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politische Partei in Deutschland Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Bündnis 90/Die Grünen (Eigenschreibweise: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kurzbezeichnung: Grüne; auch als Bündnisgrüne, B’90/Grüne, B’90/Die Grünen oder Die Grünen bezeichnet) ist eine politische Partei in Deutschland. Ein inhaltlicher Schwerpunkt ist die Umweltpolitik. Leitgedanke „grüner Politik“ ist ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit.
Bündnis 90/Die Grünen | |
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Parteivorsitzende | Ricarda Lang Omid Nouripour |
Generalsekretärin | Emily May Büning Politische Bundesgeschäftsführerin |
Stellvertretende Vorsitzende | Pegah Edalatian-Schahriari Heiko Knopf |
Bundesgeschäftsführer | Ferenc Földesi Organisatorischer Bundesgeschäftsführer |
Bundesschatzmeister | Frederic Carpenter |
Gründung | 13. Januar 1980 (Die Grünen) 21. September 1991 (Bündnis 90) 14. Mai 1993 (Vereinigung) |
Gründungsort | Karlsruhe (Die Grünen) Potsdam (Bündnis 90) Leipzig (Vereinigung) |
Hauptsitz | Platz vor dem Neuen Tor 1 10115 Berlin |
Jugendorganisation | Grüne Jugend |
Zeitung | Das Magazin der Grünen |
Parteinahe Stiftung | Heinrich-Böll-Stiftung |
Ausrichtung | Grüne Politik Linksliberalismus[1] Europäischer Föderalismus[2] |
Farbe(n) | grün (HKS 60[3]) |
Bundestagssitze | 117/733 |
Sitze in Landtagen | 308/1892 |
Staatliche Zuschüsse | 29.689.661,41 € (2022)[4] |
Mitgliederzahl | 130.000 (Stand: Februar 2024)[5] |
Mindestalter | keines |
Durchschnittsalter | 48 Jahre (Stand: 31. Dezember 2019)[6] |
Frauenanteil | 42,4 % (Stand: 31. Dezember 2022)[7] |
Internationale Verbindungen | Global Greens |
Europaabgeordnete | 12/96 |
Europapartei | Europäische Grüne Partei (EGP) |
EP-Fraktion | Die Grünen/Europäische Freie Allianz (Grüne/EFA) |
Website | www.gruene.de |
In Westdeutschland und West-Berlin entstammt die am 12./13. Januar 1980 in Karlsruhe gegründete Partei Die Grünen der Anti-Atomkraft- und Umweltbewegung, den Neuen Sozialen Bewegungen, der Friedensbewegung und der Neuen Linken der 1970er-Jahre. Bei der Bundestagswahl 1983 gelang den Grünen der Einzug in den Bundestag und von 1985 bis 1987 stellten sie in einer rot-grünen Koalition in Hessen mit Joschka Fischer erstmals einen Landesminister. Nach der Wiedervereinigung scheiterten die westdeutschen Grünen bei der Bundestagswahl 1990 an der Fünfprozenthürde.
Zwei weitere Entwicklungslinien gehen auf die Bürgerbewegung in der DDR zurück. Die während der politischen Umbrüche im Herbst 1989 gegründeten Initiative Frieden und Menschenrechte, Demokratie Jetzt sowie das Neue Forum bildeten das Bündnis 90. Dieses zog bei der Bundestagswahl 1990 zusammen mit der zur Jahreswende 1989/1990 gegründeten Grünen Partei in der DDR, dem Unabhängigen Frauenverband und der Vereinigten Linken als Parlamentsgruppe in den Bundestag ein. Nachdem die Grüne Partei in der DDR schon unmittelbar nach dieser Wahl mit den westdeutschen Grünen fusioniert hatte, womit Die Grünen mit zwei ostdeutschen Abgeordneten im Bundestag vertreten waren, erfolgte die Vereinigung der Grünen mit dem Bündnis 90 erst am 14. Mai 1993. Vierte Entwicklungslinie war die am 5. Oktober 1978 gegründete Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz (AL), die als selbstständige Partei ab 1980 die Aufgaben eines Landesverbandes der Grünen unter eigenem Namen wahrnahm und ebenfalls am 14. Mai 1993 mit Bündnis 90 fusionierte.
Nach dem Wiedereinzug als Fraktion in den Bundestag 1994 waren Bündnis 90/Die Grünen von 1998 bis 2005 in einer rot-grünen Koalition erstmals an der Bundesregierung beteiligt. Von 2005 bis 2021 waren Bündnis 90/Die Grünen wieder Oppositionspartei im Bundestag; ehe die Grünen 2021 mit SPD und FDP eine Ampelkoalition auf Bundesebene eingingen. Zuletzt gelang es sowohl bei der Bundestagswahl 2021 als auch bei der Europawahl 2019, mit 14,8 % bzw. 20,5 % das jeweils beste Wahlergebnis in der Parteigeschichte zu erzielen.[8]
In Baden-Württemberg stellen sie seit Mai 2011 mit Winfried Kretschmann erstmals einen Ministerpräsidenten, der nach einer grün-roten seit 2016 einer grün-schwarzen Landesregierung vorsteht. Darüber hinaus sind die Grünen auf Landesebene an rot-grünen Regierungen in Hamburg und Niedersachsen beteiligt. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bilden die Grünen zusammen mit der CDU eine schwarz-grüne Koalition. Seit dem Jahr 2014 regieren die Grünen in Thüringen mit der Partei Die Linke und der SPD erstmals in einer rot-rot-grünen Koalition unter dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke). Außerdem sind die Grünen seit 2016 in einer Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz in der Regierung beteiligt. In Bremen regiert seit 2019 eine weitere rot-rot-grüne Koalition, jedoch unter SPD-Führung. In Sachsen und Brandenburg ist die Partei seit 2019 an Kenia-Koalitionen beteiligt. Insgesamt ist die Partei aktuell in 15 von 16 Landtagen vertreten und an 10 von 16 Landesregierungen beteiligt.
Die Grünen gelten als „Programmpartei“.[9] Dabei haben sie seit ihrer Gründung einen Wandel von radikalen ökologischen und pazifistischen Forderungen hin zu einer pragmatischeren inhaltlichen Ausrichtung vollzogen.[10] Diese Entwicklung vollzog sich, besonders in den ersten Jahren, nicht kontinuierlich. Waren die Programme zunächst von konzeptioneller Innovation und von einem diskursiven Argumentationsstil geprägt, radikalisierten sie sich verbal wie inhaltlich um 1986, um ab 1990 wieder zu konsolidieren.[11]
Als „grundlegende Alternative“[10] zu allen etablierten Parteien angetreten, betonten die Grünen in ihrem ersten Parteiprogramm von 1980 ihren Charakter als ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei.[12][13] Die sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen trugen erkennbar die marxistische Handschrift der aus den K-Gruppen zu den Grünen übergetretenen Ökosozialisten.[14] Zu diesen zählen die „Realos“ Winfried Kretschmann, Ralf Fücks, Krista Sager (alle Kommunistischer Bund Westdeutschland) oder Jürgen Trittin (Kommunistischer Bund). Lange bestimmten erbitterte Auseinandersetzungen zwischen „Fundis“ und den pragmatisch orientierten „Realos“ das Ringen um die inhaltlichen Grundlinien der Grünen.[10]
Nach der deutschen Einheit, dem Scheitern der westdeutschen Grünen an der Fünfprozenthürde bei der Bundestagswahl 1990 und der Vereinigung der Grünen mit der im Bündnis 90 zusammengeschlossenen Bürgerbewegung der DDR im Jahr 1993 kam es zu einer Neupositionierung von Bündnis 90/Die Grünen. Ein Zwischenschritt der programmatischen Entwicklung war der sogenannte „Grundkonsens“ von 1993,[15] in dem die westdeutschen Grünen und das Bündnis 90 als Grundlage ihrer Fusion ihre gemeinsamen politischen Grundüberzeugungen formuliert hatten und der seitdem der Parteisatzung vorangestellt war. Die ökologischen und außenpolitischen Forderungen wurden stärker an den Möglichkeiten der sozialen Marktwirtschaft sowie den veränderten Realitäten der internationalen Politik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ausgerichtet.[10] Im Laufe dieses Prozesses stand die Partei mehrfach am Rande einer Spaltung.[10] 1990/91 verließen zahlreiche, auch prominente Vertreter des linken Flügels die Partei, wodurch sich der programmatische Wandel beschleunigte. Erneute Zerreißproben gab es zur Zeit der rot-grünen Koalition 1998–2005 angesichts der militärischen Einsätze Deutschlands im Kosovo- und im Afghanistankrieg, des Kompromisses um den Atomausstieg und der Hartz-IV-Reformen. Nach 2005 rückten die Grünen ihr ökologisches Kernthema wieder stärker ins Zentrum und beschlossen 2008 mit dem Green New Deal ein Konzept, das das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie neu ausbalancieren und die ökologische Modernisierung vorantreiben sollte.[16]
„…zu achten und zu schützen… – Veränderung schafft Halt“ ist der Titel des aktuellen Grundsatzprogramms von Bündnis 90/Die Grünen.[17] Es wurde auf dem ersten rein digitalen Parteitag der Grünen im November 2020 mit großer Mehrheit beschlossen.[18] Es ersetzt das alte Grundsatzprogramm, das auf einer Bundesdelegiertenkonferenz im März 2002 in Berlin beschlossen worden war[19] und seinerseits an die Stelle des Bundesprogramms aus dem Jahr 1980 trat.[13]
Im aktuellen Grundsatzprogramm heißt es, ähnlich wie schon 2002: „Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit.“ Ausdrücklich wird betont, dass sich daraus der Grundwert der Ökologie ableite: „Die Umwelt zu schützen und zu erhalten, ist Voraussetzung für ein Leben in Würde und Freiheit.“ Allgemein weist das Programm folgende fünf Grundwerte aus: Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Demokratie und Frieden.[20]
Das vierte Grundsatzprogramm in der Geschichte von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN markiert laut Vorwort „den Eintritt in eine neue Phase der Partei: Es definiert eine Bündnispartei, die ein Angebot an die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite macht.“[21] Inhaltlich bestehen die Hauptunterschiede zum früheren Grundsatzprogramm in der Ablehnung von Volksentscheiden auf Bundesebene (stattdessen werden sog. „Bürgerräte“ gefordert), dem Bedingungslosen Grundeinkommen als „Leitidee“" der sozialen Sicherung und dem Bekenntnis zu einer „föderalen Republik Europa“ als langfristiger Perspektive.[22][23][24][25]
Während der Nachhaltigkeitsgedanke im Kern konservativ ist, stehen die Grünen gesellschaftspolitisch für linksliberale und kommunitaristische Konzeptionen und Positionen. Beispiele hierfür sind die von den Grünen angestrebte multikulturelle Gesellschaft, die Integration von Einwanderern, die Lesben- und Schwulenpolitik, insbesondere der Einsatz für die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft und die Öffnung der Ehe, sowie die Positionen zu Datenschutz, zur Informationsgesellschaft und zu Bürgerrechten. Der Gerechtigkeitsbegriff der Grünen betont über die Verteilungs-, die Chancen-, die Geschlechter- und die internationale Gerechtigkeit hinaus ganz wesentlich die Generationengerechtigkeit.[26]
Das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 mit dem Titel „Zeit für den grünen Wandel“ wurde im April 2013 ohne Gegenstimme, bei einer Enthaltung, angenommen.[27] Es markierte einen deutlichen Linksruck der Partei.[28] Die Grünen stützten ihre Forderung nach höheren Abgaben für Gutverdienende dabei weniger auf gesellschaftliche Umverteilungsgebote als auf ein universelles Nachhaltigkeitsgesetz.[29]
In einem Mitgliederentscheid bestimmten die Parteimitglieder im Juni 2013 aus dem Wahlprogramm die neun wichtigsten Schlüsselprojekte, die im Fall von Koalitionsverhandlungen vorrangig verhandelt werden sollten. Im Themenfeld „Umwelt und Energie“ räumte die Parteibasis dem Ziel, bis 2030 die Stromversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen, höchste Priorität ein. Es folgten die Forderung nach einem Ende der Massentierhaltung und einer Neudefinition von Wohlstandsindikatoren, die sich nicht mehr allein am Wirtschaftswachstum orientieren sollen. Aus dem Bereich „Gerechtigkeit“ votierten die Parteimitglieder für die Einführung von Mindestlöhnen, gefolgt von der Abschaffung der privaten Krankenversicherung zugunsten einer Bürgerversicherung für alle sowie einer Neuordnung der Finanzmärkte. Aus dem Themenfeld „moderne Gesellschaft“ wurde die Begrenzung der Rüstungsexporte als wichtigstes Projekt bestimmt, gefolgt von der Abschaffung des Betreuungsgelds zugunsten des Ausbaus von Kita-Plätzen sowie einer systematischen Förderung von Programmen gegen den Rechtsextremismus. Die Steuerpläne, die nach dem Programmparteitag in den Medien besonders kontrovers diskutiert wurden, wurden von den Mitgliedern nicht unter die Kernforderungen gewählt. Die Forderung nach Einführung einer Vermögensabgabe landete auf Rang vier, die nach niedrigen Steuern für Geringverdiener und Mittelschicht auf Rang fünf im Themenfeld Gerechtigkeit.[30] Im Vergleich mit der Wahl der Spitzenkandidaten, an der sich 62 % der Parteimitglieder beteiligten, fiel die Wahlbeteiligung beim Mitgliederentscheid mit 26,7 % der Parteimitglieder deutlich niedriger aus.[31]
Kerngedanke grüner Politik ist nachhaltige Entwicklung.[32] Der Umweltschutzgedanke durchzieht deshalb weite Teile des Programms von Bündnis 90/Die Grünen. Insbesondere die wirtschafts-, energie- und verkehrspolitischen Forderungen stehen in enger Wechselwirkung mit umweltpolitischen Überlegungen. Im Zentrum aller Überlegungen steht dabei die Klimaschutzpolitik.
Von Beginn an standen der sofortige Bau- und Betriebsstopp aller Atomkraftwerke, die Förderung von Alternativenergien sowie ein umfassendes Programm der Energieeinsparung im Vordergrund des grünen Programms.[33] Nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986 radikalisierten sich die grünen Forderungen und es kam zu einer Absage an realpolitische Kompromisse.[33] Mit der Neuorientierung nach 1990 kehrte die Partei wieder zu einem gemäßigteren Programm zurück, zudem drängten die Sorge über die globale Erwärmung und über das Ozonloch diejenige über die Atomenergie etwas in den Hintergrund.[34] Als enttäuschend empfanden viele Grüne die zahlreichen Kompromisse während der rot-grünen Regierungszeit 1998 bis 2005.
Im Programm zur Bundestagswahl 2013 formulierte Ziele der Energiewende waren vor allem der Ausstieg aus der Kohleenergie und eine vollständige Stromversorgung aus erneuerbaren Energien bis 2030.[35] Bis 2040 sollten auch Wärmeerzeugung und Verkehr weitgehend auf erneuerbare Energien umgestellt werden.[36] Eine Erhöhung der Strompreise sollte durch die Rücknahme der Sonderregelungen für stromintensive Unternehmen verhindert werden, zudem wurden arbeitsplatzschaffende Effekte im Bereich der erneuerbaren Energien erwartet.[37]
Ein ähnlich hoher Stellenwert wird der Verkehrspolitik eingeräumt. Utopische Beschlüsse, wie die auf dem Magdeburger Parteitag 1998 beschlossene Forderung, den Benzinpreis durch eine entsprechende Besteuerung auf fünf DM anzuheben, finden sich in den heutigen Programmen nicht mehr.[38] Dieser Beschluss hatte im Vorfeld der Bundestagswahl zu erheblichen Verlusten in Umfragen geführt, da er als Ausdruck einer Rückkehr der potentiellen Regierungspartei zum Fundamentalismus vergangener Jahre wahrgenommen wurde.
Nach den Vorstellungen von Bündnis 90/Die Grünen soll auf Landstraßen Tempo 80, auf Autobahnen Tempo 120 gelten. Der Anteil des Radverkehrs soll bis 2020 auf mehr als 20 % gesteigert werden.[35] Die Partei fordert eine Verkehrswende.[39]
Eine der konkreten Forderungen im Wahlkampf 2013 war, 10 % der öffentlichen Wälder als Schutzgebiete auszuweisen.[40] Im Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 fordern die Grünen, ab 2030 nur noch emissionsfreie Neuwagen zuzulassen.[41] Darüber hinaus sehen sie einen Mobilpass vor, mit dem die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs sowie Carsharing und Bikesharing zentral gebucht werden können.[42]
Lange waren die grundlegenden wirtschaftspolitischen Forderungen der Grünen kapitalismuskritisch und nach Ansicht einiger Autoren auch marxistisch orientiert.[33] So wurden die Ursachen der ökologischen Probleme im Wesentlichen in den Produktionsbedingungen und im Konsumverhalten des kapitalistischen Wirtschaftssystems verortet. Zu den klassischen sozialistischen Lösungsvorschlägen wie der Entflechtung der Großkonzerne kamen aber schon früh pragmatische, nichtmarxistische Ansätze hinzu, etwa ökologisch begründete Infrastrukturinvestitionen, Energiesteuern oder Spar- und Recyclingtechniken.[33] Nachdem Anfang der 1990er-Jahre die Partei ihre Positionen neu bestimmte, sind ausgesprochen sozialistische Wirtschaftsforderungen zugunsten liberaler Forderungen weitgehend aus dem Programm der Grünen verschwunden.[43]
Im Grundsatzprogramm von 2002 wird gefordert, das Wirtschaftssystem zu einer ökosozialen Marktwirtschaft (hier „ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ genannt) weiterzuentwickeln.[44] Man strebt an, „dass sich unsere Gesellschaft auf langfristige Ziele für eine Wirtschaftspolitik verständigt, die dem Markt klare ökologische Rahmenbedingungen setzt“ und tritt für eine „ökologische Weiterentwicklung unseres Steuer- und Finanzsystems“ ein. Zu den Prinzipien einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft gehöre, „dass die Gewinne des Einzelnen nicht auf Kosten der Gesellschaft erzielt werden dürfen“.[45] Man verlangt eine „Stärkung der Gesellschaft“ und grenzt sich dabei von „staatssozialistischen, konservativen wie marktliberalen Politikmodellen“ ab.[44] Die Globalisierung wird, zumindest in ihrer tatsächlichen heutigen Form, negativ beschrieben, die von Umweltzerstörung, einer zunehmenden Spaltung der Weltbevölkerung in Arm und Reich sowie von privatisierter, kommerzialisierter und terroristischer Gewalt gekennzeichnet sei.[46]
Zu den zentralen Forderungen der Grünen im Bundestagswahlkampf 2013 gehörten eine Schuldenbremse für Banken und die Begrenzung der Boni für Manager.[35]
In dem im Sommer 2019 veröffentlichten Klimaschutz-Sofortprogramm fordern die Grünen eine CO2-Bepreisung, die die Kosten der Klimaschäden abbildet.[47] Damit soll eine Abschaffung der Stromsteuer einhergehen.[48] Die Einnahmen sollen als Klimaprämie vollständig an die Bürger zurückgezahlt werden.[47]
„Wer das Klima schont, zahlt weniger ein als er rausbekommt und hat am Jahresende Plus gemacht. Wer das Klima schädigt, zahlt dafür. Das gilt auch für Unternehmen. Dadurch erhöhen wir den Anreiz, auf klimafreundliche Technologien umzustellen und in Erneuerbare Energien und Effizienz zu investieren.“
Im Grundsatzprogramm von 2020 bekennt man sich erneut zu einer ökosozialen Marktwirtschaft (nun „sozial-ökologische Marktwirtschaft“ genannt) und betont: „Die Wirtschaft dient den Menschen und dem Gemeinwohl, nicht andersherum.“ Hierbei könnten „Märkte […] ein mächtiges Instrument für ökonomische Effizienz, Innovation und technologischen Fortschritt sein.“[49]
In der Familienpolitik fordern die Grünen seit langem die Abschaffung des Ehegattensplittings und eine „moderne Individualbesteuerung“.[50] Die bisherigen Regelungen seien nicht mehr zeitgemäß: „Es fördert Ehen und nicht Familien.“[51] Des Weiteren wurde der zügige massive finanzielle Ausbau von Kindergartenplätzen bundesweit gefordert.
Im Wahlprogramm 2013 war ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro oder mehr bei gleicher Bezahlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft geplant.[35] Der Hartz-IV-Regelsatz für Langzeitarbeitslose sollte auf 420 Euro angehoben, Sanktionsregeln für Leistungsempfänger sollen entschärft und zunächst ausgesetzt werden.[36] Die Befristung von Arbeitsverhältnissen sollte ohne Sachgrund nicht mehr möglich sein, Minijobs sollten dadurch eingedämmt werden, dass bereits ab 100 Euro eine Sozialversicherungspflicht gelten sollte.[52]
Die Grünen wollten eine Garantierente von 850 Euro im Monat für diejenigen einführen, die 30 Jahre dem Arbeitsmarkt zur Verfügung standen oder Kinder betreut haben.[36] Die Grünen hielten an der Rente mit 67 fest, wollten sie aber durch Teilrente und einen leichteren Zugang zu abschlagsfreien Erwerbsminderungsrenten abfedern.[36] Eine Bürgerversicherung für alle sollte das derzeitige System von privater und gesetzlicher Krankenversicherung ersetzen.[52] Mietsteigerungen sollten bei Neuvermietungen oder Modernisierungen strenger begrenzt werden.[27]
Nach den im Programm zur Bundestagswahl 2013 formulierten Zielen sollten jährlich eine Milliarde Euro mehr für Hochschulen sowie 200 Millionen Euro für ein Erwachsenen-Bafög investiert werden. Das Betreuungsgeld sollte wieder abgeschafft werden.[35]
Bei weichen Drogen wie Cannabis wollen die Grünen den Eigengebrauch und den privaten Anbau entkriminalisieren sowie unter Berücksichtigung des Jugendschutzes eine legale Abgabeform über lizenzierte Fachgeschäfte ermöglichen. Auch der medizinische Einsatz von und die Forschung an Drogen soll nicht länger behindert werden. Die Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol durch das Führerscheinrecht soll ebenso beendet werden. Cannabis-Delikte ohne Zusammenhang zum Straßenverkehr dürften dann auch nicht mehr unaufgefordert und ohne Zustimmung der Betroffenen an die Führerscheinstelle übermittelt werden.[53]
Die Grünen streben an, die Vorsorge zum Leitprinzip der Gesundheitspolitik zu machen. Die Akteure im Gesundheitswesen sollen besser vernetzt werden, gerade auch durch eine bessere Digitalisierung.
Sie fordern mehr Unterstützung der Patienten bei Behandlungsfehlern und eine höhere Wertschätzung der Pflegeberufe, die sich nicht nur durch eine angemessene Bezahlung, sondern auch durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen auszeichnet.
Die Finanzierung soll durch eine Bürgerversicherung erfolgen, die Gesundheitsämter sollen gestärkt werden. In ländlichen Gebieten wünscht man sich zusätzliche Gesundheits- und Pflegezentren.[54]
Corona-Politik
Themen wie Gender-Mainstreaming oder Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern sind bei den Grünen bereits 1982 im Bundesprogramm umfänglich verankert.[57] Die Partei tritt seit 2013 für eine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen ein.[35]
Seit einem Parteitagsbeschluss im November 2015 ist geschlechtergerechte Sprache in allen Beschlüssen der Partei verbindlich; im „Regelfall“ solle das Gendersternchen verwendet werden, weil es inter- und transgeschlechtliche Personen nicht diskriminiere (Details).[58][59]
2017 begrüßen die Grünen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (Ehe für Alle).[60]
Zur Bundestagswahl 2021 wird im Grünen-Wahlprogramm eine Frauenquote von 33 % für die Vorstände von börsennotierter Unternehmen gefordert, 40 % für die Aufsichtsräte. Für Unternehmen im Besitz oder unter Beteiligung des Bundes soll die Frauenquote bei 50 % liegen, ebenso beim diplomatischen Dienst der Bundesrepublik. „Freiwillige Regelungen haben nichts gebracht“, erklärt das Wahlprogramm. Zur Verringerung des Gender-Pay-Gap wollen die Grünen ein Entgeltgleichheitsgesetz auf den Weg bringen, einschließlich des Verbandsklagerechts für Frauenverbände. Das „überholte Transsexuellengesetz“ müsse durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden.[61]
Bei Amtsantritt der Ministerin Renate Künast wurde 2001 das bisherige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft umbenannt. Damit sollte eine hohe Priorität für den Verbraucherschutz verdeutlicht werden. Unter anderem wurde im September 2001 das Bio-Siegel eingeführt, mit dem Erzeugnisse, die zu mindestens 95 % aus ökologischem Landbau stammen, gekennzeichnet werden. Der Agrarwende mit einer regional verankerten und ökologischen Landwirtschaft wird ein ähnlich hoher Stellenwert eingeräumt wie der Energiewende.
Eines der zentralen Anliegen im Bundestagswahlkampf 2013 war die Abschaffung der Subventionierung von Massentierhaltung.[35] Im Wahlprogramm gefordert wurde außerdem eine deutliche Besserstellung der Tiere in der Landwirtschaft sowie eine Reduktion der gehaltenen Tiere insgesamt durch verschiedene Maßnahmen. Hierzu gehören ein stark überarbeitetes Tierschutzgesetz sowie klare Verbote für schwerwiegende Eingriffe wie bspw. der betäubungslosen Ferkelkastration, dem Kupieren von Schwänzen oder Schnäbeln sowie dem Abschleifen von Zähnen.
Weitere Programmpunkte sind der Schutz gegen überhöhte Dispozinsen und Recht auf eigenes Girokonto.[62]
Breiten Raum nehmen die Bürgerrechte im Programm ein. Die Grünen wenden sich gegen zentralisierte und ungezielte Massenüberwachung, gegen jede Einschränkung der Versammlungsfreiheit sowie gegen jede Form der Aufweichung und Aushöhlung rechtsstaatlicher Standards im Strafrecht oder bei Strafverfahren.[63] Im Widerspruch zu diesen Grundsätzen stand unter anderem die Zustimmung der Grünen zu den sogenannten Anti-Terror-Gesetzen sowie zum Luftsicherheitsgesetz während der rot-grünen Koalition.
Bündnis 90/Die Grünen befürwortet uneingeschränkt das individuelle Grundrecht auf Asyl und sieht in der Einwanderung generell eine produktive Kraft.[64] Abgelehnt wird deshalb die Abschottung Europas als Wohlstandsinsel gegen die weltweit wachsenden Migrationsströme.
Im Wahlkampf 2013 forderten die Grünen die Abschaffung von V-Leuten beim Verfassungsschutz. Das Wahlalter sollte auf 16 Jahre abgesenkt werden.[35]
In der Netzpolitik wird eine Einschränkung der Freiheit im Internet von den Grünen strikt abgelehnt. Ein freies Internet für alle, finanziert über einen Unternehmensfonds, wurde im Bundestagswahlprogramm 2013 gefordert.[35]
Die Grünen setzen sich allgemein für eine stärker „wertebasierte Außenpolitik“ ein[65] anstatt einer rein ökonomisch orientierten Außenpolitik, bspw. für Demokratieförderung und feministische Außenpolitik.[66] So engagieren sie sich bspw. für einen härteren Kurs gegenüber der Volksrepublik China, unter anderem wegen der desaströsen Lage der Menschenrechte in China sowie zur Eindämmung der autoritären Supermacht.[67]
Die Grünen setzen sich für ein starkes Europa und eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa ein. Sie kritisieren die Rolle Erdoğans in der Türkei und fordern, dass die türkischen Beitrittsverhandlungen mit der EU auf Eis gelegt werden.[68] Im Grundsatzprogramm von 2002 wird die Europäische Union als der bisher weitreichendste Ansatz für eine verantwortungsvolle Staatengemeinschaft bezeichnet, sei jedoch zu sehr auf eine neoliberale Wirtschaftspolitik fixiert.[69] In ihrem Bundestagswahlprogramm 2013 warben die Grünen für ein demokratischeres Europa und eine solidarischere Flüchtlingspolitik.[27] Im Kampf gegen die Euro- und Finanzkrise soll die Haushaltskonsolidierung durch eine stärkere Finanzmarktregulierung und einen europäischen Schuldentilgungsfonds ergänzt werden.[36]
Eines der wesentlichen Merkmale der Grünen in ihren frühen Jahren war ihre starke Verankerung in der Friedensbewegung. In den 1980er-Jahren standen die Grünen der NATO-Mitgliedschaft Deutschlands ablehnend gegenüber. Im Bundesprogramm von 1980 forderten die Grünen noch die sofortige Auflösung der Militärblöcke in Westen und Osten.[70][13] Viele grüne Mitglieder nahmen an Protesten teil, die gegen die Lagerung von Atomwaffen der USA auf deutschem Boden gerichtet waren. Zu den maßgeblichen Aktivisten gegen Kernwaffen zählte Petra Kelly.
Diese Position wandelte sich im Laufe der 1990er-Jahre. Im Juni 1992 verlangte Daniel Cohn-Bendit den Militäreinsatz in Sarajevo.[71] Insbesondere unter dem Eindruck des Massakers von Srebrenica 1995 beteiligte sich Deutschland, nachdem Joschka Fischer 1998 deutscher Außenminister geworden war, am Kosovokrieg und am Krieg in Afghanistan. Die Bundesdelegiertenkonferenz in Bielefeld vom 13. Mai 1999 (siehe auch Rede Joschka Fischers zum NATO-Einsatz im Kosovo) führte zu Austritten des pazifistischen Flügels der Grünen.[72]
Als Regierungspartei trugen die Grünen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr mit. Kanzler Gerhard Schröder stellte am 16. November 2001 diesbezüglich die Vertrauensfrage im Bundestag.<