedenen Welten:
- der Theorie der Darstellungen von Galoisgruppen (bzw. allgemeiner Motive) auf der algebraischen Seite,
- und der Theorie der automorphen Formen (dazu gehören auch Modulformen) und ihrer L-Funktionen auf der analytischen Seite.
Die Grundidee ist, dass jede „geeignete“ Galois-Darstellung durch eine automorphe Form „erklärt“ wird – und dass die L-Funktionen auf beiden Seiten übereinstimmen.[171] Der Modularitätssatz für elliptische Kurven über , der im Beweis des großen Fermatschen Satzes eine entscheidende Rolle spielte, kann als ein Spezialfall dieses Prinzips verstanden werden: Die Galois-Darstellung, die aus den -adischen Torsionspunkten einer elliptischen Kurve entsteht, entspricht der automorphen Darstellung einer Modulform vom Gewicht 2.[172]
Das Langlands-Programm erhebt diesen Spezialfall zum universellen Prinzip: Jede arithmetisch definierte Struktur soll sich über eine automorphe Entsprechung analysieren lassen. Damit stellt es ein gewaltiges, noch längst nicht vollständig gelöstes Forschungsprogramm dar, das als eine Art „Große Vereinheitlichung“ der modernen Zahlentheorie gilt. Seine Konsequenzen reichen von der Klassifikation einfacher Gruppen und Darstellungen bis hin zu offenen Vermutungen über die Verteilung von Primzahlen und die Gestalt von L-Funktionen.
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Grundlegende Eigenschaften
Zusammenfassung
Kontext
Grundlegende algebraische Strukturen
Die Modulformen vom Gewicht bilden einen -Vektorraum (also ein Vektorraum über den komplexen Zahlen), ebenso die ganzen Modulformen und auch die Spitzenformen. Es sind folgende Notationen gebräuchlich:
- ist der Vektorraum der (meromorphen) Modulformen vom Gewicht zur vollen Modulgruppe,[173]
- ist der Vektorraum der ganzen Modulformen vom Gewicht zur vollen Modulgruppe,[174]
- ist der Vektorraum der Spitzenformen vom Gewicht zur vollen Modulgruppe,
- ist der Vektorraum der schwach holomorphen Modulformen vom Gewicht zur vollen Modulgruppe, d. h., es sind Polstellen in zugelassen.[175]
Offenbar gilt:
Das Produkt zweier Modulformen der Gewichte und ist eine Modulform des Gewichts , also gilt .[173] Selbiges gilt für Spitzenformen und schwach holomorphe Modulformen. Demnach hat man
als aufsteigende Kette graduierter Algebren. Dabei bezeichnet die direkte Summe. Die Spitzenformen können ferner als ein Ideal[62] im Ring aufgefasst werden, denn sie bilden den Kern des Ringhomomorphismus
der komponentenweise vollzieht, also jede Modulform auf ihren nullten Fourier-Koeffizieten sendet.
Die Valenzformel, Dimensionsformeln
Im Folgenden ist eine gerade, ganze Zahl. Wegen ihrer starken Transformationseigenschaften kombiniert mit der Theorie meromorpher Funktionen können restriktive Eigenschaften an die Null- und Polstellen von Modulformen gestellt werden. Unter Anwendung des Residuensatzes[176] ergibt sich die berühmte Valenzformel,[177] manchmal auch -Formel[178] oder Gewichtsformel[179] genannt:
Hierbei ist und es steht für die Ordnung der Funktion im Punkt . Im Falle kann man diese direkt an der Fourier-Entwicklung ablesen – der Index des ersten nicht-verschwindenden Koeffizienten definiert die Ordnung.[180] An Nullstellen ist diese positiv (und entspricht der Vielfachheit der Nullstelle), an Polstellen ist sie entsprechend negativ. Sie kann als ein Analogon zu den Liouvilleschen Sätzen aus der Theorie der elliptischen Funktionen gesehen werden.[181] Interpretiert man Modulformen des Gewichts ferner als sog. meromorphe k-Formen auf der Modulkurve , ist ein Beweis der Valenzformel auch über den Satz von Riemann-Roch möglich.[182]
Die Valenzformel hat weitreichende Konsequenzen – im Besonderen für die Theorie ganzer Modulformen. In diesem Spezialfall sind alle Ordnungen nicht-negativ, da nirgends Polstellen vorliegen. Eine direkte Konsequenz ist, dass es keine nichttrivialen ganzen Modulformen zum Gewicht und Gewichten zur vollen Modulgruppe geben kann, da es in etwa bei keine Kombination schafft, auf den Wert auf der rechten Seite zu kommen. Allgemein lassen sich mit der Valenzformel Dimensionsformeln für die bzw. ableiten.
Es gilt für gerade :[183]
Dabei steht für die größte ganze Zahl, sodass , siehe auch Gauß-Klammer. Die Tatsache, dass dies endlichdimensionale Vektorräume sind, ist einer der wesentlichen Gründe, weshalb die Theorie der (ganzen) Modulformen so bedeutend für die Zahlentheorie ist. Ein Grund für die Nützlichkeit von Modulformen in unterschiedlichsten Anwendung ist dabei insbesondere, dass sie zwar häufig unterschiedliche Beschreibungen in den verschiedensten Anwendungen haben, man aber sofort Verbindungen unter den Modulformen findet, da die Vektorräume von relativ kleiner Dimension sind.[184]
Struktursätze
Da durch die Multiplikation mit der Spitzenform (Diskriminante) vom Gewicht 12 ein Isomorphismus von nach gegeben ist, gilt[185]
Die Vektorräume für sind eindimensional und werden erzeugt von den und für zweidimensional, erzeugt von und mit den Eisensteinreihen .[186] Allgemein kann man zeigen, dass alle Elemente von durch Polynome in erzeugt werden, und dies sogar eindeutig:[187]
Es ist aber häufig nützlicher, Basen von Eigenformen der Hecke-Operatoren zu verwenden (Atkin-Lehner-Theorie). Zudem gilt stets die Zerlegung
- ,
d. h. jede Modulform kann auf eindeutige Weise als Summe einer (skalierten) Eisensteinreihe und einer Spitzenform geschrieben werden. Dieses Prinzip überträgt sich auch auf Kongruenzuntergruppen.[188]
Der Körper der Modulfunktionen kann indes genau beschrieben werden. Er ist gegeben durch
Somit ist jede Modulfunktion eine rationale Funktion in , und umgekehrt. Aus diesem Grund wird auch als „die“ Modulfunktion angesehen.[189]
Man kann mit dem Satz von Riemann-Roch Aussagen über die Dimension der Vektorräume der ganzen Modulformen und Spitzenformen zu Kongruenzuntergruppen machen.[190]
Wachstumsverhalten zum Rand der oberen Halbebene
Ist mit , so gilt[191]
gleichmäßig in , wenn . Für Spitzenformen kann dies verbessert werden. Ist sogar , so gilt
gleichmäßig in , wenn . Wichtig ist, dass selbst nichttriviale Spitzenformen keinesfalls beschränkt sind mit zunehmender Nähe von , da ihr Verschwinden nur in Umgebungen rationaler Zahlen (in der Topologie auf ) „bemerkbar“ wird.
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Hecke-Operatoren und Hecke-Theorie
Zusammenfassung
Kontext

Für die volle Modulgruppe lassen sich auf dem Vektorraum der Modulformen vom Gewicht die sogenannten Hecke-Operatoren definieren, benannt nach Erich Hecke. Diese Operatoren liefern eine Familie von kommutierenden, bezgl. des Petersson-Skalarproduktes (siehe unten) selbstadjungierten Endomorphismen mit tiefer arithmetischer Bedeutung.
Die Hecke-Theorie liefert eine kanonische Basis von Eigenformen mit arithmetisch bedeutenden Fourier-Koeffizienten. Ihre Koeffizienten sind multiplikativ und erfüllen gewisse Rekursionen. Damit schlägt die Theorie eine Brücke zwischen Modulformen, L-Funktionen und Galois-Darstellungen. Sie bildet zudem den Ausgangspunkt für die moderne Modultheorie in der Zahlentheorie, einschließlich des Langlands-Programms und des Beweises des großen Fermatschen Satzes.
Definition der Hecke-Operatoren
Für eine ganze Modulform vom Gewicht und für eine natürliche Zahl ist der Hecke-Operator durch[192]
definiert. Er schickt Spitzenformen auf Spitzenformen, kann also zu einem Endomorphismus eingeschränkt werden.[193] Zu beachten ist, dass auch vom Gewicht abhängt, diese Abhängigkeit aber oft nicht angezeigt wird, da sie sich meist aus dem Kontext ergibt.
In der Darstellung mittels Fourier-Reihen wirkt auf die Koeffizienten durch[194]
Eigenschaften
Die Hecke-Operatoren erfüllen eine Reihe an nützlichen und wichtigen Eigenschaften. Die Operatoren und kommutieren für alle : .[194] Ferner gilt die Multiplikativitätsrelation[194]
Insbesondere gilt für teilerfremde . Diese Relation lässt sich auch formal über ein Euler-Produkt ausdrücken:[195]
Für Primzahlen vereinfacht sich dies zu[196]
Hecke-Eigenformen
Eine Modulform heißt Hecke-Eigenform (oder kurz Eigenform), wenn sie simultan Eigenfunktion aller ist.[197] Für eine normierte Eigenform (d. h. ) gilt dann[198]
wobei die Fourier-Koeffizienten von sind (siehe oben).
Die Multiplikativitätsrelation der überträgt sich auf die Koeffizienten:[197]
Arithmetische Bedeutung
Die Hecke-Eigenwerte einer normierten Eigenform mit Primzahlen induzieren die Euler-Faktoren der zugehörigen L-Funktion:[199]
Es kann gezeigt werden, dass genau dann eine solche Produktentwicklung vorliegt, wenn eine normierte Hecke-Eigenform ist.[200]
Diese Euler-Produkte verbinden Modulformen mit der Zahlentheorie (z. B. Darstellung von Primzahlen, Verteilung der , Verknüpfung mit Galois-Darstellungen). Delignes Beweis der Weil-Vermutungen lieferte die scharfe Schranke
für Eigenformen und Primzahlen . Die Verteilung der Werte
im Intervall ist Gegenstand der Sato-Tate-Vermutung.
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Petersson-Skalarprodukt
Zusammenfassung
Kontext
Für Modulformen zur vollen Modulgruppe spielt das Petersson-Skalarprodukt eine zentrale Rolle. Ist eine Spitzenform vom Gewicht mit Fourier-Entwicklung
- und ebenso ,
so definiert man[201]
Hierbei bedeutet die komplexe Konjugation. Das Integral läuft über einen Fundamentalbereich der vollen Modulgruppe und konvergiert für Spitzenformen. Hans Petersson führte das Petersson-Skalarprodukt im Raum der Spitzenformen ein und machte diese damit zu einem Hilbertraum. Besonders wichtig ist, dass die Hecke-Operatoren selbstadjungiert bezüglich dieses Skalarprodukts sind, also[202]
Daraus folgt über elementare lineare Algebra, dass es eine orthogonale Basis von Hecke-Eigenformen gibt.[203] Eisensteinreihen sind bezüglich des Petersson-Skalarprodukts orthogonal zu den Spitzenformen. Dies kann zum Beispiel mit der Petersson-Koeffizietenformel eingesehen werden, siehe im Abschnitt zu Poincaré-Reihen.[204]
Die Norm einer Eigenform enthält tiefe arithmetische Informationen. Über Rankins Methode und spezielle Werte von L-Funktionen lassen sich diese Normen explizit berechnen (siehe unten). Damit verbindet das Petersson-Skalarprodukt die analytische Struktur der Modulformenräume mit den arithmetischen Eigenschaften ihrer Fourier-Koeffizienten.
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Poincaré-Reihen
Zusammenfassung
Kontext

Poincaré-Reihen, benannt nach Henri Poincaré, sind ein grundlegendes Werkzeug zur expliziten Konstruktion von Modulformen. Sie entstehen durch periodisches Fortsetzen einer einfach strukturierten Funktion über die volle Modulgruppe. Gleichzeitig verallgemeinern sie die Eisensteinreihen.
Definition
Für gerade, ganze Zahlen und definiert man die holomorphe Poincaré-Reihe[205]
wobei und die Untergruppe der Translationen ist. Der Summand ist so gewählt, dass er invariantes Gewicht hat.
Für konvergiert die Reihe absolut und definiert eine Spitzenform vom Gewicht . Sie können, wie auch die Eisensteinreihen, auf Kongruenzuntergruppen verallgemeinert werden.[204]
Es kann gezeigt werden, dass sie für Spitzenformen sind und den gesamten Raum aufspannen.[204]
Fourier-Entwicklung
Die Poincaré-Reihen besitzen eine explizite Fourier-Entwicklung der Form
Die Koeffizienten lassen sich durch Kloosterman-Summen und Bessel-Funktionen ausdrücken:
wobei das Kronecker-Delta bezeichnet und
- (mit )
die Kloosterman-Summe und die Bessel-Funktion ist.[204]
Petersson-Koeffizientenformel
Ein wesentliches Strukturmerkmal ist die Orthogonalität im Petersson-Skalarprodukt. Für jede Spitzenform gilt[204]
Damit erlaubt es die Familie der Poincaré-Reihen die Fourier-Koeffizienten beliebiger Spitzenformen direkt über das Skalarprodukt mit zu rekonstruieren. Auch für behält die Koeffizientenformel ihre Gültigkeit, was zeigt, dass Eisensteinreihen orthogonal auf den Spitzenformen stehen.[204]
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Eigenschaften der Fourier-Koeffizienten
Zusammenfassung
Kontext
Die Fourier-Entwicklungen von Modulformen zur vollen Modulgruppe enthalten arithmetisch bedeutende Koeffizienten. Es stellt sich die grundlegende Frage, wie groß diese Koeffizienten asymptotisch werden können. Die Situation unterscheidet sich deutlich zwischen Eisensteinreihen und Spitzenformen.
Für eine Eisensteinreihe
sind die Fourier-Koeffizienten (im Wesentlichen) durch die Teilerfunktionen gegeben. Mit elementaren Mitteln folgt sofort für [206]
Damit erhält man eine aus mathematischer Sicht sehr präzise Kontrolle über die Größenordnung der Koeffizienten der Eisensteinreihen.[207]
Für Spitzenformen ist die Lage subtiler. Bereits aus dem Verschwinden des konstanten Terms und der Orthogonalität bezüglich des Petersson-Skalarprodukts folgt eine nichttriviale obere Abschätzung der Koeffizienten. Mit Hilfe elementarer Fourieranalysis lässt sich die Schranke[208]
zeigen. Diese ergibt sich aus der Tatsache, dass gleichmäßig in angewendet auf das Integral
bei optimaler Wahl .[208]
Feinere Methoden führen weiter: Mit dem Petersson-Skalarprodukt und der Theorie der Bessel- und Kloosterman-Summen gelang es, nichttriviale Abschätzungen zu gewinnen. Etwa bewies Rankin 1939[209][210]
was zwar schwächer ist als Delignes scharfe Schranke, aber deutlich stärker als Heckes Abschätzung. Rankins Ergebnis wurde später durch Selberg (für alle ) auf
verbessert, wobei dieser von André Weil gegebene Abschätzungen von Kloosterman-Summen nutzte.[211] Diese sind gegeben durch[212]
und führen im Falle Primzahl mit zum berühmten Spezialfall
Den entscheidenden Fortschritt brachte Delignes Beweis der Weil-Vermutungen, der die scharfe Schranke
für die Fourier-Koeffizienten von Eigenformen an Primzahlen liefert. Daraus folgt allgemein
was asymptotisch sogar optimal ist.
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L-Reihen und L-Funktionen zu elliptischen Modulformen
Zusammenfassung
Kontext
Zu jeder ganzen Modulform
vom Gewicht zur vollen Modulgruppe lässt sich eine L-Reihe definieren. Diese wird auch als Hecke-L-Reihe bezeichnet.[213] Dieses Konzept spielt eine zentrale Rolle in der Zahlentheorie und bildet die Brücke zwischen der Theorie der Modulformen und der klassischen Theorie der Zetafunktionen. Von besonderem Interesse ist der Fall, wenn die L-Reihe ein Euler-Produkt besitzt. Nur[214] in diesem Fall spricht man auch von einer L-Funktion (siehe auch Selberg-Klasse).[215][216][217] Diese Unterscheidung (L-Reihe und L-Funktion) wird in der Literatur jedoch nicht immer einheitlich gehandhabt – gelegentlich wird in allen Fällen von „L-Funktion“ gesprochen.[218]
Definition
Die L-Reihe von wird durch die Dirichlet-Reihe
definiert. Da für die Fourier-Koeffizienten ganzer Modulformen gilt, wird diese Reihe für alle stets absolut und lokal gleichmäßig konvergieren, und dort eine holomorphe Funktion darstellen. Für Spitzenformen dehnt sich wegen des langsameren Wachstums der Koeffizienten der absolute Konvergenzbereich nach Hecke bis zu ,[219] und nach Deligne sogar bis nach .[220]
Ist eine normierte Hecke-Eigenform, so besitzt zusätzlich ein Euler-Produkt:[221]
In diesem Fall spricht man auch von einer Hecke-L-Funktion, oder kurz L-Funktion. Letzteres ist weniger spezifisch, da es auch L-Funktionen zu anderen Objekten als Modulformen gibt. Eine andere Darstellungsmöglichkeit ist
wobei die Werte und die Nullstellen des quadratischen Polynoms sind, und
erfüllen.[222]
Das Euler-Produkt bildet das Fundament für die zahlentheoretische Bedeutung der Hecke-Eigenformen.
Holomorphe Fortsetzung und Funktionalgleichung
Mit Hilfe der Mellin-Transformation lässt sich zeigen, dass eine meromorphe Fortsetzung auf die gesamte komplexe Ebene besitzt, die sogar holomorph in ganz ist. In hingegen besitzt höchstens einen einfachen Pol. Genau dann ist eine Spitzenform, wenn sich sogar zu einer ganzen Funktion fortsetzt.[223] Es gilt stets und für alle ganzen .[224]
Zudem gilt eine Funktionalgleichung. Man definiert dazu die vervollständigte L-Reihe
Diese erfüllt die Funktionalgleichung[225]
und ist auf sämtlichen Vertikalstreifen für beschränkt.[224]
Dies ist die exakte Analogie zur Funktionalgleichung der Riemannschen Zetafunktion.[226]
Der Beweis der Funktionalgleichung, hier exemplarisch für , wird traditionell mittels der Mellin-Transformation geführt.[227] Über die Entwicklung ergibt diese
Die Modularität liefert für die Relation . Zerlegt man das Integral bei 1 und substituiert im unteren Teil, so erhält man
Vergleicht man mit der Darstellung von , so folgt unmittelbar[228]
Der Umkehrsatz von Hecke
Der Hecke-Umkehrsatz besagt, dass jede Dirichlet-Reihe
die sich zu einer in ganz holomorphen Funktion fortsetzt mit einem einfachen Pol in , die entsprechende Funktionalgleichung oben erfüllt, und deren Vervollständigung auf sämtlichen Vertikalstreifen für beschränkt ist, tatsächlich von einer Modulform vom Gewicht zur vollen Modulgruppe stammt. Es gibt also eine ganze Modulform des Gewichts , sodass für alle , und ferner[225]
Damit ist der Umkehrsatz von Hecke die Brücke zwischen analytischen Eigenschaften einer L-Reihe und der Existenz einer zugrunde liegenden Modulform. Dieses Prinzip ist in verallgemeinerter Form ein Grundpfeiler des Langlands-Programms.
Beispiele
- Für die Diskriminante ergibt sich[229]
- Für Eisensteinreihen lassen sich die L-Reihen (bis auf Vorfaktor L-Funktionen) in Produkte klassischer Zetafunktionen zerlegen, zum Beispiel[230]
- wobei die -te Bernoulli-Zahl bezeichnet.
Manins Resultat über kritische Werte von L-Funktionen
Es bezeichnet
eine normierte Hecke-Eigenform vom Gewicht zur vollen Modulgruppe, mit Zahlkörper . Die ganzzahligen Stellen der zugehörigen L-Funktion sind die kritischen Werte, da diese nicht wegen eines Gammafaktors verschwinden müssen.[231]
Yuri Manin zeigte, dass es zwei von abhängige, positiv reelle Perioden gibt, so dass für alle kritischen Werte
und
wobei das Vorzeichen also allein durch die Parität von bestimmt ist (die beiden Familien geradzahliger bzw. ungeradzahliger teilen sich jeweils eine gemeinsame Periode).[232] Insbesondere sind daher alle Quotienten zweier kritischer Werte nach derselben Normalisierung algebraisch:
sofern .
Rankin–Selberg-Theorie
Zusammenfassung
Kontext

Die Rankin–Selberg-Theorie, benannt nach Robert Alexander Rankin und Atle Selberg, liefert eine Methode, um aus zwei Modulformen eine L-Funktion zu konstruieren und deren analytische Eigenschaften zu untersuchen. Sind
- und Spitzenformen vom Gewicht ,
so definiert man
Die zentrale Beobachtung ist, dass sich dieses Dirichlet-Reihenprodukt als Mellin-Transformation eines Integrals darstellen lässt. Es gilt die Identität[233]
wobei die Gammafunktion und die Untergruppe aller Translationen in der vollen Modulgruppe bezeichnet. Dadurch überträgt sich die analytische Fortsetzung und die Funktionalgleichung des Integrals auf . Ferner kann auf diese Weise gezeigt werden, dass die Reihe
für alle Werte absolut konvergiert, sich meromorph nach fortsetzen lässt, und in einen Pol erster Ordnung besitzt (sofern ). Besonders interessant ist dies für den Spezialfall , der zur klassischen Rankin-Zetafunktion[234]
korrespondiert. Schlüsselidentität ist
wobei im zweiten Schritt die Parsevalsche Identität
genutzt wurde. Zum Vertauschen von Integral und Summe dient der Satz von Lebesgue und die von Hecke bekannte, in gleichmäßige Abschätzung .[235] Aus der klassischen Schranke von Hecke ist die Konvergenz der Reihe im Streifen nicht zu folgern und somit hochgradig nichttrivial.[236] Ferner ist die Rankin-Zetafunktion eng mit der Norm im Petersson-Skalarprodukt verknüpft, nämlich über das Residuum in :[234]
Daraus ergibt sich eine Interpretation der Norm von Eigenformen in Bezug auf spezielle Werte von L-Funktionen.
Eine erste bedeutende Anwendung der Theorie stammt von Rankin aus dem Jahr 1939. Mit Hilfe eines technischen Satzes von Edmund Landau zeigte er[237]
wobei eine schwächere Aussage (ohne Fehlerterm) bereits mit einem Taubersatz gewonnen werden kann. Daniel Bump merkte an, man könne dies so interpretieren, dass die scharfe Abschätzung von Deligne „im Durchschnitt“ erfüllt sei.[238]
Eine weitere Anwendung ist die Eichler-Selberg-Spurformel. Sie liefert eine exakte Formel für die Spur der Hecke-Operatoren auf dem Raum der Spitzenformen vom Gewicht zur vollen Modulgruppe.[239]
Literatur
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Weblinks
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- Gabor Wiese, verschiedene Vorlesungen zu Modulformen
- The L-functions and modular forms data base
Anmerkungen
- Es sind in Wahrheit nicht völlig beliebig: Es soll die Diskriminante des Polynoms nicht Null sein.
Einzelnachweise
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